Vorlesung Investition und Finanzierung Kapitel 3 Verfahren der dynamischen Investitionsrechnung II: Zinsfußmethoden, Amortisationsdauer Investition und Finanzierung Kapitel 3 Folie 1
Inhaltliche Gliederung der Vorlesung 1 Grundzüge der unternehmerischen Finanzplanung vor dem Hintergrund der Zielgrößen Rentabilität und Liquidität 8 Langfristige Formen der Kreditfinanzierung I: Überblick, wesentliche Formen und Einführung in steuerliche Problemstellungen 2 Verfahren der dynamischen Investitionsrechnung I: Grundlagen und Kapitalwertmethode 9 Langfristige Formen der Kreditfinanzierung II: Steuerliche Belastungsvergleiche 3 Verfahren der dynamischen Investitionsrechnung II: Zinsfußmethoden und Amortisationsdauer 10 Kurzfristige Formen der Kreditfinanzierung 4 Ausgewählte Probleme bei der Anwendung der dargestellten Verfahren der Investitionsrechnung 11 Kreditsicherheiten: Systematisierung und Funktion im Kreditprozess 5 Externe Liquiditäts- und Rentabilitätsanalyse 6 Einführung in die Innen- und Außenfinanzierung (Beteiligungs- und Kreditfinanzierung) 7 Beteiligungsfinanzierung der Aktiengesellschaft 12 13 Zwischenformen der Finanzierung I: Optionen und Futures als Grundbausteine strukturierter Anleihen Zwischenformen der Finanzierung II: Options- und Wandelanleihen 14 Repetitorium Investition und Finanzierung Kapitel 3 Folie 2
Lernziele der Vorlesung Verständnis der Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Renditemessung mit Hilfe (a) der einfachen und (b) der modifizierten internen Zinsfußmethode (Baldwin-Methode). Messung der dynamischen Amortisationsdauer einer Investitionsmaßnahme unter Nutzung der Kapitalwertmethode. Bestimmung der optimalen Nutzungsdauer und des optimalen Ersatzzeitpunktes für ein Investitionsprojekt mit Hilfe der Kapitalwertmethode (Übung). Investition und Finanzierung Kapitel 3 Folie 3
Renditemessung Speziell in der Praxis hohe Wertschätzung relativer (Erfolgs-)Maßstäbe Alternativen zum Kapitalwert: Renditekennzahlen zur Investitionsbewertung. Rendite (auf Kapitalgrößen bezogen, vgl. Kap. 1): Verhältnis zwischen dem Überschuss aus einer Kapitalnutzung und dem eingesetzten Kapital. Messung unproblematisch, wenn Kapitalbindung über die Betrachtungsperiode (z.b. ein Jahr) konstant. Andernfalls: Annahmen zur Verzinsung der zwischen erstem (Grundmodell: Anschaffungsauszahlung a 0 ) und letztem Zeitpunkt anfallenden Zahlungen ( WAP) nötig. Sinnvoller zeitlicher Bezugspunkt solcher Renditerechnungen: Ende der Nutzungsdauer eines Investitionsobjekts. Investition und Finanzierung Kapitel 3 Folie 4
Interner Zinsfuß: Graphische Bestimmung C 0 (i) r Der interne Zinsfuß r ist derjenige Zinsfuß, bei dessen Anwendung als Kalkulationszinssatz der Kapitalwert einer Investition gleich Null ist (nun: C 0 gegeben, Zins gesucht): C0 a0 c t (1 r) n t 1 t 0 i Investition und Finanzierung Kapitel 3 Folie 5
Akzeptanzentscheidungen auf Basis interner Zinsfüße I Akzeptanzkriterium der internen Zinsfußmethode: Die interne Zinsfußmethode soll anstatt eines absoluten Wertes (C 0 )einrelatives Erfolgsmaß für einen mehrperiodigen Zahlungsstrom, also eine Rendite, abbilden. Der Kalkulationszinssatz i fungiert bei der Akzeptanzprüfung als Mindestverzinsungsanspruch/Opportunität: Eine Investitionsmaßnahme ist akzeptabel, wenn ihr interner Zinsfuß r nicht kleiner ist als der Kalkulationszinssatz i: r j i. Investition und Finanzierung Kapitel 3 Folie 6
Anwendbarkeit der internen Zinsfußmethode Die Auflösung der Kapitalwertformel nach r ist regelmäßig von hoher mathematischer Komplexität. Dem Grunde nach möglich, aber (durch Wiederholung) aufwendig sind schrittweise Approximationen (trial-and-error). In bestimmten Fällen ist auch mit einfachen Hilfsmitteln eine exakte Lösung möglich: -a 0,0,0,,c n -a 0,c 1,c 2 -a 0,b,b,b,,b+a 0 Investition und Finanzierung Kapitel 3 Folie 7
Akzeptanzentscheidungen auf Basis interner Zinsfüße II Das Akzeptanzkriterium der internen Zinsfußmethode ist nicht eindeutig (a) in sich mehrere Nullstellen der Kapitalwertfunktion C 0 (i), (b) im Vergleich zur Kapitalwertmethode. Nur bei Normalinvestitionen, d.h. Mittelverwendungen (1) im Sinne des eingeführten Investitionsbegriffs, (2) deren Zahlungsreihe nur einen Vorzeichenwechsel aufweist und (3) die das ökonomische Deckungskriterium erfüllen, führen Akzeptanzprüfungen mittels Kapitalwertmethode und interner Zinsfußmethode stets zu gleichen Ergebnissen. Liegt keine Normalinvestition vor, so können die Ergebnisse differieren. Investition und Finanzierung Kapitel 3 Folie 8
Vorteilhaftigkeitsentscheidungen auf Basis interner Zinsfüße I Vorteilhaftigkeitskriterium der internen Zinsfußmethode: Bei mehreren akzeptablen Investitionsalternativen ist die mit dem höchsten internen Zinsfuß optimal, die Entscheidungsregel lautet: max j r j r j i Diese Entscheidungsregel kann zu Entscheidungen führen, die der Nutzensteigerung in Form der Kapitalwertmaximierung widersprechen, da eine relative anstelle einer absoluten Größe maximiert wird und die (in beiden Fällen: impliziten) Wiederanlageprämissen der Methoden unterschiedlich sind. Investition und Finanzierung Kapitel 3 Folie 9
Vorteilhaftigkeitsentscheidungen auf Basis interner Zinsfüße II C 0 C B 0 t Projekt A Projekt B 0-200.000-200.000 1 60.000 20.000 2 80.000 20.000 3 60.000 80.000 4 40.000 90.000 5 40.000 90.000 C A 0 i C A 0 C B 0 i 0 i* r B r A C A 0 i 0% 80.000 100.000 6% 39.755 42.379 8% 28.397 26.576 10% 17.897 12.169 12% 8.171-991 14% -854-13.038 16% -9.247-24.086 20% -24.357-43.276 C B 0 Investition und Finanzierung Kapitel 3 Folie 10
Implizite Wiederanlageprämisse der internen Zinsfußmethode Die interne Zinsfußmethode unterstellt implizit, dass alle Ergänzungsinvestitionen zum jeweiligen internen Zinsfuß der ursprünglichen Investitionsmaßnahme vorgenommen werden. Diese WAP ist kritisch, da für jede Investitionsmaßnahme ein anderer Zinssatz für die Wiederanlage unterstellt wird nicht ersichtlich ist, weshalb die Höhe der Wiederanlageverzinsung vom internen Zinsfuß der ursprünglichen Investitionen abhängen sollte Investition und Finanzierung Kapitel 3 Folie 11
Bedeutung der Wiederanlageprämisse: Kapitalwertmethode Kapitalwertmethode unterstellt (implizit), dass Ergänzungsinvestitionen / Wiederanlagen einheitlich zum Kapitalmarktzins i erfolgen. Einfaches Beispiel: Investment x: -1000 0, 500 1, 1200 2. Es sei i = 10%. Normale Kapitalwertrechnung (implizite Wiederanlage): Alternative Kapitalwertrechnung (explizite Wiederanlage): Investition und Finanzierung Kapitel 3 Folie 12
Bedeutung der Wiederanlageprämisse: Interner Zinsfuß Implizite Annahme: Ergänzungsinvestitionen / Wiederanlagen spiegeln das originäre Investitionsprojekt x, also Wiederanlage zu r x %p.a. Einfaches Beispiel: Investment x: -1000 0, 500 1, 1200 2. Es sei i = 10%. Normale Zinsfußrechnung (implizite Wiederanlage): Alternative Zinsfußrechnung (explizite Wiederanlage): Investition und Finanzierung Kapitel 3 Folie 13
Zentrale Probleme der internen Zinsfußmethode Die (implizite) Wiederanlageprämisse der einfachen internen Zinsfußmethode ist nicht sinnvoll: weder im Grundmodell mit vollkommenem Kapitalmarkt, noch in der ökonomischen Realität. Mathematisch führt die Ermittlung des einfachen internen Zinsfußes im Regelfall (Polynom n-ten Grades) zu keinen eindeutigen Lösungen. Aufgrund unterschiedlicher Wiederanlageprämissen sind Unterschiede zu Ergebnissen auf Basis der Kapitalwertmethode möglich. Investition und Finanzierung Kapitel 3 Folie 14
Modifizierte interne Zinsfußmethode (Baldwin-Methode) I Die aufgezeigten Nachteile der einfachen sollen in der modifizierten internen Zinsfußmethode (Baldwin-Methode) geheilt werden: Original: Baldwin unterstellt explizit Wiederanlage ( irgendwo ) im Unternehmen mit Erzielung der durchschnittlichen Unternehmensrentabilität. Heute: Im Grundmodell mit vollkommenem Kapitalmarkt wird explizit Wiederanlage der Einzahlungsüberschüsse c t zum Kapitalmarktzins (= Kalkulationszinssatz i) unterstellt. Der gleiche Zinssatz gilt jeweils für Ergänzungsinvestitionen infolge von Unterschieden bei anfänglichem Kapitaleinsatz (a 0 ) / Nutzungsdauer (n). Investition und Finanzierung Kapitel 3 Folie 15
Modifizierte interne Zinsfußmethode (Baldwin-Methode) II Modifizierter interner Zinsfuß im obigen Beispiel: Investment x: -1000 0,500 1, 1200 2. Es sei i = 10%. Explizite Wiederanlageprämisse: Anwendung des Kapitalmarktzinses i. 1. Ableitung des Kapitalwertes 2. Verdeutlichung der Wiederanlageprämisse Zeitpunkt t 0 t 1 t 2 t 0 t 1 t 2 a 0-1.000,00 a 0-1.000,00 c t 500,00 1.200,00 C t 500,00 1.200,00 Zahlungssalden -1.000,00 500,00 1.200,00 Wiederanlage c 1-500,00 550,00 Diskontierungsfaktor 1,0000 0,9091 0,8264 Zahlungssalden -1.000,00 0,00 1.750,00 Barwerte -1.000,00 454,55 991,74 Kapitalwert C 0 446,28 (modifizierter) IZF-Ansatz: C 0 = 0 1.750 ˆr P 1 100 32,29% 1.000 Investition und Finanzierung Kapitel 3 Folie 16
Modifizierte interne Zinsfußmethode (Baldwin-Methode) III Allgemeiner Ansatz: Wiederanlagen zum Zinssatz r WA Nutzungsdauer, Endwert dieser Wiederanlagen: bis zum Ende der Variante eines Internen Zinsfußes, setzte also Kapitalwert der Zahlungsreihe gleich Null. Dank der Wiederanlagen lautet diese a 0,0,0,,EW WA,also: Hieraus ergibt sich der gesuchte Zinssatz nach Umstellung als Investition und Finanzierung Kapitel 3 Folie 17
Zusammenfassender (Prämissen-)Vergleich Methode Kapitalwertmethode Einfacher interner Zinsfuß Modifizierter interner Zinsfuß (moderne Fassung) Wiederanlage- und Ergänzungsinvestition im Vorteilhaftigkeitsvergleich Differenzbeträge zur jeweils größten a 0j sowie Einzahlungsüberschüsse c t verzinsen sich bis zum Ende der (im Alternativenvergleich) längsten Nutzungsdauer zum Kalkulationszinssatz (= Kapitalmarktzins) i implizite WAP, gilt entsprechend im Fall des Akzeptanztests Differenzbeträge zur jeweils größten a 0j sowie Einzahlungsüberschüsse c t verzinsen sich bis zum Ende der (im Alternativenvergleich) längsten Nutzungsdauer zum jeweiligen internen Zinsfuß der ursprünglichen Investitionsmaßnahme r j implizite WAP, gilt entsprechend im Fall des Akzeptanztests Differenzbeträge zur jeweils größten a 0j Einzahlungsüberschüsse c t verzinsen sich bis zum Ende der (im Alternativenvergleich) längsten Nutzungsdauer zum Kalkulationszinssatz (= Kapitalmarktzins) i explizite WAP, gilt entsprechend im Fall des Akzeptanztests Investition und Finanzierung Kapitel 3 Folie 18
Grundidee der Amortisationsdauer Jenseits eines Grundmodells bei Sicherheit: Aus Unsicherheits- und Liquiditätserwägungen können Investoren einen schnellen Rückerhalt ihrer Investitionsmittel ( kurze Amortisationsdauer der Investition) favorisieren. Statische Investitionsdauer: period, Kapitalrückflusszeit). n* a0 ct t 1, n*: Amortisationsperiode (pay-back Akzeptanzkriterium (statisch): n* j n* max (n* max exogen festgelegt). Vorteilhaftigkeitskriterium (statisch): min Berechnung nach der Durchschnitts- oder Kumulationsmethode. j n * j n * j n * max Investition und Finanzierung Kapitel 3 Folie 19
Dynamische Amortisationsdauer I Dynamische Amortisationsdauer (Berücksichtigung von Zinseszinseffekten): Akzeptanz- und Vorteilhaftigkeitsvergleiche analog der statischen Variante, jedoch zwingend nach der Kumulationsmethode: Suche n* mit a n* t 0 ct q n * t 1 In der Regel schrittweise Summierung der diskontierten Cashflows, wonach sich die dynamische Amortisationsdauer ergibt aus: Investition und Finanzierung Kapitel 3 Folie 20
Dynamische Amortisationsdauer II Eine Analyse der Amortisationsdauer (statisch wie dynamisch) ist nur bei Verlassen des Grundmodells ( Aufgabe Sicherheitsannahme) von Interesse. Als alleiniges Entscheidungskriterium ist die Amortisationsdauer selbst in der dynamischen Variante nicht sinnvoll, da Rentabilitäten ( Oberziel) vernachlässigt werden und Einzahlungsüberschüsse jenseits der Amortisationsperiode weder unter Rentabilitäts- noch unter Liquiditätsgesichtspunkten gewürdigt werden. Indes: Zumindest als Nebenbedingung hat das Kriterium Amortisationsdauer erhebliche praktische Relevanz. Investition und Finanzierung Kapitel 3 Folie 21
Weiterführende Literatur Paul/Horsch/Kaltofen/Uhde/Weiß (2017): Modul 4, Teile 4.1.5, 4.2.3 & 4.2.4, S. 113-118, S. 138-151. Anschauliche Ausführungen zum ökonomischen Sinn (und den theoretischen Problemen) der Ermittlung interner Zinsfüße von Zahlungsströmen: Baldwin, Robert H.: How to Assess Investment Proposals, in: Harvard Business Review, 1959, No. 3, S. 98-104 [Grundlagenartikel, Baldwin betrachtet explizit Planungsprobleme unter Unsicherheit]. Schneider, Dieter: Investition, Finanzierung und Besteuerung, 7. Aufl., Wiesbaden 1992, hier: S. 81-93. Überblicksaufsatz, der insbesondere auf Anwendungsfragen der Methoden zur Ermittlung interner Zinsfüße in der Controlling-Praxis eingeht: Währisch, Michael: Zur Beurteilung der einfachen internen Zinsfuß-Methode und der Baldwin-Methode aus Sicht der Praxis, in: Finanz Betrieb, 1. Jg., 1999, S. 295-299. Investition und Finanzierung Kapitel 3 Folie 22