Warum stürzen alte Menschen? Claudine Geser Leitende Ärztin Klinik für Akutgeriatrie
Ziele Risikofaktoren erkennen Bedeutung erkennen von Gang- und Gleichgewicht Medikamente überprüfen Orthostatische Hypotonie suchen
Ein typischer Fall Die Patientin kann sich an das Sturzereignis nicht erinnern. Da sie das Telefon nicht abgenommen habe, kamen die Angehörigen direkt vorbei und fanden sie im Badezimmer liegend vor. Auf der chirurgischen Klinik wurde gleichentags die Femurfraktur mittels einer dynamischen Marknagelung versorgt.
Stürze im Alter - Epidemiologie 1/3 der zu Hause lebenden über 65-jährigen stürzt 1x/Jahr 1/2 davon stürzt wieder innerhalb der folgenden 6 Monate Sturz ist Hauptunfallursache bei >65j Sturz ist an 5. Stelle als Todesursache bei >65j
Sturzfolgen Sturzangst 30-50% Kleinere Verletzungen 30-55% Ärztliche Behandlung 11-25% Frakturen 4-6% Femur Becken Distaler Vorderarm, Humerus Schädel Spitaleinweisung 2-3% King MB, 1995; Six P 1992
Komplikationen Erhöhtes Risiko einer Institutionalisierung Erhöhtes Sterberisiko 25 57% der Patienten erreichen nicht wieder die Funktionalität vor der Hüftfraktur Rubenstein LZ, Med Clin North Am, 2006
Risiko: nicht beachtete Stürze Patient erzählt nichts davon Keine Verletzung Der Untersucher fragt nicht danach das gehört zum normalen Altern Behandlung der Sturzfolgen aber keine Suche nach der Aetiologie
Sturz - Risikofaktoren Intrinsische Faktoren Alter, chronische Erkrankungen, Kraft, Gleichgewicht, Gang, Schwindel, Kognition, Visus Extrinsische Faktoren Böden, Schuhe, Beleuchtung, Hindernisse Falsche Hilfsmittel Medikamente Verhalten Transfer, Treppensteigen
Risikofaktoren für Stürze (OR) Muskuläre Schwäche x 4.4 Stürze in Anamnese x 3.0 Gangstörung x 2.9 Gleichgewichtsstörung x 2.9 Benützung von Gehhilfen x 2.5 Sehstörung x 2.5 Arthrose x 2.4 Depression x 2.2 Kognitive Einschränkung x 1.8 Guideline for Prevention of Falls, J Am Ger Soc, 2001
Risikofaktoren potenzieren sich
Sturzursachen 10% 90% monokausal multifaktoriell
Multifaktorielle Sturzursachen
Wird mein Patient stürzen? Gang- und Gleichgewichtsstörung Medikamente Orthostatische Hypotonie Visus Einschränkungen Funktionelle Einschränkungen ADLs Kognition Ganz DA et al, JAMA 2007;297:77
Wo stürzt mein Patient? Zu Hause Gebrechliche Ältere Funktionelle Einschränkungen Inaktive Lebensgestaltung Draussen Aktiver Lebensstil Durschnittlicher oder überdurchschnittlicher Gesundheitszustand Kelsey JL et al J Am Ger Soc 2010; 58:2135
Gehen Motorik Sensorische Kontrolle Kognitive Funktionen
Physiologische Änderungen Veränderungen der Posturalen Stabilität und des Blutdrucks Verminderter proprioceptiver Input Langsamere Stellreflexe Verminderte Kraft Zunahme der posturalen Schwankungen Veränderungen des Gangbildes Vermindertes Abheben der Füsse Breitbasigeres Gangbild, kurzschrittig Pathologien welche eine Instabilität begünstigen Nykturie Kognitive Veränderungen
Stops walking while Talking - Dual Task Aufmerksamkeit Lundin-Olsson L, Lancet, 1997
Häufigste Gangstörungen Sensorische Defizite Polyneuropathie Bilaterale Vestibulopathie Visusminderung Neurodegeneration Parkinson-Syndrome Zerebelläre Ataxie Demenz Andere Vaskuläre Enzephalopathie Normaldruckhydrocephalus Ängstliche Gangstörung (Postfall Syndrom) Toxisch (Medikamente) Jahn et al, Deutsches Ärzteblatt, 107, 2010
Das Gleichgewicht
Chronische Erkrankungen Parkinson Rigidität der Muskeln der Beine Schwankungen können nicht schnell korrigiert werden Hypotonie als Nebenwirkung der Medikamente Eventuell Kognitionsminderung Arthrose Mobilitätseinschränkung eingeschränkte Fähigkeit über Objekte zu laufen Posturale Stabilität eingeschränkt
Visus Sehschärfe, Kontrastsehen, Gesichtsfeld Katarakt Maculadegeneration Nicht-Tragen von Bifokalbrillen während «outdoor Aktivitäten» reduziert Sturzrisiko bei > 80-jährigen um 8% www.medscape.com/viewarticle/530538_3
Medikamente Anzahl n >4 Änderungen in der Dosierung Psychotrope - Neuroleptika - Anxiolytika (Dosierung, HWZ) - Antidepressiva, SSRI Woolcott JC, Arch Intern Med 2009
Risiko durch Medikamente Benommenheit Schwindel Hypotonie Extrapyramidale Symptome Ataxie und Gangstörung Sehstörungen Osteoporose Blutungsrisiko Cadario B and BC Falls and Injury Prevention Coalition
Meta-Analyse: Antidepressiva und Benzodiazepine Antidepressiva OR 1.68 Benzodiazepine OR 1.57 Woolcott J, Arch Int Med 2009
Tägliche SSRI Einnahme Frakturrisiko Hazard rate 2 (1.3-3.1) Sturz Odds ratio 2.2 (1.4-3.5) Richards JB et al, ArchIntMed: 2007
Medikamente bei Stürzen Stürzer n >4 Medikamente Mehr Schlafmedikamente, Antidepressiva Mehrfach Stürzer Doppelte Menge Schlafmedikamente/Antidepressiva Mitchell RJ et al J of Safety Research, 2013
Blutdruck und Stürze Orthostatische Hypotonie Risiko für rezidivierende Stürze Antihypertensiva OR 1.24 Klein et al, BMC Geriatrics 2013 13:50, Woolcott J, Arch Int Med 2009
Sturz als demaskierendes Zeichen einer akuten Erkrankung Infekt, orthostatische Hypotonie, Arrhythmie einer chronischen Erkrankung Parkinsonismus, Demenz, diabetische Neuropathie des Fortschreitens von Veränderungen Visus, Kraft, Gang
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