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4 Der Gauß Algorithmus Rechenverfahren zur Lösung homogener linearer Gleichungssysteme Wir betrachten ein GLS (1) a 11 x 1 + a 1 x + + a 1n x n = a 1 x 1 + a x + + a n x n = a m1 x 1 + a m x + + a mn x n = Dazu gehört die Matrix A = (a ij ) i=1,,m j=1,,n Für die Lösungsmenge von (1) schreiben wir Lös(A) Nach (3) gilt: Geht B aus A durch Zeilenumformungen vom Typ I, II oder III hervor, so gilt Lös(A) = Lös (B) Durch Zeilenumformungen vom Typ I und II sowie evtl Spaltenvertauschungen geht A über in eine Matrix D = d 11 d rr Zu D gehört das einfachere Gleichungssystem mit d 11 d rr () d 11 x 1 + d 1 x + + d 1r x r + d 1,r+1 x r+1 + + d 1n x n = d x + + d r x r + d,r+1 x r+1 + + d n x n = d rr x r + d r,r+1 x r+1 + + d rn x n = Nach (3) ist Lös A = Lös D, falls keine Spalten vertauscht wurden Sonst muss man diese Vertauschungen registrieren und am Ende durch Rücktausch der Koordinaten bei Lös D wieder korrigieren (Spaltentausch bedeutet für das Gleichungssystem eine Umnummerierung der Unbestimmten) Es genügt also, ein Verfahren zur Lösung von Gleichungssystemen der Form () zu entwickeln 1

1 Fall r = n Hier ist () von der Form (S) und man erhält von unten nach oben x n =, x n 1 =,, x 1 =, dh Lös A = Lös D = {} Fall n > r Die Unbestimmten x r+1,, x n heißen die freien Variablen von () Es gilt: Ersetzt man x r+1,, x n in () durch feste Zahlen λ r+1,, λ n, so entsteht daraus ein Gleichungssystem (3) d 11 x 1 + d 1 x + +d 1r x r = d 1 d x + +d r x r = d d 11 d rr d rr x r = d r der Form (S) Dieses hat nach 3 eine eindeutige Lösung λ 1 λ n λ 1 eine Lösung von (); sie ist die einzige Lösung die mit λ r Also ist λ r+1 endet Die freien Variablen waren also frei verfügbar Wende diese Methode an für die (n r) Tupel λ r+1 λ n = e i, i = 1,, n r, e i R n r der i te Einheitsvektor Auf diese Weise erhält man eindeutig bestimmte Lösungen v 1 = 1, v j =,, v n r = e j 1 λ n

Wir wollen zeigen: (41) Satz: Die Lösungen von () sind die n tupel der Form () v = c 1 v 1 + + c n r v n r, wobei c 1,, c n r in R beliebig gewählt werden dürfen Die Darstellung () von v ist eindeutig Anmerkung: Da die Lösungen von (1) durch Umnummerierung der Variablen aus den Lösungen von () hervorgehen, gibt es auch für (1) ein System w 1,, w n r von Lösungen, so dass jede Lösung von (1) eine eindeutige Darstellung () w = c 1 w 1 + + c n r w n r mit c 1,, c n r R hat Man spricht von () als der allgemeinen Lösung von (1) Verfahren zur Lösung von (1) ohne Spaltenvertauschung: 1 Man kann (1) gemäß (35) allein durch Zeilenumformungen auf sogenannte Zeilenstufenform (S) bringen: (S) b 1j1 x j1 + + b 1n x n = b 1j1 b j x j + + b n x n = b j b rjr x jr + + b r,n x n = b r,jr wobei 1 j 1 < < j r n Hier sind die freien Variablen die n r Unbekannten x k verschieden von x j1,, x jr Setze in (S) jeweils eine freie Variable 1 und die übrigen gleich (Dafür gibt es n r Möglichkeiten) Es entsteht jeweils ein GLS der Form (3) in den Unbekannten x j1,, x jr, welche sich hieraus wie oben eindeutig bestimmen lassen Schritt kann auf n r verschiedene Weisen durchgeführt werden Man erhält so insgesamt n r Lösungen w 1,, w n r von (1) Die Lösungen von (1) sind dann die n Tupel w = c 1 w 1 + + c n r w n r, c 1,, c n r R beliebig 3

Beispiel 1 x 1 + 3x + 5x 3 + x 4 = x + 6x 3 + 3x 4 x 5 = x 1 + 8x + 16x 3 + 6x 4 + x 5 = 1 3 5 1 3 5 Dazu gehört 6 3 1 III I 6 3 1 8 16 6 +1 6 1 1 3 5 6 3 1 1 entspricht dem GLS j 1 j j 3 x 1 + 3x + 5x 3 + x 4 = x + 6x 3 + 3x 4 x 5 = x 4 + x 5 = Freie Variable sind x 3 und x 5 (j 1 = 1, j =, j 3 = 4) Setze im letzten GLS x 3 = 1, x 5 = und erhalte Es folgt x 4 =, x = 3 und x 1 = 4 Setze x 3 =, x 5 = 1 und erhalte x 1 + 3x + x 4 = 5 x + 3x 4 = 6 x 4 = x 1 + 3x + x 4 = Es folgt x 4 =, x = 5 und x 1 = 7 x + 3x 4 = 1 und x 4 = Die allgemeine Lösung des obigen GLS ist somit 7 4 3 w = c 1 1 + c 5 mit c 1, c R 1 4 III II

Beweis von (41): Da v 1,, v n r Lösungen von () sind, gilt dies auch für n r c i v i mit c 1,, c n r R (siehe ) i=1 x 1 Sei umgekehrt x = x n irgend eine Lösung von () Dann gilt x r+1 v 1 + x r+ v + + x n v n r =: x = x r+1 löst ebenfalls () Da die n r letzten Koordinaten von x und x übereinstimmen und beides Lösungen von () sind gilt nach obiger Bemerkung x = x und x hat die gewünschte Darstellung x = x r+1 v 1 + + x n v n r Aus x = c 1 v 1 + + c n r v n r, x = x 1 x n folgt x 1 = c 1 + + + =, also c c 1 x n c c n r n r c 1 = x r+1,, c n r = x n und die Eindeutigkeit ist gezeigt Wir nennen v 1,, v n r die Fundamentallösungen von () Rechenverfahren zur Lösung inhomogener Gleichungssysteme: Ersetzt man in (1) die rechte Seite durch b = 5 b 1 b m x n, so erhält man ein

inhomogenes GLS (1) mit zugehöriger Matrix (A b) Nach obigen Ausführungen sind die Lösungen von (1) bekannt Gemäß genügt es zur Lösung von (1), eine spezielle Lösung von (1) zu bestimmen Dazu unterwerfen wir die Matrix (A b) den gleichen Zeilenumformungen wie zuvor A und erhalten (nach Spaltenvertauschungen) eine Matrix (D b ) = d 11 b 1 B d rr b r b r+1 b m Dazu gehört ein zu (1) äquivalentes GLS () mit d 11 d rr d 11 x 1 + + d 1r x r + b 11 x r+1 + + b 1,n r x n = b 1 d x + + d r x r + b 1 x r+1 + + b,n r x n = b d rr x r + b r1 x r+1 + + b r,n r x n = b r = b r+1 = = b m 1 Fall: m > r und wenigstens ein b r+j ist ungleich Null, j 1 Dann ist das GLS unlösbar Fall: m = r oder m > r und b r+1 = = b m = Dann ist das GLS wie folgt lösbar: Setze die freien Variablen alle Null und erhalte ein GLS (3) d 11 x 1 + d 1 x + + d 1r x r = b 1 d x + + d r x r = b d 11 d rr d rr x r = b r Dann hat (3) eine eindeutige Lösung y = (siehe ) 6 y 1 y r

y 1 y Folglich ist r die gesuchte Lösung von (1) Gemäß gilt somit, falls (1) überhaupt lösbar ist: (4) Satz: a) Im Fall n = r ist (1) eindeutig lösbar b) Im Fall n > r ist die allgemeine Lösung von (1) x = y + λ 1 v 1 + + λ n r v n r mit beliebigen λ 1,, λ n r R, wenn y die obige (spezielle) Lösung von (1) und v 1,, v n r die Fundamentallösungen aus 41 sind Formt man (A b) ohne Spaltenvertauschungen um, so erhält man eine spezielle Lösung von (1) ebenfalls indem man zuerst die freien Variablen Null setzt und das resultierende umgeformte GLS löst Beispiel : (zu 4) x 1 + 3x + 5x 3 + x 4 = 1 3x 1 + 9x + 1x 3 + x 4 + x 5 = x 1 + 8x + 1x 3 + x 4 + x 5 = 1 1 3 5 1 5 5 3 1 1 1 3 5 1 3 9 1 1 8 1 1 1 1 3 5 1 1 1 5 5 3 Daraus resultiert das Gleichungssystem in Zeilenstufenform () x 1 + 3x + 5x 3 + x 4 = 1 x + x 3 x 4 + x 5 = 1 5x 3 5x 4 + x 5 = 3 Freie Variable sind x 4 und x 5 7

1) Bestimmung der Fundamentallösungen des zugehörigen homogenen Systems: Sei () das zugehörige homogene System Setze in () x 4 = 1 und x 5 = und erhalte das GLS x 1 + 3x + 5x 3 =, x 1 = 3 x + x 3 =, x = 5x 3 = 5, x 3 = 1 3 mit der Lösung v 1 = 1 1 Setze in () x 4 = und x 5 = 1 und erhalte das GLS x 1 + 3x + 5x 3 =, x 1 = 7 1 x + x 3 = 1, x = 9 1 5x 3 =, x 3 = 5 mit der Lösung v = 7 1 9 1 5 1 ) Bestimmung einer speziellen Lösung des inhomogenen Systems: Setze x 4 = x 5 = und erhalte aus () x 1 + 3x + 5x 3 = 1, x 1 = 13 1 x + x 3 = 1, x = 11 1 3 5x 3 = 3, x 3 = 5 8

13 1 11 1 Also ist y = 3 5 eine spezielle Lösung und die allgemeine Lösung des vorliegenden inhomogenen linearen Gleichungssystems lautet (43) Korollar: x = y + λ 1 v 1 + λ v, λ 1 und λ aus R beliebig a) Ein homogenes lineares GLS mit mehr Unbekannten als Gleichungen hat stets eine Lösung ungleich Null b) Ein inhomogenes lineares GLS mit gleich vielen Unbekannten wie Gleichungen ist eindeutig lösbar, falls das zugehörige homogene lineare GLS nur die Nulllösung hat Beweis: a) Ohne Einschränkung liege das GLS bereits in der Form () vor Wegen n > m r hat das GLS n r 1 Fundamentallösungen, diese sind ungleich Null b) Sei n = m Hat (1) nur die Null als Lösung, so auch () Nach dem Beweis von 41 ist dann n = r, also auch m = r, und () ist von der Form d 11 x 1 + + d 1r x r = b 1 d x + + d r x r = b d rr x r = b r mit d 11 d rr Somit ist () eindeutig lösbar, also auch (1) 9