Mangelnde Ausbildungsreife! Was muss wie nachreifen? Vortrag beim ersten Werkstattgespräch Lösungswege zu Erlangung/Verbesserung der Ausbildungsreife in Waren an der Müritz am 27. Mai 2013 und Erwachsenbildung Abteilung für Sozialpädagogik der Leibniz Universität Hannover
Funktion des Konzepts Ausbildungsreife (vgl. Dietrich, Dressel, Janik & Ludwig-Meyerhofer, 2009, 330) Ausbildungsreife ist 1. Ziel pädagogischer (berufsvorbereitender) Maßnahmen 2. Voraussetzung für die Vermittlung von Bewerbern
Jugendliche ohne Ausbildungsreife: Verschiedene Zugänge (Klieme, Hartig et al., 2010; Klemm, 2010, Funke, Oberschachtsiek & Gieseke, 2010, 15) 18% PISA-Kompetenz < II (Alter: 15 Jahre) Tendenz fallend 15% Tendenz stabil Tendenz stabil 7,5% Schulabbrecher 2008 (Alter: 15 Jahre) Junge Erwachsene ohne Berufsausbildung 2007 (Alter: 20-29 Jahre)
Einmündung in Ausbildung nach Hauptschulabgang Klasse 9 (Kohlrausch & Solga, 2012, 767) Logistische Regressionen (1/0. Übergang). Durchschnittliche Marginaleffekte (733 Schüler insgesamt, 510 in Projektschulen) Prädiktoren Modell 1 Modell 2 (Referenz in Klammern) n=733 n=510 Projektklassen (Nein=Ref.) 0,12** Guter Abschluss 0,01-0,02 Schlechter Abschluss -0,03-0,02 kein Hauptschulabschluss -0,47** -0,42** Arbeitsverhalten=gut (mittel/schlecht) 0,17** 0,12** Anz. Paktikumswechsel 5 und mehr (0-2) -0,22** Angebot-Nachfrage-Relation (ausgeglichen) 0,01 Nagelkerkes R² 0,12 0,12
Übergänge (in %) nach Beendigung der Schulpflicht Mai 2000 in der Schweiz (Buchholz, Imdorf, Hupka-Brunner & Blossfeld, 2012, 715) Schweizer Schüler mit geringer und hoher Lese- Kompetenz in der Pisa-Studie 2000 (TREE-Daten) (n=1860) (n=3982)
Merkmalsbereiche der Ausbildungsreife (Nationaler Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs in Deutschland, 2006, 11) Schulische Basiskenntnisse Psychologische Leistungsmerkmale Physische Merkmale Psycholog. Merkmale des Arbeitsverhaltens und der Persönlichkeit Rechnen Schreiben - Lesen Wahrnehmen Denken - Behalten Körpermaße - Gesundheit Zuverlässigkeit Pünktlichkeit Lernmotivation - Durchhaltevermögen Berufswahlreife Selbstkenntnis - Berufskenntnisse
Ziele und Merkmale der Kriterienlisten (Nationaler Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs in Deutschland, 2006) - Die Merkmale sind entwicklungsabhängig, sie verändern sich mit dem Alter - Sie sollen zur Verständigung unter den Partnern im Ausbildungssystem dienen. - Sie sollen für die Arbeitsverwaltung Voraussetzung für die Vermittelbarkeit von Bewerbern sein. - Sie können als Zielgrößen pädagogischer Maßnahmen zur Berufsvorbereitung dienen. - Sie werden aus ausverschiedenen Datenquellen von Berufsberatern, Pädagogen, Betrieben, Ausbildern ermittelt.
Begriffsabgrenzungen (frei nach: Nationaler Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs in Deutschland, 2006, 3) Anforderungen Konzepte Merkmale Regionale Bedarfslage Marktsituation Betriebliche Einstellungskriterien Spezielle Anforderungen des Berufes Allgemeine Anforderungen, die für alle Lehrberufe relevant sind Vermittelbarkeit Berufseignung Ausbildungsreife Erscheinungsbild Auftreten Verhalten Tätigkeitsanforderungen Fähigkeiten Körpermerkmale Interessen Schulkenntnisse Persönlichkeit Arbeitsverhalten Belastbarkeit stabil veränderlich
Merkmalsbereiche der Ausbildungsreife 1 (aus: Nationaler Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs in Deutschland, 2006, 11) Merkmalbereiche Schulische Basiskenntnisse Psychologische Leistungsmerkmale Physische Merkmale Merkmale Rechtschreiben Lesen - mit Texten und Medien umgehen Sprechen und Zuhören Mathematische Grundkenntnisse Wirtschaftliche Grundkenntnisse Sprachbeherrschung Rechnerisches Denken Logisches Denken Räumliches Vorstellungsmögen Merkfähigkeit Bearbeitungsgeschwindigkeit Befähigung zur Daueraufmerksamkeit Altersgerechter Entwicklungsstand und gesundheitliche Voraussetzungen Wo ist der Unterschied zur Berufseignung?
Merkmalsbereiche der Ausbildungsreife 2 (Nationaler Pakt für Ausbildung, 2006, 11; Hilke, 2008, 128) Merkmalbereiche Psychologische Merkmale des Arbeitsverhaltens und der Persönlichkeit Berufswahlreife Merkmale Durchhaltevermögen und Frustrationstoleranz Kommunikationsfähigkeit Konfliktfähigkeit Kritikfähigkeit Leistungsbereitschaft Selbstorganisation/Selbständigkeit Sorgfalt Teamfähigkeit Umgangsformen Verantwortungsbewusstsein Zuverlässigkeit Selbstseinschätzungs- und Informationskompetenz
Selbsteinschätzung der Ausbildungsreife: Bewerberbefragung 2004 (aus: Eberhard & Ulrich, 2006, 42) Selbsteinschätzung absolut % Ich verfüge über alle wichtigen 553.100 78 Voraussetzungen für eine erfolgreiche Berufswahl Ich fühle mich zur Zeit 73.400 10 noch nicht ausbildungsreif Ich kann oder will hierzu 81.200 11 keine Aussage machen gesamt 707.700 100 10% der befragten Bewerber fühlten sich nicht ausbildungsreif Sie hatten keinen klaren Berufswunsch und haben sich wenig um eine Lehrstelle bemüht
Ausbildungsbeteiligung in % (DJI-Übergangspanel 2006) (Gaupp, Lex, Reißig & Braun, 2008. 23) N=1700 tel. befragte Jugendliche
Berufswahlreife als Vorläufer und Bedingung der Ausbildungsreife (Ratschinski, 2008) Erarbeitete oder erworbene Klarheit über berufliche Ziele und Ambitionen (berufliche Identität) schafft die motivationale Grundlage für angemessene Arbeitshaltungen. Ausbildungsreife Berufswahlreife Berufsorientierung
Kategorien und Konzepte der Berufswahlreife (Super, 1994; Crites, 1995, Marcia, 1981; Stoll et al., 2011, Hirschi, 2011, 2012) Super Crites Lent et al. Kategorien Einstellungen Einstellungen Überzeugungen Wissen Kompetenzen Erwartungen Konzepte Exploration Unabhängigkeit Selbstwirksamkeit Berufswissen Engagement Ergebniserwartung Entschiedenheit Selbsteinschätzung Interessen Planung Problemlösung Ziele
Berufswahlkompetenz und Laufbahn Adaptabilität (Savickas, 2005, Savickas & Profeli, 2011) Action Belief Competence Handlung Überzeugung Kompetenz concern Annäherung Optimismus Planungs- Gedankliche Vermeidung Resilienz kompetenz Beschäftigung Besorgnis control Planung Gewissenhaftigkeit Entscheidungs- Kontrolle Abwägung Kompetenzerleben kompetenz Verantwortung curiosity Informationssuche Offenheit, Interesse Informations- Neugier Exploration Informationsbereitschaft kompetenz Autonomie confidence Proaktivität Selbstwirksamkeit Problemlöse- Vertrauen Initiative Ergebniserwartung kompetenz Soziale Verbundenheit Erfolgs-Antizipation Häufigkeiten Übergänge - Definitionen - Kritik Alternativen Entwicklungen - Maßnahmeneffekte - Persönlichkeit
Empirisch zu überprüfende Fragen (Ratschinski, 2007) Sind die Merkmale 1. entwicklungsabhängig? Verändern sie sich im kritischen Alter? 2. Maßnahmen-sensitiv? Bilden sie Effekte pädagogischer Maßnahmen ab?
Berufswahlkompetenz Arbeitslosenzahlen Februar 2011 des Heidekreises (in Prozent) (aus: Bundesagentur für Arbeit Statistik, 2011; LSKA, 2010) alle 15-25jährige Heidekreis 8,5 9,3 Niedersachsen 7,7 6,9 Deutschland 7,9 6,6 Ausländeranteil 2009 (in %) Heidekreis 4,1 Niedersachsen 6,6 Deutschland 8,8 140.450 Einwohner auf 1874 km² = 75 Einwohner/km² und Erwachsenbildung
Berufswahlkompetenz Stichprobenentwicklung in drei Befragungswellen im Heidekreis (n=697 Haupt und Realschüler) Klassenstufe 7 8 9 10 gesamt Herbst 2010 499 654 645 484 2282 Frühjahr 2011 354 407 392 326 1479 Herbst 2011 215 223 259 697
Berufswahlkompetenz Entscheidungssicherheit bei der Berufswahl nach Klassenstufe (n=697 Haupt und Realschüler) Girls Day - Zukunftstag *** *** Betriebsbesichtigungen Praktika Berater Messe PACE
Berufswahlkompetenz Entwicklungen (Beispiele): Einstellungen zur Berufswahl nach Klassenstufe (n=697 Haupt und Realschüler)
Empirisch zu überprüfende Fragen (Ratschinski, 2007) Sind die Merkmale 1. entwicklungsabhängig? Verändern sie sich im kritischen Alter? 2. Maßnahmen-sensitiv? Bilden sie Effekte pädagogischer Maßnahmen ab?
Berufswahlkompetenz Projekt Regionalisierung und Dualisierung (AvDual) im Hamburg (aus: Wikipedia, 04. 05. 13: pers. Mitteilung HIBB, 14.5.13) 20 Berufsbildende Schulen in den sieben Stadtbezirken A: Mitte: 6 Schulen B: Harburg, Wandsbek Bergedorf: 7 Schulen C: Eimsbüttel, Altona Nord: 7 Schulen Kooperationspartner 57 Stadtteilschulen 23 Förderschulen ca. 6000 Betriebe
Berufswahlkompetenz Übergänge aus dem AvDual in Hamburg 2012 (n=2241; eigene Berechnungen nach Daten des HIBB Hamburg) 29% in Ausbildung 5% Beschäftigung 10% Berufsvorbereitende Maßnahmen 5% weiterführender Schulbesuch 21% 2. Jahr AvDual (oft Förderschüler) 19% Verbleib bekannt (Beratung etc.) 11% Verbleib unbekannt
Berufswahlkompetenz Stichproben-Merkmale der AvDual-Gruppen im Schuljahr 2011/2012 (n=86 männlich und 102 weibliche AvDual-Schüler) Merkmale Welle 1 Welle 2 Längsschnitt gesamt n=765 n=516 n=188 n=2241 Frauenanteil 43 52,6 54,3 39,6 Anteil Förderschüler 26,8 27,1 28,7 32,1 Anteil mit Hauptschulabschluss 54,2 48,9 51,4 45,6 Deutsche Staatsangehörigkeit 67 69 69,3 71,6 Anteil Migrationshintergrund 62,2 59,9 55,9 Einmündungsquote in Ausbildung 35,4 32,6 34 29
Berufswahlkompetenz Einmündung in Ausbildung (in %): Signifikante Unterschiede (n=142; 53 AvDual-Schüler mit Hauptschulabschluss, 42 Förderschüler) Χ²=6,44 p=.01 Χ²=5,5 p=.02
Berufswahlkompetenz Metakompetenzen der Berufswahlkompetenz (vgl. Savickas, 2011, Bimrose & Harane, 2012)) Berufswahl- Kompetenz Identität Adaptabilität Resilienz Implementierung des Selbst in Berufsrollen Anpassung an berufliche Entwicklungsaufgaben Verfügung von und Nutzung von Ressourcen
Berufswahlkompetenz Berufliche Identität nach Klassenstufe und AvDual-Maßnahme (n=697 Haupt und Realschüler; n=188 AvDual-Teilnehmer) Lehrstelle (n=64) t=-1,53, p=.13 Keine Lehrstelle (n=124) t=-0,95, p=.34
Berufswahlkompetenz Komponenten der Laufbahn-Adaptabilität (vgl. Savickas, 2011, Bimrose & Harane, 2012)) Laufbahn Adaptabilität.35/.39.82/.76.82/.72.55/.72 Concern Control Curiosity Confidence Informationsbereitschaft Laufbahnplanung Laufbahnwissen Ergebniserwartung
Berufswahlkompetenz Concern: Informationsbereitschaft nach Klassenstufe und AvDual-Ergebnis (n=697 Haupt und Realschüler; n=188 AvDual-Teilnehmer) t=-0,88, p=.38
Berufswahlkompetenz Control: Laufbahnplanung nach Klassenstufe und AvDual-Ergebnis (n=697 Haupt und Realschüler) t=-2,96, p=.004 t=-1,89, p=.06
Berufswahlkompetenz Curiosity: Laufbahnwissen nach Klassenstufe und AvDual-Ergebnis (n=697 Haupt- und Realschüler und 188 AvDual-Schüler) t=-4,18, p=.000 t=-1,67, p=.09
Berufswahlkompetenz Confidence: Ergebniserwartung nach Klassenstufe und AvDual-Ergebnis (n=697 Haupt- und Realschüler und 188 AvDual-Schüler) t=-2,95, p=.004 t=-0,71, p=.48
Berufswahlkompetenz Metakompetenzen der berufsbezogenen Resilienz (vgl. Hirschi, 2012, Judge et al, 2005) Laufbahn- Resilienz.91/.81.81/.72.56/.53 Allgemeine Resilienz Selbstwirksamkeit Selbstwertschätzung
Berufswahlkompetenz Resilienz (Beispiel): Berufswahlbezogene Selbstwirksamkeit (n=697 Haupt und Realschüler; n=188 AvDual-Teilnehmer) t=-1,87, p=.07
Empirisch zu überprüfende Fragen (Roberts et al., 2005, Bleidorn, 2012) Wodurch wird allgemein die Entwicklung der Persönlichkeit gefördert?
Ziele der Berufsausbildungsvorbereitung (aus: BMBF, 2005, 130)
Die Big Five der Persönlichkeit (Costa & McCray, 1991; dt. Bearb. Borkenau & Ostendorf, 1993) Ausprägung Faktor hoch niedrig EZ* ZZ* N Emotionale ausgeglichen erregbar 0,53 0,13 Stabilität E Extraversion gesellig schüchtern 0,56 0,28 O Offenheit für offen einseitig 0,54 0,34 Erfahrungen interessiert A Verträglichkeit umgänglich reserviert 0,42 0,19 C Gewissenhaftigkeit sorgfältig flüchtig 0,54 0,18 * ca 1000 Zwillingspaare
Reifung im frühen Erwachsenenalter (Roberts, Wood & Smith, 2005) Übernahme von Verantwortung in sozialen (Erwachsenen-) Rollen: Stabile Paar- Beziehungen eingehen Übernahme von Verantwortung für die Gemeinschaft Eintritt ins Berufsleben (Ausbildung) Verträglichkeit Gewissenhaftigkeit Emotionale Stabilität Soziale Dominanz = soziale Reifung
Ergebnisse des SOEP 2008: Prädiktoren der Einmündung in Ausbildung (Protsch & Dieckhoff, 2011) Prädiktoren Hauptschüler Realschüler (Modell 4 und Modell 8) n=140 n=258 Mathematiknote 1,42** 1,13 Fluide Intelligenz 1,03 0,99 1 Gewissenhaftigkeit 1,09 1,27** 2 Emot. Stabilität 0,77** 1,05 3 Extraversion 1,09 1,1 4 Verträglichkeit 1,18 1,16 5 Offenheit 1,24 0,81* Qualifizierung der Eltern 1,02 0,78 Eltern-Kind-Beziehung 1,4 1,06 Anteil Hauptschüler 1,46 1,09 Migrationshintergrund 1,09 0,59 Geschlecht (1=weibl) 0,89 0,71 Pseudo R² (McFadden) 0,07 0,19 Ergebnisse logischer Regressionen Erfassung Bis drei Jahre Nach Schulende
Grundbedürfnisse (Deci & Ryan, 1983:; Prenzel et al, 1998, 171) Autonomie Kompetenz Wahlmöglichkeiten Spielräume Rückmeldungen aus der Sache Informierendes Feedback Soziale Eingebundenheit Kollegialer Umgang Empathie
Zu guter Letzt Sind noch Fragen offengeblieben?