Agenda 2030: Handlungsbedarf für die Weiterbildung in der Schweiz?

Ähnliche Dokumente
Das Weiterbildungsgesetz - eine Chance für den Kanton Zürich

Weiterbildung in der Schweiz

Verankerung von Alphabetisierung und Grundbildung in der Schweiz am Beispiel des GO Projektes

Nationales Programm zur Prävention und Bekämpfung von Armut

Grundlagen. Förderung der Grundkompetenzen von Erwachsenen Schwerpunkte 2017/2018. Januar 2017

Informationen des SVEB

Positionspapier der IG Grundkompetenzen

PROJEKT Förderung der Grundkompetenzen von Erwachsenen in Liechtenstein

a k r o t e a c h w i r b i l d e n akrotea.ch GmbH, November

vom 20. Juni 2014 (Stand am 1. Januar 2017)

Dritter Weltbericht zur. Erwachsenenbildung. Jan Kairies. Mehr(-)Wert als Zahlen 8 September 2016

Effektive Förderung der Grundkompetenzen am Arbeitsplatz

Bausteine für ein Konzept zur Förderung alltagsmathematischer. Kompetenz. Teil 1 Alltagsmathematik eine Einführung Aktuelle Kursbeispiele

Aktuelle bildungspolitische Herausforderungen. M. Dell Ambrogio, Staatssekretär

Firmenkurse in Grundkompetenzen

EUROPEAN (NETWORK) FOR MOTIVATIONAL MATHEMATICS FOR ADULTS -

Grundzüge des Weiterbildungsgesetzes

Betriebe als Chancengeber in der Nachholbildung

Bundesamt für Berufsbildung und Technologie Leistungsbereich Berufsbildung 3003 Bern

Berufsabschluss und Berufswechsel für Erwachsene

Das neue Kinder- und Jugendförderungsgesetz

Europäische Projekte Chancen für Aus- und Weiterbildung

Nationale Strategie Palliative Care. Pia Coppex, Projektleiterin Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren GDK

Umsetzungsperspek-ven für das Weiterbildungsgesetz

Psychische Gesundheit

Kanton Bern. Barbara Ruf Leiterin kantonale Fachstelle für die Gleichstellung von Frauen und Männern. Staatskanzlei

Validierung von Bildungsleistungen lebenslanges Lernen. Dani Duttweiler Ressortleiter Grundsatzfragen + Politik, BBT

Berufsabschluss für Erwachsene. Véronique Polito, Mitligied Geschäftsleitung, Unia

Hochwertige und chancengerechte Bildung für alle. Katja Römer Pressesprecherin Deutsche UNESCO-Kommission

LLL :2020 Strategie zum lebensbegleitenden Lernen in Österreich

Strategie der EDK im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologien (ICT) und Medien

LiteratorIn für Muttersprachige / LiteratorIn für Fremdsprachige

Berufsbildung und Weiterbildung der Weg zu qualifiziertem Personal

erasmusplus.lu Aus- und Weiterbildung Jugend

Offshoring und Digitalisierung

Grundsatz. Auftrag. Anspruchsgruppen

Guter Start ins Kinderleben. 4. Netzwerktreffen

Stellungnahme des Schweizerischen Verbandes für Weiterbildung SVEB

SECOND CHANCE PROJEKT

Die soziale Entwicklung in den Nord-Süd-Beziehungen

Förderpolitik des Bundes

EU-Bildungsprogramm für lebenslanges Lernen. Werkstattgespräch, Maitagung vom 11. Mai 2010 Laura Antonelli, BBT

Bildung und sozial-ökologische Transformation

GEOTHERMIE DIE ALTERNATIVE

Digitalisierung als Beitrag zur Öffnung von Hochschulen

Vorbereitungskurs Grundkompetenzen

PPP-Erfahrungen aus der Standortförderung des Bundes

Erfolgreiches Stakeholdermanagement. Umfeld. Forum Marktplatz Kommune 2016, Halle 7/D68 Dienstag, 15. März 2016 Anna Faoro, E-Government Schweiz

Nationale Selbsthilfe - Tagung. Workshop 2 Politische Verankerung der Selbsthilfe Anna Sax und Andi Daurù

Bildung im Alter: Qualitätsentwicklung Grundlagen Dr. in Elisabeth Hechl BMASK, Abt. V/A/6

Strategie «Digitale Schweiz»

Soziale Innovation In Europa. Sehr geehrter Herr Staatssekretär Hintersberger, Sehr geehrter Herr Hauptgeschäftsführer Dr. Semper,

Zukunft des Europäischen Sozialfonds in Berlin

Ist die Wirtschaft ein Akteur der Familienpolitik?

Berufsbildung für Erwachsene

Willkommen an der Medienkonferenz

Berufsabschluss für Erwachsene

«Fit im Betrieb» Personalentwicklung Eigenverantwortung oder Aufgabe der Unternehmen? Arbeitgeberanlass RAV Zürich 28. Juni 2017

Nationale Strategie Palliative Care

Aktueller Stand von Open Government Data beim Bundesamt für Landestopografie

Verordnung über die Weiterbildung

EU-Förderpolitik - Schwerpunkt soziale Innovationen

Frühe Förderung in kleineren und mittleren Gemeinden Situationsanalyse und Empfehlungen

Die Rolle der Basisbildung für die Schlüsselkompetenzen

Learning for Jobs OECD Studien zur Berufsbildung

Stellungnahme zum Entwurf des Bundesgesetzes über die Weiterbildung (WeBiG)

Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA)

GINIWE Grundbildungs-Initiative Niederrhein und Westmünsterland. Projektpräsentation. Herzlich Willkommen!

CIP. Competitiveness and Innovation Framework Programme. ICT Policy Support Programme Ing. Mag. Ruzicka Alfred

Webinar 1: Das Programm Erasmus+ und die Strategischen Partnerschaften. Simone Kaufhold, Michael Marquart

LLL :2020 Strategie zum lebensbegleitenden Lernen in Österreich

Gesundheitspolitik und Psychotherapie

Bericht «Psychische Gesundheit» des Dialogs Nationale Gesundheitspolitik

Die Nutzung von Mechanismen im Berufsentwicklungsprozess zur Verankerung von BNE

Gender Mainstreaming im ESF-Bundesprogramm und der Transfer in gleichstellungspolitische Programme

Workshop 1 Ein neues Gesundheitsförderungsgesetz. für Österreich

Die BRK als Leuchtturm? Chancen und Herausforderungen bei der Umsetzung vom «Wirkungsbericht Behindertenpolitik» des Kantons St.

Teilhabechancen durch Bildung im Alter erhöhen - Bildung bis ins hohe Alter? Dr. Jens Friebe. Dezember 2015

Technik Plus Wissenschaft für die vernetzte Gesellschaft. Universität Passau April 2012

Gegenwart und Zukunft: Integrität und Komplexität der Agenda 2030 und deren Übertragung auf Kommunen

Weiterentwicklung der Kinderund Jugendförderung im Kanton Uri Förderprogramm

Zentrum für Qualität und ANQ: Zusammen für mehr Qualität und Sicherheit in Schweizer Spitälern

Definition und Umsetzung von Gesundheitszielen

Macht Weiterbildung Erwachsene gesünder?

Grundkompetenzen und Informations- und Kommunikationstechnologien

Bildung im Alter als Beitrag zur Sicherung der Teilhabenchancen älterer Menschen Dr. in Elisabeth Hechl BMASK, Abt. V/A/6

Die Umsetzung des VN-Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. - Aktionsplan der Bundesregierung-

Gesundheitskompetenz der Schweizer/innen

Informationsveranstaltung Umsetzung Konzept Palliative Care Appenzell Ausserrhoden. 18. Januar 2018

«Bildung und Technik, Interesse an MINT-Berufen wecken!»

Der Deutsche Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen. Eva Nourney, BMBF

Neuregelung von Prävention und Gesundheitsförderung

Das Projekt Q2P - Zentrale Unterstützungsangebote für den Medieneinsatz in der akademischen Weiterbildung.

Kanton Zürich Gesundheitsdirektion Nationale Demenzstrategie: Wie weiter im Kanton Zürich?

Armutsprävention in Thüringen strategische Ansätze im ESF

Armutsprävention durch Berufsbildung und Weiterbildung

Strategie Zusammenfassung. Inhalt

Touristischer Masterplan Kanton Schwyz

Beteiligungsmanagement: Eine strategische Herausforderung. 27. November Dr. Urs Bolz, PricewaterhouseCoopers

Steuerung Bildungsangebot und Bildungsnachfrage Fachkräftemangel Lösungsansätze für die Praxis»

Transkript:

Agenda 2030: Handlungsbedarf für die Weiterbildung in der Schweiz? Bernhard Grämiger, Cäcilia Märki, SVEB Schweizer Lancierung des Aktionsrahmens Bildung 2030 Bern, 19. Februar 2016

Agenda 1. Was sind Grundkompetenzen? 2. Agenda 2030 und die Förderung der Grundkompetenzen 3. Analyse der aktuellen Situation in der Schweiz 4. Handlungsbedarf vor dem Hintergrund der Agenda 2030 5. Diskussion

Ungenügende Grundkompetenzen Ein grosser Teil der Schweizer Erwachsenen verfügt nicht über genügende Grundkompetenzen, um voll am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Zu den Grundkompetenzen von Erwachsen gehören: Lesen und Schreiben Alltagsmathematik Umgang mit dem Computer Beherrschen der Landessprache Methodische und soziale Kompetenzen

Wie gross ist das Problem? Die Adult Literacy and Lifeskills Studie (ALL) kommt für die Schweiz zu folgendem Schluss: 800 000 SchweizerInnen können einfache Texte nicht verstehen (15.9 % der erwachsenen Bevölkerung) Beispiel: max. Verwendungsdauer von Aspirin 430 000 haben Probleme mit einfachsten Rechenaufgaben Beispiel: Benzintank

Internat. Vergleich: Lesen von Texten Anteil der Personen auf dem tiefsten Niveau 50.0% 45.0% 40.0% 35.0% 30.0% 47.0% 43.2% 25.0% 20.0% 15.0% 12.5% 14.6% 15.9% 20.0% 10.0% 7.9% 5.0% 0.0% Norwegen Bermudas Kanada Schweiz Ver. Staaten Italien 1Mexiko Daten: ALL Studie 2005

Wer ist betroffen? Das Niveau der Grundkompetenzen hängt positiv mit dem Niveau der Grundausbildung zusammen und mit dem Bildungsniveau der Eltern Je älter, desto grösser das Risiko, über geringe Grundkompetenzen zu verfügen Wer in nicht richtig lesen kann, hat mit grosser Wahrscheinlichkeit auch Mühe in anderen Grundkompetenzbereichen, z.b. Alltagsmathematik Personen mit geringen Grundkompetenzen sind stärker sozialen Risiken wie Arbeitslosigkeit, Armut und schlechter Gesundheit ausgesetzt

Aktionsprogramm Bildung 2030 Bildung ist das Kernstück der Agenda für Nachhaltige Entwicklung Fokus liegt auf Access to inclusive, equitable quality education and lifelong learning opportunities Universelle Gültigkeit des Aktionsprogramms Bildung als Menschenrecht Bildung als öffentliches Gut ( public good ) Gender Equality Stärkere Sichtbarkeit der Weiterbildung durch Aufnahme der ganzheitlichen Perspektive des Lifelong Learning.

Ziel 4.6 By 2030, ensure that all youth and a substantial proportion of adults, both men and women, achieve literacy and numeracy.

Aktionsprogramm Bildung 2030: Literacy und Numeracy Weltweit sind 757 Mio Erwachsene betroffen (älter als 15), davon 2/3 Frauen Europa ca. 20% der Erwachsenen Grundlage für Lebenslanges Lernen, Weiterbildung und Beschäftigungsfähigkeit Armutsprävention und Chancengleichheit

Education 2030: Literacy & Numeracy Ziele Verlangtes Kompetenzniveau hängt vom Kontext ab Rolle der Erstsprache beim Erwerb von literacy Teilnehmerorientierte und kontextbasierte Programme Erweitertes Verständnis durch Kombination von Literacy und Numeracy und Hinweis auf Bedeutung von ICT (mobile Technologien) Eingebettet in Rahmenwerk Lebenslanges Lernen

Education 2030: Strategien (I) Übergeordnetes Ziel: Zuständigkeit der nationalen Regierungen Formulierung politischer Zielsetzungen und strategischer Leitlinien einschliesslich Finanzierung unter Beteiligung aller Akteure sowie der Zivilgesellschaft Stärkung der Zusammenarbeit und der Koordination zwischen relevanten Ämtern wie Bildung, Gesundheit, Soziale Sicherheit, Arbeit (...), der Zivilgesellschaft, dem privaten Sektor Flächendeckendes Angebot funktionierender Programme; Partnerschaft mit Zivilgesellschaft; Good Practices nutzen

Education 2030: Strategien (II) Hohe Qualität der Angebote gemäss nationaler Standards Entwicklung von Fertigkeiten für existenzsichernde Beschäftigung Nutzung von IKT insb. mobiler Technologien im Rahmen der Förderung von Literalität und Alltagsmathematik System zur Validierung von Kompetenzen Monitoringsystem

Grundkompetenzen: Aktuelle Situation in den Kantonen Sehr unterschiedlich ausgebaute Förderstruktur in den Kantonen bezüglich Angebot, Ausgestaltung der Qualitätssicherung sowie Verfügbarkeit einer Strategie Häufigste Massnahme: Leistungsvereinbarung mit Weiterbildungsanbietern für die Durchführung allgemeiner Kurse, z.b. im Bereich Lesen und Schreiben Kaum Entwicklungen seit 2005: Verfügbare Budgets sowie Teilnehmerzahlen stagnieren

Grundkompetenzen: Grösste Herausforderungen 1. Bessere Erreichung der Zielgruppe und Erhöhung der Teilnahme an Bildungsmassnahmen 2. Ausbau und Weiterentwicklung des Bildungsangebots Die Lösung dieser Herausforderungen ist eine komplexe Aufgabe, die klare Ziele und Massnahmen, eine ausreichende Finanzierung sowie eine optimale Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Akteuren erfordert. Das Weiterbildungsgesetz hat die Grundlage geschaffen, diese Aufgabe anzugehen.

WeBiG: Förderauftrag an Bund und Kantone Das WeBiG gibt Bund und Kantonen den Auftrag, unter Einbezug der Organisationen der Arbeitswelt folgende Grundkompetenzen zu fördern: a. Lesen, Schreiben und mu ndliche Ausdrucksfähigkeit in einer Landessprache b. Grundkenntnisse der Mathematik c. Anwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) Die Förderung soll praxisnah ausgestaltet sein, indem u.a. wirtschaftliche Themen einbezogen werden.

Geplante Umsetzungsstruktur: Programmmodell Entwicklung von kantonalen, vierjährigen Grundkompetenzprogrammen mit klaren Zielen und Massnahmen Programmvereinbarung zwischen Bund und Kantonen Gemeinsame Finanzierung der Programme durch Bund und Kantone (voraussichtlich 50/50) Nationale Ziele werden pro BFI-Periode in einem Grundsatzpapier festgehalten Grundsatzpapier wird von einer Arbeitsgruppe bestehend aus Kantonsvertretern, den Sozialpartnern und der IG Grundkompetenzen erarbeitet

Fazit WeBiG Positiv Gesetzliche Grundlage, um Herausforderungen anzugehen Programmmodell ist geeignete Umsetzungsstruktur Einbezug der OdA s Aber Finanzierungsstruktur setzt wenig Anreize für die Kantone, mehr zu tun im Vergleich zum Status quo Finanzbedarf wird vom SVEB auf 12 Mio CHF pro Jahr geschätzt der Bund hat bisher 2 Mio CHF vorgesehen Zielsetzungen und Strategien des Grundlagenpapiers gehen nicht weit genug

Handlungsbedarf vor dem Hintergrund der Agenda 2030 Klare strategische Leitlinien und überprüfbare Ziele Aufbau flächendeckendes Angebot Massnahmen zur Förderung der Nachfrage Sicherstellung einer adäquaten Finanzierung Verbesserung der Zusammenarbeit und Koordination Qualitätssicherung IKT zur Förderung von Literalität und Alltagsmathematik

Diskussion 1. Wo sehen Sie den grössten Handlungsbedarf im Bereich Grundkompetenzen in der Schweiz? 2. Wer muss was tun, damit die Agenda 2030 dazu beiträgt, dass der Handlungsbedarf im Bereich der Förderung der Grundkompetenzen in der Schweiz effizient angegangen wird?

Kontakt Schweizerischer Verband für Weiterbildung Oerlikonerstrasse 38 8057 Zürich Bernhard Grämiger, Stv. Direktor SVEB T: 0041 44 319 71 61, M: bernhard.graemiger@alice.ch Cäcilia Märki, Leiterin Grundkompetenzen SVEB T: 0041 44 319 71 58, M: caecilia.maerki@alice.ch

Wo finden wir die Zielgruppe? Quellen: ALL-Studie, BFS, 2007 / Betriebszählung, BFS, 2010

Grundkompetenzen nach Migrationsstatus Fremdsprachige Einwanderer 31.7% 44.6% Nicht fremdsprachige Einwanderer 10.3% 17.1% Alltagsmathematik Lesen Schweizer oder in der Schweiz geboren 5.5% 10.0% 0.0% 10.0% 20.0% 30.0% 40.0% 50.0% Quelle: ALL Studie, BFS, 2005

Grundkompetenzen von fremdsprachigen Einwanderern gemäss ALL Studie 100% 1.7 4.1 90% 80% 19.4 22.4 70% 60% 50% 34.0 37.8 Niveau 4 und 5 Niveau 3 40% 30% Niveau 2 Niveau 1 20% 44.6 35.8 10% 0% Lesen von Texten Alltagsmathematik