Das Limesverhalten des rechtesten Teilchens in der inhomogenen verzweigenden Brownschen Bewegung

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Transkript:

Diplomarbeit Das Limesverhalten des rechtesten Teilchens in der inhomogenen verzweigenden Brownschen Bewegung Sebastian Dartmann Juli 007 Fachbereich Mathematik der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster Betreuer: Prof. Dr. Gerold Alsmeyer

Inhaltsverzeichnis Einleitung 1 1 Stochastische Grundlagen und die Brownsche Bewegung 3 1.1 Stochastische Grundlagen...................... 3 1. Die Brownsche Bewegung...................... 4 Punktprozesse 9.1 Darstellung von Punktprozessen................... 9. Definition und Charakterisierung von Punktprozessen....... 10.3 Der Poissonsche Punktprozess.................... 18.4 Punktprozesse auf R d......................... 19 3 Die verzweigende Brownsche Bewegung 3 3.1 Modellbildung............................. 3 3.1.1 Modellbeschreibung 1..................... 3 3.1. Modellbeschreibung..................... 5 3. Die homogene verzweigende Brownsche Bewegung............................... 6 3.3 Die inhomogene verzweigende Brownsche Bewegung............................... 7 3.3.1 Die Poissonsche Flutwelle.................. 7 3.3. Ein Spezialfall Die Verzweigungsfunktion mit kompaktem Träger...................... 40 3.3.3 Der allgemeine Fall...................... 51 Literaturverzeichnis 57 i

Einleitung In ihrem Artikel Traveling Waves in Inhomogeneous Branching Brownian Motions. I vgl. [Lal]) beschäftigen sich S. Lalley und T. Sellke mit der folgenden Problemstellung. Sie betrachten ein System von Teilchen, welches sich zum Beispiel auf die folgende Weise ergibt: Ein Ursprungsteilchen startet zur Zeit 0 im Punkt 0 und führt eine Brownsche Bewegung aus. Dieses Teilchen teilt sich nach einer - durch eine Reproduktionsregel festgelegten - Zeit in zwei Teilchen. Beide Teilchen führen nun unabhängig voneinander eine Brownsche Bewegung aus und teilen sich wieder nach der durch die Reproduktionsregel bestimmten Reproduktionszeit in jeweils zwei Teilchen. Dieser Vorgang wird nun von allen entstehenden Teilchen immer weiter wiederholt und so entstehen unendlich viele Teilchen, die alle unabhängig voneinander eine Brownsche Bewegung ausführen. Der so definierte Prozess heißt verzweigende Brownsche Bewegung. S. Lalley und T. Sellke befassen sich in ihrem Artikel speziell mit der sogenannten inhomogenen verzweigenden Brownschen Bewegung, die durch eine bestimmte Reproduktionsregel definiert wird. Dabei widmen sie sich vor allem der Frage, wie sich die Position des zum Zeitpunkt t rechtesten Teilchens - bezeichnet mit R t - für t verhält. In dieser Arbeit wollen wir nun Antworten auf diese Frage finden. Dazu führen wir im ersten Kapitel den Begriff der Brownschen Bewegung ein und zeigen einige Eigenschaften dieses Prozesses. Zum Beispiel beweisen wir, dass eine Brownsche Bewegung ein homogener Markov-Prozess ist. Im zweiten Kapitel beschäftigen wir uns dann mit der Theorie der Punktprozesse und betrachten verschiedene Sichtweisen von Punktprozessen. Nachdem wir gezeigt haben, dass diese unterschiedlichen Sichtweisen äquivalent sind, betrachten wir danach speziell den Poissonschen Punktprozess und Punktprozesse auf R d. Im letzten Kapitel gehen wir dann auf die eigentliche Frage ein und werden diese auch zufriedenstellend beantworten können, indem wir Hilfsprozesse sogenannte Poissonsche Flutwellen definieren. Mit deren Hilfe lässt sich das Verhalten von R t für t bestimmen und es ergibt sich, dass für alle x R lim t P R t ) t + x = E exp W γe λ 0 x 1

für geeignete positive Konstanten λ 0, γ und eine Zufallsgröße Z gilt. Für die Betreuung während der Entstehungsphase möchte ich Herrn Prof. Dr. G. Alsmeyer danken. Außerdem gilt mein Dank Frau Mareike Assink, die mir beim Korrekturlesen meiner Arbeit behilflich war. Münster, 31. Juli 07

Kapitel 1 Stochastische Grundlagen und die Brownsche Bewegung Im ersten Abschnitt dieses Kapitels werden wir an einige Grundbegriffe aus der Prozesstheorie erinnern. Im zweiten Abschnitt werden wir dann die Brownsche Bewegung einführen und uns dabei vornehmlich an [Bor],[Fah] und [Par] halten. Im Folgenden seien stets ein W-Raum Ω, A, P ) und eine Menge T R gegeben. 1.1 Stochastische Grundlagen Wir erinnern zuerst daran, dass eine Filtration von Ω, A, P ) eine aufsteigende Folge F t ) t T von Unter-σ-Algebren von A ist. Weiter nennt man gegeben einen stochastischen Prozess X t ) t T die Folge F X t, definiert durch F X t := σx s, s T, s t). die kanonische Filtration von X t ) t T. Außerdem sagt man, dass X t ) t T einer Filtration G t ) t T adaptiert ist, wenn für alle t T bzgl. F X t G t gilt. Nun wollen wir noch an den Begriff eines Martingals erinnern: Definition 1.1.1. Sei X = X t ) t T ein bzgl. einer Filtration G = G t ) t T adaptierter stochastischer Prozess mit E X t < für alle t T. Dann heißt X i) Submartingal bzgl. G, falls EX t G s ) X s fast sicher für alle s, t T mit s t gilt, 3

ii) Supermartingal bzgl. G, falls EX t G s ) X s fast sicher für alle s, t T mit s t gilt, iii) Martingal bzgl. G, falls X sowohl Submartingal als auch Supermartingal bzgl. G ist. Falls G die kanonische Filtration von X ist, so wird auf den Zusatz bzgl. G verzichtet. Zum Schluss dieses Abschnitts geben wir die Doobsche Maximalungleichung an, die wir benötigen werden, um das starke Gesetz der großen Zahlen für Brownsche Bewegungen zu beweisen. Lemma 1.1.. vgl. [Kar], Theorem 3.8 in Chapter 1) Sei X = X t ) t 0 ein rechtsseitig stetiges Submartingal. Weiter seien [σ, τ] ein Teilintervall von [0, ) und p > 1. Dann gilt E ) p sup X t σ t τ p p 1 1. Die Brownsche Bewegung ) p E X p τ ). In diesem Abschnitt wollen wir nun die Definition und einige Eigenschaften der Brownschen Bewegung die in der Literatur häufig auch als Wiener Prozess bezeichnet wird) angeben. Wir beginnen mit der Definition: Definition 1..1. Seien k, x R. Ein stochastischer Prozess B t ) t k mit Zustandsraum R heißt in x startende Brownsche Bewegung auf Ω, A, P ) mit Startzeit k, wenn folgende Eigenschaften gelten: i) B k = x fast sicher ii) Die Abbildung [k, ) s B s R ist fast sicher stetig. iii) Für alle n N und k = t 0 < t 1 <... < t n sind B tn B tn 1,..., B t1 B t0 unabhängige und normalverteilte Zuwächse mit E B ti B ti 1 ) = 0 und V ar B ti B ti 1 ) = ti t i 1 1 i n). Man erhält leicht folgendes Ergebnis: 1..1) Korollar 1... vgl. [Bor], Chapter IV,) Seien B t ) t k eine in 0 startende Brownsche Bewegung mit Startzeit k und x R. Dann ist B t + x) t k eine in x startende Brownsche Bewegung mit Startzeit k. 4

Wir betrachten im Folgenden in 0 startende Brownsche Bewegungen auf Ω, A, P ) mit Startzeit 0 und bezeichnen diese einfach als standard) Brownsche Bewegungen. Die Ergebnisse, die wir für diese erhalten, lassen sich dann leicht verallgemeinern. Zuerst erinnern wir daran, dass ein stochastischer Prozess X t ) t T Prozess mit stationären Zuwächsen heißt, wenn für alle h > 0 und für alle s, t T mit s < t P X t+h X s+h = P Xt Xs gilt. Wir erhalten dann: Lemma 1..3. hphantoma Eine Brownsche Bewegung B = B t ) t 0 ist ein Prozess mit stationären Zuwächsen. Beweis. Die Behauptung folgt direkt aus der Tatsache, dass P B t+h B s+h für alle h > 0 und 0 s < t < eine N0, t s)-verteilung ist. Es gilt weiter Lemma 1..4. Sei B = B t ) t 0 eine Brownsche Bewegung. Dann ist B ein Martingal. Beweis. Seien 0 s < t <, n N und 0 < s 1 <... < s n = s beliebig gewählt. Da B 0, B s1 B 0,..., B sn B sn 1 nach Definition stochastisch unabhängig sind, ist die σ-algebra σ B 0, B s1,..., B sn ) = σ ) B 0, B s1 B 0,..., B sn B sn 1 unabhängig von B t B s. Die Vereinigung aller σ-algebren dieser Art bei festen 0 s < t < ) bezeichnen wir mit E. E ist -stabil und es gilt außerdem σ E) = F B s. Weiter bezeichne D die Menge aller Elemente von FB s, die unabhängig von B t B s sind. Dann ist D ein Dynkin-System, welches E enthält. Also folgt mit dem Dynkin-System-Argument D = F B s. Insgesamt erhalten wir nun für alle 0 s t < E ) B t B s F B s = E Bt B s ) = 0. Aus diesem Lemma folgt nun das starke Gesetz der großen Zahlen für die Brownsche Bewegung. 5

Satz 1..5. vgl. [Kar], Problem 9.3 in Chapter ) Sei B = B t ) t 0 eine Brownsche Bewegung. Dann gilt lim t B t t = 0 fast sicher 1..) Beweis. Wir erhalten unter Benutzung der Doobschen Maximalungleichung Lemma 1.1.) und Korollar 19.4a) aus [Als], dass für alle 0 < σ < τ < ) ) ) E sup σ t τ Bt t 1 σ E sup σ t τ = 1 σ E sup σ t τ B t = 1 σ E sup σ t τ 4 σ E B τ ) = 4 σ E B τ B t ) ) = 4τ σ ) ) B t 1..3) gilt. Wählt man nun τ = n+1 = σ für ein festes n N für alle ɛ > 0, so ergibt sich mit der Ungleichung von Markov mit gt) = t ) ) B t B t P sup > ɛ P sup ɛ n t n+1 t n t n+1 t 1 ɛ 1 ɛ E B sup t >ɛ n t n+1 t sup n t n+1 Bt t B t sup n t n+1 t ) ) 8 n ɛ. Daher folgt mit dem Lemma von Borel-Cantelli die Behauptung. ) dp 1..4) Als nächstes wollen wir den Begriff des Markov-Prozesses einführen und zeigen, dass jede Brownsche Bewegung ein Markov-Prozess ist. Definition 1..6. Ein stochastischer Prozess X = X t ) t T mit Zustandsraum R heißt Markov- Prozess, wenn für alle n N, s 0,..., s n, s, t T mit s 0 <... < s n < s < t und alle x 0,..., x n, x, y R P X t y X s = x, X sn = x n,..., X s0 = x 0 ) = P X t y X s = x) 1..5) 6

gilt. Die bedingte Verteilungsfunktion F s, x, t, y) mit F s, x, t, y) := F Xt y X s = x) = P X t y X s = x) 1..6) nennt man Übergangsfunktion. Falls sie eine Dichte fs, x, t, y) besitzt, so bezeichnet man diese als Übergangsdichte. X heißt homogen, wenn für alle u 0, s, t T mit s < t, s + u, t + u T und alle x, y R F s + u, x, t + u, y) = F s, x, t, y) 1..7) gilt. F ist in diesem Fall eine Funktion, die nur von x, y und der Differenz t s abhängt. Wir schreiben deshalb F t, x, y) für F u, x, t + u, y). Satz 1..7. vgl. [Fah], Satz.4 in Kapitel 6) Sei B = B t ) t 0 eine Brownsche Bewegung. Dann ist B ein homogener Markov- Prozess mit der Übergangsdichte ft, x, y) = 1 πt e y x) t. 1..8) Beweis. Seien nun n N, s 0,..., s n, s, t R mit 0 s 0 <... < s n < s < t und x 0,..., x n, x, y R beliebig. Dann gilt P B t y B s = x, B sn = x n,..., B s0 = x 0 ) = P B t B s y x B s B sn = x x n,..., B s1 B s0 = x 1 x 0 ) = P B t B s y x) = P B t y B s = x). 1..9) Damit haben wir gezeigt, dass B ein Markov-Prozess ist. Dass dieser sogar homogen ist, folgt aus P B t+u y B s+u = x) = P B t+u B s+u y x) = P B t B s y x) = P B t y B s = x) 1..10) für allle s, t, t + u, s + u 0 mit s t und alle x, y R. Dabei ergibt sich der zweite Schritt in der obigen Gleichung aus Lemma 1..3. Nun schauen wir uns noch die Gestalt der Übergangsfunktion an: Wegen F t, x, y) = P B t+s y B s = x) = P B t+s B s y x) = 1 y x πt für alle t 0 und x, y R gilt Gleichung 1..8). e u t du 1..11) 7

Kapitel Punktprozesse In diesem Kapitel geben wir eine kurze Einführung in die Theorie der Punktprozesse. Wir halten uns dabei vor allem an die Vorgehensweise in [Koe] und entnehmen diesem Buch auch fast alle Sätze und Definitionen. An einigen Stellen ergänzen wir diese allerdings durch Aussagen aus [Rei]. Da es hier vor allem darum geht die für das dritte Kapitel benötigte Theorie kurz vorzustellen, verzichten wir weitgehend auf Beweise. Der interessierte Leser kann diese in den beiden angegeben Quellen nachschlagen. Für Punktprozesse gibt es nicht nur eine, sondern verschiedene Darstellungsmöglichkeiten. Drei dieser Darstellungsmöglichkeiten eines Punktprozesses auf R führen wir im ersten Abschnitt kurz ein, und zwar die Darstellungen als zufällige Punktfolge, zufälligen Zählprozess bzw. zufälliges Zählmaß. Diese drei Darstellungsmöglichkeiten werden wir dann im zweiten Abschnitt formal definieren und miteinander in Verbindung bringen. Im dritten Abschnitt setzen wir uns mit dem Poissonschen Punktprozess auseinandersetzen, der für die spätere Theorie wichtig ist. Im letzen Abschnitt dieses Kapitels werden wir schließlich den Begriff des Punktprozesses auf den R d erweitern..1 Darstellung von Punktprozessen Die einfachste Vorstellung, die man sich von einem zufälligen) Punktprozess auf R machen kann, ist die einer Folge zufällig im Raum R verteilter Punkte. In diesem Sinn ist also ein zufälliger Punktprozess nichts anderes als eine Folge X = X n ) n Z von reellwertigen Zufallsvariablen d.h. messbaren Abbildungen) X n : Ω R := R ± über einem gemeinsamen Wahrscheinlichkeitsraum Ω, A, P ), wobei die X n derart gewählt werden, dass für jede Realisierung Xω), ω Ω, der Folge X die Werte X n ω) i) der Größe nach numeriert sind und das kleinste nichtnegative Folgenglied den Index Eins erhält, man also... X 1 ω) X 0 ω) < 0 X 1 ω)....1.1) 9

hat, ii) sich nirgendwo im Endlichen häufen, für jedes c > 0 also ein n w,c N existiert, so dass X n ω) > c für n > n ω,c gilt. Ein Punktprozess heißt einfach, wenn sogar... < X 1 ω) < X 0 ω) < 0 X 1 ω) <....1.) für P-fast alle ω Ω gilt, das heißt wenn für P-fast alle ω Ω sämtliche Punkte der Folge Xω) voneinander verschieden sind. Seien die X n nun alle als nichtnegativ vorausgesetzt. Oft interessiert man sich nicht für die Positionen X n der einzelnen zufälligen Punkte eines Punktprozesses, sondern für die zufällige Anzahl von Punkten des Punktprozesses X in gegebenen Teilmengen von R, zum Beispiel in Intervallen. In diesem Fall ist es besser, einen Punktprozess nicht als Folge X n ) n Z von zufälligen Punkten, sondern als zufälligen Zählprozess N t ) t 0 aufzufassen. N t zählt dann die zufällige Anzahl der Punkte X n, die in [0, t) liegen, wobei man im allgemeinen N 0 = 0 setzt. X 1, X,... sind offensichtlich die zufälligen Sprungpunkte der Höhe 1, wobei Mehrfachpunkte auftreten können, wenn der Prozess nicht einfach ist. Wegen der vorausgesetzten Nichtnegativität der X n ist ein bijektiver Zusammenhang zwischen der Folge X und dem Zählprozess N t ) t 0 gegeben, denn: Aus jeder Realisierung Xω) der Folge X lässt sich der Pfad N t ω)) t 0 des Prozesses N t ) t 0 bestimmen und umgekehrt. Dabei sind die X n ω) gerade die Unstetigkeitsstellen von N t ω)) t 0. Da man oft auch die Anzahl von Punkten X n in allgemeineren Borel-Mengen B kennen möchte, ist es naheliegend, einen zufälligen Punktprozess als eine zufällige Mengenfunktion Φ aufzufassen, die jeder Menge B aus einer bestimmten Familie J von Teilmengen von R die zufällige Anzahl ΦB) von Punkten der Folge X, die in der Menge B liegen, zuordnet. Es gilt dann Φ[0, t)) = N t. Aus diesem Ansatz wird im nächsten Abschnitt die Definition eines Punktprozesses gewonnen.. Definition und Charakterisierung von Punktprozessen Bevor wir Punktprozesse nun auf formaler Ebene einführen, wollen wir zunächst an den Begriff des Zählmaßes erinnern, bei dem es sich um ein Maß auf einem beliebigem Wahrscheinlichkeitsraum mit Werten in N handelt. Ein Zählmaß φ auf B heißt lokalendlich, wenn es jeder beschränkten Borelmenge B aus B einen endlichen Wert φb) zuordnet. Die Menge aller lokalendlichen Zählmaße auf B bezeichnen wir mit N. Sei nun φ ein nicht notwendig lokalendliches) Zählmaß auf B. Diejenigen Punkte t R, für die φt) > 0 gilt, werden Atome von φ genannt, ihre Gesamtheit S φ = t R : φt) > 0 10

bezeichnet man als Träger von φ. Für jedes Atom t von φ nennt man außerdem φt) die Vielfachheit von t. φ heißt genau dann einfach, wenn φt) = 1 für alle Atome t von φ gilt. Als nächstes folgt ein Satz, der für ein Zählmaße φ N die Standarddarstellung von φb) für alle B B angibt. Satz..1. Für jedes Zählmaß φ N ist der Träger S φ abzählbar unendlich, und es gilt für jedes B B φb) = t S φ φt)δ t B),..1) wobei δ t das Dirac-Maß in t mit δ t B) = 1 B t) bezeichnet. Im Folgenden soll eine σ-algebra N auf dem Raum N der lokalendlichen Zählmaße eingeführt werden, die N, N) zu einem meßbaren Raum macht: Definition... Für N e := φ N : φ[a, b)) = j ; < a b <, j N sei N = σn e ). R 0 sei der δ-ring der beschränkten Borel-Mengen in R. Dann gilt: Satz..3. Die σ-algebra N umfasst alle Teilmengen von N der Gestalt für j N 0 und B R 0. φ N : φb) = j Wir kommen jetzt zur Definition eines Punktprozesses. Definition..4. Ein zufälliger) Punktprozess Φ auf R ist eine meßbare Abbildung Φ : Ω N eines W-Raums Ω, A, P) in den meßbaren Raum N, N), das heißt Φ ist eine Zufallsvariable mit Werten in N. Man nennt Φ deshalb auch zufälliges Zählmaß. Mit P bezeichnen wir die Verteilung der Zufallsvariablen Φ auf N, die durch definiert wird. P A) = P ω Ω : Φω) A), A N, 11

Im Folgenden soll für einen Punktprozess Φ auf R und ein B B eine Zufallsgröße definiert werden, die jedem ω Ω die Anzahl der Atome des Zählmaßes Φω) zuordnet, wobei Atome mit Vielfachheit k k-mal gezählt werden: Definition..5. Sei Φ ein Punktprozess auf R. Für alle B B wird die Zufallsgröße ΦB) : Ω N definiert durch ΦB)ω) := Φω)B)...) Mit π B : N N bezeichnen wir die durch definierte Abbildung. Es gilt offensichtlich π B φ) := φb)..3) ΦB) = π B Φ...4) Definition..6. Sei Φ ein Punktprozess auf R. Die Funktion ν : B R mit heißt Intensitätsmaß von Φ. νb) = EΦB) für alle B B..5) νb) gibt also die erwartete Anzahl von Atomen in B an und es gilt für alle B B νb) = EΦB) = ΦB)ω) Pdω)..4) = π B Φω)) Pdω) Ω Ω = π B φ) P Φ dφ) = φb) P dφ). N Lemma..7. Das Intensitätsmaß ν eines Punktprozesses Φ ist ein Maß auf R, B). Beweis. Da ΦB) 0 für alle B B gilt, folgt direkt νb) 0 für alle B B. Außerdem liefert Φ ) 0 sofort ν ) = 0. Seien im Folgenden paarweise disjunkte Mengen B i B, i N, gegeben. Für alle ω Ω gilt ) Φ B i ω) = ΦB i )ω), i 0 i 0 daher folgt mit dem Satz von Fubini ) [ )] ν B i = E Φ B i i 0 i 0 N 1 = i 0 EΦB i ) = i 0 νb i ),

also die σ-additivität von ν. Wir setzen im Folgenden voraus, dass die Intensitätsmaße ν der betrachteten Prozesse Φ lokalendlich sind, dass also νb) für alle beschränkten Mengen B B endlich ist. Nun wollen wir die ursprüngliche Auffassung von Punktprozessen auf R als Folge zufällig im Raum R verteilter Punkte formalisieren und mit Definition..4 in Verbindung bringen. Dafür zeigen wir im Folgenden, dass die Atome der Zählmaße φ N, geeignet numeriert, als die Realisierungen einer Folge von reellwertigen Zufallsvariablen über dem Wahrscheinlichkeitsraum Ω, A, P) aufgefasst werden können. Solche Zufallsvariable werden wir jetzt definieren. Definition..8. Für alle n Z wird durch min t 0 : φt) > 0 für n = 1, Xn φ) = min t > Xn 1 φ) : φt) > 0 für n > 1, max t < Xn+1φ) : φt) > 0 für n < 1,..6) eine Abbildung Xn : N R definiert. Wir setzen dabei außerdem X n φ) = für n 1, falls φ im Intervall [0, ) weniger als n Atome hat, und entsprechend Xn φ) = für n 0, falls φ im Intervall, 0) höchstens n Atome hat. Eine Realisierung Xnφ)) n Z der Folge X = Xn) n Z ist also die Folge der der Größe nach geordneten Atome von φ. Das kleinste nichtnegative Atom erhält dabei den Index 1. Als nächstes definieren wir die Funktion Φ, die jedem Zählmaß φ N das ihm entsprechende Zählmaß zuordnet, falls die Vielfachheiten aller Atome gleich Eins wären: Definition..9. Die Funktion Φ : N N ordnet einem φ N mit φb) = t S φ φt)δ t B), B R 0, das Zählmaß φ B) = t S φ δ t B), B R 0, zu. Man erhält nun zwei Hilfsaussagen: 13

Lemma..10. Die Abbildung Φ ist meßbar. Lemma..11. Die Menge N = φ N : φt) 1 für alle t R aller einfachen Zählmaße gehört zu N. Diese beiden Lemmata lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Lemma..1. Die Abbildung Φ ist eine meßbare Abbildung von N, N) nach N, N ), wobei N die durch N = A N : A N gegebene σ-algebra von Teilmengen von N ist. Mittels dieses Lemmas kann man nun folgenden Satz beweisen: Satz..13. Für jedes n Z ist X n eine meßbare Abbildung von N, N) nach R, B). Die Abbildungen Xn sind also für jedes n Z Zufallsgrößen auf N, N, P ). Die Folge Xn) n Z nennt man auch zufällige Punktfolge. Als nächstes wollen wir den Begriff eines einfachen Punktprozesses klären: Definition..14. Ein Punktprozess Φ heißt einfach, wenn P N ) = 1 gilt, das heißt wenn mit Wahrscheinlichkeit 1 als Realisierungen von Φ nur einfache Zählmaße auftreten. J sei die Menge derjenigen Folgen a n ) n Z aus dem Folgenraum R Z, für die die folgenden beiden Bedingungen erfüllt sind: i) Es gilt... < a 1 < a 0 < 0 a 1 <.... ii) Für jedes c > 0 gibt es eine natürliche Zahl j, mit a n > c für alle n > j. Lemma..15. Die Folge X = X n ) n Z von Zufallsgrößen vermittelt eine bijektive Abbildung von N nach J. Beweis. Die Bijektivität ergibt sich daraus, dass X : N J eine Umkehrabbildung besitzt. Diese wird folgendermaßen definiert: Für a n ) n Z J setzt man X ) 1 a n ) n Z ) := φ an) n Z, 14

wobei φ an) n Z B) := n Z δ an B) für alle B R 0. Nach Definition ist φ an) n Z φ = φ X n φ)) n Z. ein Element von N und für alle φ N erhält man Leider vermittelt X keine Bijektion zwischen N und einer geeigneten Teilmenge des Folgenraumes R Z, da die Vielfachheiten der Atome der Zählmaße in N von den Abbildungen X n nicht berücksichtigt werden. Die Abbildungen X n lassen sich aber so modifizieren, dass sie eine Bijektion zwischen N und einer geeigneten Teilmenge des Folgenraumes R Z liefern. Dies wird im Anschluss geschehen: Definition..16. Für jedes n Z wird durch t 0, falls φ[0, t)) < n φ[0, t]) und φ[0, )) n für n N,, falls φ[0, )) < n für n N, X n φ) = t < 0, falls φt, 0)) n < φ[t, 0)) und φ, 0)) n für n Z und n 0,, falls φ, 0)) n für n Z und n 0...7) eine Abbildung X n : N R definiert. Eine Realisierung Xφ) = X n φ)) n Z der Folge X = X n ) n Z ist also die Folge der der Größe nach geordneten Atome von φ, wobei Atome mit Vielfachheit k k-mal nacheinander auftreten. Den Zusammenhang zwischen X und X für einfache Zählmaße liefert das folgende Lemma: Lemma..17. Es gilt für alle φ N und n Z. X n φ) = Xn φ)..8) Beweis. Die Atome einfacher Zählmaße besitzen alle die Vielfachheit 1. Daher folgt die Behauptung. J sei nun die Menge derjenigen Folgen a n ) n Z aus dem Folgenraum R Z, für die die folgenden Bedingungen erfüllt sind: i) Es gilt... a 1 a 0 < 0 a 1.... ii) Für jedes c > 0 gibt es eine natürliche Zahl j mit a n > c für alle n > j. Dann erhalten wir entsprechend zu Satz..13 und Lemma..15: 15

Satz..18. Für jedes n Z ist X n eine meßbare Abbildung von N, N) nach R, B), und die Folge X = X n ) n Z von Zufallsgrößen vermittelt eine bijektive Abbildung von N nach J. Beweis. Wir wollen hier nur die Bijektivität der Abbildung X : N J zeigen. Dies funktioniert auf die gleiche Weise wie im Beweis von Lemma..15. Die Umkehrabbildung von X erhält man also, indem man für a n ) n Z J X 1 a n ) n Z ) := φ an) n Z..9) mit φ an) n Z B) := n Z δ an B) für jedes B R 0,..10) setzt. φ an) n Z ist nach Definition ein Element von N und für alle φ N gilt φ = φ Xnφ)) n Z...11) Falls Φ einfach ist, so stimmen also wegen..8) fast alle Realisierungen von X und X überein. Sei nun noch die folgende Definition gegeben, die es uns schließlich ermöglicht, einen Punktprozess formal als Folge zufällig im Raum R verteilter Punkte zu beschreiben: Definition..19. Gegeben einen Punktprozess Φ, sei für alle n Z die Funktion Y Φ n : Ω R Y Φ n ω) := X n Φω))..1) gegeben. Y Φ = Y Φ n ) n Z ist dann eine Funktion von Ω nach J. Aus Satz..18 und speziell den Gleichungen..9) bis..11) folgt dann, dass Y Φ eine äquivalente Darstellungsmöglichkeit des Punktprozesses Φ ist, da man Φ aus Y Φ gewinnen kann und andersherum. Kommen wir jetzt noch zu der schon im ersten Abschnitt angesprochenen Darstellung eines Punktprozesses auf R als Zählprozess. Dafür geben wir zuerst die folgenden Definitionen an: Definition..0. Ein Zählprozess auf einem W-Raum Ω, A, P) ist ein Prozess N t ) t R derart, dass N t : Ω Z für alle t R gilt. 16

Definition..1. J sei die Menge derjenigen linksseitig stetigen, stückweise konstanten, nichtfallenden Funktionen f auf R, die ganzzahlige Werte haben, und für die f0) = 0 gilt. Außerdem bezeichnen wir mit Jf) die Menge der Unstetigkeitsstellen von f für f J, das heißt: Jf) = t R : ft + ) ft) > 0. Dabei ist ft + ) := lim s t fs) für alle t R. Definition... Wir definieren nun für ein festes φ N die stückweise konstante,linksseitig stetige, nichtfallende Funktion Nφ) : R Z durch φ[0, t)) für t > 0, Nφ)) t) = N t φ) = 0 für t = 0,..13) φ[t, 0)) für t < 0. Für festes t R ist N t : φ N t φ) dann eine Abbildung von N auf Z. Wir erhalten nun folgenden Satz: Satz..3. Die durch..13) gegebene Familie N t ) t R ist ein Prozess auf N, N, P ) mit Zustandsraum Z und vermittelt eine bijektive Abbildung von N nach J. Beweis. Wir wollen auch dieses Mal nur die Bijektivität der Abbildung zeigen. Diese beweisen wir wieder durch Angabe der Umkehrfunktion von N t ) t R : Für f J sei N t ) 1 t R f) := φ f,..14) wobei φ f B) = a Jf) δ a B)fa + ) fa))...15) φ f ist nach Definition ein Element von N und es gilt für alle φ N Damit ist die Bijektivität gezeigt. φ Nt) t R φ) = φ...16) Nun geben wir folgende Definition an, die es uns schließlich ermöglicht, einen Punktprozess formal als Zählprozess aufzufassen: 17

Definition..4. Für einen Punktprozess Φ und ein t R definiert man die Abbildung Mt Φ : Ω R durch Mt Φ ω) := N tφω))...17) M Φ = M Φ t ) t R ist dann eine Funktion von Ω nach J. Aus Satz..3 und den Gleichungen..14) bis..15) folgt, dass auch M Φ eine äquivalente Darstellungsmöglichkeit des Punktprozesses Φ ist. Definition..5. Die Verteilungen P B1,...,B k der Zufallsvektoren ΦB 1 ),..., ΦB k )), wobei k N beliebig ist und B 1,..., B k B gilt, heißen die endlichdimensionalen Verteilungen von Φ. Es gilt also für jedes k-tupel j 1,..., j k ) N k 0 P B1,...,B k j 1,..., j k )) = P φ N : φb 1 ) = j 1,..., φb k ) = j k ) = P ΦB 1 ) = j 1,..., ΦB n ) = j n ). Am Ende dieses Abschnittes wollen wir nun noch eine Eindeutigkeitsaussage für Punktprozesse angeben: Satz..6. vgl. [Rei], Satz.1.3) Seien Φ i : Ω N, i = 0, 1, zwei Punktprozesse. Dann sind die beiden folgenden Aussagen äquivalent: i) Φ 0 d = Φ 1. ii) Für jedes m N und alle B 1,..., B m R 0 gilt Φ 0 B 1 ),..., Φ 0 B m )) d = Φ 1 B 1 ),..., Φ 1 B m )). Dieser Satz sagt also aus, dass zwei Punktprozesse genau dann gleich verteilt sind, wenn ihre endlichdimensionalen Randverteilungen bzgl. beschränkter Borel- Mengen übereinstimmen..3 Der Poissonsche Punktprozess In diesem Abschnitt wollen wir nun den Begriff des Poissonschen Punktprozesses einführen, der in der späteren Theorie benötigt wird. Wir beginnen mit seiner Definition: Definition.3.1. Sei ν ein σ-endliches Maß auf B. Ein Punktprozess Φ : Ω N heißt Poissonscher 18

Punktprozess mit Intensitätsmaß ν, wenn er die beiden folgenden Bedingungen erfüllt: und PΦB) = k) = νb)k e νb), k! für alle k N und B B mit νb) < ΦB 1 ),..., ΦB m ) sind unabhängig für alle m und alle paarweise disjunkten Mengen B 1,..., B m B mit νb j ) < für j = 1,..., m. Es gilt die folgende Existenzaussage:.3.1).3.) Satz.3.. Für jedes σ-endliche Maß ν auf B existiert ein Punktprozess Φ, der die Bedingungen.3.1) und.3.) erfüllt und somit ein Poissonscher Punktprozess mit Intensitätsmaß ν ist..4 Punktprozesse auf R d In diesem Abschnitt wollen wir nun Punktprozesse auf R d einführen. Wir wählen dafür entsprechend zu dem Fall d = 1 wieder den Ansatz der zufälligen Zählmaße und beginnen mit der folgenden Definition: Definition.4.1. Die Menge aller lokalendlichen Zählmaße auf B d bezeichnen wir mit N d. Weiter sei N d = σn d e ) die σ-algebra von Teilmengen von N d, die durch die Mengenfamilie ) d N d e = φ N d : φ [a k, b k ) = j < a k < b k < erzeugt wird. k=1 für alle 1 k d ; j N 0 Als Analogon zu Satz..3 erhalten wir nun das folgende Ergebnis: Satz.4.. N d enthält alle Teilmengen von N d der Gestalt φ N d : φb) = j für j N und B B d. betrachtet wer- Im Folgenden sollen nur lokalendliche Zählmaße auf B d den. 19

Definition.4.3. Ein zufälliger) Punktprozess auf R d ist eine Abbildung Φ : Ω, A) N d, N d ) eines W-Raums Ω, A, P) in den meßbaren Raum N d, N d ). Die Verteilung von Φ wird wieder mit P bezeichnet, das heißt für alle A N d ist P A) := P ω Ω : Φω) A). Ebenso wie im Fall d = 1 kann man einen einfachen Punktprozess auf R d als zufällige Punktfolge darstellen. Um dies zu veranschaulichen, werden wir im Folgenden eine Folge von Abbildungen X n : N d R d einführen. Dazu definieren wir auf R d zunächst eine lineare Ordnung: Definition.4.4. Für jedes k N sei B kj ) j N eine Zerlegung von R d in paarweise disjunkte Mengen B kj B d, deren Durchmesser den Wert 1 nicht übersteigt, und weiter sei für jedes k k N die Funktion f k : R d N durch f k x) = j falls x B kj definiert. Für x 1, x R schreiben wir x 1 < x genau dann, wenn die Folge f k x 1 )) k 1 in N N, bezogen auf die lexikographische Ordnung in N N, kleiner ist als die Folge f k x )) k 1. Im Folgenden seien alle auftretenden Zählmaße einfach. Lemma.4.5. Seien φ N d und S φ der Träger von φ. Zu jedem x S φ gibt es nur endlich viele Elemente x i S φ mit x i < x. Beweis. Für beliebig gewähltes x S φ liegen die x i S φ mit x i < x in der beschränkten f 1 x) Menge B 1j. Da φ aber lokalendlich ist, können dies nur endlich viele sein. j=0 Aufgrund dieses Lemmas können wir nun die Atome eines Zählmaßes φ durchnumerieren, indem wir für jedes n 1 x, falls es genau n 1 Atome von φ gibt, Xnφ) := die kleiner als x S φ sind, und φr d ) n ist,, falls φr d ) < n ist, meßbar sind, und dann folgende Defi- setzen. Man kann nun zeigen, dass die Xn nition treffen: 0

Definition.4.6. Sei Φ ein einfacher Punktprozess auf R d. Für jedes n 1 wird die Abbildung Yn Φ : Ω Rd durch Yn Φ ω) := XnΦω)) definiert. Die Folge Y = Y Φ n ) n 1 ist eine äquivalente Darstellungsmöglichkeit des Punktprozesses Φ, womit gezeigt ist, dass man einen einfachen Punktprozess tatsächlich auch als zufällige Punktfolge auffassen kann. Sowohl das Intensitätsmaß eines Punktprozesses Φ auf R d als auch ein Poissonscher Punktprozess auf R d werden auf die gleiche Weise definiert wie im Fall d = 1: Definition.4.7. Sei Φ ein Punktprozess auf R d. Für jedes B B d wird durch ΦB)ω) := Φω)B) die Zufallsgröße ΦB) : Ω N definiert. Für festes B B d ordnet ΦB) jedem ω Ω die Anzahl der Atome entsprechend Vielfachheit) des Zählmaßes Φω) in B zu. Definition.4.8. Für einen Punktprozess Φ auf R d heißt die Funktion ν : B d R mit Intensitätsmaß von Φ. νb) = EΦB) für alle B B d.4.1) Definition.4.9. Sei ν ein σ-endliches Maß auf B d. Ein Punktprozess Φ : Ω N d heißt Poissonscher Punktprozess mit Intensitätsmaß ν, wenn er die beiden folgenden Bedingungen erfüllt: und P ΦB) = k) = νb)k e νb), k! für alle k N und B B d mit νb) < ΦB 1 ),..., ΦB m ) sind unabhängig für alle m N und paarweise disjunkten Mengen B 1,..., B m B d mit νb j ) < für j = 1,..., m..4.).4.3) 1

Am Ende dieses Kapitels geben wir noch zwei wichtige Ergebnisse für Punktprozesse an. Satz.4.10. vgl. [Rei], Theorem 1..1) Seien ν ein endliches Maß auf R d, B d), d 1, mit ν R d) > 0 und Φ := τ i=1 δ Xi ein Punktprozess derart, dass τ, X 1, X,... unabhängig sind und die beiden folgenden Bedingungen erfüllen: i) τ d = P ν R d)), ii) X i d = ν νr d ), i N. Dann ist Φ ein Poissonscher Punktprozess mit Intensitätsmaß ν. Sei nun g : R d, B d) R d, B d ) eine meßbare Funktion. Die Abbildung g : N d N d wird durch die Gleichung definiert und es gilt: g ρ) := ρ g, ρ N d, Lemma.4.11. vgl. [Rei], Lemma 1.1.3) Ist Φ ein Punktprozess auf R d mit Intensitätsmaß ν, so ist ν g das Intensitätsmaß des Punktprozesses g Φ) auf R d.

Kapitel 3 Die verzweigende Brownsche Bewegung In diesem Kapitel wollen wir uns nun mit der verzweigenden Brownschen Bewegung VBB) auseinandersetzen. Wir halten uns dabei vor allem an [Lal]. Besondere Beachtung schenken wir der inhomogenen verzweigenden Brownschen Bewegung IVBB), mit deren Modellbildung wir uns im ersten Abschnitt beschäftigen werden. Im zweiten Abschnitt stellen wir kurz ein interessantes Ergebnis für die homogene verzweigende Brownschen Bewegung HVBB) vor. Im letzten und größten Abschnitt werden wir uns dann genauer mit der IVBB auseinandersetzen und mittels mehrerer Hilfsprozesse auch hier ein interessantes Ergebnis erhalten. 3.1 Modellbildung In diesem Paragraphen wollen wir das Modell für die VBB angeben. Wir werden feststellen, dass man das Modell der VBB sogar auf zwei unterschiedliche Arten beschreiben kann. Dafür sei ein Wahrscheinlichkeitsraum Ω, A, P ) gegeben, auf dem die im Folgenden eingeführten Zufallsgrößen definiert sind. 3.1.1 Modellbeschreibung 1 Wir betrachten im Folgenden den binären Baum T = 1, n n 1 und schreiben die Elemente von T\ in der Form v = v 1... v n, v i 1, für 1 i n. Das Element bildet die Wurzel des Baums. Es besitzt die Nachfolger 1 und, welche ihrerseits die Nachfolger 11,1 bzw. 1, haben, usw. Jedes 3

Element v T entspricht nun einem Teilchen, welches unabhängig von allen anderen Teilchen eine standard Brownsche Bewegung SBB) durchführt. Dabei startet das Urmutterteilchen zum Zeitpunkt 0, während alle anderen Teilchen v ihre Bewegung zu einem zufälligen Zeitpunkt beginnen, dessen Verteilung von der Bewegung des Mutterteilchens abhängen kann. Außerdem startet jedes Tochterteilchen seine Bewegung im Sterbeort des Mutterteilchens. Uns interessiert nun vor allem das Verhalten des zur Zeit t am weitesten rechts befindlichen Teilchens, dessen Position wir mit R t bezeichnen. Diese Modellbeschreibung wollen wir nun noch etwas präzisieren: Für jedes v T sei X v = X v t ) t 0 eine SBB, welche die Bewegung des Teilchens v relativ zur Anfangsposition seiner Bewegung dem Sterbeort der Mutter) beschreibt. Weiter sei τv) eine nichtnegative Zufallsgröße, die die zufällige Zeit angibt, zu der sich das Teilchen v bezogen auf seine Startzeit) in die zwei neuen Teilchen v1 und v teilt. Dann nennt man τv) auch die Lebensdauer von v. Wir setzen im Folgenden voraus, dass die Paare X v, τv)), v T, stochastisch unabhängig und identisch verteilt sind, und dass t P τv) > t X v ) = exp β Xs v ds, t > 0, für eine nichtnegative, stetige und beschränkte Funktion β gilt. Wir nennen ein solches Modell dann verzweigende Brownsche Bewegung VBB). Falls die Funktion β : R [0, ) konstant ist, also β ) α für ein positives α gilt, die τv) also jeweils Expα)-verteilt sind, nennen wir die VBB homogen HVBB), und ansonsten inhomogen IVBB). Die Funktion β : R [0, ) nennt man Verzweigungsfunktion der VBB. Nun definieren wir T ):=0 und für v = v 1... v n T\ T v) := τ ) +... + τ v 1... v n 1 ). T v) gibt also den Geburtszeitpunkt des Teilchens v an. Im Folgenden wollen wir noch die Positionen der Teilchen im Zeitablauf beschreiben. Dafür definieren wir den Punktprozess Z t ) t 0 durch Z t := v T v=v 1...v n j=1 0 1 T v)+τv) t<t v)+τv)+τvj) δ X vj t T v)+τv)) +Xv τv) +...+X τ ) 3.1.1) für alle t 0. Für jedes t 0 ist also Z t das Punktmaß der Positionen aller zum Zeitpunkt t lebenden Teilchen. Für die Position des zum Zeitpunkt t am weitesten rechts befindlichen Teilchens ergibt sich dann R t := max X vj t T v)+τv)) + Xv τv) +... + X τ ) : v T, v = v 1,..., v n, j 1,, T v) + τv) t < T v) + τv) + τvj). 4

3.1. Modellbeschreibung Geht man nun statt von der obigen Anschauung davon aus, dass ein Teilchen zum Splittingzeitpunkt nicht stirbt, sondern lediglich ein weiteres Teilchen erzeugt und gleichzeitig seine eigene Bewegung fortsetzt, so ändert diese Auffassung nichts am Modell, denn die Tatsache, dass die Bewegungen der Teilchen unabhängig sind und stationäre und unabhängige Zuwächse besitzen, sichert, dass die Zusammensetzung der Bewegung eines Mutterteilchen bis zum Splittingzeitpunkt mit der anschließenden Bewegung eines Tochterteilchens eine Brownsche Bewegung bleibt. Also spielt es keine Rolle, ob man davon ausgeht, dass sich jedes Teilchen nach einer zufälligen Zeit in zwei neue Teilchen derselben Art teilt und bis zu diesem Zeitpunkt eine Brownsche Bewegung ausführt, oder ob jedes Teilchen ad infinitum gemäß einer SBB wandert und in unabhängig identisch verteilten Abständen Tochterteilchen gebärt, die sich in derselben Weise verhalten. Nimmt man den zweiten Standpunkt ein, so kann man die Teilchen auch mit 1,,... in der Folge ihrer Geburtszeiten, die wir mit T 0 i) bezeichnen, durchnummerieren und jedem Teilchen i eine SBB X i = Xt i) t 0, die entsprechend zur ersten Modellbeschreibung die Bewegung des Teilchens relativ zum Geburtsort beschreibt, zuordnen. Außerdem kann man jedem Teilchen i eine Folge T n i) T 0 i)) n 1 von Splittingzeiten zuweisen, so dass die X i, T n i) T 0 i)) n 1 ) i 1 unabhängig identisch verteilt sind und P T n i) T n 1 i) > t X i, T 1 i),..., T n 1 i) ) = exp t 0 β Xsds i für alle n 1, alle i 1 und alle t > 0 gilt. Bezeichnen nun T 1, T,... die geordnete, aufsteigende Folge aller Geburtszeiten also T 1 = T 0 0) = 0) und S i t die Position des i-ten Teilchens zum Zeitpunkt t, so hat Z t die Form Z t = N t i=1 1 Ti tδ S i t, t 0, wobei N t := i 1 1 Ti t = i 1 δ Ti [0, t]) den Teilchenzählprozess N t ) t 0 definiert. Das zur Zeit t am weitesten rechts befindliche Teilchen hat dann die Position R t = max S 1 t,..., S Nt t. Im Anschluss wird der Begriff der wandernden Welle eingeführt. Definition 3.1.1. Sei u : R R, t, x) ut, x) eine beliebige Funktion. Man sagt, dass u für 5

t eine wandernde Welle mit Geschwindigkeit k ist, wenn es eine Funktion ω : R R, x ωx) und für alle t ein m t gibt, so dass die folgenden drei Bedingungen erfüllt sind: [WW1] Es gibt ein t 0 R mit ut, m t ) = 1 für alle t t 0. [WW] Es gilt mt t t k. [WW3] Für alle x R gibt es ein t 1 x) mit ut, m t + x) = ωx) für alle t t 1 x). In diesem Fall nennt man m t für alle t t 0 den Median von vt, ). Wir sagen u approximiert für t eine wandernde Welle mit Geschwindigkeitk, wenn es eine wandernde Welle v mit Geschwindigkeit k und Mediane m t von vt, ) für hinreichend große t gibt, so dass [WW] und die folgenden beiden Bedingungen gelten: [WW4] Es gibt ein t 0 R mit ut, m t ) vt, m t ) = 1 für alle t t 0. [WW5] Für alle x R gibt es ein t 1 x) mit ut, m t + x) vt, m t + x) für alle t t 1 x). Für alle t t 0 nennt man m t dann auch Median von ut, ). 3. Die homogene verzweigende Brownsche Bewegung Für die HVBB gilt das folgende Ergebnis: Satz 3..1. vgl. [Lal]) Gegeben sei eine homogene verzweigende Brownsche Bewegung X und es sei weiter u : [0, ) R [0, 1] definiert durch die Gleichung t, x) ut, x) := P R t x). Dann besitzt ut, ) für alle t einen Median m t und für t approximiert u eine wandernde Welle mit Geschwindigkeit. Wir wollen dieses Ergebnis hier nicht beweisen, sondern erwähnen nur, dass diese Aussage aus der Tatsache folgt, dass ut, x) die K-P-P/Fisher-Gleichung löst. du dt = 1 d u dx + u u 6

3.3 Die inhomogene verzweigende Brownsche Bewegung In diesem Abschnitt schauen wir uns nun die IVBB genauer an. Wir werden hier ein interessantes Endergebnis erhalten: Satz 3.3.1. Es sei vorausgesetzt, dass sowohl als auch lim x βx) = 0 3.3.1) βx) dx < 3.3.) gelten. Dann existieren eine Zufallsvariable W : Ω, A, P ) 0, ) und Konstanten λ 0 > 0, γ > 0, so dass für alle x R ) lim P R t t t + x = E exp W γe λ 0 x 3.3.3) gilt. Dieses Ergebnis ist nicht für die HVBB anwendbar, da diese die Voraussetzung 3.3.1) nicht erfüllt. Um Satz 3.3.1 herzuleiten, betrachten wir im ersten Teil dieses Abschnittes Hilfsprozesse, und zwar sogenannte Poissonsche Flutwellen, für die wir einige interessante Ergebnisse beweisen werden. Mit Hilfe dieser Prozesse werden wir dann im zweiten Teil den Satz 3.3.1 für den Spezialfall einer IVBB, deren Verzweigungsfunktion einen kompakten Träger besitz, beweisen. Im letzten Teil skizzieren wir schließlich den Beweis dieses Satzes für den allgemeinen Fall. 3.3.1 Die Poissonsche Flutwelle Um die Poissonsche Flutwelle mit Parametern C, λ, µ einzuführen, seien im Folgenden ein W-Raum Ω, A, P ), Konstanten C, λ > 0 und ein W-Maß µ auf R, B) gegeben. Außerdem seien N n ) n Z unabhängige Zufallsgrößen mit n+1 ) = d P Ce λt. N n Für jedes n Z gebe N n die Anzahl der Punkte der Flutwelle an, die im Zeitintervall [n, n + 1) starten. Außerdem seien für jedes n Z T nk, X nk ) k 1 unabhängige Zufallsvariable, die gemäß EN n ) 1 Ce λt 1 [n,n+1) t) λ µdt, dx) n 7

verteilt sind. Weiter seien T nk, X nk ) n Z,k 1 und N n ) n Z stochastisch unabhängig. Das Maß ν auf B sei definiert durch νdt, dx) := Ce λt λ µdt, dx). Da und ν [n, n + 1) R)) ν[n, n + 1) R) ν[n, n + 1) R) = n+1 n Ce λt dt = EN n ) 1 Ce λt 1 [n,n+1) t) λ µdt, dx) gelten, definiert Φ n := N n δ Tnk,X nk ) k=1 für alle n Z nach Satz.4.10 einen Poissonschen Punktprozess mit Intensitätsmaß ν [n, n + 1) R)) und seine Projektion Ψ n := ΦR ) = N n ist nach Lemma.4.11, wobei π die meßbare Funktion ist, ein Poissonscher Punktprozess mit Intensitätsmaß µ. Dabei ist π die Projektion auf die zweite Komponente. Man kann erkennen vgl.[rei], Beweis von Theorem.1.1), dass k=1 δ Xnk Φ := n Z Φ n ein Poissonscher Punktprozess mit Intensitätsmaß ν = n Z ν [n, n + 1) R)). Der Punktprozess Φ beschreibt für alle Teilchen der Flutwelle die Startzeiten und Startpunkte. Mit Nt bezeichnen wir die Anzahl der Teilchen bis zum Zeitpunkt t, das heißt Nt := Φ, t) R). Um nun noch die Bewegung aller Teilchen zu modellieren, sei ) B nk eine n Z,k 1 von allen bisherigen Variablen unabhängige Familie unabhängiger SBB. Definieren wir für t R St nk := X nk + Bt nk, 8

so gibt für t T nk S nk t T nk = X nk + B nk t T nk die Position des Teilchens nk zur Zeit t an. Für festes n sind die ) T nk, Xt T nk nk, k 1 unabhängig und identisch verteilt. Außerdem definiert für alle n Z und alle t R N n Ψ t n := k=1 δ T nk,s nk t T nk ) 1 Tnk t einen ausgedünnten) Poissonschen Punktprozess mit Intensitätsmaß νn t A, x]) = EΨt n A, x]) = Ce λs P X nk + Bt s nk x ) λds) A [n,n+1) = Ce λs P Bt s nk x y) µdy) A [n,n+1) R x y = Ce λs 1 exp πt s) = R A [n,n+1) x A [n,n+1) R z C z y) exp πt s) t s) + λs für alle A B,t] und x R. Definieren wir nun Ψ t := n Z Ψ t n, dz λds) µdy) t s) µdy) dz λds) so ist dies wieder ein Poissonscher Punktprozess und besitzt vgl.[rei], Beweis von Theorem.1.1) das Intensitätsmaß ν t mit ν t ds, dz) := νnds, t dz) n Z C = 1,t] s) πt s) R exp z y) t s) + λs µdy) λ ds, dz). Weiter definieren wir für alle t R den Poissonschen Punktprozess der Positionen der existierenden Teilchen zum Zeitpunkt t durch Ψ t := Ψ t, t] ). Dieser besitzt das Intensitätsmaß ν t, wobei ν t dx) = i t x) dx und i t x) := t e x y) t s) Ce λs µdy) ds 3.3.4) πt s) 9

gilt. Schließlich definieren wir für alle t R die Position des zur Zeit t rechtesten Teilchens durch R t := max S nk t T nk : T nk t, n Z, k 1 3.3.5) die Funktion v : R [0, 1] durch Es gilt zunächst: Lemma 3.3.. Für die Funktion i t gilt t, x) vt, x) := P R t x). 3.3.6) i t x) : = t = Ceλt λ e x y) t s) Ce λs µdy) ds πt s) e λ y x µdy). 3.3.7) Beweis. Mit dem Satz von Fubini und einer Substitution folgt Also bleibt t = C π e x y) t s) Ce λs µdy) ds πt s) = C π = Ceλt π 0 t 0 0 e x y) t s) e λs t s e x y) α e λt α) α e x y) λα α α e x y) λα α dα = α ds µdy) dα µdy) dα µdy). zu zeigen. Nach Gleichung 3471.9 auf Seite 384 in [Gra] gilt 0 x y) dα = α λ x y = λ) 1 4 e x y) λα α 30 π λ y x λ e 3.3.8) ) 1 4 K 1 x y) λ) K 1 x y) λ),

wobei vgl. [Gra], S.961) mit H 1) 1 K 1 x y) λ) i ) x y) λ := J 1 := πi e πi 4 H 1) 1 i ) x y) λ i ) x y) λ + in 1 i ) x y) λ. Dabei sind J ν und N ν wie folgt definiert vgl. [Gra], S.960) : J ν z) := zν ν 1) k z k, argz) < π, k k!γν + k + 1) k=0 N ν z) := 1 sinνπ) [cosνπ)j νz) J ν z)], argz) < π, ν / Z. Also erhalten wir wegen sin π ) = 1 und cos π ) = 0 H 1) 1 + i = i ) x y) λ 1 sin π ) = i x y) λ ) 1 k=0 [ π ) cos J 1 i ) x y) λ J 1 i x y ) 1 λ k=0 1) k 1)k [ + i J 1 i )] λ x y i x y ) 1 λ ) k λ x y = k ) k!γ k + 3 i i x y λ k=0 ) 1 k=0 λ x y ) k k k!γ k + 3 λ x y ) k k ) = : K. k!γ k + 1 ) k i x y) λ 1) k k k!γ ) k + 3 i )] ) x y) λ ) 31

Weiter folgt wegen Γn + 1 ) = π n n 1)!!vgl. [Gra], S.947) dass K = i = i x y ) 1 λ k=0 ) 1 λ x y ) k k k! π k + 1)!! k λ ) k x y i x y k λ k=0 k! π k 1)!! k ) 1 λ ) k i π x y x y x y λ λ k!k + 1)!! gilt. Insgesamt ergibt sich also 0 k=0 λ ) k x y k!k 1)!! k=0 =:L e x y) λα α x y dα = α λ) 1 4 Es bleibt daher zu zeigen, dass x y = λ) 1 4 x y = λ) 1 4 π = λ L. K 1 πi e πi πi e πi 4 L = e λ y x x y) λ) 1) 4 H 1 i ) x y) λ i π x y λ ) 1 L gilt. Wegen k)!! = k k! und k 1)!! = k)! k k! 3

erhält man λ ) k λ ) k L = x y x y x y λ k+)! k=0 k! k+1 k+1)! k=0 k! k)! k k! λ ) k λ ) k = x y x y x y λ k+)! k)! k=0 k+1 k=0 λ ) k+1 λ ) k x y x y = k + 1)! k)! k=0 k=0 ) ) = sinh λ x y cosh λ x y = e λ y x, und damit ist der Beweis abgeschlossen. Bei den nachfolgende Betrachtungen unterscheiden wir zwei Fälle: 1.Fall: Nehmen wir zuerst an, dass der Träger des Maßes µ vollständig in, x ] für ein x < enthalten ist. Dann erhalten wir folgendes Lemma, welches die Gestalt von i t x) für alle x x und alle t R angibt: Lemma 3.3.3. Für alle x x und alle t R gilt i t x) = Ce λ x λ λ t ) x e λy µdy). 3.3.9) Beweis. Mit Hilfe von 3.3.7) erhalten wir für beliebiges x x und beliebiges t R i t x) = Ceλt λ x e λ y x µdy) = Ceλt λ x λx = Ceλt x e λy µdy) = Ce λ λ x λ e λx y) µdy) ) λ t x e λy µdy). Als nächstes folgt: Lemma 3.3.4. Für t ist i t x) in der Region x x eine wandernde Welle mit Geschwin- 33

λ digkeit, das heißt es existieren eine Funktion ω : R R und für alle t ein m t, so dass für alle x x die folgenden Aussagen gelten: m i) lim t λ =. t t ii) Es gibt ein t 0 R, so dass i t m t ) = 1 für alle t t 0 gilt. iii) Es gibt ein t 1 x) R, so dass für alle t t 1 x) i t m t + x) = ωx). Beweis. Für t R sei wobei Es folgt direkt m t := λt log k λ λ k := λ = t λ C x e λy µdy) > 0. m t λ. log k λ, 3.3.10) t t Weiter ergibt sich wegen Lemma 3.3.3, dass für hinreichend großes t i t m t ) = Ce = Ce = = Celog k λ C λ m t λ ) λ t x e λy µdy) λ λt ) log k λ λ λ t x λ x λ C x eλy µdy) λ e λy µdy) x e λy µdy) e λy µdy) = 1 gilt. Außerdem folgt für beliebiges x x und hinreichend großes t i t m t + x) = C e λ λ ) log k x t +x λ λ t e λy µdy) λ λx+log k = Ce x λ λx = e =: wx). e λy µdy) Als nächstes geben wir ein Lemma zur Gestalt von vt, x) aus 3.3.6) für alle t R und alle x x an: 34

Lemma 3.3.5. Für alle t R und alle x x gilt vt, x) = exp Ke λt λx, 3.3.11) wobei K := C λ x e λz µdz). 3.3.1) Beweis. Wegen 3.3.9) erhalten wir für alle x x und alle t R Ψt vt, x) = P x, )) = 0) = νt x, ))) 0 0! = exp i t y) dy = exp = exp e νtx, )) x Ceλt x e λz λ x λx Ceλt x λ = exp Ke λt λx e λy dy µdz) e λz µdz) 3.3.13) mit K aus Gleichung 3.3.1). Es folgt die Behauptung. Die genaue Gestalt von vt, x) kann man nun nutzen, um das folgende Ergebnis zu beweisen: Lemma 3.3.6. Die Funktion vt, x) ist für t eine wandernde Welle mit Geschwindigkeit λ. Beweis. Wir definieren zuerst für alle t R m t log k := + t λ λ, 3.3.14) wobei k λ log 1 := C x > 0). e λy µdy) 35

Es ergibt sich m t t = log k λ λ + λt t. Außerdem erhält man wegen Lemma 3.3.5 für hinreichend großes t vt, m t ) = exp = exp Ceλt λmt x λ Ceλt ) λ log k λ +t λ e λy µdy) λ = exp Ck x e λy µdy) λ x = 1. e λy µdy) Schließlich sieht man, dass für belibiges x R ein t 1 x) existiert, so dass für alle t t 1 x) vt, m t + x) = exp = exp = exp λmt+x) Ceλt x λ Ceλt ) λ log k +t λ λ +x x Ce λ λx+log k x λ gilt. Damit ist der Beweis abgeschlossen. e λy µdy) e λy µdy) e λy µdy) =: ωx) Zusätzlich erhalten wir ein Lemma zum Grenzverhalten von R t t. Lemma 3.3.7. Es gilt R t t P λ. Beweis. 36

Wegen 3.3.11) gilt für jedes ɛ > 0 und t > 0 ) Rt λ P t > ɛ ) ) Rt λ λ = P t > ɛ + P R t > ɛ t ) ) )) λ λ = P Rt > ɛ + t + P Rt < t ɛ )) )) λ λ = 1 P Rt t ɛ + + P Rt t ɛ ) = 1 exp = 1 exp Ke λt λt Ke λɛt ɛ+ λ + exp + exp Ke λɛt Ke λt λt λ ɛ ) 3.3.15) Wegen und folgt die Behauptung. exp Ke λɛt exp Ke λɛt 1 t t 0.Fall: Gehen wir nun davon aus, dass es kein x gibt, so dass der Träger des Maßes µ vollständig in, x ] enthalten ist. Dann folgt durch Aufteilung des Integrals an der Stelle x aus 3.3.7), dass λx i t x) = Ceλt λ gilt. Daher erhalten wir: x e λ y x µdy) e λx λy µdy) + Ceλt+ λ Lemma 3.3.8. Falls e λy µdy) < gilt, so folgt gleichmäßig in t. λx i t x) Ceλt λ 37 x e λy µdy) 3.3.16) e λy µdy) x ) 3.3.17)

Beweis. Für beliebiges x R gilt Ce λt sup λ e λx x e λy µdy) + e ) λx x e λy µdy) Ce t R λt λ e λx e λy µdy) x = e λy µdy) e λy µdy) + e λx x e λy µdy) e λx e λy µdy) 1 x = e λy µdy) λx e λy µdy) + e x e λy µdy) 1 e λy µdy). Da nach Voraussetzung 0 < e λy µdy) < ist, erhalten wir lim x Es bleibt also noch zu zeigen, dass x e λy µdy) e λy µdy) = 1. lim λx x e e λy µdy) = 0 x gilt. Dies folgt aber aufgrund der folgenden Überlegung: 1 e λx x e λy µdy) = = x x e x y) λ µdy) e λy µdy) x 0, x e y y) λ µdy) wobei der letzte Schritt wegen 0 < e λy µdy) < folgt. Mit Hilfe dieses Lemmas kann man schließlich das folgende Pendant zu Lemma 3.3.4 beweisen: Lemma 3.3.9. Falls e λy µdy) < gilt, so approximiert i t x) für t eine wandernde λ Welle mit Geschwindigkeit. Beweis. Zuerst definieren wir für t R m t := λt k λ 38

mit λ k := log C e λy µdy). Dann erhalten wir m t λ lim = t t. Außerdem gilt wegen Lemma 3.3.8 für hinreichend großes t i t m t ) Ceλt λmt λ = Ceλt λ λt k λ λ = Ce k λ e λy µdy) e λy µdy) e λy µdy) = 1 und für beliebiges x R und hinreichend großes t λmt+x) i t m t + x) Ceλt λ = Ceλt λ λt k λ +x λ = Ce λx+ k λ ) e λy µdy) e λy µdy) e λy µdy) =: ωx). 3.3.18) Also folgt die Behauptung mit als wandernder Welle. Weiter ergibt sich: Lemma 3.3.10. Für alle t R und x R gilt λx W t, x) := Ceλt e λy µdy) λ vt, x) = exp x i t y) dy. 3.3.19) 39

Beweis. Genau wie in Lemma 3.3.5 ergibt sich Ψt vt, x) = P x, )) = 0) = e νt x, )) = exp x i t y) dy Die nächsten drei Lemmata geben wir ohne Beweis an: Lemma 3.3.11. Falls e λy µdy) < gilt, so folgt gleichmäßig in t, wobei log vt, x) K e λt λx x ) 3.3.0) K := C λ e λy µdy). Lemma 3.3.1. Falls e λy µdy) < gilt, so approximiert vt, x) für t eine wandernde Welle mit Geschwindigkeit. λ Lemma 3.3.13. Für alle s < gilt lim t = 0. P rechtestes Teilchen zur Zeit t ist vor der Zeit s geboren ) 3.3.1) 3.3. Ein Spezialfall Die Verzweigungsfunktion mit kompaktem Träger Wir betrachten in diesem Abschnitt nur solche IVBB, deren Verzweigungsfunktionen β kompakten Träger besitzen. Zuerst geben wir zwei Definitionen an: Definition 3.3.14. Seien J R und t 0. Mit N t J) bezeichnen wir die Anzahl der IVBB-Teilchen in J zur Zeit t, das heißt N t J) := N t 40 i=1 δ S i t J). 3.3.)

Definition 3.3.15. Für beliebiges t R wird die Zufallsgröße W t auf Ω, A, P ) durch W t ω) := e λ 0t φ 0 x) N t ω, dx), ω Ω, 3.3.3) R definiert, wobei λ 0 bzw. φ 0 Eigenwert bzw. Eigenfunktion des Differentialoperators g 1 g + βg sind. Weiter seien die Zufallsgröße W auf Ω, A, P ) definiert durch W ω) := lim W t ω), ω Ω, 3.3.4) t und das Maß ν auf R, B) durch die Gleichung νj) := φ 0 x) dx, J B, 3.3.5) gegeben. Wir erinnern hier noch an ein Ergebnis von Watanabe: Satz 3.3.16. Für jedes beschränkte Intervall J R gilt lim t N t J) e λ 0t J = W νj) fast sicher. 3.3.6) Weiter hat man für jede nichtnegative, stetige Funktion f auf R mit kompaktem Träger fx) Nt dx) = W f dν. 3.3.7) lim t e λ 0t Nun wollen wir ein starkes Gesetz der großen Zahlen aus [Lal] zitieren, welches zum Beweis des nachfolgenden Satzes benötigt wird. Lemma 3.3.17. Es sei N t ) t 0 der zu einem Punktprozess auf 0, ) gehörende Zählprozess. Ferner seien F t ) t 0 eine Filtration, bzgl. der N t ) t 0 adaptiert ist, und λ t für jedes t 0 eine F t -messbare Intensität des Punktprozesses. Gibt es dann eine stetige Funktion f : [0, ) [0, ) derart, dass für eine positive Zufallsvariable Y sowohl 0 ft) dt = 41