Fall 4. Der Bund möchte durch Gesetz den Gemeinden die Aufgabe der Betreuung der Langzeitarbeitslosen (sog. Hartz-IV-Empfänger ) übertragen. Zulässig?

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Transkript:

Fall 1 Die Gemeinde G hat sich durch Ratsbeschluss zur sog. atomwaffenfreien Zone erklärt. Sie will an keinen Planungen mitwirken, welche militärische Anlagen zum Gegenstand haben könnten, welche auf eine Lagerung oder Stationierung von Atomwaffen im Gemeindegebiet hinauslaufen könnten. (BVerwG, 87, 228; 238).

Fall 2 Durch Gesetz wurde die Abfallentsorgung neu geordnet und den Kreisen übertragen. Dadurch wurden die gemeindlichen Müllabfuhren überflüssig. Zu Recht? (BVerfGE 79, 127, 153)

Fall 3 Die städtische Müllabfuhr Düsseldorf AG hat sich in einer Ausschreibung (zusätzlich) um die Müllabfuhr in Neuss beworben. Ist das zulässig? (OLG Düsseldorf, NVwZ 2002, 248).

Fall 4 Der Bund möchte durch Gesetz den Gemeinden die Aufgabe der Betreuung der Langzeitarbeitslosen (sog. Hartz-IV-Empfänger ) übertragen. Zulässig?

Fall 5 Die Gemeinde G soll durch Landesgesetz in die Gemeinde A eingegliedert werden. Rechtsmittel?

Fall 6 Sind Bürgerbegehren zulässig - zur Aufstellung eines Denkmals für den Ehrenbürger der Stadt auf dem Rathausplatz? - zur Einführung von Parkgebühren in dem bislang gebührenfreien kommunalen Parkhaus am Rathaus? (VG Köln, NVwZ-RR 2000, 455) - zur Schließung der kommunalen Müllverbrennungsanlage mit dem Ziel, diese durch eine biologisch-mechanische Abfallbehandlung zu ersetzen? (OVG Ms., NVwZ-RR 2003, 448) - den Rat zu verpflichten, eine bestimmte Variante eines Bebauungsplans zu beschließen? (OVG Ms. aao).

Fall 7 Für den Rat der Gemeinde G kandidieren - A, der auch einen Wohnsitz in einer anderen Gemeinde hat, - B, der bei einem Zweckverband beschäftigt ist, in welchem die G Mitglied ist (LSAVfGH, NVwZ-RR 1999, 462), - Ministerialdirigent C im Ministerium für Verkehr (OVG Ms., NWVBl 2002, 464). - Rechtsanwalt D, welcher in zahlreichen Prozessen Bußgeldbescheide der G angreift. (s.a. BVerfG, NJW 1988, 694).

Fall 8 In der Ratssitzung kommt es zu stürmischen Auseinandersetzungen zwischen Ratsherrn R und Zuhörer Z. Bürgermeister B verweist, um die Beratungen fortsetzen zu können, beide aus dem Saal. Rechtsmittel?

Fall 9 Im Gemeinderat der kleinen Gemeinde G sind seit der letzten Kommunalwahl auch die Grünen vertreten. Seitdem hat sich der Charakter der bis dahin überaus harmonischen Gemeinderatssitzungen erheblich geändert. In der letzten Sitzung ließ sich ein neu gewählter Ratsherr der kleinen Fraktion sogar zu deutlicher Kritik einzelner Maßnahmen der Gemeindeverwaltung hinreißen. So sei der neue Einkaufspark am Ortsrand wesentlich größer ausgefallen, als es im Bebauungsplan eigentlich vorgesehen sei. Ein ursprünglich gar nicht vorgesehenes Geschäft stünde gar in einem wertvollen Landschaftsschutzgebiet, welches unter Naturschutz gestanden habe. Alles dieses sei im Gemeinderat nicht einmal beraten, geschweige denn gebilligt worden. Der Bürgermeister ist über diese Kritik empört. Das Einkaufszentrum sei für alle da, und alle Mitglieder des Gemeinderates hätten zur Verwaltung bislang das vollste Vertrauen gehabt. Derart unsachliche Kritik könne er im Gemeinderat nicht dulden. Er schließt daher den Kritiker für den Rest der Sitzung aus und droht ihm an, im Falle weiterer Ungebührlichkeiten in zukünftigen Sitzungen genauso zu verfahren. Das betroffene Ratsmitglied M hat für die kommende Sitzung einen umfangreichen Fragenkatalog zum Einkaufszentrum vorab schriftlich eingereicht. Zugleich erklärt er, er würde in der Sitzung auf eine Beantwortung seiner Fragen und Erörterung der Antworten bestehen. Der Bürgermeister, der weitere Auseinandersetzungen vermeiden will, teilt ihm daher umgehend mit, offenbar beabsichtige M, seine unsachliche und polemische Tätigkeit fortzusetzen. Er schließe ihn daher vorsorglich auch von der kommenden Sitzung aus.

M will sich sein Teilnahmerecht aber nicht nehmen lassen. Er hält das Verhalten des Bürgermeisters für einen Eingriff in seine Meinungsfreiheit. Er möchte daher gerichtlich seine Teilnahme an der in einer Woche bevorstehenden Sitzung durchsetzen, gerichtlich klären lassen, ob sein Ausschluss aus der letzten Sitzung zulässig war. Mit Aussicht auf Erfolg?

Lösung Fall 9 - Kommunalrecht Ausgangsfrage: Gerichtliche Durchsetzung der Teilnahme des M an der in einer Woche bevorstehenden Sitzung Einstweilige Anordnung, 123 VwGO A. Zulässigkeit I. Verwaltungsrechtsweg, 40 I 1 VwG0 Das Recht der Ratsmitglieder, an den Ratssitzungen teilzunehmen und sich durch Wortbeiträge und Abstimmungen zu beteiligen, wird der Gemeindeordnung hergeleitet. Die streitentscheidenden Normen gehören dem öffentlichen Recht an, so dass eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt. Verfassungsrecht" im Sinne von 40 1 I VwGO ist nur das Staatsverfassungsrecht, so dass die Streitigkeit auf kommunaler Ebene auch nichtverfassungsrechtlicher Art ist. Da auch keine anderweitige Zuweisung besteht, ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. II. Statthafte Antragsart: 123 I VwGO Die statthafte Antragsart richtet sich nach dem Begehren in der Hauptsache. Welcher Antrag statthaft ist, hängt davon ab, welche Klage im Hauptverfahren hätte gewählt werden müssen. Dies darf nicht die Anfechtungsklage sein, da dann ein Fall von 80 bzw. 80 a VwGO vorläge. Eine Anfechtungsklage kommt ebenso wie eine Verpflichtungsklage aus dem Grund nicht in Betracht, dass die Maßnahme nur Rechtswirkungen innerhalb der Verwaltung hat, es also an einer Außenwirkung fehlt. Es handelt sich vielmehr um einen sogenannten Kommunalverfassungsstreit. Davon sind Streitigkeiten zwischen Organen oder Organteilen einer kommunalen Gebietskörperschaft über die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme umfasst, deren Rechtswirkungen sich auf die Beziehungen innerhalb der Körperschaft beschränken. Nach heute herrschender Meinung handelt es sich hierbei nicht um eine Klageart sui generis. Auf eine richterrechtlich entwickelte Klageart sui generis dürfe nicht zurückgegriffen werden, wenn und soweit eine der in der VwGO geregelten Verfahrensarten ausreichenden Rechtsschutz bietet. (Schoch, JuS 1987, 783 (788).) Hier könnte eine Leistungsklage statthaft sein. Dies ist dann der Fall, wenn der Kläger eine Handlung wie beispielsweise die Rückgängigmachung eines Organhandelns oder ein Unterlassen begehrt. (BverwG, NVwZ 1990, 165.) M begehrt die Teilnahme an der nächsten Ratssitzung, so dass die Leistungsklage im Hauptverfahren hätte gewählt werden müssen. Ein Antrag nach 123 I VwGO ist somit statthaft. III. Antragsbefugnis Die Antragsbefugnis richtet sich nach der Klageart in der Hauptsache, deren Vorschriften entsprechend anzuwenden sind. Bei der Leistungsklage ist dies analog 42 II VwGO dann der Fall, wenn sich aus dem substantiierten Klägervortrag die Möglichkeit einer Verletzung in

subjektiv öffentlichen Rechten ergibt, er also einen Anspruch auf das begehrte Handeln möglich erscheinen lässt. Im Kommunalverfassungsstreitverfahren wird unabhängig von der Klageart analog 42 II VwGO stets die Geltendmachung eines subjektiven Rechts in Form der Berufung des Klägers auf eigene, rechtlich besonders geschützte Mitgliedschaftsrechte aus seiner Organ- oder Organteilstellung gefordert. Als solche individuellen Mitgliedschaftsrechte eines Ratsmitglieds werden vor allem sein Recht auf Teilnahme an den Sitzungen, Beratungen und Abstimmungen angesehen. (OVG NW, Urteil vom 23.07.1991, DÖV 1992, 170 (171).) Hierauf beruft sich M, so dass es antragsbefugt ist. IV. Rechtschutzbedürfnis liegt vor. V. Antragsgegner Richtiger Antragsgegner ist der Klagegegner in der Hauptsache. Dieser ist bei organinternen Streitigkeiten nach der innerorganisatorischen Kompetenz- und Pflichtenzuordnung zu bestimmen. (OVG NW, DVBI 1983, 53 (54).) Für die Ordnung in den Ratssitzungen ist der Bürgermeister nach 51 I GO verantwortlich, so dass er der Antragsgegner ist. VI. Beteiligtenfähigkeit, 61 Nr. 2 VwGO analog Der Bürgermeister könnte als Teil des Rates nach 61 Nr. 2 VwGO analog beteiligtenfähig sein. Erforderlich ist, dass er Zuordnungssubjekt der bezüglich des Streitgegenstandes in Frage stehenden Rechte und Pflichten sein kann. (sog. konkrete Betrachtungsweise", str., vgl. Schoch, JuS 1987, 785 (790).) Nach 51 I GO handhabt er die Sitzungsordnung und übt das Hausrecht bei den Ratssitzungen aus, zu dem auch der Ausschluss von Ratsmitgliedern gehört. Damit ist er Zuordnungssubjekt bezüglich des Streitgegenstandes und somit beteiligtenfähig. Es geht auch nicht um die Rechtstellung des M als natürliche Person, sondern als Teil des Rates und damit als Organteil, das Zuordnungssubjekt des 43 I GO ist, so dass er nach 61 Nr. 2 VwG0 analog beteiligtenfähig ist. VII. Prozessfähigkeit Der Bürgermeister und M sind als Geschäftsfähige nach 62 I Nr. 1 VwGO prozessfähig. Der Antrag nach 123 I VwGO ist damit zulässig. B. Begründetheit I. Anordnungsanspruch Ein Anordnungsanspruch besteht, wenn die Klage in der Hauptsache begründet ist.

1. Anspruchsgrundlage Aus dem die gemeindliche Willensbildung prägenden Demokratiegebot folgt das Recht des Ratsmitglieds auf gleichberechtigte Mitwirkung an den Beratungen und Entscheidungen. Alle Rats- und Ausschussmitglieder sind mit gleichen Rechten und Pflichten an der organinternen Willensbildung zu beteiligen. (OVG NW, Urteil vom 23.07.1991, DÖV 1992, 170 (171).) Einfachgesetzlichen Ausdruck findet dieser Grundsatz in 43 I, 42 I, 40 I GO. 2. Rechtmäßigkeit des Ausschlusses Der Bürgermeister ist im Rahmen seiner Ordnungsgewalt in den Sitzungen gemäß 51 I GO zuständig für den Ausschluss eines Ratsmitgliedes. Ein Ausschlussgrund könnte sich aus 31 II GO ergeben. Bei den Begehren des M könnte es sich jedoch nur um die Geltendmachung ihm nach 40 I, II 1, 55 GO obliegender Aufgaben handelt. Nach 40 I GO wird die Gemeindeverwaltung ausschließlich durch den Bürgerwillen bestimmt, der gemäß 40 II 1 GO durch den Rat und den Bürgermeister vertreten wird. Gemäß 55 III 1 GO ist die Überwachung der Durchführung der Ratsbeschlüsse durch die Verwaltung Aufgabe des Rates. Dem Bürgermeister obliegt nach 55 I GO eine Pflicht zur Unterrichtung des Rates über alle wichtigen Verwaltungsangelegenheiten. Zur Durchführung seiner Überwachungsbefugnisse kann der Rat darüber hinaus nach 55 III 2 Akteneinsicht verlangen. M kritisiert hier mit der bebauungsplanwidrigen Errichtung eines Einkaufszentrums im Landschaftsschutzgebiet ein Handeln der Verwaltung und begehrt ausführliche Auskunft hierüber. Damit kommt er den ihm nach 40 I, II 1, 55 GO übertragenen Aufgaben nach. Der Ausschluss des M ist rechtswidrig. Er hat somit einen Anspruch auf Teilnahme an den nächsten Ratssitzungen. Ein Anordnungsanspruch besteht. II. Anordnungsgrund Da die nächste Ratssitzung bereits in der kommenden Woche stattfinden soll und M für diese ausgeschlossen werden soll, ist eine Eilbedürftigkeit und damit ein Anordnungsgrund gegeben. III. Glaubhaftmachung entsprechend 294 ZPO

Variante: Klärung der Zulässigkeit des Ausschlusses aus der letzten Sitzung A. Zulässigkeit I. Verwaltungsrechtsweg, s.o. II. Statthafte Klageart Der Ausschluss des M aus der Ratssitzung entfaltet nur innerhalb der Verwaltung Rechtswirkungen, so dass mangels Außenwirkung eine Fortsetzungsfeststellungsklage nach 113 I 2 VwGO nicht in Betracht kommt. Hier könnte eine Feststellungsklage statthaft sein. Dies ist dann der Fall, wenn es um die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses geht. Als Rechtsverhältnis sind die aus einem konkreten Sachverhalt auf Grund einer öffentlich-rechtlichen Regelung sich ergebenden rechtlichen Beziehungen einer Person zu einer anderen Person o- der zu einer Sache anzusehen. (BVerwGE 62, 351; Kopp, VwGO, 43 Rn. 11.) Dies wird im Kommunalverfassungsstreit dahingehend erweitert, dass ein solches Rechtsverhältnis auch zwischen Organen und Organteilen ein und derselben juristischen Person bestehen kann, so dass auch körperschaftsinterne Streitigkeiten unter diesen Begriff fallen. (OVG NW, Urteil vom 26.4.1989 in NVwZ 1990, 188 (189), Schoch, JuS 1987, 783 (788).) Die Mitwirkungsbefugnisse des M sind ihm zur eigenständigen Wahrnehmung öffentlicher Interessen gegenüber dem Gemeindeorgan oder anderen Organen zugeordnet. Der Verweis aus dem Sitzungssaal durch den Bürgermeister ist eine irreparable Maßnahme eines anderen Organs, so dass hier ein Rechtsverhältnis vorliegt, die Feststellungsklage gerichtet auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Beschlusses die richtige Klageart ist. (Vgl. OVG NW, OVGE 32, 192.) III. Besondere Sachurteilsvoraussetzungen 1. Feststellungsinteresse Ein Feststellungsinteresse des M liegt im Hinblick auf die regelmäßig wiederkehrenden Ratssitzungen, an denen er teilnehmen möchte, vor. 2. Qualifiziertes Feststellungsinteresse analog 42 II VwG0 Im Kommunalverfassungsstreitverfahren ist nach herrschender Meinung im Rahmen der Feststellungsklage ein qualifiziertes Feststellungsinteresse analog 42 II VwGO erforderlich, das sich aus der Geltendmachung von Mitgliedschafts- bzw. Organrechten ergeben muss. (BverwG, NVwZ 1989, 470; OVG NW, Urteil vom 26.04.1989 in NVwZ 1990, 188 (189), a.a. Schoch, JuS 1987, 785 (787).) Ratsmitgliedern kommen aus 42 I, 43 I GO organschaftliche Mitgliedschaftsrechte auf Teilnahme und Beratung sowie Abstimmung in der Sitzung zu. Hier erscheint somit eine Verletzung von Mitgliedschaftsbefugnissen des M möglich.

3. Subsidiarität Bezüglich der Subsidiarität nach 43 II VwGO bestehen keine Bedenken, da M die nachträgliche Klärung der Rechtswidrigkeit seines Ausschlusses anders nicht überprüfen lassen kann. IV. Klagegegner Bürgermeister, s. o. V. Beteiligtenfähigkeit Jeweils nach 61 Nr. 2 VwGO analog, s. o. Vl. Prozessfähigkeit Nach 62 I Nr. 1, s. o. Die Klage wäre zulässig. B. Begründetheit Der Ausschluss aus der letzten Sitzung war rechtswidrig (s. o.), so dass die Klage begründet ist.

Fall 10 Während der Ratssitzung - raucht Mitglied R trotz Widerspruchs anderer Mitglieder (OVG Ms., DVBl 1983, 53). - telefoniert Mitglied S häufig am Handy, was die Beratungen stört. - trägt Mitglied T einen Button mit der Aufschrift: Gegen die Korruption im Gemeinderat P-Partei (BVerwG, NVwZ 1988, 837). Was kann der Bürgermeister, was das Ratsmitglied U unternehmen?

Fall 11 Im Bauausschuss der Stadt S - beriet und beschloss der sachkundige Bürger B einen Bebauungsplan mit, der im Plangebiet ein Mietshaus errichten will, - ebenso Ingenieur I, der Teilhaber eines Büro ist, welches das Mietshaus planen und errichten soll (OVG Ms., NVwZ 1988, 667), - befürwortete Rechtsanwalt R als Ratsmitglied den Bau einer Umgehungsstraße, welche im Falle ihrer Errichtung zu einer Verkehrsberuhigung vor seiner Praxis führen würde (BWVGH, NVwZ 1997, 183.).

Fall 12 Im Sportausschuss sitzt als Mitglied Bürger A, der Vorsitzende des FC. Er bringt einen Entwurf für eine Benutzungssatzung ein, wonach jeder Sportplatz nur von einem Verein benutzt werden darf. Dagegen wendet sich der VfB, welcher den gleichen Platz benutzen will wie der FC. A wendet ein, der Sportausschuss werde nur vorbereitend tätig. Satzungsbeschlüsse seien Ratsangelegenheit. Dort sei er nicht Mitglied. Darf A mitwirken? Darf A bei der Abstimmung zuschauen? Wie wäre es, wenn A nicht Mitglied des Sportausschusses, sondern Leiter des Sportamtes wäre?

Fall 13 Bürgermeister M hält die gegen seinen Willen beschlossene Änderung der Erschließungsbeitragssatzung für gesetzwidrig und weist die Baubehörde an, nach den alten Bestimmungen zu verfahren. Zu Recht? (s.a. BVerwGE 112, 373, 381).

Fall 14 In der Landeshauptstadt S liegt unmittelbar vor dem Landtag eine städtische Parkanlage. Hier soll eine Demonstration stattfinden. Die S lehnt dies ab, weil - der Versammlungszweck kein kommunalpolitischer sei, - der Widmungszweck (Naherholung) überschritten werde, - Schäden durch Gegendemonstranten drohen, - auf der Versammlung Ziele verfassungswidriger Parteien befürwortet würden. (dazu: BVerwG, NJW 1993, 609; BWVGH, NVwZ-RR 2001, 159).

Fall 15 Die P-Partei möchte in S ihren Landesparteitag abhalten. Ausrichter sind der Landesvorstand und federführend die 12 Personen umfassende Ortsgruppe. Benutzungsanspruch? (BWVGH, NVwZ-RR 1988, 43; OVG Ms., NJW 1976, 820).

Fall 16 Die Gemeinde G betreibt seit Jahrzehnten einen Weihnachtsmarkt. Dessen Ausrichtung möchte sie nun der G-GmbH, einer privaten Veranstaltungsgesellschaft, übertragen. Zulässig (BVerwG, JZ 2009, 1167)?

Fall 17 Darf der Anschluss- und Benutzungszwang angeordnet werden für - das kommunale Krematorium (HeVGH, NVwZ 1988, 847), - die Fernwärmeversorgung (BGH, NJW 2002, 3779), - das Duale System Deutschland ( Der Gelbe Sack )?

Fall 18 Die Stadt S plant den Betrieb - einer bio-dynamischen Abfallentsorgungsanlage (dazu: OVG Ms., NZBau 2005, 167), - Garten- und Grabpflege für Private durch den städtischen Grünflächenbetrieb (OLG Hamm, DVBl 1998, 792), - den Verkauf von Kfz-Nummernschildern durch den städtischen Verkehrshof neben der Kfz-Zulassungsstelle (BGH, NJW 1998, 3778). - einen kommunalen Windpark zur ökologischen Energieerzeugung und zur Erzielung von Preisvorteilen für die Einwohner. Zulässig? Nach welchen Normen beurteilen sich die Vorhaben?

Fall 19 Als die Stadtwerke S ein eigenes Fitnessstudio planen, wenden sich dagegen private Konkurrenten unter Hinweis auf 107 GO und 3 UWG. Zu Recht? (dazu: BGH, NVwZ 2002, 1141; 2003, 246).

Fall 20 Die Gemeinde G betreibt ein kommunales Bestattungsinstitut, das im selben Gebäude wie das Friedhofsamt untergebracht ist. Zulässig? (dazu: BVerwGE 39, 332; OLG München, GRUR 1987, 550).

Fall 21 Die Stadt T hat das Gebäudemanagement einer GmbH übertragen, an der sie zu 25 % beteiligt ist. Dieser hat sie die Reinigung sämtlicher städtischen Gebäude übertragen. Konkurrent K hält das für unzulässig und verlangt eine öffentliche Ausschreibung. (EuGH, NVwZ 2005, 187)