Zahlentheorie. Prof. Dr. H. Brenner Osnabrück SS Vorlesung 11 Satz (von Euklid) Es gibt unendlich viele Primzahlen.

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$Id: reihen.tex,v /06/12 10:59:50 hk Exp $ unendliche Summe. a 1 + a 2 + a 3 +.

= (n 2 ) 1 (Kurzschreibweise: a n = n 2 ) ergibt die Zahlenfolge 1, 4, 9, 16, 25, 36,.

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Transkript:

Prof. Dr. H. Brenner Osnabrück SS 2008 Zahlentheorie Vorlesung Satz.. (von Euklid) Es gibt unendlich viele Primzahlen. Beweis. Angenommen, die Menge aller Primzahlen sei endlich, sagen wir {p, p 2,..., p r }. Man betrachtet die Zahl N p p 2 p 3... p r +. Diese Zahl ist durch keine der Primzahlen p i teilbar, da immer ein Rest verbleibt. Damit sind die Primfaktoren von N nicht in der Ausgangsmenge enthalten - Widerspruch. Kann man weitere Aussagen darüber machen, wieviele Primzahlen es gibt? Wir werden zunächst die Frage betrachten, was man über die Reihe p p P sagen kann. Dies ist also die Summe aller Kehrwerte von Primzahlen, 2 + 3 + 5 + 7 + +.... Bekanntlich divergiert die harmonische Reihe, also die Summe über aller Kehrwerte von positiven ganzen Zahlen. Dagegen konvergiert die Summe über alle Kehrwerte von Quadraten, es gibt also im gewissen Sinn wenig Quadrate. Für jede unendliche Teilmenge M N ist es eine interessante und meistens schwierige Frage, ob n M konvergiert oder divergiert. Für die n Primzahlen werden wir das hier in Kürze beantworten. Die Beantwortung hängt eng mit der Riemannschen ζ-funktion zusammen. Die hier benutzten Methoden gehören zur analytischen Zahlentheorie. Georg Friedrich Bernhard Riemann (826-866)

2 Definition.2. Die Riemannsche ζ-funktion ist für s C mit Realteil definiert durch ζ(s) n. s Satz.3. (Geometrische Reihe) Für alle komplexen Zahlen z mit z < konvergiert die Reihe k0 z k und es gilt k0 n z k z. Beweis. Dies wird in der Grundvorlesung Analysis bewiesen. Lemma.4. Sei T eine endliche Menge von Primzahlen und sei s eine komplexe Zahl mit R(s) > 0. Es sei M(T) die Menge aller natürlichen Zahlen, die sich als Produkt von Primzahlen aus T darstellen lassen. Dann ist p T p s n M(T) n s. Beweis. Sei T {p,...,p k }. Es ist p s < nach Voraussetzung über den Realteil. Unter Verwendung der geometrischen Reihe ergibt sich p T p s p s p s ( k ) ( (p s )i i0 (p s 0 i,...,i k < n M(T) n s. (p s k )i i0 ) i (p s ) k )i k Aus dieser Aussage ergibt sich sofort ein neuer Beweis dafür, dass es unendlich viele Primzahlen gibt. Wenn es nämlich nur endlich viele Primzahlen gäbe, so könnte man T als die endliche Menge aller Primzahlen ansetzen. Für s stünde dann links eine reelle Zahl, und rechts würde die Summe

über alle natürlichen Kehrwerte stehen. Dies ist aber die harmonische Reihe, und diese divergiert! Satz.5. (Produktdarstellung der Riemannschen ζ-funktion) Sei s eine komplexe Zahl mit R(s) >. Dann gilt für die Riemannsche ζ-funktion die Produktdarstellung ζ(s) n n s p P p s. Beweis. Dies folgt aus Lemma.4, wenn man für T die ersten k Primzahlen überhaupt ansetzt und dann k gegen unendlich laufen lässt. Die Konvergenz der linken Seite, also die Wohldefiniertheit der ζ-funktion, sichert dabei auch die Konvergenz der rechten Seite. Korollar.6. Das unendliche Produkt p divergiert. p P Beweis. Dies folgt aus der endlichen Produktdarstellung (Satz.5) für s. Man hat die Gleichheit p T k p n, n M(T k ) wobei T k die ersten k Primzahlen umfasse. Für k ergibt sich rechts die harmonische Reihe, die bekanntlich divergiert. Also divergiert auch das Produkt links. Wir können nun die oben formulierte Frage beantworten. Satz.7. (Euler) Die Reihe der Kehrwerte der Primzahlen, also divergiert. p P Beweis. Das Produkt k i divergiert für k aufgrund von Korollar.6 und ist insbesondere unbeschränkt. Daher ist auch der natürliche p i Logarithmus davon unbeschränkt. Dieser ist ( k ) ( ) k k ln i p ln i i p i i Die Potenreihenentwicklung des natürlichen Logarithmus ist x j ln( x) j j p ln( p i ). 3

4 für x <. Angewendet auf die vorstehende Situation ergibt das k (p i ) j k k (p ( ) + i ) j. j p i j i j Für die hinteren Summanden hat man die Abschätzungen (p i ) j ( ) j ( ) 2 ( ) j ( ) 2 j p i p i p i p i p i i j0 i 2 p 2 i wobei hinten wieder die geometrische Reihe benutzt wurde. Damit ist insgesamt k i (p i j ) j k 2 i p 2 i 2 n 2. Da die Summe der reziproken Quadrate konvergiert, ist diese Gesamtsumme beschränkt. Daher ist die Summe k i p i unbeschränkt, was die Behauptung ist. Bemerkung.8. Ein Primzahlzwilling ist ein Paar bestehend aus p und p + 2, wobei diese beiden Zahlen Primzahlen sind. Die ersten Beispiele sind (3, 5), (5, 7), (, 3), (7, 9), (29, 3),.... Es ist ein offenes Problem der Zahlentheorie, ob es unendlich viele Primzahlzwillinge gibt (was aber stark vermutet wird). Dagegen ist bekannt, dass die zugehörige Reihe, also p p,p+2 P konvergiert. In diesem Sinne gibt es also, verglichen mit der Gesamtzahl der Primzahlen, wenige Primzahlzwillinge., Die Funktion π(x) Es gehört zu den schwierigsten Fragen der Zahlentheorie und der Mathematik überhaupt, die Verteilung der Primzahlen zu verstehen. Viele offene Fragen und Vermutungen beziehen sich auf Teilaspekte dieses Problems. Einfachere Fragestellungen, die bereits die Schwierigkeit im Allgemeinen erahnen lassen, sind etwa: gibt es mehr Primzahlen unterhalb von n als zwischen n und n 2? Gibt es stets eine Primzahl zwischen n und 2n? Gibt es stets eine Primzahl zwischen n 2 und (n + ) 2? Es ist hilfreich, folgende Funktion einzuführen, die Primzahlfunktion genannt wird.

Definition.9. Die für x R definierte Funktion heißt Primzahlfunktion. x π(x) : #{p x, p Primzahl} Bemerkung.0. Die Primzahlfunktion zählt also, wieviele Primzahlen es unterhalb einer gewissen Schranke gibt. Sie nimmt offenbar nur natürliche Zahlen als Werte an und sie ist eine monton wachsende Treppenfunktion. Sie hat genau an den Primzahlen eine Sprungstelle. Die Frage nach der Verteilung von Primzahlen ist gleichbedeutend dazu, gute Approximationen bzw. Abschätzungen für sie durch andere, besser verstandene (analytische) Funktionen zu finden. 5 Jacques Salomon Hadamard (865 Versailles - 963 Paris) Charles-Jean de La Vallée Poussin (866 Löwen - 962 Brüssel) Ein Hauptresultat der analytischen Zahlentheorie ist der sogenannte Primzahlsatz von Hadamard und de la Vallée Pousin von 896. Es besagt grob gesprochen, dass sich die Primzahlfunktion π(x) in etwa so verhält wie x/ ln(x), also dass der Quotient der beiden Funktionen gegen konvergiert. Hier tritt der natürliche Logarithmus (zur Basis e) auf.

6 Satz.. Es gilt die asymptotische Abschätzung π(x) x ln(x). Das heißt, dass π(x) π(x) ln(x) lim x x lim. x x ln(x) Beweis. Dies ist ein Satz der analytischen Zahlentheorie, den wir hier nicht beweisen. Wir erwähnen abschließend ohne Beweis noch den Satz von Dirichlet. Einzelne Spezialfälle werden in den Aufgaben besprochen. Peter Gustav Lejeune Dirichlet (805-859) Satz.2. (von Dirichlet) Sei n eine natürliche Zahl und a eine zu n teilerfremde Zahl. Dann gibt es unendlich viele Primzahlen, die modulo n den Rest a haben. Beweis. Dies ist ein Satz der analytischen Zahlentheorie, den wir im Rahmen dieser Vorlesung nicht beweisen können.

Abbildungsverzeichnis Quelle Georg Friedrich Bernhard Riemann.jpeg, Autor Benutzer Ævar Arnfjörð Bjarmason auf Commons, Lizenz PD Quelle Zeta.png, Autor Benutzer Anarkman auf Commons, Lizenz CC-by-sa 3.0 2 Quelle Hadamard2.jpg, Autor Benutzer Gian- auf en.wikipedia.org, Lizenz PD 5 Quelle De La Vallée Poussin.jpg, Autor Benutzer Sonuwe auf Commons, Lizenz PD 5 Quelle PrimeNumberTheorem.png, Autor FredStober, Lizenz PD 6 Quelle Peter Gustav Lejeune Dirichlet.jpg, Autor Benutzer Magnus Manske auf Commons, Lizenz PD 6 7