Kapitel 4. Folgen Körper der reellen Zahlen. Wir kennen schon den Körper Q der rationalen Zahlen: : a, b Z, b 0}. Q = { a b

Ähnliche Dokumente
Das Newton Verfahren.

,...) ist eine Folge, deren Glieder der Null beliebig nahe kommen. (iii) Die Folge a n = ( 1) n + 1 n oder (a n) = (0, 3 2, 2 3, 5 4, 4 5

Folgen und Reihen. Thomas Blasi

a 0, a 1, a 2, a 3,... Dabei stehen die drei Pünktchen für unendlich oft so weiter.

3.3 Konvergenzkriterien für reelle Folgen

KAPITEL 2. Folgen und Reihen

Vollständigkeit. 1 Konstruktion der reellen Zahlen

GRUNDLAGEN MATHEMATIK

6 Reelle und komplexe Zahlenfolgen

2 Folgen und Reihen. 2.1 Folgen in C Konvergenz von Folgen. := f(n)

Konstruktion der reellen Zahlen

Proseminar Analysis Vollständigkeit der reellen Zahlen

Lösungen zur Probeklausur zur Vorlesung Analysis I, WS08/09, Samstag, (Version A)

Zusammenfassung zur Konvergenz von Folgen

Analysis I für Studierende der Ingenieurwissenschaften

Häufungspunkte und Satz von Bolzano und Weierstraß.

Konvergenz einer Folge. 1-E1 Ma 1 Lubov Vassilevskaya

Kap. 10: Folgen und Reihen. Eine Funktion a : N Ñ R

Folgen und Reihen. Mathematik-Repetitorium

11. Folgen und Reihen.

1 Folgen und Stetigkeit

$Id: folgen.tex,v /05/31 12:40:06 hk Exp $ an 1 2 n 1 ist gerade, 3a n 1 + 1, a n 1 ist ungerade.

Rechenoperationen mit Folgen. Rekursion und Iteration.

Dem Anschein nach werden diese Zahlen kleiner und kleiner und streben gegen Null. Was sollen sie sonst auch tun? Aber der Begriff

Beispiel. Gegeben sei die Folge (a n ) n N mit. a n := n 2 + 5n + 1 n. Es gilt. (n 2 + 5n + 1) n 2 = n2 + 5n + 1 n) n2 + 5n n, woraus folgt

Einführung in die Analysis

Thema 3 Folgen, Grenzwerte

Folgen und Reihen. 1 Konvergenz

= (n 2 ) 1 (Kurzschreibweise: a n = n 2 ) ergibt die Zahlenfolge 1, 4, 9, 16, 25, 36,.

Kapitel 5 Reihen 196

Mathematik I. Vorlesung 7. Folgen in einem angeordneten Körper

Ferienkurs Analysis 1, SoSe Unendliche Reihen. Florian Beye August 15, 2008

3 Folgen, Reihen, Grenzwerte 3.1 Zahlenfolgen Definition: Eine Folge ist eine geordnete Menge von Elementen an (den sogenannten Gliedern ), die

Vollständigkeit; Überabzählbarkeit und dichte Mengen) Als typisches Beispiel für die reellen Zahlen dient die kontinuierlich ablaufende Zeit.

$Id: reihen.tex,v /06/12 10:59:50 hk Exp $ unendliche Summe. a 1 + a 2 + a 3 +.

Analysis 1, Woche 2. Reelle Zahlen. 2.1 Anordnung. Definition 2.1 Man nennt eine Anordnung für K, wenn: 1. Für jeden a K gilt a a (Reflexivität).

Kapitel 3. Konvergenz von Folgen und Reihen

4 Reelle und komplexe Zahlenfolgen

10 Aus der Analysis. Themen: Konvergenz von Zahlenfolgen Unendliche Reihen Stetigkeit Differenzierbarkeit

Die reellen Zahlen als Äquivalenzklassen rationaler Cauchy-Folgen. Steven Klein

Analysis I. Prof. Dr. H. Brenner Osnabrück WS 2013/2014. Arbeitsblatt 7. Übungsaufgaben. Aufgabe 7.1. Zeige, dass das Quadrieren

Mathematik für Naturwissenschaftler I WS 2009/2010

Höhere Mathematik I für die Fachrichtung Informatik. Lösungsvorschläge zum 4. Übungsblatt

ist streng monoton fallend.

Folgen und Reihen. Bernhard Ganter. Institut für Algebra TU Dresden D Dresden

7 KONVERGENTE FOLGEN 35. inf M = Infimum von M. bezeichnet haben. Definition. Sei (a n ) n N eine beschränkte Folge in R. Dann heißt.

Vollständigkeit der reellen Zahlen

Numerische Verfahren und Grundlagen der Analysis

Ferienkurs Analysis 1 - Wintersemester 2014/15. 1 Aussage, Mengen, Induktion, Quantoren

Kapitel 5 KONVERGENZ

Topologische Begriffe

Die Topologie von R, C und R n

Folgen und Reihen. Katharina Brazda 9. März 2007

Konvergenz von Folgen

$Id: folgen.tex,v /06/07 13:16:35 hk Exp $ n qn = 0.

Kapitel 5. Die trigonometrischen Funktionen Die komplexen Zahlen Folgen und Reihen in C

Analysis für Informatiker

Zusammenfassung der Vorlesung Einführung in die Analysis

n=1 a n mit reellen Zahlen a n einen

Vorkurs Mathematik. Übungen Teil IV

3. Folgen und Reihen. 3.1 Folgen und Grenzwerte. Denition 3.1 (Folge) Kapitelgliederung

Vorlesung Mathematik 1 für Ingenieure (Wintersemester 2015/16)

Zahlen und metrische Räume

b liegt zwischen a und c.

x k = s k=1 y k = y konvergent. Dann folgt (cx k ) = cx für c K. Partialsummenfolge konvergiert

5 Teilmengen von R und von R n

Kapitel 3. Folgen und Reihen. 3.1 Folgen

Zahlen und metrische Räume

4 Reelle und komplexe Zahlenfolgen

Mathematik II für Studierende der Informatik. Wirtschaftsinformatik (Analysis und lineare Algebra) im Sommersemester 2016

Folgen, Reihen, Potenzreihen, Exponentialfunktion

(b) Man nennt die Menge M beschränkt, wenn sie nach oben und unten beschränkt ist.

4. Weitere Eigenschaften der reellen Zahlen: Geordnete Körper

Kapitel V. Folgen und Konvergenz. V.1 Konvergenz von Zahlenfolgen

Die komplexen Zahlen

Konstruktion reeller Zahlen aus rationalen Zahlen

Kapitel V. Folgen und Konvergenz. V.1 Konvergenz von Zahlenfolgen

6 Reelle und komplexe Zahlenfolgen

Cauchy-Folgen und Kompaktheit. 1 Cauchy-Folgen und Beschränktheit

Folgen und Reihen. Folgen. Inhalt. Mathematik für Chemiker Teil 1: Analysis. Folgen und Reihen. Reelle Funktionen. Vorlesung im Wintersemester 2014

Analysis I. Guofang Wang Universität Freiburg

1 Axiomatische Charakterisierung der reellen. 3 Die natürlichen, die ganzen und die rationalen. 4 Das Vollständigkeitsaxiom und irrationale

Kapitel 4 Folgen und Reihen

WS 2009/10. Diskrete Strukturen

Kapitel 4. Folgen und Reihen. Josef Leydold Auffrischungskurs Mathematik WS 2017/18 4 Folgen und Reihen 1 / 38

Analysis 1 - Beweise, vollständige Induktion und Folgen

TECHNISCHE UNIVERSITÄT MÜNCHEN Zentrum Mathematik

Analysis I. 2. Übungsstunde. Steven Battilana. battilana.uk/teaching

Wenn man eine Folge gegeben hat, so kann man auch versuchen, eine Summe. a 0 + a 1 + a 2 +

Konstruktion der reellen Zahlen. 1 Der Körper der reellen Zahlen

Folgen und endliche Summen

20.4 Gleichmäßige Konvergenz von Folgen und Reihen von Funktionen

Mathematik I. Vorlesung 9. Die eulersche Zahl e

Folgen und Reihen. Kapitel Folgen und Grenzwerte

Vorlesung Mathematik für Ingenieure I (Wintersemester 2007/08)

Kapitel 4 Folgen, Reihen & Funktionen

5. Reihen. k=1 x k = s. Oft startet man die Folge/Reihe auch bei k =0oder einem anderen Wert. Für Konvergenzfragen macht das keinen Unterschied.

Vorlesung Mathematik für Ingenieure (WS 11/12, SS 12, WS 12/13)

MATHEMATIK FÜR NATURWISSENSCHAFTLER I WINTERSEMESTER 2016/ OKTOBER 2016

Transkript:

Kapitel 4. Folgen 4.1. Körper der reellen Zahlen Wir kennen schon den Körper Q der rationalen Zahlen: Q = { a b : a, b Z, b 0}. Die natürliche Ordnung auf Q ist eine totale Ordnung. Überdies gilt folgendes für alle x, y, z Q: x y x y, 0 z x + z y + z xz yz Man sagt, dass (Q, ) ein geordneter Körper ist. 1

Für die Zwecke der Analysis ist Q nicht geeignet. Bekanntlich bezeichnet x = 2 eine positive Zahl mit x 2 = 2. Allerdings kann x nicht rational sein! Satz. (ca. 500 v. Chr., Hippasus von Metapontum, Schüler von Pythagoras) Es gibt keine rationale Zahl x mit x 2 = 2. Es scheint, dass Q lückenhaft ist. Durch Übergang von Q nach R kann dieser Mangel behoben werden. 2

Wir charakterisieren den Körper R axiomatisch. (I) Angeordneter Körper: (R, ) ist ein angeordneter Körper, der (Q, ) als Teilkörper enthält. Dies bedeutet: Q R Die arithmetischen Operationen +,,, / von R, eingeschränkt auf Q, ergeben die arithmetischen Operationen von Q. Die Ordnung von R, eingeschränkt auf Q, ergibt die Ordnung von Q. 3

(II) Archimedisches Axiom: Für alle x R existiert n N mit x n. Um das entscheidende Vollständigkeitsaxiom zu formulieren, benötigen wir einige Begriffe. Seien a, b R mit a b. Das abgeschlossene Intervall [a, b] ist definiert durch [a, b]: = {x R: a x, x b}. 4

Eine Intervallschachtelung ist eine unendliche Folge von nichtleeren abgeschlossenen Intervallen I n = [a n, b n ] mit I 0 I 1 I 2... sodass die Länge von I n gegen Null konvergiert. Das bedeutet a n, b n R mit a n b n, a n a n+1, b n+1 b n für alle n N und lim (b n a n ) = 0. n Letzterer Grenzwertbegriff wird in Abschnitt 4.3 genau erklärt. 5

(III) Axiom von Cantor und Dedekind (19. Jh.): Zu jeder Intervallschachtelung (I n ) gibt es genau eine reelle Zahl x R, die in allen Intervallen I n liegt. Mit Hilfe dieses Axioms kann man z.b. zeigen, dass es für alle a R, a 0 ein eindeutiges x R mit x 2 = a gibt. Schreibweise x = a. Man kann damit auch zeigen, dass jede reelle Zahl beliebig gut durch rationale Zahlen approximiert werden kann. Später mehr dazu. Man kann zeigen, dass (R, ) durch die Axiome (I), (II), (III) im wesentlichen eindeutig charakterisiert ist. Man kann (R, ) auch explizit konstruieren und damit seine Existenz beweisen. Wir wollen das hier allerdings unterlassen. Veranschaulichung von R durch die reelle Zahlengerade. 6

Definition. (Absolutbetrag) Der Absolutbetrag von x R ist definiert als x falls x 0 x : = x sonst. Lemma. Für x, y R gilt (1) x 0. Es gilt x = 0 x = 0. (2) xy = x y, x y = x y falls y 0 (3) (Dreiecksungleichung) x + y x + y (4) x y x y 7

4.2. Körper der komplexen Zahlen Der Körper R hat noch einen Mangel. Nicht jede Polynomgleichung hat eine Lösung in R, z.b. x R x 2 = 1 Grund: x R x 2 0 (gilt in jedem geordneten Körper) Wir erweitern deshalb R zu einem Körper C, der diesen Mangel nicht mehr hat. Allerdings müssen wir dabei auf eine Anordnung verzichten. 8

Axiomatische Charakterisierung C ist ein Körper, der R als Teilkörper enthält C enthält eine imaginäre Einheit i C mit der Eigenschaft i 2 = 1 Jedes Element z C läßt sich schreiben als mit eindeutig bestimmten x, y R. x = Re(z) heißt Realteil von z, y = Im(z) heißt Imaginärteil von z. z = x + i y 9

Aus den Axiomen folgen die Rechenregeln: (x 1 + iy 1 ) + (x 2 + iy 2 ) = (x 1 + x 2 ) + i(y 1 + y 2 ) (x 1 + iy 1 ) (x 2 + iy 2 ) = (x 1 x 2 y 1 y 2 ) + i(x 1 y 2 + x 2 y 1 ) für x 1, x 2, y 1, y 2 R. "Gausssche Zahlenebene": Veranschaulichung der komplexen Zahl z = x + iy als Punkt der Ebene mit den kartesischen Koordinaten (x, y). Die Addition komplexer Zahlen entspricht der Vektoraddition. Geometrische Interpretation der Multiplikation später. 10

Definition. Sei z = x + iy C, x, y R. Der (Absolut)betrag von z ist definiert als z : = x 2 + y 2 Die zu z konjugiert komplexe Zahl ist definiert als z : = x iy. Bemerkung. z = z 11

Proposition. Die komplexe Konjugation C C, z z ist ein Ringhomomorphismus, d.h. (i) z 1 + z 2 = z 1 + z 2, z 1 z 2 = z 1 z 2 für z 1, z 2 C. (ii) Es gilt z = z für z R. (iii) z 2 = z z. 12

Formel für Inverse? Sei z C \ {0}. Dann z 2 = z z, also Also z 1 = Ausführlich: z z 2. z (x + iy) 1 = z z 2 = 1. x x 2 + y 2 i y x 2 + y 2. Beispiel. 1 + i = 2, (1 + i) 1 = 1 2 i 1 2 = 1 i 2. 13

Lemma. (1) z 0. Es gilt z = 0 z = 0. (2) z 1 z 2 = z 1 z 2, z 1 z 2 = z 1 z 2 falls z 2 0 (3) (Dreiecksungleichung) z 1 + z 2 z 1 + z 2 14

Bemerkung. Man kann C aus R konstruieren, indem man setzt C: = R 2 und die Ringoperationen so definiert (x 1, y 1 ) + (x 2, y 2 ) :=(x 1 + x 2, y 1 + y 2 ) (x 1, y 1 ) (x 2, y 2 ) :=(x 1 x 2 y 1 y 2, x 1 y 2 + x 2 y 1 ) Man kann dann nachrechnen, dass so tatsächlich ein Körper definiert wird. Satz. (Existenz der Quadratwurzel) Für alle z C existiert w C mit w 2 = z 15

4.3. Begriff des Grenzwerts Definition. Unter einer Folge komplexer Zahlen versteht man eine Abbildung N C, n a n von der Menge der natürlichen Zahlen N in die Menge der komplexen Zahlen C. Verschiedene Schreibweisen sind in Gebrauch: (a n ) n N, (a n ), oder a 0, a 1, a 2,.... Man nennt a n das Folgenglied zum Index n oder ntes Folgenglied. Manchmal beginnt die Folge mit dem Index 1 statt 0. 16

Betrachte die Zahlenfolge a 1 = 1, a 2 = 1 2, a 3 = 1 3,..., a n = 1 n,.... Keines der Folgenglieder a n ist Null, aber mit wachsendem Index n kommen die Folgenglieder a n immer näher an die Null heran. Man sagt: die Zahlen a n konvergieren (oder streben) mit wachsendem n gegen 0 und schreibt lim a n = 0 oder a n 0 (n ). n Wir müssen diesem einen präzisen Sinn geben! 17

Folgendes stellen wir fest: In jedes noch so kleine Intervall um 0 fallen alle Folgenglieder a n mit Ausnahme endlich vieler hinein. Tatsächlich gilt für jede Toleranz ɛ > 0, dass sobald n > 1 ɛ. a n < ɛ, Somit existiert für jede Toleranz ɛ > 0 eine Schwelle n ɛ (nämlich n ɛ = 1/ɛ ), so dass für jeden Index n n ɛ gilt, dass a n < ɛ. Dieser Sachverhalt lässt sich mittels Quantoren folgendermassen knapp aufschreiben: ɛ > 0 n ɛ n n ɛ a n < ɛ. 18

Definition. Eine Folge reeller (oder komplexer) Zahlen a n konvergiert gegen die Zahl a, falls ɛ > 0 n ɛ n n ɛ a n a < ɛ. Die Zahl a heisst Grenzwert der Folge, und man schreibt a = lim n a n. Folgen, die einen Grenzwert haben, heissen konvergent, andernfalls divergent. Bemerkung. Der Grenzwert einer Folge ist eindeutig bestimmt, falls er existiert. 19

Beispiel. 1. a n = ( 1) n ist divergent. 2. lim n ( 1) n /n = 0 (Oszillation) 3. Konstante Folgen sind konvergent. 20

Beispiel. (Geometrische Folge) Sei q C, q < 1. Dann gilt lim n qn = 0. Der Beweis beruht auf der sogenannten Bernoullischen Ungleichung Für h R, h > 1 und n N gilt: (1 + h) n 1 + nh. (Beweis mit Induktion nach n.) 21

Eine gegen Null konvergente Folge nennt man auch eine Nullfolge. Definition. Eine Folge (a n ) heißt beschränkt, falls es eine Schranke M gibt, so dass a n M für alle n gilt. Andernfalls heißt die Folge unbeschränkt. Bemerkung. Konvergente Folgen sind beschränkt. Analog wie oben zeigt man, dass die geometrische Folge (q n ) für q > 1 unbeschränkt ist. Insbesondere ist die geometrische Folge dann nicht konvergent. 22

Beispiel. Es gilt lim n n n = 1. 23

4.4. Rechenregeln für Grenzwerte Der folgende Satz besagt, dass man den Prozess der Grenzwertbildung mit den arithmetischen Grundoperationen vertauschen darf. Satz. Seien (a n ) und (b n ) konvergente Folgen mit den Grenzwerten a bzw. b. Dann gilt: 1. (a n + b n ) ist konvergent mit Grenzwert a + b. 2. (a n b n ) ist konvergent mit Grenzwert a b. 3. (a n /b n ) ist konvergent mit Grenzwert a/b, falls b 0. 24

Grenzwerte sind kompatibel mit der Ordnung der reellen Zahlen, wie der folgende Satz zeigt. Satz. Seien (a n ) und (b n ) konvergente, reelle Zahlenfolgen mit den Grenzwerten a bzw. b. Gilt a n b n für alle bis auf endlich viele n, dann folgt a b. 25

Nützlich sind ferner folgende, leicht zu beweisende Aussagen. Satz. 1. Gilt lim n a n = a, so folgt lim a n = a, n lim a n = a n 2. Gilt lim n a n = 0 und ist (b n ) beschränkt, so folgt lim n a n b n = 0. 3. (Eingabelung) Gilt a n x n b n für alle hinreichend großen n und lim a n = lim b n = x, n n so folgt lim x n = x. n 26

Definition. Eine Folge reeller Zahlen a n heisst uneigentlich konvergent gegen, wenn In Worten: M n M n n M a n > M. Für jede Schranke M gibt es eine Schwelle n M, so dass a n > M für alle Indizes n n M gilt. Man schreibt dann lim n a n =. 27

Beispiel. 1. lim n n =. 2. Die Folge (( 1) n n) ist nicht uneigentlich konvergent. Die Rechenregeln von vorher lassen sich bei geeigneter Festlegung des Rechnens mit dem Symbol auf uneigentlich konvergente Folgen erweitern. Wir gehen darauf nicht im Detail ein. Beispiel. Ist lim n a n = und (b n ) eine beschränkte Folge, so gilt lim n (a n + b n ) =. Wenn nicht ausdrücklich darauf hingewiesen wird, verstehen wir unter Konvergenz immer eigentliche Konvergenz. 28

4.5. Existenzsätze Bei den bisher behandelten Beispielen war der Grenzwert eine uns bereits bekannte Zahl. Die Fruchtbarkeit des Grenzwertbegriffes der Analysis beruht aber wesentlich darauf, dass wir durch Grenzwerte bekannter Größen neue Größen erfassen können. Dazu benötigen wir die einige fundamentale Existenzsätze. 29

Beispiel. Die Folge a n = ( 1) n + 1 n ist divergent. Die Folgenglieder a n häufen sich aber in der Nähe von 1 und 1. Definition. Eine Zahl a heisst Häufungspunkt einer Folge (a n ), wenn jede noch so kleine Umgebung von a unendlich viele Folgenglieder a n enthält. Dabei sagen wir, dass unendlich viele Glieder einer Folge (a n ) eine Eigenschaft E besitzen, wenn es zu jedem N ein n > N gibt, so dass a n die Eigenschaft E hat. 30

Beispiel. 1 und 1 sind die einzigen Häufungspunkte der Folge a n = ( 1) n + 1/n. Satz. Gilt lim n = a, so ist a der einzige Häufungspunkt der Folge (a n ). 31

Zurück zum Axiom für die Vollständigkeit der reellen Zahlen. Eine Intervallschachtelung ist eine Folge nichtleerer, abgeschlossener Intervalle I n = [a n, b n ] mit so dass lim n (b n a n ) = 0. I 0 I 1 I 2..., Wir postulieren das folgende Axiom von Cantor und Dedekind, welches anschaulich gesprochen ausdrückt, dass die reelle Zahlengerade keine Löcher hat. Axiom von Cantor und Dedekind. Zu jeder Intervallschachtelung (I n ) gibt es genau eine reelle Zahl a, die in allen Intervallen I n liegt. 32

Aus dem Axiom von Cantor und Dedekind folgern wir ein fundamentales Prinzip. Häufungsstellenprinzip von Bolzano und Weierstrass Jede beschränkte Folge reeller Zahlen besitzt mindestens einen Häufungspunkt. 33

Definition. Eine Folge reeller Zahlen a n heisst monoton wachsend falls a n a n+1 für alle n gilt. Satz. Jede monotone beschränkte Folge reeller Zahlen konvergiert. 34

Die Eulersche Zahl Als Anwendung für die Erzeugung einer nicht vornherein charakterisierbaren Zahl betrachten wir die Summe S n = 1 + 1 1! + 1 2! +... + 1 n!. Die Folge (S n ) ist offensichtlich monoton wachsend. Ausserdem ist sie beschränkt, denn S n < 1 + 1 + 1 2 + 1 2 2 +... + 1 2 n 1 = 1 + 1 1 1 1 2 2 n = 1 + 2 1 < 3. 2n 1 Gemäss dem vorigen Satz existiert der Grenzwert e := lim n S n. 35

Diese Zahl ( e := lim 1 + 1 n 1! + 1 2! +... + 1 ) n! 2.71828... heisst Eulersche Zahl und ist neben π die wichtigste Zahl in der Mathematik. Wir geben eine andere Charakterisierung der Eulerschen Zahl. Satz. Es gilt e = lim n (1 + 1 n )n. 36

Konvergenzkriterium von Cauchy Das folgende Cauchy-Kriterium garantiert die Konvergenz einer Folge unter Bedingungen, die sich überprüfen lassen, ohne dass man den Grenzwert kennt. Definition. Eine Folge (a n ) heisst Cauchyfolge, wenn ɛ > 0 n ɛ m, n n ɛ a m a n < ɛ. Anschaulich besagt dies, dass sich die Werte der Zahlenfolge nur noch in einem kleinen Spielraum bewegen können, der beliebig klein wird, wenn der Index genügend gross gewählt ist. 37

Das folgende Kriterium ist ein grundlegendes Werkzeug der Analysis. Satz. (Cauchy-Kriterium) Eine Folge (a n ) ist genau dann konvergent, wenn sie eine Cauchyfolge ist. 38

4.6. Landausche Symbole Zum Vergleich der Grössenordnung des Wachstums von Folgen verwendet man die folgende Notation. Def. (Gross Oh) Seien f, g : N C. Man schreibt falls N N C R >0 sodass f(n) = O(g(n)) (n ) n N f(n) C g(n) Diese nützliche Schreibweise wird in der theoretischen Informatik häufig verwendet (asymptotischer Vergleich von Rechenzeit, Speicherplatz etc. in Abhängigkeit der Eingabegrösse n). Indem man den Wert der Konstanten C ignoriert, vereinfachen sich Rechnungen oft erheblich. 39

Beisp. 1 2 n(n + 1) = O(n2 ) höchstens quadratisches Wachstum Beisp. Sei f(n) = 3n 3 2n + 7. Es gilt f(n) = O(n 4 ) f(n) = O(n 3 ) aber nicht f(n) = O(n 2 ) 40

Häufig verwendet man auch folgende Schreibweise f(n) = g(n) + O(h(n)) (n ) Dies drückt folgendes aus: es gibt eine Funktion k : N C mit f(n) = g(n) + k(n) für n N und k(n) = O(h(n)) (n ) Beisp. 1 2 n(n + 1) = 1 2 n2 + O(n) 41

Def. (klein Oh) Seien f, g : N C. Die Schreibweise bedeutet lim n f(n) g(n) = 0 f(n) = o(g(n)) (n ) Beisp. n = o(n 2 ) 1 2 n(n + 1) = 1 2 n2 + 1 2 n = 1 2 n2 + o(n 2 ) mit einer ähnlichen Interpretation wie oben n + 3 n = n + o(n) n log n = o(n 2 ) (vgl. später) 42

Die Schreibweise f(n) = O(g(n)) ist eine obere Abschätzung des Wachstums von f. Eine untere Abschätzung wird wie folgt geschrieben. Def. (Gross Omega) Seien f, g : N C. Die Schreibweise f(n) = Ω(g(n)) (n ) bedeutet: N N c R >0 sodass n N f(n) c g(n) Bem. f(n) = Ω(g(n)) ist äquivalent zu g(n) = O(f(n)) 43

Def. (Theta) Seien f, g : N C. Die Schreibweise f(n) = Θ(g(n)) (n ) bedeutet f(n) = O(g(n)) und g(n) = O(f(n)) (n ) Beisp. 1 2 n4 3n 3 + 5n 2 7n 1 = Θ(n 4 ) Es werden später mehr Beispiele folgen (mit Logarithmusfunktion etc.) 44