Stellungnahme des Sozialverbands VdK Deutschland e.v.

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Transkript:

Stellungnahme des Sozialverbands VdK Deutschland e.v. zum Gesetzentwurf der Bundesregierung Fünftes Gesetz zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch Leistungsausweitung für Pflegebedürftige, Pflegevorsorgefonds (5. SGB XI-ÄndG) BT-Drucksache 18/1798 sowie dem Antrag der Fraktion DIE LINKE Menschenrecht auf gute Pflege verwirklichen Soziale Pflegeversicherung solidarisch weiterentwickeln BT-Drucksache 18/1953 Sozialverband VdK Deutschland e.v. In den Ministergärten 4 10117 Berlin Telefon: 030 72629 0404 Telefax: 030 72629 0499 e-mail: kontakt@vdk.de Berlin, den 17. September 2014 1

1. Zielsetzung des Gesetzentwurfes Ziel dieses Gesetzentwurfes ist die Sicherung der Pflege in hoher Qualität unter Beachtung der individuellen Bedürfnisse pflegebedürftiger Menschen als Ausdruck einer humanen Gesellschaft. Aus Sicht des Sozialverbandes VdK sind viele Regelungen in dem vorliegenden Gesetzentwurf zu begrüßen. Vor dem Hintergrund der oben dargestellten Zielsetzung wird er aber dem gravierenden Handlungsbedarf in der Pflege nicht gerecht. Der Sozialverband VdK Deutschland fordert deshalb weiterhin eine große Pflegereform. Dies wird auch von weiten Teilen der Bevölkerung so gesehen, wie die Beteiligung an der kürzlich abgeschlossenen Bundestagspetition des Sozialverbands VdK Deutschland zeigt. Innerhalb von vier Wochen haben über 200.000 Bürgerinnen und Bürger die Forderung nach einer großen Pflegereform unterstützt. Zentrale Herausforderungen der Pflege werden in dem Gesetzentwurf nicht angegangen: In dem Gesetzentwurf wird nur angekündigt, dass noch in dieser Legislaturperiode nach vorheriger Erprobung der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff auf Grundlage der Empfehlungen des Expertenbeirats in Verbindung mit den notwendigen leistungsrechtlichen Bestimmungen eingeführt werde. Aus Sicht des Sozialverbands VdK ist diese weitere Verschiebung nicht sachgerecht. Pflege braucht kommunale Lösungen. Zwar sind hier zuvorderst die Kommunen gefordert, Bund und Länder müssen aber entsprechende begünstigende Rahmenbedingungen schaffen. Das Thema wird auf eine noch zu gründende Bund-Länder-Arbeitsgruppe vertagt. Schließlich finden sich im Gesetzentwurf wenige Ansätze, Prävention und Rehabilitation vor und bei Pflege zu stärken. Der Vermeidung von Pflegebedürftigkeit kommt damit nach wie vor nicht der Stellenwert zu, der in einer alternden Gesellschaft angemessen wäre. Probleme der Verteilungsgerechtigkeit bleiben unberücksichtigt. Das ungerechte Nebeneinander von privater und gesetzlicher Pflegeversicherung wird durch den Gesetzentwurf nicht beseitigt. Würde ein Risikostrukturausgleich zwischen gesetzlicher und privater Pflegeversicherung eingeführt, könnte der Beitragssatzanstieg um knapp 0,2 Prozent niedriger ausfallen. 2. Wohngruppenzuschlag ( 13 und 38) Der Bundesrat schlägt vor, in 13 festzuschreiben, dass der Wohngruppenzuschlag nach 38 nicht auf Fürsorgeleistungen angerechnet wird. Der VdK begrüßt den Vorschlag. Wer Hilfe zur Pflege erhält, ist in der Regel nicht in der Lage, die Organisation der Wohngruppe aus eigenen Mitteln zu bezahlen. Die Anrechnung wird in den Bundesländern unterschiedlich gehandhabt. In Bundesländern, die den Wohngruppenzuschlag auf Fürsorgeleistungen anrechnen, kommt es zu langwierigen und unnötigen Rechtsstreitigkeiten. 2

3. Dynamisierung aller Leistungen ( 30) Nach 30 überprüft die Bundesregierung alle drei Jahre die Notwendigkeit und Höhe einer Anpassung der Leistungen der Pflegeversicherung. Der Entwurf sieht hierzu vor, die Leistungsbeträge zum 1. Januar 2015 entsprechend der Preisentwicklung der letzten drei Jahre um 4 Prozent anzuheben Eine erneute Überprüfung soll im Jahr 2017 erfolgen. Der Sozialverband VdK begrüßt die Anhebung der Leistungen. Allerdings werden die in der Vergangenheit aufgelaufenen Kaufkraftverluste nicht annähernd ausgeglichen. Auch bleibt die derzeitige Ausgestaltung des 30 SGB XI unbefriedigend. Erforderlich ist eine regelgebundene, jährliche Anpassung der Pflegeleistungen an die Preisentwicklung. 4. Verhinderungspflege ( 39) Verhinderungspflege kann nun für sechs anstatt vier Wochen in Anspruch genommen werden. Ergänzend können zusätzlich 50 % des Budgets für Kurzzeitpflege genutzt werden. Die Flexibilisierung und der Ausbau der Verhinderungspflege werden begrüßt. Allerdings wird nicht deutlich, warum diese Anrechnung auf 50 % beschränkt werden soll. Insbesondere für psychisch hilfebedürftige Menschen und Kinder mit Behinderung ist ein Aufenthalt in einer Einrichtung häufig nicht möglich. Für sie ist auch wichtig, dass sie in der vertrauten Umgebung bleiben. Damit die pflegenden Angehörigen entlastet werden können, muss also eine Pflegeperson in den Haushalt kommen. Wenn die Verhinderungspflege stundenweise genutzt wird, sollte die Begrenzung auf sechs Wochen im Jahr aufgehoben werden. 5. Pflegehilfsmittel und Wohnraumanpassung ( 40) Der Entwurf sieht vor, die Leistungsbeträge für zum Verbrauch bestimmte Hilfsmittel von 31 auf 40 monatlich sowie die Zuschüsse für Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes von 2 557 auf 4000 je Maßnahme anzuheben. Diese Leistungen wurden seit ihrer Einführung 1995 nicht erhöht. Eine Anpassung ist deshalb unbedingt notwendig. Der Sozialverband VdK Deutschland begrüßt insbesondere die Erhöhung für Wohnumfeldanpassungen. Dies trägt den neuen technischen Möglichkeiten Rechnung, mit deren Hilfe Pflegebedürftige länger zu Hause wohnen bleiben können. 3

6. Tages- und Nachtpflege ( 42) Die Anrechnung der Tages- und Nachtpflege auf die ambulanten Pflegeleistungen entfällt. Der Sozialverband VdK begrüßt diese Neuerung sehr. Damit werden wichtige Anreize für pflegende Angehörige gesetzt, Entlastungsangebote in Anspruch zu nehmen. Das stärkt einerseits die häusliche Pflegesituation und schützt andererseits die Gesundheit der pflegenden Angehörigen. 7. Kurzzeitpflege ( 42) Es wird klargestellt, dass Kurzzeitpflege um den Leistungsbetrag für Verhinderungspflege erhöht und damit um bis zu vier Wochen auf acht Wochen verlängert werden kann. Menschen mit Behinderung können die Kurzzeitpflege nun ohne Altersbegrenzung in Einrichtungen der Behindertenhilfe nutzen. Die Flexibilisierung und der Ausbau der Kurzzeitpflege werden ebenfalls begrüßt. Die stationäre Verhinderungspflege ist zwar bereits vielfach Praxis. Die Klarstellung im Gesetz vereinfacht die Antragsstellung in einigen Bundesländern. Umgekehrt sollte auch die Verhinderungspflege um das volle Budget der Kurzzeitpflege ergänzt werden können. Die Aufhebung der Altersgrenze für Menschen mit Behinderung wird begrüßt. 8. Betreuungs- und Entlastungsleistungen ( 45b und 45c) Der vom Beirat zur Ausgestaltung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs empfohlene Ausbau der niedrigschwelligen Entlastungsleistungen wird umgesetzt. Künftig sollen auch bei rein körperlichen Beeinträchtigungen von den Pflegekassen 104 bzw. 208 monatlich für zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen erstattet werden. Die ambulanten Pflegesachleistungen können zu 50 % für diese Betreuungs- und Entlastungsleistungen genutzt werden. Der Sozialverband VdK begrüßt den Ausbau der zusätzlichen Betreuungs- und Entlastungsleistungen und die Erweiterung des Personenkreises. Insbesondere durch die Unterstützungsleistungen für pflegende Angehörige und Nahestehende können häusliche Betreuungssituationen stabilisiert werden. Allerdings sollten diese Hilfen möglichst frühzeitig einsetzen, und zwar bevor bereits eine erhebliche Pflegebedürftigkeit besteht. Wenn bereits erhebliche Pflegebedürftigkeit vorliegt, sind häufig schon die sozialen Kontakte und die Fähigkeit zur hauswirtschaftlichen Selbstversorgung verlorengegangen. Mit dem Pflegegrad 1 des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs könnte hier besser interveniert werden. 4

Die Entlastungs- und Betreuungsleistungen sollten weiterhin von Ehrenamtlichen und niedrigschwelligen Diensten erbracht werden können. Diese Strukturen stärken die Verankerung im Quartier oder der Gemeinde. Der Sozialverband VdK unterstützt den Vorschlag des Bundesrates, die Leistungen als Jahres- und nicht als Monatsbudget abrufbar zu machen. Auch die Stärkung der kommunalen Einrichtungen nach 45c als niedrigschwellige Anlaufstelle begrüßt der Sozialverband VdK. Die Möglichkeit, die ambulanten Sachleistungsbeträge zu bis zu 50 Prozent für Betreuungsund Entlastungsleistungen zu nutzen, ist sachgerecht. Dies ermöglicht den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen mehr Flexibilität und Gestaltungsmöglichkeiten für Entlastung. 9. Beitragssatz ( 55) Der Bundesrat schlägt vor, den Beitragssatz bereits zum 1. Januar 2016 auf 2,55 Prozentpunkte zu erhöhen, um für die Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs die notwendigen Mittel anzusparen. Der Sozialverband VdK unterstützt diesen Vorschlag. Damit würde die Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs bereits in diesem Gesetzentwurf vorbereitet. Hierdurch würden die Chancen steigen, dass dieses Vorhaben noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt wird. Aufgrund der Überleitung der bestehenden Leistungsansprüche in die neue Systematik wird es zu erheblichen Mehrkosten im ersten Jahr kommen. Diese müssen vorab angespart werden. 10. Pflege-Wohngemeinschaften ( 45e) Leistungen zur Umgestaltung von Wohnungen zu Pflege-WGs können nun auch schon vor Gründung und Einzug abgerufen werden. Aus Sicht des Sozialverbands VdK ist diese Flexibilisierung sachgerecht. Es muss aber sichergestellt werden, dass Pflege-Wohngemeinschaften selbstbestimmte, neue Wohnformen bleiben und von Anbietern nicht dazu genutzt werden, die Auflagen für Pflegeheime zu umgehen. 11. Reformationstag ( 58) Zur 500-Jahr Feier der Reformation kann 2017 ein einmaliger Feiertag geschaffen werden, ohne dass die Arbeitnehmerbeiträge zur Pflegeversicherung angehoben werden. Diese Ausnahmeregelung ist sinnvoll. 5

12. Betreuungskräfte in Heimen ( 87b) Die Betreuungskräfterelation wird auf 1:20 abgesenkt und auf alle Bewohner und Gäste ausgedehnt, einschließlich derer ohne eingeschränkte Alltagskompetenz und sogar ohne Pflegestufe. Der Sozialverband VdK begrüßt diese Neuerung. Hier wird konkrete Vorarbeit für die Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs geleistet, bei dem es keine Unterscheidung zwischen Menschen mit und ohne eingeschränkte Alltagskompetenz mehr geben soll. Eine mangelnde soziale Teilhabe in Einrichtungen ist vielfach direkte Folge einer unzureichenden Personalausstattung. Da diese Regelung auch für teilstationäre Angebote gilt, wird durch die Einbeziehung von Menschen mit Hilfebedarf unterhalb der Pflegestufe 1 die Möglichkeit für niedrigschwellige Entlastung der pflegenden Angehörigen durch die Tagespflege geschaffen. 13. Qualitätsprüfung ( 114) Pflegebedürftige, bei denen ein begründeter Verdacht auf nicht fachgerechte Pflege besteht, können in die Stichprobenprüfung mit einbezogen werden. Damit soll laut Gesetzesbegründung die Umsetzung des neuen indikatorenbasierten Qualitätsmesssystems beschleunigt werden. Die Einbeziehung von Verdachtsfällen ist sachgerecht. Das Grundproblem, dass es vom Zufall abhängt, ob schlechte Qualität in einer Einrichtung gefunden wird, wird aber nicht gelöst. Um die Umsetzung des neuen Qualitätsmesssystems zu beschleunigen, bräuchte es Strukturen in den Vereinbarungen zwischen Pflegekassen und Leistungserbringern, wie sie vorbildlich im Gemeinsamen Bundesausschuss bestehen. Zur kurzfristigen Abhilfe könnte im Gesetz eine Frist zur Umsetzung des indikatorengestützten Systems gesetzt werden. 14. Pflegevorsorgefonds ( 131ff) Mit dem neuen vierzehnten Kapitel soll ein Pflegevorsorgefonds unter Verwaltung der Bundesbank geschaffen werden. Bis 2033 sollen Beitragsmittel im Wert von jährlich 0,1 Prozentpunkten angespart werden. Ab 2035 bis 2055 sollen diese Mittel in einen Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung zurückfließen, um den Beitragssatz zu stabilisieren. Aus Sicht des Sozialverbands VdK stellt der geplante Pflegevorsorgefonds keinen sinnvollen Beitrag für eine nachhaltige Pflegefinanzierung und mehr Generationengerechtigkeit dar. Modellrechnungen von Prof. Dr. Heinz Rothgang von der Universität Bremen zeigen, dass der Beitragssatz im 21. Jahrhundert nicht mehr sinkt (Rothgang et al. 2011). Bezüglich des Beitragssatzes gibt es keinen Berg, der durch Anlegen eines Vorsorgefonds untertunnelt werden kann, sondern den Anstieg auf ein Hochplateau. Ein temporärer Fonds impliziert, dass in den nächsten 20 Jahren eingezahlt wird und diese Mittel dann in den Jahren 2035 6

bis 2055 ausgegeben werden. Gerade, wenn die höchste Zahl der Pflegebedürftigen erreicht wird, nämlich Mitte der 2050er Jahre, wäre der Fonds erschöpft und der Beitragssatz würde wieder auf die Höhe steigen, die er auch ohne Pflegevorsorgefonds erreicht hätte Der Effekt eines Vorsorgefonds wäre also nicht nachhaltig. Entscheidend ist aber aus Sicht des Sozialverbandes VdK, dass die zusätzlichen Beitragsmittel für den Pflegevorsorgefonds nicht für die Verbesserung der Situation der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen eingesetzt werden. Diese Mittel werden bei der Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs fehlen. Rücklagen in der Sozialversicherung sind im Übrigen nur unzureichend vor dem Zugriff der Politik gesichert. In der Renten- und in der Krankenversicherung werden die Rücklagen gerade zugunsten des Bundeshaushaltes abgebaut. 7