Bereicherungsrecht (6) Allgemeine Eingriffskondiktion 1
Bereicherungsrecht (2) Prüfungsschema 812 BGB Herausgabeanspruch (1) Wer durch Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. [...] allgemeiner Tatbestand der Nichtleistungskondiktion - etwas erlangt - nicht durch Leistung, sondern in sonstiger Weise - auf dessen [des Gläubigers] Kosten - ohne Rechtsgrund 2
auf Kosten Eingriffskondiktion à Rechtsgüterschutz, deliktsähnlicher Charakter Ein Fall für die Eingriffskondiktion? A betreibt in der Leipziger Innenstadt einen Bratwurststand. Er verkauft Bratwürste mit Senf zum Preis von 1,50. Das Geschäft läuft gut, bis B ebenfalls einen Bratwurststand eröffnet. B verkauft Bratwürste mit Senf oder Ketchup zum Preis von 1,30. Daraufhin bricht der Umsatz des A zusammen. A ist nicht bereit sein Geschäftsmodell zu ändern und verlangt stattdessen die Bereicherung heraus, die B auf seine Kosten erlangt hat. - Nein! - nicht jeder beliebige Nachteil reicht aus à Präzisierung des Merkmals auf Kosten erforderlich 3
auf Kosten nicht entscheidend: Rechtswidrigkeit des Eingriffs - auch rechtmäßiges Verhalten kann Bereicherungsanspruch auslösen Beispiel: Leistung des Schuldner nach nicht angezeigter Abtretung an Altgläubiger - Neugläubiger muss diese nach 407 BGB gegen sich gelten lassen, kann aber kondizieren (und zwar nach 816 II BGB) - rechtswidriges Verhalten führt nicht notwendig zu Bereicherungsanspruch Der abgewiesene Freier F zwingt die Prostituierte P gegen deren Willen zum sexuellen Verkehr. Eingriff in Persönlichkeitsrecht der P (sexuelle Selbstbestimmung) aber: kein bereicherungsrechtlich relevanten Vermögenswert (trotz 1 ProstG) daher kein Anspruch der P auf Wertersatz nach 818 II BGB stattdessen: Schadensersatz, inkl. Schmerzensgeld ( 823 I und II, 253 BGB) 4
Zuweisungstheorie Eingriff in den Zuweisungsgehalt eines fremden Rechts - Schuldner muss eine vermögensrechtliche Position erlangt haben, die ihm nach der rechtlichen Güterzuordnung nicht gebührt - ausfüllungsbedürftige Formel à zu füllen anhand der gesetzlichen Wertungen (z.b. 903 BGB) vermögensrechtlicher Zuweisungsgehalt - jedenfalls dann gegeben, wenn der Bereicherungsgläubiger die Möglichkeit hatte, entgeltlich über seine Rechtsstellung bzw. die aus ihr fließenden Vorteile zu verfügen - insbes. also seine Position einem sonst ausgeschlossenen Dritten gegen Entgelt zur Nutzung oder Verwertung zu überlassen - abstrakte Möglichkeit insoweit ausreichen, d.h. weder konkrete Verwertungsgelegenheit noch Absicht erforderlich 5
Eigentum 903 BGB Befugnisse des Eigentümers Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. Der Eigentümer eines Tieres hat bei der Ausübung seiner Befugnisse die besonderen Vorschriften zum Schutz der Tiere zu beachten. grds. umfassende Nutzungs- und Verfügungsbefugnis, die entgeltlich oder unentgeltlich an Dritte übertragen werden kann zudem Abwehransprüche, etwa aus 1004 BGB 6
Eigentum Eingriff in den Zuweisungsgehalt durch... - unberechtigte Nutzung einer fremden Sache - Verbrauch einer fremden Sache Sachqualität geht zwar verloren, doch obliegt es gerade dem Eigentümer, hierüber zu entscheiden auch Zerstörung ist Eingriff à aber hier fehlt es in der Regel an einer Bereicherung - wirksame Verfügung eines Nichtberechtigten Achtung: 816 BGB ist insoweit lex specialis 7
Eigentum Eingriff in den Zuweisungsgehalt durch... - Rechtsverlust durch Verbindung, Vermischung, Vermengung, Verarbeitung 951 BGB Entschädigung für Rechtsverlust (1) Wer infolge der Vorschriften der 946 bis 950 einen Rechtsverlust erleidet, kann von demjenigen, zu dessen Gunsten die Rechtsänderung eintritt, Vergütung in Geld nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern. Die Wiederherstellung des früheren Zustands kann nicht verlangt werden. Rechtsgrundverweisung auf 812 I 1 Alt. 2 BGB nur Wertersatz ( 818 II BGB), nicht Herausgabe des erlangten Rechts o.ä. 8
Eigentum Begrenzung des Zuweisungsgehaltes - Sicherungseigentum aus Sicherungsabrede ergibt sich regelmäßig, dass Nutzungsbefugnis beim Sicherungsgeber verbleiben soll Eingriff erst, wenn Verwertungsinteresse des Sicherungsnehmers betroffen ist - bei Bestehen dinglicher Rechte - durch schuldrechtliche Verträge 9
Eigentum Begrenzung des Zuweisungsgehaltes - Sonderproblem: unberechtigte Untervermietung Wohnungseigentümer W hat seine Wohnung an Student S vermietet. Da S ein Jahr im Ausland verbringen will, vermietet er die Wohnung an Untermieter U. Nach dem Mietvertrag war er hierzu nicht berechtigt. Kann W den Untermietzins von S gemäß 812 I 1 Alt. 2 BGB heraus verlangen? BGH (vgl. etwa BGHZ 131, 297, 306) und h.m.: - Vermieter begebe sich durch Abschluss des Mietvertrages seiner Gebrauchs- und Verwertungsmöglichkeit à daher kein kein Eingriff in Zuweisungsgehalt - Anspruch (-) 10
Eigentum Begrenzung des Zuweisungsgehaltes - Sonderproblem: unberechtigte Untervermietung Wohnungseigentümer W hat seine Wohnung an Student S vermietet. Da S ein Jahr im Ausland verbringen will, vermietet er die Wohnung an Untermieter U. Nach dem Mietvertrag war er hierzu nicht berechtigt. Kann W den Untermietzins von S gemäß 812 I 1 Alt. 2 BGB heraus verlangen? Gegenauffassung: - Mieter erhalte keine umfassende Nutzungsbefugnis - Vermieter hätte sich Zustimmung abkaufen lassen können - daher: Anspruch auf angemessenen Aufschlag auf Mietzins 11
Eigentum Begrenzung des Zuweisungsgehaltes - Sonderproblem: unberechtigte Untervermietung beachte ferner: - 816 I 1 BGB ist nicht anwendbar, da Vermietung keine Verfügung ist (str.) - 553 BGB gewährt Mieter unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Zustimmung des Vermieters zur Untervermietung gilt aber nicht für vollständige Untervermietung! 12
Beschränkt dingliche Rechte haben eingeschränkten Zuweisungsgehalt à Inhalt ist abhängig von der Art des Rechts - Grundpfandrechte Verwertungsbefugnis, allerdings an bestimmtes Verfahren geknüpft ( 1147 BGB à Duldung der Zwangsvollstreckung) keine Nutzungsbefugnis, kein Besitzrecht - Pfandrecht an Sachen Verwertungsbefugnis grds. keine Nutzungsbefugnis, aber Besitz zwingend erforderlich - Nießbrauch und Dienstbarkeiten (ggf. ausschließliches) Nutzungsrecht 13
Immaterialgüterrecht gewerbliche Schutzrechte - insbes. Patente, Marken, Gebrauchs- und Geschmacksmuster - sind dem Rechtsinhaber ausschließlich zugewiesen - können entgeltlich übertragen oder zur Nutzung überlassen werden (Lizenzen) Urheberrecht - kann zwar nicht rechtsgeschäftlich übertragen, aber verwertet, insbes. anderen entgeltlich oder unentgeltlich zur Nutzung überlassen werden bei Verletzung: - Wertersatz ( 818 II BGB) in Höhe der üblichen Lizenzgebühr - daneben Schadensersatz nach 823 I BGB oder Spezialgesetzen mit drei Arten der Schadensberechnung 14
Persönlichkeitsrechte Allgemeines Persönlichkeitsrecht (APR) aus Art. 2 I i.v.m. 1 I GG spezielle Ausprägungen, z.b. - Recht am eigenen Bild ( 22 f. KunstUrhG) - Namensrecht ( 12 BGB) vermögensrechtlicher Zuweisungsgehalt? - grundlegend BGHZ 20, 345 ff. Paul Dahlke - aber nur, wenn Persönlichkeitsrecht kommerzialisierbar ist gegeben bei Verwendung des Namens oder Bildes zu Werbezwecken nicht hingegen bei sexueller Selbstbestimmung 15
Besitz? hat als solcher keinen vermögensrechtlichen Zuweisungsgehalt Dieb D stiehlt das Fahrrad des E. Kurz darauf wird ihm das Fahrrad seinerseits von F gestohlen. anders aber, wenn Besitzer vom Eigentümer ein Recht zum Besitz ableitet à dieses hat (trotz Relativität) einen Zuweisungsgehalt! Mieter M hat von Eigentümer E eine Wohnung gemietet. Als M in den Urlaub fährt, nutzt seine Ex-Freundin F die Gelegenheit, um gegen den Willen des M ein paar Tage in der Wohnung zu übernachten. 16
Eingriff und Rechtsgrund keine Eingriffskondiktion, wenn Bereicherte das Erlangte nach der Rechtsordnung kompensationslos behalten darf Behaltensgrund kann sich ergeben aus rechtsgeschäftlicher Gestattung i.d.r. dann aber Leistung praktisch relevant kann hier die nachträgliche Zustimmung sein Um seine hochschwangere Frau ins Krankenhaus zu fahren, benutzt M kurzerhand den Pkw seines Nachbarn N. Als M mit Frau und Baby nach Hause kommt und N sein Verhalten erklärt, ist dessen Wut schnell verflogen. N sieht ein, dass es sich um einen Notfall gehandelt hat. - zu prüfen ist dann aber noch, ob die Zustimmung zugleich Verzicht auf Kompensation beinhaltet 17
Eingriff und Rechtsgrund gesetzliche Behaltensgründe - redlicher Erwerb vom Nichtberechtigten (insbes. 892, 932 ff. BGB) grundsätzlich kondiktionsfest, daher keine Eingriffskondiktion gegen Erwerber à stattdessen: 816 I 1 BGB Ausnahme: unentgeltlicher Erwerb ( 816 I 2 BGB) - Rechtserwerb nach 946 ff. BGB ebenfalls dauerhaft, aber nicht kompensationslos ( 951 I BGB) - Eigentumserwerb des Finders ( 973 f. BGB) nur formale Zuordnung 977 BGB: Vor-Eigentümer kann bereicherungsrechtlich Rückübereignung erreichen - Erwerb von Erzeugnissen durch gutgläubigen Eigenbesitz ( 955 BGB) ebenfalls nur formale Zuordnung Ausgleich ggf. über EBV ( 987 ff. BGB) 18
Eingriff und Rechtsgrund gesetzliche Behaltensgründe - Eigentumserwerb durch Ersitzung ( 937 ff. BGB) berühmt: Menzelbilder -Fall (RGZ130, 69 ff.) Die Nichte des Malers Adolf Menzel hatte im Jahr 1908 der Münchener Pinakothek 66 Bilder ihres Onkels zum Geschenk gemacht. 1914 wurde sie wegen Geschäftsunfähigkeit entmündigt. Jahre später (jedenfalls nach 1918) verlangte der bestellte Vormund die Bilder von der Pinakothek zurück, da die Nichte bereits zum Zeitpunkt der Schenkung geschäftsunfähig gewesen sei 19
Eingriff und Rechtsgrund gesetzliche Behaltensgründe - Eigentumserwerb durch Ersitzung ( 937 ff. BGB) berühmt: Menzelbilder -Fall (RGZ130, 69 ff.) - RG sah durch Eigentumserwarb zwar Eingriffs-, nicht aber Leistungskondiktion als gesperrt an - Begründung: verschenkt ein voll Geschäftsfähiger eine fremde Sache, erwirbt der Beschenkte nach 932 BGB Eigentum, ist aber nach 816 I 2 BGB dem Herausgabeanspruch des früheren Eigentümers ausgesetzt à damalige Verjährungsfrist: 30 Jahre verschenkt hingegen ein Geschäftsunfähiger, ist die schenkweise Verfügung nichtig und der Beschenkte kann nach 10 Jahren ( 937 I BGB) den Gegenstand ersitzen daher: Wertungswiderspruch zu zulasten des Geschäftsunfähigen 20
Eingriff und Rechtsgrund gesetzliche Behaltensgründe - Eigentumserwerb durch Ersitzung ( 937 ff. BGB) seit der Schuldrechtsreform 2002 verjährt allerdings auch der Anspruch aus 816 I 2 BGB spätestens nach 10 Jahren (vgl. 199 IV BGB) à Wertungswiderspruch aufgelöst Problem stellt sich heute also gar nicht mehr! vorzugswürdig daher: Ersitzung generell kondiktionsfest 21