Zinsenstreit auf der Zielgeraden



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FACHZEITSCHRIFT FÜR WIRTSCHAFTSRECHT JUNI 2005 06 417 496 Versicherungsrecht Rechtsprechungsübersicht Grob schuldhafte Herbeiführung des Versicherungsfalles Zinsenstreit auf der Zielgeraden Was ist die Bereicherung? Verjährung des Schadenersatzes Prozessfinanzierung qua Quota Litis Verjährung von Ersatzansprüchen gegen Vorstandsmitglieder Auch das Blinde Huhn Diensterfindungen an der Uni Direkte Steuern Anwendung des GATT Einkaufszentren zwischen Wettbewerbsrecht und Flächenwidmung Internationale Zuständigkeit für Isolierte Gewinnzusagen

Zeiterfassung ohne Zeiterfassung? Kritische Anmerkungen zu einer E der Datenschutzkommission. WOLFGANG BRODIL A. DER ANLASSFALL In einer rezenten E hatte sich die Datenschutzkommission (DSK) 1 ) mit der Problematik eines elektronischen Zeiterfassungssystems auseinanderzusetzen. Die DSK hält zunächst die selbständige Eintragung der Arbeitszeiten von Beamten des BMF (bzw des Zollamtes Wien) in eine virtuelle Zeitkarte im Intranet 2 )fürzulässig. Die dabei gleichzeitig durchgeführte Protokollierung des jeweiligen Eintragungszeitpunktes ist aber für die DSK sachlich nicht geeignet und somit datenschutzwidrig. Die Protokollierung des Eintragungszeitpunkts wäre nämlich kein geeignetes Mittel für Informationen über die tatsächlich am Arbeitsort verbrachte Zeit. Zwar sieht auch die DSK ein grundsätzlich berechtigtes Interesse des DG an der Kontrolle der Einhaltung der Arbeitszeit. Die Durchführung einer Kontrolle durch Ermittlung von Daten, die für Kontrollzwecke nicht signifikant sind, stellt allerdings einen unzulässigen Eingriff in das Grundrecht auf Geheimhaltung dar. Im Ergebnis erlaubt die DSK eine selbstständige Arbeitszeiterfassung durch den DN ohne elektronische Plausibilitätsprüfung. Der DG ist im Hinblick auf den Wahrheitsgehalt der Angaben des DN somit auf klassische Kontrollen angewiesen. 3 ) B. KRITIK AN DER BEGRÜNDUNG Die E hat naturgemäß Auswirkungen auf wesentliche arbeitsrechtliche Fragestellungen. Einmal ist festzuhalten, dass grundsätzliche Strukturfragen betroffen sind, die sowohl im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis als auch im öffentlich-rechtlichen Beamtendienstrecht gleichartig zu lösen sind. Dies betrifft etwa die Kontrollunterworfenheit, die ein essentielles Wesensmerkmal des Arbeitsverhältnisses iws ist. 4 ) Art, Umfang sowie die Grenzen der im Arbeitsverhältnis möglichen Kontrollen sind Gegenstand zahlreicher literarischer Stellungnahmen sowie Judikatur. 5 )Gerade unter diesem Blickwinkel wäre eine Auseinandersetzung mit bisherigen arbeits- bzw dienstrechtlichen Ansätzen in der Begründung mehr als wünschenswert gewesen. ISe Einheit der Rechtsordnung kann das Grundrecht auf Datenschutz nicht völlig losgelöst von anderen tangierten Rechtsbereichen betrachtet werden. Dies beginnt zum einen mit den aus dem BDG resultierenden Pflichten des DG. Aus 45 BDG lässt sich die Pflicht für den Vorgesetzten ableiten, ua auch die Einhaltung der Dienstzeit zu prüfen. Gemäß 48 Abs 1 BDG hat der Beamte die im Dienstplan vorgeschriebenen Dienststunden einzuhalten. 6 ) Zudem zählt nach der Jud 7 ) gerade die Einhaltung der Arbeitszeit zu den schwerwiegenden Interessen der Verwaltung. Seit der BDG-Novelle 2000 ist nunmehr die tatsächlich erbrachte Dienstzeit, sofern nicht wichtige dienstliche Interessen entgegenstehen, automationsunterstützt zu erfassen. 8 ) Dem Sachverhalt der E der DSK lässt sich nun entnehmen, dass der im Eingabeprotokoll erfasste Zeitpunkt der Eintragung zur Kontrolle der Plausibilität der vom DN getätigten Eintragungen verwendet werden sollte. Einem sonstigen Zweck dienten die Eingabezeiten nicht. Gleichzeitig wären die DN verpflichtet Beginn und Ende der täglichen Dienstzeit möglichst zeitnahe selbst in das System einzutragen. In der eigentlichen Begründung findet sich dann der kryptische Satz, der DG hat keine dienstrechtliche Pflicht behauptet, die Eintragung in das Arbeitszeitformular sofort nach Betreten des Arbeitsplatzes und unmittelbar vor Verlassen des Arbeitsplatzes vorzunehmen. Allerdings hätte der DG auch erkennen lassen, dass er Kontrollzwecke im Hinblick auf die Bediensteten selbst als Grund für die Datenermittlung ansieht, und zwar offenbar Kontrolle im Hinblick auf die Übereinstimmung von eingetragener Arbeitszeit und tatsächlicher Arbeitszeit. Daran anschließend hält die DSK fest, dass der Zeitpunkt der Eintragung evidentermaßen nicht signifikant für die tatsächliche Arbeitszeit ist. Somit wären diese Daten ungeeignet, eine Kontrolle im Hinblick auf die tatsächlich am Arbeitsort verbrachte Zeit zu gewährleisten, somit unverhältnismäßig und damit datenschutzwidrig. In diesem Licht erscheinen die Aussagen der DSK leider als reine petitiones principii, ist doch die Lösung der eigentlichen Rechtsfragen in dogmatisch einwandfreier Weise unterblieben. Bei einem Zeiterfassungssystem im Intranet handelt es sich wohl um die Verwendung nicht-sensibler Daten isv 8 DSG 2000. 9 ) Die Verwendung derar- Dr. Wolfgang Brodil ist ao Univ.-Prof. am Institut für Arbeits- und Sozialrecht der Universität Wien. 1) DSK 16. 11. 2004, K120.951/0009-DSK/2004, abgedruckt in diesem Heft, S 464. 2) Im sog Personal-Informations-System des Bundes (PIS). Festzuhalten ist allerdings, dass die Arbeitszeiterfassung in den Ministerien unterschiedlich durchgeführt wird. 3) Etwa physische Beobachtungen oä. 4) Dazu vgl bloß Brodil/Risak/Wolf, Arbeitsrecht in Grundzügen 3 (2004) Rz 43 mwn. 5) Vgl ua bloß Aicher in Rummel, ABGB I 3 16 Rz 26 ff; Binder, Detektiveinsatz und Arbeitnehmerkontrolle, in FS Tomandl (1998) 11 ff, jeweils mwn. 6) Beide Bestimmungen werden sogar in der E-Begründung der DSK zitiert, innerhalb der Begründung ies allerdings keiner weiteren Erörterung mehr zugeführt. 7) VwGH 25. 6. 1992, 92/09/0084, ZfVB 1993/1025. 8) 48 Abs 1 BDG idf BGBl I 2000/142. 9) Den Ausführungen der DSK im Hinblick auf 14 DSG 2000 (Protokolldaten) ist im Übrigen uneingeschränkt zuzustimmen, weshalb diese hier nicht näher erörtert werden. ecolex 2005 459

460 ecolex 2005 tiger Daten ist aber 10 ) nach Vornahme einer Interessenabwägung jedenfalls möglich, soferne überwiegende Interessen eines Dritten (bzw des Auftraggebers) die Verwendung erfordern ( 8 Abs 1 Z 4 DSG 2000). Daher hat in diesen Fällen zwingend eine Interessenabwägung, diesfalls zwischen den Kontrollinteressen des DG und den schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen des DN stattzufinden. 11 ) Eine solche Abwägung lässt sich der Begründung der DSK aber höchstens ansatzweise entnehmen. Vielmehr hat sie die Erfassung des Eintragungszeitpunktes an sich bereits als ungeeignetes Mittel zur einschlägigen Informationsgewinnung angesehen. 12 ) Dabei hätte ein Blick auf das Arbeitsrecht bzw in die Arbeitswirklichkeit genügt, um die von der DSK getätigten Aussagen als realitätsfremd erscheinen zu lassen. C. ARBEITS- UND DIENSTRECHT- LICHE IMPLIKATIONEN Wie dargelegt ergeben sich bereits aus dem öffentlichen Dienstrecht Ansatzpunkte für die vorzunehmende Interessenabwägung. Aus den 45 bzw 48 BDG ist jedenfalls die Kontrollbefugnis im Hinblick auf die Arbeitszeit ableitbar. 13 ) Zwar sagen leg cit naturgemäß nichts über die Art der Kontrolle aus bzw enthalten sie keine Regelungen über die Datenverwendung allerdings ist der Begriff Zeiterfassung per se schon innerhalb einfacher Auslegung typischerweise mit einer begleitenden Kontrolle zu verbinden. Dies wird durch einen Blick auf arbeitsrechtliche Judikatur und Praxis bestätigt. Zeiterfassungssysteme sind demgemäß als arbeitsrechtlicher Stand der Technik anzusehen. Sie sind auch dadurch gekennzeichnet, dass sie den Eintragungszeitpunkt als Nachweis von Beginn und Ende der Arbeitszeit protokollieren. Abseits von 45 BDG verpflichtet nämlich auch 26 AZG den AG zwecks Überwachung der gesetzlichen Höchstarbeitsgrenzen zur Aufzeichnung der geleisteten Arbeitszeiten. Im Hinblick auf den Zweck der Regelung muss die Aufzeichnung so erfolgen, dass eine verlässliche Nachprüfung der Arbeitsstunden eines jeden AN gewährleistet ist. 14 )Dabei ist auch eine Aufzeichnung der zeitlichen Lage notwendig, um die Einhaltung der Ruhepausen bzw -zeiten überprüfen zu können. 15 ) Den AG trifft auch die Verpflichtung, einen gewissen Mindeststandard an Plausibilitätsüberprüfungen aufrecht zu erhalten. Dies wird etwa daraus erkenntlich, als er auch durch eine Übertragung der Aufzeichnungspflichten auf die AN 16 ) nicht von seiner Strafbarkeit gem 28 Abs 1 Z 4 AZG entbunden wird. Kurz gesagt: Sowohl der öffentlich-rechtliche Dienst- als auch der privatrechtliche AG sind gesetzlich dazu verpflichtet, die Einhaltung der Dienstzeiten in plausibler Form zu kontrollieren, wozu bloße Aufzeichnungen durch den einzelnen DN nicht ausreichen. Nun erachtet auch die DSK grundsätzlich ein berechtigtes Interesse des DG an der Kontrolle der Einhaltung der Arbeitzeiten für gegeben. Allerdings wäre eine Protokollierung des Eintragungszeitpunktes im EDV-System nicht signifikant. Nun ist bereits darüber zu diskutieren, inwieweit im Lichte der gesetzlichen Aufzeichnungs- und Prüfpflichten des DG nicht 7 Abs 1 DSG 2000 heranzuziehen ist. Demnach dürfen Daten nur verarbeitet werden, soweit Zweck und Inhalt der Datenanwendung von den gesetzlichen Zuständigkeiten und rechtlichen Befugnissen des Auftraggebers gedeckt sind. 17 ) Da der DG zur Kontrolle verpflichtet ist, ist somit vom Vorliegen einer Befugnis isd Gesetzes auszugehen. 18 ) Nun ist zu prüfen, ob es sich bei einer Protokollierung des Eintragungszeitpunktes um ein verhältnismäßiges bzw um das gelindeste Mittel zur Zweckerreichung isv 7 Abs 3 DSG 2000 handelt. Dies ist im Lichte bisheriger arbeitsrechtlicher Ansätze zu bejahen. Die Überprüfung der tatsächlichen Anwesenheit bzw der Abgleich mit Aufzeichnungen durch den AG ist eine zentrale Kontrollbefugnis des AG. 19 ) Zwar kann die Praxis naturgemäß keine rechtswidrigen Maßnahmen legitimieren. Allerdings war bisher im Lichte des im Arbeitsrecht anwendbaren 16 ABGB 20 ) davon auszugehen, dass die Erfassung des Eintragungszeitpunktes zulässig ist. Aufgrund der vorzunehmenden Interessenabwägung zwischen dem Kontrollinteresse des DG und Schutzinteressen 10) Bei Beachtung der sonstigen datenschutzrechtlichen Kautelen, etwa des Grundsatzes der Datenverwendung nach Treu und Glauben gem 6 bzw der generellen Verhältnismäßigkeitsklausel der 7, 8 sowie auch der Informationspflicht gem 24 DSG 2000. 11) So etwa auch Dohr/Pollirer/Weiss, DSG 2 (2002) 8 Anm 9. 12) Und somit offenbar als überschießende Datenverwendung isd 6 und 7 DSG 2000. Leider finden sich in der Begründung keinerlei Verweise auf positives (Datenschutz-)Recht. 13) Sowie ebenso das Gebot der zweckmäßigen und sparsamen Verwaltung, was wohl auch die Aufsicht im Hinblick auf die Einhaltung der Arbeitszeit durch Beamte beinhaltet; vgl auch VwGH 25. 6. 1992, 92/09/0084, ZfVB 1993/1025. 14) So Grillberger, AZG 2 (2001) 26 Anm 1; vgl auch VwGH 92/18/ 0097, ARD 4446/24/93, wonach bei Existenz eines ein Kontrollsystem in Form einer Stechuhr davon ausgegangen werden muss, dass die Stechzeit die tatsächliche Arbeitszeit (und damit auch die ununterbrochene Ruhezeit) wiedergibt. 15) VwGH, ZfVB 1992/1346. 16) Bspw gem 26 Abs 2 und 4 AZG; siehe auch Grillberger, AZG 2 26 Anm 2.1. 17) Auch hier dürfen aber schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen des betroffenen DN dem nicht entgegenstehen, wobei die in 8 DSG 2000 enthaltene Aufzählung zulässiger Verwendungskonstellationen für eine entsprechende Interpretation hilfreich ist; vgl Dohr/Pollirer/ Weiss, DSG 2 7 Anm 6. Siehe auch unten sogleich. 18) Damit ist der erste Schritt der strikten Zwecküberprüfung im Rahmen der zweistufigen Zulässigkeitsprüfung einmal erfüllt; überdies ist als Prüfungsmaßstab nicht nur die konkrete Berechtigung, sondern die Rechtsordnung als Gesamtheit heranzuziehen, was eine Einbettung in dienst- bzw arbeitsrechtliche Vorschriften notwendig macht; vgl Mayer-Schönberger/Brandl, Datenschutzgesetz 2000 (1999) 25. 19) Bloß bspw OGH 9 Ob A207/92, infas 1993, A 35; OGH 14 ObA 46/87, ZAS 1988/11 uvam; VwGH 25. 6. 1992, 92/09/0084, ZfVB 1993/1025; VwGH 88/08/0005, ZASB 1990, 18; VwGH 92/18/0097, ZfVB 1993/986; vgl auch LAG Düsseldorf, ARD 3021/6a/78, wonach das Mitstempeln an einer Stechuhr für einen im Zeitpunkt der Zeitregistrierung noch nicht im Betrieb anwesenden Arbeitskollegen eine Urkundenfälschung und einen Betrug darstellt. 20) Der insofern die Einfallspforte für grundrechtliche Wertungen etwa des Schutzes der Privatsphäre darstellt. Vgl dazu Binder in FS Tomandl 15; Aicher in Rummel, ABGB I 3 16 Rz 24 a, 26 ff.

des AN war klar, dass das Kontrollinteresse des DG überwiegt und das sehr verdünnte Geheimhaltungsinteresse des DN zurückzustehen hat. Dies zeigt sich deutlich anhand eines Blickes auf die traditionelle Arbeitszeiterfassung mittels Stechuhr: Mit einem Zeit-Kontrollsystem wird die tatsächliche Arbeitszeit gemessen. Besteht keine besondere Vereinbarung, so ist das Betätigen der Stechuhr die jeweils erste und letzte tägliche,arbeitshandlung. Dazwischen befindet sich der AN im Verfügungsbereich des AG, unterliegt seinen Weisungen und hält sich zur Arbeit bereit. Dieser Zeitraum ist daher als Arbeitszeit zu qualifizieren. 21 ) Ein Zeitkontrollsystem in Form einer Stechuhr bringt zum Ausdruck, dass damit die tatsächliche Arbeitszeit gemessen wird. 22 ) Nun ist aber der Stechuhr, die ebenfalls vom DN selbständig bedient wird, die gleichzeitige Erfassung und damit Protokollierung des Eintragungszeitpunktes systemimmanent. Auch hier könnte gemäß der Rechtsmeinung der DSK 23 ) davon ausgegangen werden, dass es sich dabei um eine Ermittlung von Daten, die für Kontrollzwecke nicht signifikant sind und damit um einen unzulässigen Eingriff in das Grundrecht auf Geheimhaltung handelt. MaW: Muss im Lichte der gegenständlichen E der DSK davon ausgegangen werden, dass derartige Systeme datenschutz- und somit grundrechtswidrig sind? Dies ist zu verneinen. Sowohl 16 ABGB als auch die einschlägigen Bestimmungen des DSG 2000 24 ) sehen die Vornahme einer Interessenabwägung zwischen den (Kontroll-)Interessen des Dienstbzw Auftraggebers auf der einen Seite und den schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen auf der anderen Seite vor. Parallel bestehen jedenfalls mittelbare gesetzliche Verpflichtungen zur Kontrolle. Die Vornahme der Kontrolle durch Erfassung des Eintragungszeitpunktes ist auch kein unverhältnismäßiges Mittel, weil der DN während der Arbeitszeit uneingeschränkt seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen hat und dem AG umfassend weisungsunterworfen ist. 25 ) Diesbezüglich hat der DN eben kein als gleichwertig zu erachtendes Recht auf Schutz seiner Privatsphäre. Umgekehrt: Warum die derartige Erfassung und Kontrolle der Arbeitszeit einen unzulässigen Eingriff in das Grundrecht auf (eine von der DSK nicht näher spezifizierte, allgemeine ) Geheimhaltung des DN darstellen soll, bleibt in der Begründung der DSK völlig offen. 26 ) Weist der DG den DN an, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit selbst zu erfassen und trifft den DG gleichzeitig eine Kontrollpflicht im Hinblick auf die Plausibilität dieser Aufzeichnungen so ist dies eine zulässige Anordnung aus dem Dienstvertrag, 27 ) die durch objektive Interessen des DG gedeckt ist. Dieses Ergebnis ist auch im System der Interessenabwägung des DSG 2000 zwingend, weil eben kein insoweit schutzwürdiges Interesse 28 ) des DN erkennbar ist. Bejahte man ein solches aus datenschutzrechtlicher Sicht, wären wesentliche Elemente des abhängigen Dienstvertrages unterlaufen. 29 ) Zuletzt ist darauf hinzuweisen, dass auch die drei von der DSK für die Zweckwidrigkeit der Datenverwendung angeführten Gründe nicht überzeugen., Insb können sie die Erfassung des Eintragungszeitpunktes als ungeeignetes Mittel nicht tragen und ebenso nicht begründen, warum der DG nur auf sonstige Plausibilitätskontrollen zu verweisen ist. Das von der DSK einmal erwähnte Versehen des Dienstes außerhalb der Dienststelle wird naturgemäß zur Folge haben, dass eine Gesamteintragung der Dienstzeiten im Außendienst ebenso zeitnahe nach Rückkehr an die Dienststelle zu erfolgen hat. 30 ) Auch hier ist die Protokollierung des Eintragungszeitpunktes durchaus als verhältnismäßiges Mittel zur Arbeitszeiterfassung anzusehen. Dass darüber hinaus das IT- System nicht funktionsfähig zur Verfügung steht ist ebenso keine taugliche Grundlage für die Unverhältnismäßigkeit der Datenverwendung, weil dies für alle technischen Systeme gilt. 31 ) Die Folgen des Ausfalls eines dem DG zuordenbaren Betriebsmittels können schlicht keinesfalls den DN treffen. Der letzte von der DSK angeführte Grund für die Unverhältnismäßigkeit mutet im Übrigen mehr als skurril an: Ein Bediensteter könnte rationellerweise auch die Dienstzeit mehrerer Tage, zb aufgrund handschriftlicher Aufzeichnungen, auf einmal in die elektronische Zeitkarte eintragen. Aufgrund des vorliegenden Sachverhalts sowie grundlegender dienstrechtlicher Prinzipien ist ein solches Verhalten schlicht vertragsbzw dienstrechtswidrig. 32 ) Inwieweit sodann rechtswidriges Verhalten dazu führen kann, die Lösung einer in arbeitsrechtlicher Hinsicht zentralen Rechtsfrage zu begründen, ist mehr als zweifelhaft. 21) VwGH 88/08/0005, ZASB 1990, 18 = ÖJZ 1990/203 A; im Wesentlichen gleichlautend VwGH 92/18/0097, ZfVB 1993/986. 22) VwGH, ZASB 1990, 18. 23) Überdies auch, weil der Datenbegriff des DSG 2000 bzw Art 3 Abs 1 der Datenschutz-RL 95/46/EG nunmehr auch bei nicht automatisierter Datenverarbeitung gilt; siehe auch Mayer-Schönberger/Brandl, Datenschutzgesetz 2000, 15. 24) So bereits die Verfassungsbestimmung des 1; weiters die 6, 7 und 8 DSG 2000. 25) Gerade dieses Merkmal der persönlichen Abhängigkeit ist ja der Grund für die Existenz arbeitsrechtlicher Sondernormen zum Ausgleich dieser Abhängigkeit. 26) Die Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit setzt im Rahmen der Interessenabwägung eine Bewertung des Geheimhaltungsinteresses voraus. Dieser methodische Vorgang fehlt in der Begründung der DSK gänzlich und wäre zwingend in harmonisierender Betrachtung arbeitsrechtlicher Aspekte durchzuführen gewesen; ebenso zur Interessenabwägung Dohr/Pollirer/Weiss,DSG 2 8Anm9. 27) Dies gilt im Übrigen auch für Beamte, die ebenfalls weisungsunterworfen sind, vgl bereits VwGH, SlgNF 4023 A; siehe auch Fellner (Hrsg), BDG 112/22B. 28) Vgl 1 Abs 1, 7 Abs 3 sowie 8 Abs 1 Z 4 DSG 2000. 29) Was insb die Kontrollunterworfenheit sowie die Bindung an betriebliche Ordnungsvorschriften oder auch Arbeitszeit betrifft. Siehe etwa OGH, ZAS 1988/11: Wesentlich für den Arbeitsvertrag ist eine weitgehende Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit des AN, der in Bezug auf Arbeitsort, Arbeitszeit und arbeitsbezogenes Verhalten dem Weisungsrecht des AG unterworfen ist und [ ] dessen laufender Kontrolle unterliegt. 30) Im Übrigen handelt es sich hier um eine Konstellation, die keinesfalls als atypisch anzusehen ist. 31) Auch die Stechuhr kann defekt sein, was keine rechtliche Ingerenz im Hinblick auf ihre Zulässigkeit oder Unzulässigkeit haben kann. 32) Nach offenbarer Ansicht des VwGH (ZfVB 1993/986) bedarf es nicht einmal einer Vereinbarung (bzw Weisung), weil etwa ein Stechuhrsystem insofern self-explaining ist. ecolex 2005 461

D. RESÜMEE Insgesamt vermögen weder das Ergebnis noch die Entscheidungsbegründung der DSK zu überzeugen. Im Hinblick auf bisherige arbeitsrechtliche Dogmatik ist das Ergebnis rechtlich unzulänglich begründet und als praxisfremd anzusehen. Auswirkungen auf Judikatur des OGH für gleichartige Rechtsfragen im privaten Arbeitsrecht sind ebenso unabsehbar. 33 ) Aber auch die datenschutzrechtlichen Erwägungen überzeugen nicht, weil grundlegende Auseinandersetzungen mit zentralen Rechtsfragen des DSG 2000 unterblieben sind. 33) Etwa im Hinblick auf Betriebsvereinbarungen gem 96 Z 3 ArbVG. SCHLUSSSTRICH Sowohl aus arbeits- als auch datenschutzrechtlicher Sicht ist die automationsunterstützte Zeiterfassung unter gleichzeitiger Protokollierung des Eintragungszeitpunktes als rechtmäßig zu erachten. Die Kontrolle von Beginn und Ende der Arbeitszeit ist als zentrale Befugnis des DG anzusehen, die sowohl rechtlich angeordnet als auch legitimes Interesse des DG an der Überprüfung der Vertragserfüllung durch den DN ist. Aufgrund der persönlichen Abhängigkeit des DN ist kein schutzwürdiges Interesse an der Geheimhaltung (des Eintragungszeitpunktes) zu erkennen, wodurch das Grundrecht auf Datenschutz hinter die Interessen des DG zurücktritt. 462 ecolex 2005