Entwicklungsförderung durch Bewegungskindergärten. Möglichkeit zur Kompensation von Entwicklungsdefiziten von Kindern in urbanen Lebensräumen

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Inhaltsverzeichnis 1 EINLEITUNG... 5 1.1 Darstellung der eigenen Motivation... 5 1.2 Problemstellung... 6 1.3 Vorgehensweise und Zielsetzung... 8 2 BESCHREIBUNG EINER SICH VERÄNDERNDEN KINDHEIT... 10 2.1 Aspekte des Kindheitsbegriffs... 10 2.2 Historische Entwicklung von Kindheit... 10 2.3 Kindheit als gesellschaftliches Konstrukt... 12 2.4 Zusammenfassung... 13 2.5 Kindheit heute... 13 2.5.1 Politische Aspekte... 13 2.5.2 Wandel der Familienstrukturen... 14 2.5.3 Eingeschränkte Bewegungswelt... 15 2.5.3.1 Verhäuslichung... 15 2.5.3.2 Verinselung... 16 2.5.3.3 Durchstrukturierte Spielzeit... 17 2.5.3.4 Einfluss von Medien... 17 2.5.4 Veränderte Gesundheit... 18 2.5.4.1 Psychische und motorische Auffälligkeiten... 19 2.5.4.2 Körperliche Fitness und Gesundheit... 19 2.5.4.3 Fitness und Unfallhäufigkeit... 23 2.5.5 Folgen einer veränderten Kindheit... 24 2.6 Zusammenfassung... 25 3 KINDLICHE BEWEGUNGSENTWICKLUNG... 27 3.1 Bewegung und menschliche Entwicklung... 28 3.1.1 Der Bewegungsbegriff im entwicklungspsychologischen Zusammenhang... 28 3.1.2 Betrachtung des Bewegungsbegriffs nach LEONTJEW und WEINBERG... 29 2

3.2 Bedeutung von Bewegungserfahrungen für die kindliche Entwicklung... 30 3.2.1 Bewegung und kognitive Entwicklung... 31 3.2.2 Bewegung und Wahrnehmungsentwicklung... 37 3.2.3 Bewegung und Entwicklung des Sozialverhaltens... 40 3.2.4 Bewegung und Entwicklung der eigenen Identität... 41 3.2.5 Bewegung und körperliche Entwicklung... 42 3.2.6 Bewegung und Lernen... 43 3.3 Bewegung als Instrument zum Lernen von Erfahrungen... 43 3.4 Zusammenfassung... 44 3.5 Folgerungen... 45 4 ORTE FÜR EINE KINDGEMÄßE ENTWICKLUNG BEWEGUNGSKINDERGÄRTEN... 47 4.1 Konsequenzen aus aktuellen Entwicklungen... 47 4.2 Förderungsmöglichkeiten und Voraussetzungen... 47 4.3 Bewegungskindergärten in Deutschland... 48 4.3.1 Geschichte... 49 4.3.2 Entwicklung... 49 4.3.3 Anspruch... 50 4.3.4 Pädagogisches Verständnis und Konzept... 50 4.3.5 Menschenbild... 52 4.3.6 Träger... 52 4.3.7 Spiel- und Bewegungsräume... 52 4.3.7.1 Gruppenräume... 54 4.3.7.2 Bewegungs- und Mehrzweckraum... 54 4.3.7.4 Eingangsbereich, Flure, Ecken und Winkel... 56 4.3.8 Außengelände... 57 4.3.9 Material und Geräteausstattung... 57 4.3.10 Bewegungsangebote... 58 4.3.11 Öffentlichkeitsarbeit... 59 4.4 Bewegungskindergärten in Bremen... 59 4.4.1 Träger und Kooperationen... 60 4.4.2 Zertifizierung... 60 4.4.3 Finanzierung... 61 4.4.4 Elternarbeit... 61 3

4.4.5 Personal... 62 4.4.5.1 Qualifizierung... 62 4.4.5.2 Fortbildung... 63 4.5 Zusammenfassung und Folgerungen... 63 5 ABSCHLIEßENDE BETRACHTUNG... 66 6 LITERATURVERZEICHNIS... 69 7 ABBILDUNGSVERZEICHNIS... 72 4

1 Einleitung 1.1 Darstellung der eigenen Motivation Kindheit scheint sich in den letzten Jahren nachhaltig verändert zu haben. In vielen Medien und auch wissenschaftlichen Veröffentlichungen diverser pädagogischer, psychologischer und sportwissenschaftlicher Fachzeitschriften wird mit steter Regelmäßigkeit über Kinder im Vorschulalter berichtet, die unter mangelnder Körperbeherrschung, Herz-Kreislaufschwächen und Haltungsproblemen leiden, ja oft sogar nicht einmal mehr richtig rückwärts laufen können (KRETSCHMER/ GIEWALD 2001, S. 44). Auch die Zunahme von Verhaltensstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten, Wahrnehmungsstörungen und Bewegungsauffälligkeiten werden in diesem Zusammenhang angeführt. Ein weiteres Phänomen ist das vermehrte Auftreten von typischen Erwachsenenkrankheiten wie z.b. Diabetes, Übergewicht und Rückenleiden. Begründungen und Schuldzuweisungen sind meist schnell gefunden: Schadstoffe in der Umwelt und in Lebensmitteln nehmen stark zu, Eltern kümmern sich zu wenig um ihre Kinder, Erzieherinnen sind unqualifiziert oder überfordert, pädagogische Konzeptionen in Kindergärten und Schulen nicht mehr zeitgemäß, Spielflächen in Städten nehmen durch Bebauung immer mehr ab usw. Diese Liste ließe sich noch um ein Vielfaches ergänzen, ohne dass sich an der Situation der Kinder etwas ändern würde. Aber wie lässt sich Abhilfe schaffen? Und welche Folgen hat das für die aktuelle Pädagogik? Für mich sind das sehr spannende Fragen, besonders, weil dieses Thema auch meine kleine Tochter zunehmend betrifft, da sie in Kürze ihren Weg durch die Sozialisationsinstanzen der Gesellschaft antreten wird. Und genau wie ich werden sich viele andere Menschen ebenso Gedanken machen, wie sie ihr Kind vor den o.g. Entwicklungsstörungen und -defiziten bewahren können. Aber der Reihe nach. Im Rahmen eines persönlichen Fachgespräches mit einer Hochschullehrerin im Fachbereich Sportwissenschaft wurden die Themen kindliche Entwicklungsförderung und Entwicklungsdefizite im Kleinkindalter angesprochen und in diesem Zusammenhang dann das Projekt Bewegungskindergarten in Bremen. Dies ist ein sehr junges und ehrgeiziges Vorhaben, welches in einigen anderen Bundesländern schon seit einiger Zeit in vergleichbarer Form läuft, in der Hansestadt aber erst Anfang diesen Jahres begonnen hat. 5