Prof. Dr. M. Ronellenfitsch WS 2009/2010. Übung im Öffentlichen Recht für Fortgeschrittene. Fall 5

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Transkript:

Prof. Dr. M. Ronellenfitsch WS 2009/2010 Übung im Öffentlichen Recht für Fortgeschrittene Fall 5 E ist Eigentümer eines Grundstücks, das unmittelbar an das Grundstück der S angrenzt. Beide Grundstücke liegen innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile der kreisangehörigen Gemeinde G in einem Gebiet, das den Charakter eines allgemeinen Wohngebiets aufweist. Ein Bebauungsplan für dieses Gebiet besteht nicht. Das Grundstück des E sowie das Grundstück des S sind jeweils mit einem Wohnhaus und einem Schuppen bebaut. S ist Inhaberin eines Brennrechts (Recht, eine bestimmte Menge an Branntwein herzustellen) und bewirtschaftet 1,5 ha Streuobstswiesen. Um ihren eigenen Obstler herstellen und veräußern zu können, plant S, ihren Schuppen als kleine Schnapsbrennerei zu nutzen und beginnt mit den ersten Umbaumaßnahmen. Nachbar E möchte sich gegen diesen Umbau zur Wehr setzen und beschwert sich beim Landratsamt als zuständiger Baurechtsbehörde. Frage 1: Was wird das Landratsamt tun? Abwandlung S möchte ihren Schuppen in eine kleine Schnapsbrennerei umbauen und stellt zunächst einen Bauantrag für den Umbau. Als von dem Bauvorhaben benachrichtigter Angrenzer bringt E vor, die geplante Brennerei befinde sich in einem Wohngebiet und sei daher unzulässig. Von der Anlage sei eine erhebliche Rauch- und Geruchsbelästigung zu befürchten. Das Landratsamt hingegen ist der Auffassung, dass eine Rauchbelästigung nicht zu erwarten sei, da es sich bei der Feuerungsanlage der Brennerei um eine mit Heizöl betriebene Anlage handele, von der erfahrungsgemäß keine wesentlichen Emissionen ausgingen. Außerdem seien die Emissionen mit Blick auf die nur begrenzte Betriebsdauer der Anlage während einiger Wochen im Jahr für E zumutbar. Da in der Gemeinde G überdies eine Vielzahl kleinerer Brennereien vorhanden sei, spreche auch aufgrund der regionalen Besonderheit nichts gegen die Zulässigkeit einer Brennerei im allgemeinen Wohngebiet. Das Landratsamt erteilt S daraufhin die Genehmigung. E legt gegen die Baugenehmigung Widerspruch ein. Das Regierungspräsidium weist den Widerspruch jedoch als unbegründet zurück. E möchte nun gerichtlich gegen die Baugenehmigung der S vorgehen. Frage 2: Hat die Klage des E Aussicht auf Erfolg?

2 Lösungshinweise Frage 1 Das Landratsamt hat zu untersuchen, ob ein Einschreiten gegen den Umbau des Schuppens durch S erforderlich ist. 1. Rechtmäßigkeit des Umbaus a) Genehmigungspflichtigkeit des Umbaus 49 Abs. 1 i.v.m. 2 Abs. 12 Nr. 1 LBO: Der Schuppen ist bereits vorhanden, sein Umbau ist jedoch eine Änderung i.s.d. 2 Abs. 12 Nr. 1 LBO. Im Übrigen ist eine Genehmigungspflicht unabhängig vom Umfang der Baumaßnahmen jedenfalls wegen Nutzungsänderung (Funktionsänderung) gegeben. b) Verfahrensfreies Vorhaben Es besteht vorliegend keine Verfahrensfreiheit nach 50 Abs. 2 Nr. 1 LBO im Hinblick auf die neuen Anforderungen an den Nachbar- und Immissionsschutz (kein Kenntnisgabeverfahren wegen 51 Abs. 2 Nr. 1 LBO). c) Zwischenergebnis Der Umbau ist formell baurechtswidrig. 2. Handlungsmöglichkeiten des Landratsamts a) 65 S. 1 LBO Eine Abbruchverfügung nach 65 S. 1 LBO kommt nicht in Betracht. Sie setzt eine bereits errichtete Anlage voraus. Im vorliegenden Fall ist der Umbau noch im Gang. Hinsichtlich der bereits errichteten Bauteile lässt sich dem Sachverhalt nicht entnehmen, ob sie mit einer anderen Zweckbestimmung materiell baurechtskonform sind. Eine isolierte Abbruchsverfügung muss daher nicht geprüft werden. b) 64 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1 LBO? Die Voraussetzungen für die Anordnung der Baueinstellung sind erfüllt, insbesondere genügt hier die formelle Baurechtswidrigkeit ( 64 LBO ist lex specialis zu 47 LBO). c) 47 Abs. 1 LBO S kann zusätzlich aufgegeben werden, prüfungsfähige Bauvorlagen einzureichen. Ein Rückgriff auf 47 LBO zusätzlich zu Maßnahmen nach 64, 65 LBO ist außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Vorschriften möglich.

3 Frage 2 Erfolgsaussichten der Klage des E I. Zulässigkeit der Klage 1. Verwaltungsrechtsweg Streitentscheidende Normen sind solche des Bauordnungs- sowie Bauplanungsrechts. Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit ist daher zu bejahen. 2. Statthafte Klageart In Betracht kommt eine Anfechtungsklage gemäß 42 Abs. 1 VwGO. Bei der Baugenehmigung zugunsten der S handelt es sich um einen E belastenden VA. 3. Klagebefugnis 42 Abs. 2 VwGO E müsste die Möglichkeit der Verletzung in eigenen subjektiv-öffentlichen Rechten geltend machen. Als Eigentümer des Nachbargrundstücks kann sich E auf die Möglichkeit der Verletzung von 34 Abs. 2 i.v.m. 30 Abs. 1 BauGB und 4 Abs. 1 BauNVO berufen. 4. Notwendige Beiladung Gemäß 65 Abs. 2 VwGO ist S zu dem Verfahren notwendig beizuladen. II. Begründetheit der Klage 1. Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung a) Verstoß gegen Bauplanungsrecht ( 29 ff. BauGB) aa) 29 Abs. 1 BauGB Der Umbau des Schuppens zur Brennerei ist eine städtebaulich relevante Änderung einer baulichen Anlage. bb) Ausgangspunkt ist 34 Abs. 1, Abs. 2 BauGB i.v.m. 4 BauNVO. Die Brennerei liegt im unbeplanten Innenbereich; die Eigenart der näheren Umgebung entspricht einem allgemeinen Wohngebiet. 34 Abs. 2 BauGB, 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO, 31 Abs. 1 BauGB Fraglich ist, ob die Brennerei einen Gewerbebetrieb darstellt. Das ist dann nicht der Fall, wenn es sich bei der Brennerei um Landwirtschaft handelt. Der städtebauliche Gewerbebegriff schließt wie der gewerberechtliche die Urproduktion und damit die Land- und Forstwirtschaft aus.

4 Zu problematisieren ist, ob die Brennerei als ein landwirtschaftlicher Betrieb i.s. d. 201 BauGB anzusehen ist. Dem Weinbau kann sie wohl nicht zugerechnet werden, Schnaps ist kein Wein. Nach VGH Bad.-Württ. (Urt. v. 21.4.1982, BRS 39, 166) hat aber der Erwerbsobstbau i.s.d. 201 BauGB nicht nur die Obsterzeugung, sondern auch die Verarbeitung und insbesondere das Brennen von überwiegend selbst erzeugtem Obst zum Inhalt. Danach ist die Brennerei des S ein landwirtschaftlicher Betrieb und kein Gewerbebetrieb und kann nicht nach 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zugelassen werden. Selbst wenn S aber überwiegend fremdes Obst brennen und damit ein Gewerbe im Sinne des 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO betreiben würde, wäre dieses im Übrigen wegen des entstehenden Schnapsgeruchs und des Verkehrs durch die Obstanlieferungen störend (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.11.1981 3 S 571/81; ähnlich OVG Saarlouis, Beschl. v. 21.9.1998 2 W 6/98). bbb) Regionale Besonderheit Selbst wenn die Obstanlieferungen in der Gemeinde verbreitet und nicht störend sein sollten, verstoßen sie gegen den Gebietstyp eines Allgemeinen Wohngebiets, das durch das Wohnen geprägt ist. Für eine Berücksichtigung von regionalen Besonderheiten lässt die Vorschrift des 4 Abs. 1 BauNVO keinen Raum. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass es sich hier um unbeplanten Innenbereich handelt. Nach 34 Abs. 2 BauGB beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Baunutzungsverordnung zulässig wäre. cc) 34 Abs. 2 BauGB, 14 Abs. 1 S. 1 BauNVO Ist die Brennerei eine untergeordnete Nebenanlage oder Einrichtung? Dies setzte voraus, dass die Brennerei funktionell dadurch gekennzeichnet wäre, im Hinblick auf den Nutzungszweck des Grundstücks nur ähnlich wie Zubehör eine Hilfsfunktion zu haben (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.12.1976, DÖV 1977, 326 (328); vgl. auch Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, 14 BauNVO Rdnr. 16). Das ist hier offensichtlich nicht der Fall. Der Nutzungszweck des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks besteht im Wohnen; eine Brennerei erfüllt hierfür keine Hilfsfunktion. Auch aus der Existenz des Schuppens neben dem Wohnhaus lässt sich kein anderer Nutzungszweck des Grundstücks als der des Wohnens herleiten. dd) 34 Abs. 2 i.v.m. 31 Abs. 2 BauGB Voraussetzung für eine Befreiungsregelung wäre das Vorliegen eines atypischen Sachverhalts. Ein solcher ist nicht gegeben, wenn die Gründe, die für die Befreiung streiten, für nahezu jedes Grundstück im Planbereich gegeben sind (BVerwG, Beschl. v. 20.11.1989, NVwZ 1990, 556 (557)). Gerade das ist aber hier der Fall.

5 b) Verstoß gegen Bauordnungsrecht Dem Sachverhalt lassen sich keinerlei Anhaltspunkte entnehmen, die auf einen Verstoß gegen Bauordnungsrecht schließen lassen. c) Zwischenergebnis Die Baugenehmigung ist rechtswidrig. 2. Verletzung des E in seinen Rechten Die rechtswidrige Baugenehmigung verletzt den E in seinen Rechten, weil 34 Abs. 2 BauGB, gegen den hier mit der Erteilung der Baugenehmigung verstoßen worden ist, hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung in vollem Umfang nachbarschützende Wirkung hat (BVerwGE 94, 151 (156)).