Deutscher Bundestag Drucksache 17/12558 17. Wahlperiode 27. 02. 2013 Entschließungsantrag der Abgeordneten Elvira Drobinski-Weiß, Willi Brase, Petra Crone, Petra Ernstberger, Iris Gleicke, Gabriele Groneberg, Ulrich Kelber, Ute Kumpf, Thomas Oppermann, Holger Ortel, Heinz Paula, Dr. Wilhelm Priesmeier, Kerstin Tack, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und FDP Drucksachen 17/11818, 17/12527 Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches sowie anderer Vorschriften Der Bundestag wolle beschließen: I. Der Deutsche Bundestag stellt fest: 1.DerPferdefleisch-undderHühnereiskandalzeigen:DieVerbraucherpolitik derbundesregierungschütztdieverbraucherinnenundverbrauchernicht wirksamvorlebensmittelskandalen.stattdessenzeigtdiebundesregierung auchbeidiesemskandaleinbekanntesmuster:diezuständigebundesministerinfürernährung,landwirtschaftundverbraucherschutzlegteinen NationalenAktionsplanvor,derjedochentwederPrüfaufträgeenthältoder plötzlichmaßnahmenfordert,diediebundesregierungnochvorkurzemabgelehnt hat. StattlediglichaufdenkonkretenSkandalbezogeneKonsequenzenzuerwägen,mussdieBundesregierungendlichstrukturelleÄnderungenvorschlagen, umdieverbraucherinformation,diequalitätderlebensmittelketteunddie LebensmittelüberwachungzuverbessernundsodasRisikovonweiteren Lebensmittelskandalen zu minimieren. 2.ErforderlichistzunächsteineOffenlegungderbehördlichenUntersuchungsergebnisse.TransparenzistnichtnurimHinblickaufgleicheWettbewerbsbedingungenfürredlicheAnbieterunverzichtbarundsolldeneinzelnenLebensmittel-undFuttermittelunternehmernochstärkerundkontinuierlicher alsbisherdazuveranlassen,seinenbetriebimeinklangmitdenlebensmitteloderfuttermittelrechtlichenvorschriftenzubetreiben.transparenzistauch fürdiedemokratieselbstkonstitutiv.dasvertrauenindiefunktionsfähigkeit desdemokratischenrechtstaatssinkt,wennbürgerinnenundbürgerüber PferdefleischfundeinFertiggerichtenundDönerspießennichtdurchdie Behördenselbstinformiertwerdenkönnen,sondernaufdieteilweiselückenhaften Informationen der Anbieter und Handelsketten angewiesen sind.
Drucksache 17/12558 2 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode NachdemdieBefugnisnormzurInformationderÖffentlichkeitin 40des Lebensmittel-undFuttermittelgesetzbuches (LFGB)indenletztenJahren infolgevonlebensmittelskandalenbereitsdreimalüberarbeitetwurde,ist einestrukturellereformdesrechtsderverbraucherinformationmitdem ZieleinerOffenlegungallerbehördlichenUntersuchungsergebnisseüberfällig. 3.Kurzfristigistzunächst 40LFGBzuändern.DerBundesrathatinseiner Stellungnahmevom1.Februar2013dazuVorschlägegemacht,denendie BundesregierungnochwenigeTagevordemPferdefleischskandalinihrer Gegenäußerung (vgl.bundestagsdrucksache17/12299,s.9)nichtgefolgtist. LautdemNationalenAktionsplansolldasVerbraucherinformationsrechtjetzt rechtssicher,praxistauglichundangemessen [ ]optimier[t] werden.bei diesenvorsichtigenformulierungenliegtdiebefürchtungnahe,dassdie BundesministerinIlseAignerWirtschaftsinteressennachgebenwird.Die FraktionderSPDforderteineOffenlegungallerbehördlichenUntersuchungsergebnisse. NurwennTäuscherundBetrügerAngsthaben,öffentlich genannt zu werden, wird sich etwas ändern. 4.Rückverfolgbarkeitistessentiell,umQualitätzugewährleisten,Betrügerzu entlarvenundbeilebensmittelkrisenschnellreagierenzukönnen.bisher dokumentierenvielelebensmittelunternehmerdiehandelsströmelediglich einestufevorundeinestufezurück.daserschwertdiearbeitderlebensmittelkontrolleureundermöglichtesbetrügern,dieherkunftvonlebensmittelnzuverschleiern.dieunternehmenstehennachdenbestimmungender EU-BasisverordnungzumLebensmittelrecht (Verordnung (EG)Nr.178/2002) jedochinderpflicht,verfahrenundsystemezurstufenübergreifendenrückverfolgungbereitzustellen.diewirtschaftsbeteiligtenmüssensichgegenseitig kontrollieren,undlebensmittelmüssenlückenlosrückverfolgbarsein,damit mangelhafteprodukteaufallenproduktionsstufenschnellidentifiziertund vommarktgenommenwerdenkönnen.dielieferkettemussfürdiekontrolleuretransparentwerden,undzwarnichtnurübereine,sondernüberalle Handelsstufen hinweg. Man braucht eine wirkliche Rückverfolgbarkeit. 5.NochletztesJahrhatesdieBundesministerinfürErnährung,Landwirtschaft undverbraucherschutz,ilseaigner,aufeu-ebeneabgelehnt,sichfüreine HerkunftskennzeichnungvonverarbeitetenLebensmittelnundvonFleisch undmilchprodukteneinzusetzen.diefraktionderspdbegrüßt,dassgenau dies im Nationalen Aktionsplan nun vorgeschlagen wird. 6.DerGesetzentwurfderBundesregierungenthältkeinenVorschlagzurEinführungeinessogenanntenRestaurant-BarometerszurKennzeichnungder BetriebshygienemitAmpelfarben.DiezuständigeBundesministerinverstecktsich,anstatteineeigenePositionzubeziehenundeinenVorschlagfür einebundeseinheitlicheregelungvorzulegen.damitignoriertdiebundesministerinilseaignerdiebeschlüsseder8.verbraucherschutzministerkonferenzunddiestellungnahmedesbundesrateszumentwurfdesdritten GesetzeszurÄnderungdesLebensmittel-undFuttermittelgesetzbuches.Ihre politische Führungsrolle nimmt sie damit nicht wahr. 7.WennLebensmittelskandalevonMitarbeiterinnenundMitarbeiternaufgedecktwerden,gehörendieseunterdenSchutzderRechtsordnung.Dazugenügtesnicht,wennderdamaligeBundesministerHorstSeehofereinenHinweisgeber,derdenGammelfleischskandalaufgedeckthat,mitder Professor- Niklas-Medaille desbundesministeriumsfürernährung,landwirtschaft undverbraucherschutzauszeichnet.hinweisgebermüssenstattdessengesetzlichvorkündigungundanderennachteilengeschütztwerden.ein GesetzentwurfderSPD-BundestagsfraktionfüreinHinweisgeberschutzgesetz (Bundestagsdrucksache17/8567)liegtvorundbefindetsichimparlamentarischen Verfahren.
Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 3 Drucksache 17/12558 8.LugundTrugdarfsichnichtlohnen.Betrügersindhartzubestrafen.Dazu müssendiesanktionenimlebensmittel-undfuttermittelrechtverschärft werden.dasstrafrechtbietetschonjetztdiemöglichkeit,diedurchverbrauchertäuschungerzieltengewinnederlebensmittelindustrieunteranwendungdes 73desStrafgesetzbuchsabzuschöpfen.Darüberhinaussind Vorschlägezuprüfen,abgeschöpfteUnrechtsgewinnefürdieVerbraucherschutzarbeit zu verwenden. 9.DieLebensmittelunternehmersindindiePflichtzunehmen.Nebeneiner ÜberprüfungderAnforderungenandieEigenkontrollsystemevonUnternehmenauchimHinblickaufTäuschungundIrreführungsindUnternehmen zuverpflichten,diebehördenauchbeibetrugs-undtäuschungsfällenüber ihnenangebotene,nichtverkehrsfähigelebensmittelundfuttermittelzuinformieren. 10.DasRegionalfensteralsfreiwilligesKennzeichnungssystemschütztnicht vorderausuferndenverwendungdesbegriffs regional.auchdieverwendungvonmissverständlichenmarkennamen (wiez.b.markbrandenburgfürinkölnabgefülltemilchprodukte)kanndamitnichtverhindert werden.auchwennsichunterdemregionalsiegelteilweiseguteinitiativenversammeln,sinddiekriterienfürdessenvergabesolasch,dassz.b. MilchausHollandvoneinerMolkereiausVorpommernunterdemSiegel vonderküste alsregionalvermarktetwerdenkönnte.notwendigistein gesetzlicherschutzderbezeichnung regional aufeu-ebene,ähnlichwie beimeu-weitenschutzderbezeichnung Bio.ZudemisteinBundesprogramm zur Förderung der Regionalvermarktung notwendig. II. Der Deutsche Bundestag nimmt zustimmend zur Kenntnis, 1.dassimKoalitionsvertragvonSPDundBÜNDNIS90/DIEGRÜNENin Niedersachsenvereinbartwurde,auchfürRegelkontrollenderLebensmittelüberwachungkostendeckendeGebührenzuerheben,umdadurchdie finanziellebasisfüreineschlagkräftigelebensmittel-undfuttermittelaufsicht zu verbessern; 2.dassineinigenBundesländernSchwerpunktstaatsanwaltschaftengebildet wurdenundjetztdarübernachgedachtwird,auchbundesländerübergreifende Schwerpunktstaatsanwaltschaften einzurichten; 3.dassdieniedersächsischeLandesregierungdenEntzugderZulassungvon Legehennenbetriebenprüft,diegegendievorgeschriebeneBesatzdichte verstoßen und Hühnereier falsch deklariert haben. III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, 1.endlicheinGesamtkonzeptzurVerbraucherinformationmitdemZieleiner Offenlegung aller bei Behörden vorhandenen Informationen vorzulegen; 2.kurzfristigfolgendeÄnderungendesLebensmittel-undFuttermittelgesetzbuchesvorzuschlagen,umdieHersteller-undProduktnamenvonPferdefleischenthaltendenFertiggerichtensowiefalschdeklariertenHühnereiern nennen zu können: a) 40Absatz1Satz3LFGBwirdaufgehoben,umdeutlichzumachen, dassdergesetzgeberin 40Absatz1vonAnfanganüberdieBeachtung desverfassungsrechtlichenverhältnismäßigkeitsprinziphinauskeinezusätzlichenanforderungimsinneeiner doppeltenabwägung aufstellen wollte; b) 40 Absatz 1a LFGB wird wie folgt geändert: aa)diewörter mindestenszweierunabhängiger werdendurchdas Wort von ersetztunddiewörter vonstellennachartikel12ab-
Drucksache 17/12558 4 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode satz2derverordnung (EG)Nr.882/2004 werdengestrichen,um ausdrücklichfestzuschreiben,dassdiebestehendevalidierungspraxisbeibeanstandungendurcheinakkreditiertesamtlicheslabor den Anforderungen genügt; bb)innummer2werdendievondenkoalitionsfraktionendercdu/ CSUundFDPzusätzlicheingezogenenHürdenfüreineOffenlegung vonuntersuchungsergebnissen ( innichtnurunerheblichemausmaß, wiederholt, dieverhängungeinesbußgeldesvonmindestens dreihundertfünfzig Euro zu erwarten ist ) gestrichen; cc)innummer2wirddieformulierung gegensonstigevorschriftenim AnwendungsbereichdiesesGesetzes [ ]verstoßenwordenist durchdiewörter wennabweichungenvonsonstigenvorschriften festgestelltwurden ersetzt,umdeutlichzumachen,dasseineinformationderöffentlichkeitnichtdavonabhängenkann,obeinverschuldendeslebensmittel-oderfuttermittelherstellersvorgelegen hat; c) 42LFGBwirdsogeändert,dassvonLebensmittelkrisenwiedem EHEC-GeschehenbetroffeneLebensmittelunternehmenundEndverbraucherepidemiologischermitteltunddievorhandenenErkenntnisse unverzüglich an die Gesundheitsbehörden übermittelt werden können; d) 44LFGBwirdsogeändert,dassLebensmittel-undFuttermittelunternehmerverpflichtetwerden,auchbeiBetrugs-undTäuschungsfällendie Behördenüberihnenangebotene,nichtverkehrsfähigeLebensmittelund Futtermittel zu informieren; 3.einenGesetzentwurfvorzulegen,derdieRegelungenzuraktivenundpassivenVerbraucherinformationimInformationsfreiheitsgesetz,Umweltinformationsgesetz,Verbraucherinformationsgesetz,Produktinformationsgesetz,Lebensmittel-undFuttermittelgesetzbuchundanderenRechtsvorschriftenineinemeinheitlichenTransparenzgesetzzusammenführt.Darin werdendiebehördenu.a.verpflichtet,untersuchungsergebnissevonsich auszuveröffentlichen,umbehördeninformationeniminternetfürdieverbraucherinnenundverbraucherkostenfreiundohnelangwierigesantragsverfahren verfügbar zu machen; 4.endlichdenBeschlussder8.VerbraucherschutzministerkonferenzumzusetzenundeinenGesetzentwurffüreinbundeseinheitlichesRestaurant-BarometermitAmpelfarbenvorzulegen,aufdessenGrundlagedieErgebnisse deramtlichenlebensmittelkontrollesichtbarameingangeineslebensmittelbetriebes dokumentiert werden; 5.aufEU-EbeneVorschlägefüreinRückverfolgbarkeitssystemvorzulegen, dasallehandelsstufenumfasstundesdenbehördenermöglicht,kurzfristig Warenströme nachzuvollziehen; 6.einenGesetzentwurfvorzulegen,dereinengesetzlichenInformationsanspruchderVerbraucherinnenundVerbrauchergegenüberUnternehmen schafft,dertransparenzinsbesonderehinsichtlichkennzeichnung,rückverfolgbarkeitundeigenkontrolleschafftundzugangzuinformationen eröffnet,dieeineprüfungbesondersausgelobtereigenschaftenoderbesonderer Werbeaussagen ermöglichen; 7.unverzüglichaufEU-EbeneVorschlägezurHerkunftskennzeichnungvon Fleisch,MilchundMilchproduktenauchinverarbeitetenLebensmitteln vorzulegen; 8. einen Gesetzentwurf für ein Hinweisgeberschutzgesetz vorzulegen;
Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 5 Drucksache 17/12558 9.dieAnforderungenanEigenkontrollsystemezuüberprüfenunddieMeldepflichtderUnternehmenüberihnenangebotene,nichtverkehrsfähige LebensmittelundFuttermittelauchaufBetrugs-undTäuschungsfällezuerweitern; 10.einenGesetzentwurfmitschärferenSanktionenbeiTäuschungenim Lebensmittel-undFuttermittelrechtvorzulegenundVorschlägezurVerwendungabgeschöpfterUnrechtsgewinnefürdieVerbraucherschutzarbeit zu prüfen; 11.aufEU-EbeneVorschlägefürdengesetzlichenSchutzderBezeichnung regional vorzulegenundeinbundesprogrammzurregionalvermarktung einzurichten. Berlin, den 26. Februar 2013 Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion
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