3.5.6 ****** 1 Motivation Bei der Strömung einer viskosen Flüssigkeit durch ein Rohr ergibt sich ein parabolisches Geschwindigkeitsprofil. 2 Experiment Abbildung 1: Versuchsaufbau zum Der Versuchsaufbau ist in Abb. 1 wiedergegeben. Man füllt ein Rohr von unten her zum einem, Drittel mit farblosem Glyzerin. Dann entlüftet man und saugt anschliessend mit einer Wasserstrahlpumoe rotgefärbtes Glyzerin nach. Es bildet sich gemäss der Hagen-Poiseuille-Verteilung v(r) = ( R 2 r 2) (1) 4ηl eine rot gefärbte Parabel aus. Dabei bedeuten R den Innenradius des Rohrs, r der Abstand eines Tröpfchens von der Achse, die Druckdifferenz, gemessen über die Rohrlänge l und η die Viskosität der Flüssigkeit (siehe Abb. 2). 1
3 Theorie Abbildung 2: Geschwindigkeitsprofil nach Hagen-Poiseuille 3.1 Laminare Strömung mit innerere Reibung Besteht in einer Flüssigkeit ein Geschwindigkeitsgefälle dv/ds zwischen benachbarten Flüssigkeitsschichten, so treten Schubspannungen τ auf (siehe Abb. 3). Nach einem Ansatz von Newton 1 gilt: τ = η dv (2) ds η wird als Zähigkeit oder dynamische Viskosität des Mediums bezeichnet. Die Dimension von η erhalten wir aus der Definitionsgleichung: [ ] τ N m 2 [η] = = dv/ds (m s 1 ) m 1 = N s kg = Pa s = (3) m2 m s 1 Das ist ein empirischer Ansatz, der von Newton plausibel gemacht wurde. Eine Ableitung dieses Gesetzes aus der Grundgleichung F = ṗ von Newton ist z.b. im Rahmen der kinetischen Gastheorie möglich. 2
ds τ τ v + dv v Abbildung 3: Das Geschwindigkeitsgefälle dv/ds zwischen benachbarten Flüssigkeitsschichten bewirkt eine Schubspannung τ. Daneben wird noch die sogenannte kinematische Viskosität ν verwendet: ν := η ρ (4) Einige typische Werte sind in Tabelle 1 aufgezeichnet: Tabelle 1: Viskosität einiger Stoffe Stoff T/ C η/(pa s) Luft 0,000018 Wasser 0,001 Glyzerin 20 1,760 Schmieröl +30 0,6 Schmieröl 0 12 Schmieröl -42 7000 Im Allgemeinen ist η stark temperaturabhängig 2. Als Beispiel berechnen wir das Geschwindigkeitsprofil v(r) und den Fluss Φ V durch ein zylindrisches Rohr mit dem Radius R und der Länge l, an dessen Enden eine Druckdifferenz von aufrecht erhalten wird (siehe Abb. 4). Auf die im Zylinder mit Radius r eingeschlossene Flüssigkeit bewirkt der Druck p + bzw. p die Kraft (F + F ) F = F (5) mit F = p πr 2 F = πr 2 2 Deshalb verwendet man im Winter Motorenöle mit anderer Viskosität. 3
2R 2r F + F p + F p l Abbildung 4: Zur Berechnung des Geschwindigkeitsprofils einer viskosen Flüssigkeit in einem zylindrischen Rohr. Sie ist im Gleichgewicht mit der Reibungskraft F r = 2π r l τ = 2π r l η dv dr. (6) (dv/dr ist negativ). Daraus erhalten wir wiederum eine Differentialgleichung die wir leicht separieren und integrieren können: dv = 1 2η l dv dr = 1 2η l r, (7) r dr v(r) = 1 4η l r2 + konst. (8) Am Rande des Rohres haftet die Flüssigkeit, v(r) = 0. Daraus erhalten wir die Integrationskonstante: v(r) = 1 4η l (R2 r 2 ) ( ) = v max 1 r2 R 2 (9) mit v max = 1 4η l R2 (10) 4
r R 0 v z Abbildung 5: Geschwindigkeitsprofil einer durch ein Rohr fliessenden viskosen Flüssigkeit Dieses Geschwindigkeitsprofil ist in Abb. 5 wiedergegeben. Der zugehörige Fluss für dieses Geschwindigkeitsprofil ist (Beziehung von Hagen-Poiseuille). Φ V = dv dt = v max π R 2 = π 2 8η l R4 = < v > πr 2 (11) Man beachte, dass die Durchflussmenge von der 4. Potenz des Rohrdurchmessers abhängt. Eine Verengung macht sich somit bald drastisch bemerkbar! Der Reibungswiderstand, der an einem Rohrstück der Länge l angreift, beträgt: F R = 4π η l v max = 8π η l < v > (12) Diese Beziehung hat eine grosse Ähnlichkeit mit der Formel von Stokes: Auf eine Kugel mit dem Radius R, die sich mit der Geschwindigkeit v in einem Medium mit der Zähigkeit η bewegt 3, wirkt folgende Reibungskraft: F K = 6π η R v (13) 3 Natürlich wirkt eine Kraft der gleichen Grösse, falls eine ruhende Kugel von einer Flüssigkeit mit der Geschwindigkeit v umströmt wird. 5