Der optimale Dialyse-Beginn

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Transkript:

Suche Der optimale Dialyse-Beginn von Frank Dellanna und Werner Kleophas Seit mehr als 45 Jahren ist in Deutschland die chronische Dialysetherapie zur Behandlung der chronischen Niereninsuffizienz etabliert. Trotzdem gibt es bis heute keine qualitätsgesicherte verbindliche Aussage darüber, wann der optimale Zeitpunkt zum Beginn einer chronischen Dialysebehandlung gekommen ist. Im Folgenden werden einige aktuelle Studien und Daten vorgestellt, bevor aus Sicht der Autoren ein persönliches Fazit gezogen wird. Empfehlungen der Fachgesellschaften 1. Zunächst sind die Empfehlungen der European Renal Best Practice Guidelines in dem Positionspapier von 2011 zu nennen (Tab. 1) [1]. Hierbei wird deutlich, dass die Empfehlungen in erster Linie anhand der geschätzten glomerulären Filtrationsrate (egfr) diskriminieren. Sollte eine Urämie bereits vorhanden sein, so sind die Empfehlungen gut abgesichert (1a), für den Fall jedoch einer nur partiell oder nicht vorhandenen klinischen Symptomatik ist die Evidenz deutlich schlechter. 2. Dialysestandard Der Dialysestandard wurde zuletzt 2006 aktualisiert. Auch hier bezieht sich die Empfehlung auf das Stadium CKD 5, das heißt, ein Absinken der Nierenfunktion auf weniger als 15 ml/min/1,73 m² und/oder bei klinischen Zeichen einer Urämie: Es sollte angestrebt werden, mit der Dialysebehandlung zu beginnen, bevor die klinischen Symptome einer ausgeprägten Niereninsuffizienz aufgetreten sind. Ein früherer Beginn der Dialysebehandlung ist z.b. bei älteren Patienten, bei Diabetikern oder bei schwerwiegenden Begleiterkrankungen, wie Herzinsuffizienz und Malnutrition erforderlich. Bereits hier lässt sich feststellen, dass diese Leitlinien im konkreten Entscheidungsfall eines nicht hoch urämischen Patienten wenig hilfreich sind. Schon die (e)gfr-berechnung ist nicht einheitlich und verbindlich geregelt. Dies soll an einem Beispiel deutlich werden: Die häufig benutzten Formeln, wie die MDRD-Formel oder die CKD-EPI-Formel sind im Stadium 5 beide nicht validiert und diskriminieren im Bereich der CKD 5 so gut wie gar nicht mehr [2]. Dennoch werden ihre Ergebnisse mit in die Entscheidung einbezogen (Abb. 1). In derselben Arbeit konnte der den Nephrologen lange bekannte Zusammenhang zwischen Muskelmasse und Kreatininclearance sowie egfr gezeigt werden Es fand sich keine Korrelation zwischen Muskelmasse und gemessener Kreatinin-clearance, dagegen wiesen die Patienten mit der niedrigsten Muskelmasse die höchsten geschätzten egfrs auf (Abb. 2). Ein weiteres Beispiel: Das mittlere Alter eines Patienten bei Beginn einer Hämodialyse wird in Deutschland auf 73 Jahre geschätzt. Wenn bei diesem Alter eine Berechnung durchgeführt wird, so ergibt sich für jede Frau mit einem Kreatinin- Wert über 3,5 mg/dl und für jeden Mann mit einem Kreatinin-Wert über 4,0 mg/dl bereits das Stadium 5 mit einer Clearance zwischen 12 und 14 ml pro Minute. Häufig sind diese Patienten jedoch durchaus asymptomatisch oder oligosymptomatisch und benötigen aus Sicht des Klinikers noch keine Dialysetherapie. Nachdem zuvor einige Studien [3-5] versuchten, einen eher früheren Dialysebeginn als vorteilhaft zu belegen, Seite 1 von 5

haben in den vergangenen Jahren mehrere große Studien die Frage zu beantworten versucht, ob ein späterer Dialysebeginn von Vorteil ist. Tab. 1: Empfehlungen zur Dialyseeinleitung 2011 Ideal Studie Abb. 1: Bland and Altman plot comparing measured GFR (mgfr) and estimated GFR (egfr) in ESRD patients at the start of dialysis Seite 2 von 5

Abb. 2: Association between muscle mass as assessed by arm muscle area and measured GFR (left panel) and estimated GFR (right panel) Die Ideal Studie [6] wurde von 2000 bis 2008 in Neuseeland und Australien durchgeführt und ist in der nephrologischen und internistischen Fachpresse seit 2010 publiziert und vielfach diskutiert worden. Zusammenfassend konnte gezeigt werden, dass ein früherer Dialysebeginn (egfr 10-14 ml/ min) gegenüber einer egfr von 5-7 ml/min nicht zu einem besseren Überleben führte. Mehrere Faktoren machen es schwierig, diese Ergebnisse auf Deutschland, zu übertragen [7]. Auch hiernach kann somit keine konkretisierte verbindliche Therapieempfehlung über den Zeitpunkt des Dialysebeginns gegeben werden. Der mögliche Umkehrschluss, dass eine Dialyse erst ab einer Einschränkung der GFR von 5-7 ml pro Minute indiziert ist, lässt sich ebenfalls nicht aus dieser Studie ableiten. Nephrologen erwarten, dass sie durch den Beginn der Dialysetherapie den betroffenen Patienten etwas Gutes tun. In erster Linie haben sie hier sicherlich das Faktum vor Augen, dass eine Urämie ohne Behandlung einen zwingend tödlichen Verlauf nimmt. Dagegen wägen sie die Einschränkung der Lebensqualität und die möglichen Risiken, die durch die Dialyse-Behandlung selbst auftreten können, mit der Symptomverbesserung durch die Dialyse bedingte Detoxifikation ab. In anderen Ländern wird zum Teil offener sowohl in der nephrologischen Ausbildung als auch in der klinischen Tätigkeit damit umgegangen, Patienten im höheren Lebensalter neben den Dialysemöglichkeiten auch die rein konservative Therapie anzubieten (Conservative Kidney Management, CKM). Hierzu ist kürzlich eine Lebensqualitäts- Studie publiziert worden, die in Großbritannien durchgeführt wurde [8]. In dieser Studie (monozentrisch, prospektiv, Stadium 4 und 5) konnte gezeigt werden, dass auch durch konservatives Management eine vergleichbare Lebensqualität erreichbar war. CKM-Patienten waren älter, unselbstständiger und hatten eine höhere Komorbidität mit geringerer physischer Aktivität. Sie hatten ebenfalls höhere Stufen an Ängstlichkeit verglichen mit den Dialysepatienten, wobei die mentalen Gesundheits-, Depressions- und Lebenszufriedenheits-Maßzahlen initial vergleichbar waren. Bei den Patienten, die sich für die Dialyse-Initiierung entschieden, nahmen die Lebenszufriedenheit in den repetitiven Quality of Life Messungen Seite 3 von 5

sequentiell ab, während sie in der Gruppe der konservativ behandelten Patienten gleich blieb. Neben dem Fokus auf die Lebensqualität wurde auch über das Überleben berichtet. Die Patienten unter der konservativen Therapieoption ohne Dialyse hatten ein um 13 Monate verringertes medianes Überleben als die Hämodialysepatienten. Die Equal-Studie Das Studiendesign der Equal - Studie ist publiziert [9]. Diese prospektive Kohortenstudie, die durch die ERA- EDTA finanziell unterstützt wird, hat den ehrgeizigen Anspruch, bei 3.500 Patienten über 65 Jahren, die in nephrologischer Behandlung sind, zu klären, wie bei diesen Patienten über den Zeitpunkt des Dialysebeginns entschieden wird. Auch hier zeigen sich bereits in der Studienkonzeption einige der bekannten methodischen Schwierigkeiten. Interessant dürften jedoch die demografischen und klinischen Daten neben den Laborparametern sein, sowie die zur Entscheidung beitragenden Gründe, sowohl auf Nephrologen-, wie auch auf Patientenseite. Mit dem Ergebnis ist frühestens in 2017 zu rechnen. Die Studie wird in Deutschland, Italien, Schweden, den Niederlanden und in UK durchgeführt. Das Bemühen der nephrologischen Gemeinschaft, den optimalen Dialysebeginn zu definieren, ist anhand der gezeigten Leitlinien, der wenigen großen und vielen kleinen Studien sowie der geplanten Equal -Studie eindeutig belegbar, die Frage ist jedoch heute nicht beantwortbar und bleibt bis zum Vorliegen weiterer in Deutschland erhobener, oder auf Deutschland übertragbarer Ergebnisse eine individuelle Entscheidung. Aus dem angedachten Studienkonzept der Equal -Studie kann jedoch geschlussfolgert werden, dass auch für jeden Patienten, unabhängig davon, ob er in diese Studie eingeschlossen wird oder nicht, neben den routinemäßig erfassten Laborparametern und klinischen Parametern die Gründe für oder gegen eine Dialysetherapie fortlaufend nachvollziehbar dokumentiert werden. Nur so lässt sich die Behandlungsqualität darstellen. Dies setzt eine häufige und zeitintensive konservative Behandlung in Stadium 4 voraus. Nicht immer ist ein integratives Behandlungskonzept im Sinne eines Shared Decision Making möglich, auch wenn dies eine idealisierte Form der Behandlungsentscheidung wäre. Durch die (Ko)morbidität besteht jedoch bei nicht wenigen Patienten hier eine a-priori-problematik einer gemeinsamen Entscheidungsfindung. In bestimmten Fällen kann es sehr hilfreich sein, eine Entscheidung über den Beginn einer Dialysebehandlung auf Seiten der Nephrologen nicht alleine zu treffen. So wie sich Patienten auch mit Familienangehörigen und Vertrauten beraten werden, kann es sehr sinnvoll sein, auch mit einem nephrologischen Kollegen oder im Team Gründe für oder gegen den zum angedachten Zeitpunkt geplanten Dialysebeginn auszutauschen und dies gemeinsam zu besprechen. Neben der so gestützten Entscheidung bietet sich in gewissen Fällen auch eine Alternative durch ein Risiko- Assessment im Sinne einer best- und worst-case-szenarien- Betrachtung an. Diese von einem amerikanischen Neurochirurgen [10] populär gemachte Methode stellt folgende vier recht einfache Fragen (hier zum Zeitpunkt des Dialysebeginns): Was ist das beste Ergebnis, wenn ich die Entscheidung treffe? Was ist das schlechteste Ergebnis, wenn ich diese Entscheidung treffe? Was ist das beste Ergebnis, wenn ich diese Entscheidung nicht treffe? Was ist das schlechteste Ergebnis, wenn ich diese Entscheidung nicht treffe? Die Beantwortung dieser sehr einfachen Fragen ist komplizierter, als es anmutet, z.b. Was bedeutet der Dialysebeginn im optimalen Falle für den Patienten, was aber auch an Risiken durch das Verfahren? aber auch bezüglich eines Nicht- Beginns : Lassen sich die konservativen Maßnahmen optimieren (Diuretika, Phosphat-, Anämie-, Acidosemanagement)? oder auch: Was sind Gründe dafür, den Patienten deutlich unter eine solche Nierenclearance sinken zu lassen, die nachher im Dialysestadium aber auf keinen Fall unterschritten werden sollte, auch um der geltenden Qualitätssicherung hier zu genügen? In diesem Komplex sind neben der guten Kenntnis des Patienten und seiner Krankheit im Verlauf mit Abschätzung der zukünftigen Risiken insbesondere auch die eigenen Erfahrungen und die Sorgfalt gefragt. Durch diese kritische Selbstreflexion erreicht die Entscheidung jedoch in jedem Falle eine höhere Qualitätsstufe Seite 4 von 5

als ohne einen solchen oder ähnlichen Prozess. Dieser gedankliche Prozess sollte auch mit Beginn der Dialysetherapie nicht enden. Nach einer gewissen Zeitspanne, die sicher jenseits der ersten drei Monate liegt, sollten subjektive und objektive Parameter abgefragt und gemessen werden, die das Verfahren hinsichtlich eines Behandlungserfolges stützen. Stichworte Dialyse Literatur [1] Tattersall J, Dekker F, Heimbürger O et al. When to start dialysis: updated guidance following publication of the Initiating Dialysis Early and Late (IDEAL) study. Nephrol Dial Transplant 2011; 26: 2082-2086 [2] Grootendorst DC, Michels WM, Richardson JD et al. The MDRD formula does not reflect GFR in ESRD patients. Nephrol Dial Transplant 2011; 26: 1932-1937 [3] Bonomini V, Feletti C, Scolari MP et al. Benefits of early initiation of dialysis. Kidney Int Suppl 1985; 17: 57-59 [4] Tattersall J, Greenwood R, Farrington K. Urea kinetics and when to commence dialysis. Am J Nephrol 1995; 15: 283-289 [5] Fink JC, Burdick RA, Kurth SJ et al. Significance of serum creatinine values in new end-stage renal disease patients. Am J Kidney Dis 1999; 34: 694-701 [6] Cooper BA, Branley P, Bulfone L et al. IDEAL Study. A randomized, controlled trial of early versus late initiation of dialysis. N Engl J Med 2010; 363: 609-619 [7] Kleophas W. Wann ist der richtige Zeitpunkt, eine Nierenersatztherapie zu beginnen? Nephrologe 2012; 7: 96-103 [8] Da Silva-Gane M, Wellsted D, Greenshields H et al. Quality of life and survival in patients with advanced kidney failure managed conservatively or by dialysis. Clin J Am Soc Nephrol 2012; 7: 2002-2009 [9] Jager KJ, Ocak G, Drechsler C et al. The EQUAL study: a European study in chronic kidney disease stage 4 patients. Nephrol Dial Transplant 2012; 27 Suppl 3: iii27-31 [10] Benjamin S. Carson. Take The Risk. Zondervan Publishing Co. 2008; ISBN 0-310- 25973-8 Über den Autor Professor Dr. Frank Dellanna und PD Dr. Werner Kleophas, Fachärzte für Innere Medizin und Nephrologie, Gemeinschaftspraxis Karlstraße, Düsseldorf Seite 5 von 5