Regionale und sozialräumliche Analysen Perspektiven für die sozialepidemiologische Forschung

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Transkript:

Regionale und sozialräumliche Analysen Perspektiven für die sozialepidemiologische Forschung Lars Eric Kroll, Thomas Lampert FAZ Frank Röth, Pirmasens 2016

Regionale Unterschiede im Fokus der Berichterstattung

Mittlere Lebenserwartung bei Geburt in Europa Männer Datenbasis: Eurostat 2012

Mittlere Lebenserwartung bei Geburt Männer Datenbasis: INKAR 2011 Bundesländer Raumordnungsregionen Kreise

Kleinräumige Unterschiede in der Lebenserwartung in Berlin 2009 11 Datenbasis: Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales, Berlin 2014 S Nordbahnhof 78,6 Jahre

Kleinräumige Unterschiede in der Lebenserwartung in Berlin 2009 11 Datenbasis: Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales, Berlin 2014 S Nordbahnhof 78,6 Jahre S Yorckstr 78,9 Jahre

Kleinräumige Unterschiede in der Lebenserwartung in Berlin 2009 11 Datenbasis: Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales, Berlin 2014 S Nordbahnhof 78,6 Jahre S Yorckstr 78,9 Jahre S Schöneberg 80,5 Jahre

Kleinräumige Unterschiede in der Lebenserwartung in Berlin 2009 11 Datenbasis: Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales, Berlin 2014 S Nordbahnhof 78,6 Jahre S Yorckstr 78,9 Jahre S Zehlendorf 81,5 Jahre S Schöneberg 80,5 Jahre Fahrtzeit: 32 Min

Lebenserwartung in Deutschland 1998 2012 Quelle: BBSR 2016, NUTS 3

Forschungspespektiven Quellen: Arcaya et al. 2015, Cummins et al. 2007, Kearn, Joseph 1993 Soziologie Place Orte als soziale Kontexte an denen (bzw. über die) für Mitglieder Ressourcen und Belastungen verteilt werden und die anziehen, abstoßen oder ausgrenzen Geographie Space Nähe (euklidisch, relational) als Quelle für Ressourcen und Belastungen oder Expositionen im Aktivitätsraum. Sozialepidemiologie Contextual Determinants Expositionscluster gegenüber Ressourcen oder Noxen

Multi Level Analyse gesundheitlicher Ungleichheiten Quelle: Kawachi, Subramanian, Aleida Filho 2002, Macintyre 1997 Idealtypische Ursachen: Eigenschaften der Individuen einer Region, wie etwa Alter, Geschlecht, SES, Familienstand, etc. (Kompositionseffekte) Eigenschaften der Region selbst, die unabhängig von der Zusammensetzung der Bevölkerung bestehen bleiben, so etwa die soziale Lage der Region, Einflüsse aus der Umwelt oder die Wohnumgebung (Kontexteffekte) Zentrale Fragen: 1. Welche Bedeutung haben verschiedene regionale Ebenen für gesundheitliche Ungleichheiten? 2. Gibt es eine kompositionelle Erklärung für regionale Unterschiede? 3. Gibt es Interaktionen zwischen den Effekten von Kontext und Individualmerkmalen?

Erklärung und Analyse Regionaler Unterschiede Quelle: Voigtländer, Mielck, Razum (2012), modifizierte Darstellung

Forschungspraktische Probleme Quelle: Cummins et al. 2007 Wechselwirkungen zwischen Komposition und Kontext Der postulierte kausale Dualismus erzeugt (falsches) Bild statischer Kontexte und passiver Akteure Zeitliche Variation von Place und Space Unterschiedliche räumliche Ebenen

Forschungspraktische Probleme Quelle: Cummins et al. 2007 Wechselwirkungen zwischen Komposition und Kontext Zeitliche Variation von Place und Space Wir leben je nach Wochentag, Jahreszeit oder Lebensphase in sehr heterogenen Kontexten Unterschiedliche räumliche Ebenen

Forschungspraktische Probleme Quelle: Cummins et al. 2007 Wechselwirkungen zwischen Komposition und Kontext Zeitliche Variation von Place und Space Unterschiedliche räumliche Ebenen Determinanten werden oft auf räumlichen Skalen analysiert auf denen sie nicht entstehen oder verhandelt werden

Weitere Herausforderungen Daten Hemnisse bei Zugangswegen und Datenschutzauslegungen (DaTraV, Mortalitätsregister) Ethische Fragen bei der Publikation von lokalisierten Ergebnissen (Kredit/Bewerber Ratings) Operationalisierung regionaler Ungleichheiten und Determinanten (soziale Deprivation) Theorie Angemessenheit bestehender sozialepidemiologischer Erklärungsansätze Konzeptuelle Probleme im Hinblick auf kontextuelle Kausalität Popularität von vereinfachender Erklärungen ( Wilkinson Hypothese ) Fragstellungen Relevanz von raumbezogenen Fragestellungen im Hinblick auf Prävention Thematisierung von Interaktionen zwischen Individuum und Kontext Methoden Kompetenzen im Umgang regionalen Daten und Geoinformationen Bedarf an forschungspraktischer Methodenvielfalt und kompetenz Gefahr der Unterschätzung von Zusammenhängen bei ungeigneter Methodik

Diskussionspunkte Lokale Phänomene, globale Ursachen? Sozialer Wandel? Räumliche Ebenen? Politikrelevanz? Reputation? Netzwerke? Identität? Aktivitätsräume? Akteure? Operationalisierung? Referenz? Kontextueller Wandel? Lebenslaufperspektive? Methodenvielfalt? Daten? Interdisziplinäre Vernetzung? Methodenkompetenz? Interaktion von Kontext & Individualmerkmalen?

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Dr. Lars Eric Kroll Robert Koch Institute Department for Health Monitoring Division: Social Determinants of Health Postfach 65 02 61 D 13302 Berlin Germany Phone:+49 (0)30 18754 3909 Fax: +49 (0)30 18754 3513 Email: l.kroll@rki.de