Einzelmolekül. Enzym-Dynamik. Fabian Wolfertstetter

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Transkript:

Einzelmolekül Enzym-Dynamik Fabian Wolfertstetter

Bisher: Untersuchung chemischer Reaktionen nur im Ensemble Messung nur der Edukte und Produkte (fast) ohne Details über Zwischenschritte Dazwischen: Black Box => - nur Mittelwertaussagen über Aktivitäten von Enzymen - keine Messung von einzelnen Molekülparametern möglich

Wichtige Voraussetzung zur Untersuchung einzelner Moleküle: Verbesserte Mikroskoptechnik (frühe 90er Jahre): Fluoreszenzmikroskopie, mit Hilfe derer einzelne Moleküle in Echtzeit sichtbar gemacht werden können. Fluoreszenzbild von COx Funktionsweise Fluoreszenzmikroskop

Voraussetzung zur Untersuchung der Dynamik von Reaktionen an einzelnen Molekülen: - Mindestens ein Zwischen- /Endprodukt der Reaktion muss fluoreszierend sein - Die Moleküle müssen örtlich fixiert sein um Verwechslungen auszuschließen - Konzentration des zu untersuchenden Moleküls muss gering genug sein um einzelne Exemplare identifizieren zu können

Beispiel: Cholesterol-Oxidase im Versuch von Lu, Xie et al (1998) Ribbon-Diagramm von COx ; in der Mitte: FAD (Flavin-Adenin-Dinukleotid)

COx ist ein Enzym, das die Oxidation von Cholesterol katalysiert und ist fluoreszierend im oxidierten Zustand Reaktionsschema:

Weitere Setup -Daten des Experiments: - Agarose-Gel als Lösungsmittel: + besteht zu 99% aus H2O + keine Translation der COx Moleküle + trotzdem schnelle Rotation (>> 20 Hz) der COx die eine Bindung an Lösungsmoleküle verhindert + die kleineren Substratmoleküle (O2 und Colesterol) können ungehindert diffundieren - Wahl der Substratkonzentrationen so dass das Enzym gut arbeiten kann (O2: 0,25mM, gesättigt und Cholesterol: 0,2 mm) - kleine Menge an COx Molekülen (33)

Kleiner Exkurs: andere gängige Setups: Aufbau mit fluoreszierendem Reaktionsprodukt Auch Modifikationen in Vitro sind möglich: Kraftausübung Laserbestrahlung => Konformationsänderung Optical tweezers

Beobachtung eines einzelnen Moleküls

Beobachtung on off Zeitliche Trajektorie eines COx Moleküls zeigt Blink-Verhalten

Kontrollexperimente: - ohne Cholesterol kein Blinken - Reaktionsrate ändert sich nicht bei Ändern der Anregungsintensität des Lasers - beste Bestätigung: bei Ensemble-Experimenten werden die gleichen Raten errechnet - lange Versuchszeit => hohe Substratkonzentrationen um ein Aufbrauchen derselben zu verhindern

Auswertung: Die offensichtliche stochastische Natur der on - und off - Phasen Legen eine statistische Untersuchung nahe => Aufzeichnen der Dauern der on -Perioden in einem Histogramm:

Stimmt dies mit unseren Erwartungen überein?

Aus der Chemie erwartet man eine Poisson-Verteilung für jeden Prozess, der nach folgendem Schema abläuft: kf E F A D E F A D H 2 an kb aus [F A D ] exp k f k b t [F A D H 2] exp k f k b t man erwartet also eine einfach exponentielle Abnahme der FAD-Konzentration und damit auch der on -Zeiten!

Hier herrscht offenbar ein komplexerer Mechanismus vor: - Ping-Pong-Mechanismus, der in vielen Reaktionen mit 2 Substraten beobachtet wurde: Woraus sich eine 2-exponenten-Verteilung der on -Wahrscheinlichkeit ergibt:

Ein 2-Exponenten-Fit ergibt folgende Parameter:

Nun wird die Substratkonzentration ([Cholesterol]->2mM) zur Untersuchung des Michaelis-Menten-Mechanismus variiert:

Ergebnisse: - mittlere on -Zeiten werden kürzer (ca Faktor 5) - k1 proportional zur Cholesterolkonzentration - k2 = const. - Verteilung der off -Zustände bleibt gleich Michaelis-Menten bewahrheitet

Nun soll k2 limitierende Rate werden; Nicht durch Konzentrationsänderung erreichbar Verwendung des langsamen Substrats 5-pregene-3β-20α-diol (Derivat von Cholesterol) mit k2=3.9 /s

Hier also einfach-exponentieller Abfall; daher reicht das einfache reversible Schema aus: Mit der Wahrscheinlichkeitsverteilung p o n t =c exp( k t )

Vergleich der mittleren Reaktionsraten aller 33 COx Moleküle Über die gesamte Trajektorie (10-20min) zeigt eine starke Streuung: Statische Inhomogenitäten, deren Ursachen noch nicht genau geklärt sind. Hier Vorschläge: - Unterschiedliche Proteinkonformationen -proteolytische Schäden durch Oxidation o.ä.

Aus den Trajektorien werden die Dauern der on -Phasen auf die x-achse eines 2D-Diagramms gegen diejenigen entfernter on -Phasen aufgetragen. M=1 M=10 x M y

Bei direkt aufeinander folgenden Zyklen ergibt sich ein klares diagonales Merkmal => es ist wahrscheinlicher, dass auf eine kurze on -Phase eine Kurze folgt und auf eine Lange eine Lange d.h. p(x,y) p(x)p(y) => Memory-Effekt (oder Dynamic Disorder ) Bei m=10 keine Korrelation mehr

Aber woher kommen diese Fluktuationen? Aus dem Auftragen der Autokorrelationsfunktion Und fitten einer Exponentialfunktion Erhält man eine Zerfallskonstante 1,6 ± 0,5 turnover Hieraus ergibt sich mit einer mittleren Zyklusdauer von 600ms Eine Fluktuationsdauer von T 1s

Aus der Spektralanalyse des gleichen Moleküls ergeben sich Fluktuationen Auf derselben Zeitskala. => Legt konformative Veränderungen des das FAD einschließenden Proteins nahe. => Subzustände des Enzyms mit verschiedenen Werten für k2 Detaillierte Berechnungen ergeben eine Schwankung von bis zu 70% von <k2>! k2

Enzymkinetische Modellvorstellung: