Parasoziale Interaktionen mit Sportlern in sozialen Medien. Eine Untersuchung mit Blick auf Nutzungsgewohnheiten und Sportinteresse. Für Sportlerinnen und Sportler haben sich mit den sozialen Medien völlig neue Kanäle eröffnet, auf denen sie mit Sportinteressierten kommunizieren können. Vor dem Aufkommen von Facebook, Instagram oder Snapchat war eine ungefilterte Selbstdarstellung gegenüber der sportinteressierten Öffentlichkeit kaum möglich. Die Massenmedien waren als Filter zwischengeschaltet (vgl. Berg, 1998). Heute haben Fans durch soziale Medien die Möglichkeit, permanent und ungefiltert tiefere Kenntnisse über die Persönlichkeit der Sportler zu sammeln (vgl. Laurenz, 2012). Die dabei auftretenden Rezeptions- und Wirkungsprozesse sind noch nicht ausreichend untersucht. Der vorliegende Beitrag bearbeitet die Frage, inwiefern Instagram-Nutzer Parasoziale Interaktionen (PSI) zu Sportlern aufbauen und welche Rolle dabei die Nutzungsgewohnheiten und das Sportinteresse der Rezipienten spielen. Theoretische Grundlegung Das PSI-Konzept geht auf Horton und Wohl (1956) zurück, die feststellten, dass Fernsehzuschauer während der TV-Rezeption mitunter auf die im TV dargestellten Akteure reagierten, wie auf tatsächlich anwesende Personen. Heute werden auch medial dargestellte Sportler zunehmend als Personae (d.h. als Zielobjekte von PSI) berücksichtigt (Hartmann, 2008). Faktoren, die die Entstehung von PSI mit Sportlern begünstigen sind eine ausgeprägte Aufgabenattraktivität (also eine hohe Attraktivität aufgrund des Handlungserfolgs; vgl. McCroskey & McCain, 1974), der Idolcharakter sowie die zumindest theoretische Möglichkeit der direkten Kontaktaufnahme (z.b. durch den Besuch eines Wettkampfes; Hartmann, 2008). PSI sollten sich, so die grundlegende Vermutung, auch während der Rezeption sozialer Medien ausbilden. Analog zu PSI beim Fernsehen (Gleich, 1997) wird hier davon ausgegangen, dass Häufigkeit der Medienrezeption und Intensität von PSI positiv korrelieren. Hinweise auf einen solchen Zusammenhang gibt es auch bezogen auf PSI zu Sportlern, denen Rezipienten auf Twitter folgen (Frederick et al. 2012). Neben der Nutzungshäufigkeit könnte auch die Affinität zum Medium Instagram die Bildung von PSI fördern. Für die Fernsehrezeption zeigt eine Metaanalyse von Schiappa et al. (2007) Zusammenhänge von PSI mit der Fernseh-Affinität. Die Hypothesen H1 und H2 lauten daher: 1
[H1] Je intensiver Rezipienten Instagram nutzen, desto intensiver sind die PSI mit Sportlern auf Instagram. [H2] Je größer die Instagram-Affinität eines Rezipienten, desto intensiver sind seine PSI mit Sportlern auf Instagram. Als eine der wichtigsten Determinanten für PSI wird die Adressierung der Rezipienten durch die Persona gesehen (Hartmann et al., 2004). Die bisherigen Forschungsergebnisse legen nahe, dass eine direkte Adressierung auch auf Instagram zu intensiveren PSI führt: [H3] Je höher die wahrgenommene Adressierung des sich auf Instagram darstellenden Sportlers, desto intensiver sind die PSI ausgeprägt. Auter und Davis (1991) zeigten, dass TV-Sendungen, in denen die Zuschauer durch die Akteure direkt angesprochen wurden, unterhaltsamer wahrgenommen wurden als solche, in denen keine direkte Adressierung stattgefunden hatte. Davon ausgehend wird vermutet, dass die Adressierung auch auf Instagram positive Auswirkungen auf Wahrnehmung der Medienperson hat. Dies soll an den Auswirkungen auf die wahrgenommene Attraktivität nachgewiesen werden: [H4] Je höher die wahrgenommene Adressierung des sich auf Instagram darstellenden Sportlers, desto höher ist die wahrgenommene Attraktivität. Attraktivität spielt auch bei der Herausbildung von PSI eine Rolle. Hartmann und Klimmt (2005) stellten fest, dass neben der physischen Attraktivität auch die Wahrnehmung von Aufgaben- bzw. Handlungsattraktivität der Persona ursächlich für PSI sind. Gerade im Sport ist neben der äußeren Erscheinung auch die Handlungsattraktivität für Laien beurteilbar, da der Erfolg an für Jedermann nachvollziehbaren Kriterien gemessen wird (Weiss, 1996). [H5] Je höher die wahrgenommene Attraktivität des sich auf Instagram darstellenden Sportlers, desto intensiver sind die PSI ausgeprägt. Ergänzend zu den bis hierher formulierten Hypothesen wird angenommen, dass das allgemeine Interesse an Sport die Effekte der Adressierung durch den Sportler moderiert. [H6] [H7] Der in H3/H4 postulierte Zusammenhang wird vom allgemeinen Sportinteresse des Rezipienten moderiert. 2
Methode Zur Prüfung der Hypothesen wurde ein Online-Experiment mit 261 Teilnehmern (63.2 % weiblich) zwischen 14 und 35 Jahren (M = 20.26, SD = 3.39) durchgeführt. Die Stichprobe spiegelt wider, dass in Deutschland etwas mehr Frauen als Männer Instagram nutzen (Statista, 2015) und dass etwa drei Viertel der Instagram-Nutzer zwischen 15 und 35 Jahre alt sind (Hufermann, 2015). Die Teilnehmer rezipierten den manipulierten Screenshot des Instagram-Accounts der tatsächlich existierenden Volleyball-Nationalspielerin Magdalena Kozuch. Die eine Hälfte der Teilnehmer sah Beiträge, in denen sie sich an die Follower wendet (sie also adressiert). Die andere Hälfte sah Beiträge, in denen sie dies nicht tut, die aber ansonsten gleich oder so ähnlich wie möglich gehalten wurden (z.b. bzgl. Kommentaren, Kleidung, abgebildeter Situation). Die Variablen wurden mit etablierten Skalen erhoben, die teils auf den Instagram-Kontext angepasst wurden (Index- Reliabilitäten zwischen α =.794 und α =.916). Das allgemeine Sportinteresse wurde mit einer Einzelfrage erhoben. Ergebnisse Es zeigt sich, dass weder die Häufigkeit der Instagram-Nutzung noch die Instagram-Affinität signifikant mit der Intensität der PSI korrelieren, die die Rezipienten zu der sich auf Instagram darstellenden Sportlerin entwickeln (Spearman s Rho = -.08, n.s. bzw. -.10, n.s. (H1, H2 ). Um die Hypothesen H3 bis H7 zu testen, wurde ein Mediationsmodell mit zwei moderierten Zusammenhängen entsprechend der Hypothesen H6 und H7 berechnet (siehe zur Veranschaulichung Abbildung 1 im Anhang). Die Berechnung erfolgte mit dem SPSS-Makro PROCESS (Hayes, 2013). In Bezug auf die Hypothesen H3 bis H5 zeigen sich signifikante Zusammenhänge zwischen wahrgenommener Adressierung und PSI, zwischen wahrgenommener Adressierung und Attraktivität sowie zwischen wahrgenommener Attraktivität und PSI (siehe Tabelle 1, H3, H4, H5 ). Auch die Moderationshypothesen können aufgrund der Daten angenommen werden (H6, H7 ). Der Moderationseffekt ist dergestalt, dass der direkte Effekt von wahrg. Adressierung auf PSI umso kleiner wird, je höher das Sportinteresse des Instagramnutzers ist. Ähnliches zeigt sich auch beim indirekten Effekt (über den Mediator Attraktivität): Der Effekt wird mit zunehmendem Sportinteresse kleiner und ist bei sehr Sportinteressierten gar nicht mehr signifikant. Die hier nur knapp geschilderten Ergebnisse sollen auf der Tagung ausführlicher dargestellt werden. Außerdem werden sie in den theoretischen Kontext gestellt und sollen ebenso wie die gesamte Herangehensweise diskutiert werden. 3
Anhang Sportinteresse H7 H6 Attraktivität H5 H4 Adressierung H3 PSI Abbildung 1: Mediationsmodell mit zwei moderierten Pfaden; die durch die Pfade wiedergegebenen Hypothesen sind eingetragen (siehe Text oben). Sportinteresse Attraktivität.61*.31* Adressierung.32* PSI Abbildung 2: Zusammenhänge im moderierten Mediationsmodell. Angegebene Werte sind standardisierte Koeffizienten (PROCESS, Hayes 2013). Zu den Moderationseffekten siehe Tabelle 1. *p <.01 4
Tabelle 1: Bedingte direkte Effekte (von Adressierung auf PSI) unter verschiedenen Ausprägungen des Moderators allgemeines Sportinteresse. Der Wert 1 (absolut kein Interesse an Sport) kam nicht vor. Wert des Moderators allg. Sportinteresse Effekt (β) t p 2.23 4.77 <.001 3.19 5.49 <.001 4.15 5.13 <.001 5.10 2.90.004 Tabelle 2: Bedingte indirekte Effekte (indirekter Effekt von Adressierung über wahrgenommene Attraktivität auf PSI) unter verschiedenen Ausprägungen des Moderators allgemeines Sportinteresse. Der Wert 1 (absolut kein Interesse an Sport) kam nicht vor. Signifikanztestung erfolgte mittels Bootstrapping (10000 Samples), wenn das Konfidenz nicht 0 enthält, ist Signifikanz auf dem Level α =.95 gegeben). LLCI = Lower Level of Confidence Interval; ULCI = Upper Level of Confidence Interval. Wert des Moderators allg. Sportinteresse Indirekter Effekt LLCI ULCI 2.13.0659.2115 3.11.0573.1642 4.08.0362.1317 5.05 -.0026.1195 5
Literatur Auter, P. J., & Davis, D. M. (1991). When Characters Speak Directly to Viewers: Breaking the Fourth Wall in Television. Journalism Quarterly, 68, 165-171. Berg, L. R. V. (1998). The sports hero meets mediated celebrityhood. In L. Wenner, Media Sport, (S. 134-153). London: Routledge. Frederick, E. L., Lim, C. H., Clavio, G., & Walsh, P. (2012). Why We Follow: An Examination of Parasocial Interaction and Fan Motivations for Following Athlete Archetypes on Twitter. International Journal of Sport Communication, 5, 481-502. Gleich, U. (1997). Parasoziale Interaktionen und Beziehungen von Fernsehzuschauern mit Personen auf dem Bildschirm. Ein theoretischer und empirischer Beitrag zum Konzept des Aktiven Rezipienten (Psychologie Band 14). Landau: VEP. Hartmann, T. (2008). Parasoziale Interaktionen und Beziehungen zu Sportstars. In H. Schramm (Hrsg.), Die Rezeption des Sports in den Medien (S. 97-120). Köln: Halem. Hartmann, T., & Klimmt, C. (2005). Ursachen und Effekte Parasozialer Interaktionen im Rezeptionsprozess. Eine Fragebogenstudie auf der Basis des PSI-Zwei-Ebenen-Modells. Zeitschrift für Medienpsychologie, 17(3), 88-98. Doi: 10.1026/1617-6383.17.3.88. Hartmann, T., Schramm, H., & Klimmt, C. (2004). Personenorientierte Medienrezeption: Ein Zwei- Ebenen-Modell parasozialer Interaktionen. Publizistik, 49(1), 25-47. Hayes, A.F. (2013). Introduction to mediation, moderation, and conditional process analysis: A regression-based approach. New York: Guilford. Horton, D., & Wohl, R. R. (1956). Mass Communication and Para-Social Interaction: Observation on Intimacy at a Distance. Psychiatry, 19(3), 215-229. Hufermann, T. (2015, 24. Juni). Interaktions-Wunder Instagram. Wieso Marketer das Social Network jetzt nutzen sollten. www.horizont.net/marketing/kommentare/interaktions-wunder- Instagram-Wieso-Marketer-das-Social-Network-jetzt-nutzen-sollten-135002 [abgerufen am 7.6.2016] Laurenz, F. (2012, 18. Januar). Sportler und Social-Media-PR. Der Fan im Wohnzimmer. http://www.taz.de/!5102867/ [abgerufen am 14.6.2016] McCroskey, J. C., & McCain, T. A. (1974). The Measurement of Interpersonal Attraction. Speech Monographs, 41, 261-266. Schiappa, E., Allen, M., & Gregg, P. B. (2007). Parasocial Relationships and Television: A Meta- Analysis of the Effects. In R. W. Preiss, B. M. Gayle, N. Burrell, M. Allen, & J. Bryant (Hrsg.), Mass Media Effects Research. Advances Through Meta-Analysis (S. 301-314). Mahwah: Erlbaum. Weiss, O. (1996). Media Sports as a Social Substitution. Pseudosocial Relations with Sports Figures. International Review for the Sociology of Sport, 31, 109-117 6