Brownsche Bewegung. M. Gruber SS 2016, KW 11. Zusammenfassung

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Transkript:

Brownsche Bewegung M. Gruber SS 2016, KW 11 Zusammenfassung Stochastische Prozesse, Pfade; Definition der Brownschen Bewegung; Eigenschaften der Brownschen Bewegung: Kovarianz, Stationarität, Selbstähnlichkeit; Lévy-Konstruktion; Approximation durch skalierte symmetrische Irrfahrt; quadratische Variation.

Simulation 0.5 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 0.5 1.0 Abbildung 1: Drei Pfade einer Brownschen Bewegung 1

Stochastische Prozesse Ein stochastischer Prozess ist eine Familien von Zufallsvariablen X(t) auf einem gemeinsamen Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, F, P), die von einem kontinuierlichen Parameter t abhängen. Typischerweise durchläuft der Parameter t ein Intervall nichtnegativer reeller Zahlen, z.b. das Intervall [0, T ] oder [0, [. Man schreibt den Prozess als (X(t)) 0 t T bzw. (X(t)) t 0 Man kann sich t als Zeit und X(t) als Ort oder Zustand zur Zeit t vorstellen. Der realisierte Wert eines X(t) ist X(t, ω). 2

Pfade Vor allem interessieren uns die Pfade stochastischer Prozesse. Ein Pfad beschreibt die Orte oder Zustände, die eine Realisierung des Prozesses im Laufe der Zeit aufsucht. Ein Pfad ist die Abbildung t X(t, ω) mit einem festem ω. Ein stochastischer Prozess hat i.a. viele Pfade einen für jedes ω Ω. Am besten sieht man das Ganze so: Jedes ω repräsentiert einen Pfad des Prozesses und X(t, ω) die Position dieses Pfades zur Zeit t. So gesehen repräsentiert Ω die Menge aller Pfade (den Pfadraum ) des Prozesses. 3

Definition der Brownschen Bewegung Die Brownsche Bewegung ist ein spezieller Prozess. Sie ist fundamental für alles, was kommt. Definition 1. [Brownsche Bewegung] Eine Brownsche Bewegung (oder: ein Wienerprozess) ist ein stochastischer Prozess (B(t)) t 0 mit 1. B(0) = 0, Start im Nullpunkt 2. B(t) B(s) N (0, t s) für 0 s < t, normalverteilte Zuwächse 3. {B(t i+1 ) B(t i ) t 1... t k } sind unabhängig, unabhängige Zuwächse 4. t B(t, ω) ist fast sicher stetig 1. stetige Pfade Anstatt (B(t)) t 0 ist auch die Notation (W (t)) t 0 ( W für Wienerprozess, benannt nach Norbert Wiener) gebräuchlich. 1 d.h. P({ω t B(t, ω) ist stetig}) = 1 4

Kovarianz der Brownschen Bewegung Satz 1. Cov(B(s), B(t)) = min{s, t}. Beweis Cov(B(s), B(t)) = E B(t)B(s) E B(t) E B(s) (nach dem Verschiebungssatz für die Kovarianz ). Da die Erwartungswerte E B(t) und E B(s) null sind, ist im vorliegenden Fall Cov(B(s), B(t)) = E B(t)B(s). Wir nehmen nun 0 s t an. E B(t)B(s) = E(B(s) + (B(t) B(s)))B(s) = E B(s) 2 + E(B(t) B(s))B(s) = E B(s) 2 + E(B(t) B(s))(B(s) B(0)). Die Zuwächse B(t) B(s) und B(s) B(0) sind unabhängig und haben den Erwartungswert null. Folglich ist der zweite Ausdruck null und es folgt Cov(B(s), B(t)) = E B(s) 2 = s. 5

Stationarität der Brownschen Bewegung Wenn man die Zuwächse einer Brownschen Bewegung ab einem beliebigen Zeitpunkt beobachtet, sieht man wieder eine Brownsche Bewegung: Satz 2. Ist (B(t)) t 0 eine Brownsche Bewegung und s > 0, so ist auch (B(s + t) B(s)) t 0 eine Brownsche Bewegung. Beweis Der neue Prozess erfüllt alle vier Punkte von Definition 1. 6

Selbstähnlichkeit der Brownschen Bewegung Wenn man die Pfade einer Brownschen Bewegung in geeigneter Weise zoomt, sieht man wieder eine Brownsche Bewegung: Satz 3. Ist (B(t)) t 0 eine Brownsche Bewegung und c > 0, so ist auch ( 1 c B(ct)) t 0 eine Brownsche Bewegung. Beweis Der neue Prozess erfüllt alle vier Punkte von Definition 1. Bemerkung. Die Aussage gilt sowohl für sehr große als auch sehr kleine c. 7

Existenz einer Brownschen Bewegung: Lévy-Konstruktion Die Lévy-Konstruktion 2 (benannt nach Paul Lévy) ist ein konstruktiver mathematischer Beweis für die Existenz einer Brownsche Bewegung. Schrittweise wird eine Folge von Prozessen erzeugt, von denen jeder die Punkte 1 bis 3 von Definition 1 auf einer endlichen Menge dyadischer Stützstellen erfüllt und ausserdem stetige Pfade hat. Bei jedem Schritt wächst die Stützstellenmenge und liegt dichter auf dem Zeitstrahl. Die Folge der konstruierten Prozesse konvergiert pfadweise P-fast sicher gleichmäßig auf kompakten Zeitintervallen gegen einen Grenzprozess. Dieser erfüllt alle vier Punkte von Definition 1. 2 Eine gut lesbare Beschreibungen der Lévy-Konstruktion findet man in [2] und [3]. 8

Grenzwert einer skalierten symmetrischen Irrfahrt Die Brownsche Bewegung kann durch eine skalierte symmetrische Irrfahrten approximiert werden 3. Seien X 1, X 2,... iid 4 mit P(X 1 = 1) = P(X 1 = 1) = 1 2. Der diskrete Prozess (M k ) k N mit M k = 1 j k X j heisst symmetrische Irrfahrt. Für jedes n bilden die ZVn B n (t) = 1 n 1 j nt X j = 1 n M nt einen kontinuierlichen Prozess (B n (t)) t 0, eine skalierte symmetrische Irrfahrt. Satz 4. s), d.h. Die Verteilung der Zuwächse B n (t) B n (s) konvergiert gegen N (0, t ( lim P Bn (t) B n (s) n t s ) a = Φ(a). 3 siehe hierzu [4], Abschnitt 3.2., und [1]. 4 unabhängig und identisch verteilt (independent, identically distributed) 9

Pfade skalierter symmetrischer Irrfahrten 2.0 1.5 1.0 0.5 0.0 0.5 1.0 1.5 2.0 1.5 1.0 0.5 0.0 0.5 1.0 1.5 2.0 0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 2.0 0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 Abbildung 2: Einige Pfade von B 16 (t) (links) und B 256 (t) (rechts) für 0 t 1. 10

Quadratische Variation (1) Die quadratische Variation misst das pfadweise Schwankungsverhalten stochastischer Prozesse. Definition 2. [Quadratische Variation] Die quadratische Variation [X, X] t eines Prozesses (X(t)) t 0 ist, falls er existiert, der Limes nach Wahrscheinlichkeit lim n (X(t (n) i 1 i k n ) X(t (n) i 1 ))2, wobei der Limes über beliebige verfeinernde Folgen von Partitionen Π n = {0 = t (n) 0 t (n) 1... t (n) k n = t} mit Π n = max 1 i kn t (n) i t (n) i 1 0 für n gebildet wird. Definition 3. Der Prozess ([B, B] t ) t 0 heißt Quadratvariations-Prozess. 11

Quadratische Variation (2) Satz 5. 1. [M, M] k = 1 j k (M j M j 1 ) 2 = k für k N, 2. [M, M] k = Var M k, 3. [B n, B n ] t = 1 j nt (B n( j n ) B n( j 1 n ))2 = t für t 0 mit nt N, 4. [B n, B n ] t = Var B n (t) für t 0 mit nt N, 5. [B, B] t = t P-fast sicher, 6. [B, B] t = Var B(t). Praktisch alle Pfade einer Brownschen Bewegung weisen das gleiche Schwankungsverhalten auf. Wir werden auf dieses Resultat später zurückgreifen. 12

Literatur [1] David Gamarnik and Premal Shah. Brownian Motion; introduction. http://ocw.mit. edu/nr/rdonlyres/b93a685b-1781-406f-ad73-22040d2a4d0f/0/lec5.pdf. [2] Hank Krieger. Construction of Brownian Motion. http://www.math.hmc.edu/~krieger/ brownianmotion.pdf. [3] Peter Mörters and Yuval Peres. Brownian motion. http://research.microsoft.com/ en-us/um/people/peres/brbook.pdf, 2008. [4] Steven E. Shreve. Stochastic Calculus for Finance II. Springer, 2004. http://www. springer.com/us/book/9780387401010. 13