Erfolgsdelikte: Ein bestimmter Erfolg ist Voraussetzung für die Strafbarkeit des Täters und wird in dem jeweiligen Paragraphen gefordert.

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Grundlagen des Strafrechts Einteilung der Straftatbestände: 1. Unterscheidung Verbrechen/Vergehen 12 I: Verbrechen 12 II: Vergehen 2. Unterscheidung Erfolgs-/Tätigkeitsdelikte Erfolgsdelikte: Ein bestimmter Erfolg ist Voraussetzung für die Strafbarkeit des Täters und wird in dem jeweiligen Paragraphen gefordert. Tätigkeitsdelikte: Es wird kein Erfolg vorausgesetzt, das Unrecht wird schon durch eine bestimmte Tätigkeit erfüllt. 212 und 153 StGB: welches ist Erfolgs- und welches ist Tätigkeitsdelikt? Lösung: 212 StGB ist Erfolgsdelikt (Erfolg = der Tod eines Menschen), 153 StGB ist Tätigkeitsdelikt (Tätigkeit = falsch aussagen; ob das Gericht die Aussage glaubt [Vgl. Erfolg] ist irrelevant) Weitere Kategorien Vorsatz-/Fahrlässigkeitsdelikte Verletzungs-/Gefährdungsdelikte Dauer-/Zustandsdelikte Allgemein-/Sonder-/eigenhändige Delikte 3. Unterscheidung Begehungs-/Unterlassungsdelikte Begehungsdelikte: Der Erfolg (z.b. der Tod eines Menschen) wird durch ein aktives Tun, d.h. durch eine Handlung, verwirklicht Bsp.: Eine Mutter stößt ihr Kind von einem Bergabhang herunter ( 212 StGB) 1

Echte Unterlassungsdelikte: Der Erfolg (z.b. der Tod eines Menschen) wird durch ein Untätigbleiben verwirklicht. Es handelt sich um Straftaten, deren Unrechtsgehalt sich in dem Verstoß gegen eine Gebotsnorm und im bloßen Unterlassen einer bestimmten gesetzlich geforderten Tätigkeit erschöpft Bsp.: Das Kind fällt beim Spielen in einen See. Der vorbeifahrende Radfahrer lässt es ertrinken, obwohl er ihm leicht helfen könnte ( 323c StGB) Unechte Unterlassungsdelikte: 13 StGB in Verbindung mit einer anderen Norm des StGB, z.b. 212 StGB (= 212, 13 StGB). Spiegelbild der Begehungsdelikte: Nichtabwendung eines tatbestandsmäßigen Erfolges bei gleichzeitig bestehender gesetzlicher Verpflichtung (Garantenstellung!). Bsp.: Der Sohn fällt beim Spielen in einen See. Die Mutter lässt es ertrinken, obwohl sie ihm leicht hätte helfen können ( 212, 13 StGB) Vorgehensweise beim Lösen strafrechtlicher Arbeiten 1. Herangehensweise: Aufgabenstellung lesen, Sachverhalt mindestens 2x lesen 2. Aufbauregeln: Aufteilung in Tatkomplexe: Tathandlungen (Verben) hervorheben (z.b. durch Markieren) mehrere Tatkomplexe trennen beachte: keine künstliche Trennung zusammenhängender Geschehen, d.h. nur Tatkomplexe trennen, zwischen denen denknotwendig eine Zäsur besteht 2

Prüfungsreihenfolge: bei mehren Beteiligten mit dem Tatnächsten beginnen Täterschaft ist vor Teilnahme zu prüfen (Akzessorietät! Inzidentprüfungen vermeiden) schwerere Delikte (insb. Tötungsdelikte) grds. vor leichteren prüfen Qualifikationen in den Tatbestand des Grunddeliktes integrieren Gesetzeskonkurrenzen: o Spezialität: verselbständigte Sondertatbestände i.d.r. zuerst prüfen (z.b. 249 vor 242, 240) o Subsidiarität/Konsumtion: das vorgehende Delikt zuerst prüfen und das verdrängte ggf. nur kurz erwähnen Lösungsskizze erstellen (ca. 1/3 der Zeit): einschlägige Delikte aufschreiben i.v.m. der dazugehörigen Handlung mögliche Probleme in den Deliktsaufbau integrieren 3

Das vorsätzliche Begehungsdelikt 1. Tatbestandsmäßigkeit a. Objektiver Tatbestand aa. Tätereigenschaften (z.b. Amtsträger) bb. Tathandlung und Tatobjekt cc. Bei Erfolgsdelikten: Erfolgseintritt, Kausalität, objektive Zurechnung b. Subjektiver Tatbestand aa. Vorsatz bzgl. aller Merkmale des objektiven Tatbestandes bb. Sonstige subjektive Tatbestandsmerkmale: Absichten, Tendenzen, Gesinnungen 2. Rechtswidrigkeit a. grds. indiziert (Ausnahme: Offene Tatbestände) b. Nichtvorliegen von Rechtfertigungsgründen (= Ausnahmetatbestände, die dazu führen, dass das typische Unrecht im konkreten Fall eben doch kein Unrecht war, z.b. 32 StGB) aa. Objektive Voraussetzungen bb. Subjektive Voraussetzungen 3. Schuld hier ist zu prüfen, ob die rechtswidrige Tat ausnahmsweise doch nicht vorwerfbar ist a. Schuldfähigkeit ( 19, 20 StGB) b. Fehlen von Entschuldigungsgründen ( 33, 35 StGB) c. Vorsatzschuld (sog. Erlaubnistatbestandsirrtum) d. Unrechtsbewusstsein (Verbotsirrtum, 17 StGB) 4

4. Persönliche Strafaufhebungs- oder Strafausschließungsgründe* 5. Objektive Bedingungen der Strafbarkeit* wahlweise auch im Tat-bestand als Tatbestandsannex prüfbar 6. Verwirklichung eines Regelbeispiels* 7. Strafantrag und andere Prozessvoraussetzungen* Die mit * gekennzeichneten Gliederungspunkte dürfen nur behandelt werden, wenn der Sachverhalt Anhaltspunkte dafür bietet. 5

Das unechte Unterlassungsdelikt Vorprüfung (gedanklich) Tun oder Unterlassen I. Tatbestandsmäßigkeit 1. Objektiver Tatbestand a) Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges b) Nichtvornahme der gebotenen und möglichen Handlung c) Hypothetische Kausalität des Unterlassens d) Garantenstellung, 13 StGB rechtliche Verpflichtung zur Erfolgsabwendung (bspw. aus Gesetz, Vertrag oder Ingerenz) Unterteilung nach Funktionenlehre: o besondere Schutzpflichten für bestimmte Rechtsgüter ( Beschützergarant ) o Verantwortlichkeit für bestimmte Gefahrquelle ( Bewachergarant ) e) Entsprechungsklausel (Gleichwertigkeit mit aktivem Tun) 2. Subjektiver Tatbestand a) Vorsatz bzgl. aller Merkmale des objektiven Tatbestandes b) Sonstige subjektive Tatbestandsmerkmale II. Rechtswidrigkeit wie vorsätzliches Begehungsdelikt, aber zusätzlich: Rechtfertigende Pflichtenkollision (gleichwertige Rechtsgüter) 6

III. Schuld wie vorsätzliches Begehungsdelikt, aber zusätzlich: Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens IV. Persönliche Strafaufhebungs- und Strafausschließungsgründe 7

Das fahrlässige Begehungsdelikt (bei Erfolgsdelikten) I. Tatbestandsmäßigkeit 1. Handlung 2. Erfolgseintritt 3. Kausalität des Verhaltens für den Erfolg 4. Objektive Sorgfaltspflichtverletzung 5. Objektive Zurechnung a) Pflichtwidrigkeitszusammenhang (a.a. Risikoerhöhungslehre) b) Objektive Vorhersehbarkeit des Erfolges und des wesentlichen Kausalverlaufs c) Schutzzweck der Norm und Eigenverantwortlichkeitsprinzip II. Rechtswidrigkeit III. Schuld 1. Schuldfähigkeit 2. Subjektive Sorgfaltspflichtverletzung 3. Subjektive Vorhersehbarkeit des Erfolges einschließlich des Kausalverlaufs 4. Nichtvorliegen von Entschuldigungsgründen einschließlich der Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens IV. Persönliche Strafaufhebungs- oder Strafausschließungsgründe V. Strafantrag und andere Prozessvoraussetzungen 8

Versuch und Rücktritt I. Vorprüfung 0. keine Vollendung (sog. unvollendete Tat) bzw. fehlende Zurechnung des Erfolges 1. Strafbarkeit des Versuchs, 23 I, 12 StGB II. Tatbestandsma ßigkeit 1. Tatentschluss (subjektiver Tatbestand) a) Vorsatz in Bezug auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale b) Sonstige subjektive Tatbestandsmerkmale 2. Unmittelbares Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung (objektiver Tatbestand) Abgrenzung zur Vorbereitungshandlung III. Rechtswidrigkeit wie vorsätzliches Begehungsdelikt IV. Schuld wie vorsätzliches Begehungsdelikt V. Persönliche Strafaushebungs- und Strafausschließungsgründe Rücktritt vom Versuch, 24 I StGB 1. kein fehlgeschlagener Versuch 2. besondere Rücktrittsvoraussetzungen a) Unbeendeter Versuch, 24 I 1 Alt. 1 StGB Aufgabe der weiteren Tatausführung Freiwilligkeit 9

b) Beendeter Versuch, 24 I 1 Alt. 2, 24 I 2 StGB Verhinderung der Tatvollendung bzw. ernsthaftes Bemühen um Nichtvollendung Freiwilligkeit VI. Sonstiges wie vorsätzliches Begehungsdelikt 10

Täterschaft und Teilnahme Täterschaft, 25 StGB Teilnahme, 26, 27 StGB Abs. 1 Alt. 1: Alleintäterschaft 26 Anstiftung (unmittelbare Täterschaft) 27 Beihilfe Abs. 1 Alt. 2: Mittelbare Täterschaft (Tat des Hintermannes) Abs. 2: Mittäterschaft (gemeinsame Tatbegehung) Nebentäterschaft (nicht gesetzlich geregelt) sog. dualistisches Beteiligungssystem des deutschen Strafrechts Gegensatz: Einheitstäterprinzip (vgl. OWiG, aber auch Fahrlässigkeitsdelikte) Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme I. Negativselektion (nur bestimmte Personen kommen als Täter in Frage) Sonderdelikte (bes. Tätereigenschaft erforderlich) z.b. 331 ff., 203, 278 StGB Eigenhändige Delikte z.b. 153 f., 315c, 316, 323a StGB Pflichtdelikte (Verletzung von Sonderpflichten) z.b. 142, 221 StGB II. Abgrenzungstheorien (für problematische Fälle) 1. Formal-objektive Theorie (überkommen) Täter ist, wer die tatbestandliche Ausführungshandlung ganz oder teilweise selbst vornimmt, Teilnehmer ist hingegen, wer nur eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beiträgt mit eindeutigem Wortlaut von 25 I Alt. 2 StGB unvereinbar 11

2. Extrem-subjektive Theorie (überkommen) für die Abgrenzung von TS und TN ist die Willensrichtung und die innere Einstellung des Beteiligten zur Tat maßgebend Täter ist, wer mit Täterwillen (animus auctoris) handelt und die Tat als eigene will, Teilnehmer ist hingegen, wer mit Teilnehmerwillen (animus socii) handelt und die Tat als fremde veranlassen oder fördern will schwer durchschaubare und mitunter willkürliche Abgrenzung 3. Modifiziert-subjektive Theorie (Ansicht der Rechtsprechung) Grundlage der Abgrenzung ist immer noch die Frage, ob der Handelnde den inneren Willen hat, Täter zu sein oder nicht damit haben die Grundsätze der extrem-subjektiven Theorie immer noch Geltung Aber: Welcher Wille vorliegt (animus auctoris oder animus socii) ist mittels wertender Betrachtung zu klären, bei der äußere (objektive) Anhaltspunkte heranzuziehen sind: o der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg o der Umfang der Tatbeteiligung o die Herrschaft über die Tat 4. Materiell-objektive Theorie bzw. Tatherrschaftslehre (h.m. der Literatur) Grundlage täterschaftlichen Handelns ist die sog. Tatherrschaft darunter versteht man das vom Vorsatz umfasste In-den-Händen-Halten des tatbestandsmäßigen Geschehensablaufs Täter ist, wer als Zentralgestalt des Geschehens die planvoll lenkende und mitgestaltende Tatherrschaft besitzt und die Tatbestandsverwirklichung somit nach seinem Willen hemmen oder ablaufen lassen kann Teilnehmer ist dagegen, wer ohne eigene Tatherrschaft als Randfigur des Geschehens die Begehung der Tat veranlasst oder fördert 12

Ausprägungen: Handlungsherrschaft ( 25 I Alt. 1 StGB) Willens- und/oder Wissensherrschaft ( 25 I Alt. 2 StGB) Funktionelle Tatherrschaft ( 25 II StGB) Beachte: häufig kommen beide gängigen Ansichten zum selben Ergebnis ein Streitentscheid ist deshalb nicht erforderlich 13

Mittäterschaft, 25 II StGB I. Aufbau 1. Jeder Beteiligte verwirklicht sämtliche Tatbestandsmerkmale in eigener Person (getrennt, gemeinsame Prüfung ebenso denkbar) Bearbeitung wie beim Einzeltäter Mittäterschaftsverhältnis im Anschluss an Einzelprüfungen feststellen 2. Tathandlung wird von einem Beteiligten im Wesentlichen allein ausgeführt (getrennt) zunächst Täterschaft des Tatnächsten feststellen danach Strafbarkeit der übrigen Beteiligten prüfen dabei fremde Tatbeiträge gem. 25 II StGB zurechnen (objektives und subjektives Element) 3. Arbeitsteiliges Zusammenwirken der Beteiligten (gemeinsame Prüfung) a. Objektiver Tatbestand keine eigenhändige Verwirklichung aller Tatbestandsmerkmale wechselseitige Zurechnung der Tatbeiträge der Mittäter gem. 25 II StGB o gemeinsamer Tatplan o gemeinsame Tatausführung o hier: Abgrenzung zur Teilnahme mittels Abgrenzungstheorien b. Subjektiver Tatbestand Vorsatz bzgl. aller objektiven Tatbestandsmerkmale gemeinsamer Tatentschluss sonstige subjektive Tatbestandsmerkmal 14

Voraussetzungen Mittäterschaft ist die gemeinschaftliche Begehung einer Straftat durch bewusstes und gewolltes Zusammenwirken, bei der die Tatbeiträge der einzelnen Mittäter einander zugerechnet werden ( 25 II StGB). objektiv: gemeinsame, arbeitsteilige Tatausführung (es genügt jeder nicht völlig untergeordnete Tatbeitrag, der für die Tatbestands-verwirklichung mitursächlich war) umstritten: ob im Vorbereitungsstadium geleistete Tatbeiträge ausreichen, sog. Bandenchef-Fälle funktionelle Tatherrschaft des Hintermannes bei weitergehender Organisation (+) subjektiv: gemeinsamer Tatentschluss (bewusstes und gewolltes Zusammenwirken) regelmäßig vor Beginn der Tat gefasst umstritten: sukzessive Mittäterschaft, sofern das Geschehen noch nicht abgeschlossen ist Zurechnung (+), da Kenntnis und Billigung des Geschehens III. Sonderfragen Exzess eines Mittäters Zurechnung grds. (-) Arg.: kein gemeinsamer Tatentschluss, Grenzen der Strafbarkeit 28 II, 29 StGB außer: Erweiterung im gegenseitigen Einvernehmen Irrtumsfälle allgemeine Regeln mit wechselseitiger Zurechnung, soweit Tatplan nicht überschritten Versuchsbeginn Einzellösung (MM, widerspricht Struktur der Mittäterschaft) vs. Gesamtlösung (h.m., unmittelbares Ansetzen eines Mittäters gemäß Tatplan genügt, sofern Wille zum gemeinschaftlichen Handeln besteht) Unterlassen möglich analog den allgemeinen Regeln Fahrlässigkeit ausgeschlossen (kein gemeinsamer TE), jedoch Nebentäterschaft 15

Mittelbare Täterschaft, 25 I Alt. 2 StGB 25 I 2. Alt. StGB: Als Täter wird bestraft, wer die Straftat durch einen anderen begeht. Kennzeichnend für die mittelbare Täterschaft ist die aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unterlegene Stellung des Tatmittlers ( mensch-liches Werkzeug ) und die beherrschende Rolle des Hintermannes ( Tat als sein Werk ), der die Sachlage richtig erfasst und das Gesamtgeschehen kraft seines planvoll lenkenden Willens in der Hand hält. Der Hintermann bedient sich in Kenntnis aller maßgebenden Umstände eines menschlichen Werkzeuges (Defekt), das: objektiv tatbestandslos - Selbsttötung ( Siriusfall, BGHSt 32, 38) ohne Tatbestandsvorsatz bzw. die spezifische Absicht (absichtslos-doloses Werkzeug) - Erregen oder Ausnutzen eines Irrtums selbst rechtmäßig - Werkzeug in rechtfertigende Lage versetzen (Festnahme Unschuldiger, BGHSt 3, 4) schuldunfähig ist oder schuldlos handelt - Versetzen des Opfers in entschuldigenden Notstand (RGSt 64, 30) Besonderheit: Täter hinter dem Täter (Rspr. & Teile Lit.) - staatlicher Machtmissbrauch bzw. mafiaähnliche Organisation (Austauschbarkeit) - Vermeidbarer Verbotsirrtum ( Katzenkönigfall, BGHSt 35, 347) I. Tatbestandsmäßigkeit 1. Objektiver Tatbestand a) Besondere Tätermerkmale b) keine eigenhändige Verwirklichung aller Tatbestandsmerkmale c) Herrschaft über das Tatgeschehen (Zurechnung gem. 25 I Alt. 2) 16

Strafbarkeitsmangel des Werkzeuges im objektiven Tatbestand im subjektiven Tatbestand in der Rechtswidrigkeit in der Schuld Sonderfall: Organisationsherrschaft Wissens- oder Willensherrschaft des Hintermannes 2. Subjektiver Tatbestand a) Vorsatz bzgl. aller Merkmale des objektiven Tatbestandes, insbes. Bewusstsein der Tatherrschaft b) Sonstige subjektive Tatbestandsmerkmale II. Rechtswidrigkeit/Schuld (wie beim Alleintäter) Sonderfragen Täter hinter dem Täter infolge des Missbrauchs von Machtbefugnissen (Befehlsgeber hat bedingungslose Organisationsherrschaft inne + unmittelbarer Täter ist bedingungslos austauschbar) Missbrauch staatlicher Machtbefugnisse bzw. Mafiaähnliche Organisationsstrukturen Vermeidbarer Verbotsirrtum des Werkzeuges bei steuerndem Einfluss des Hintermannes Katzenkönigfall Gradueller Tatbestandsirrtum (Täuschung über den angerichteten Schaden) Irrtumsfälle hinsichtlich der Art der Beteiligung (Abgrenzung zur Anstiftung) Werkzeug unterliegt einem error in persona / aberratio ictus vs. Objektsindividualisierung Versuch bei mittelbarer Täterschaft Aus-der-Hand-geben des vom mittelbaren Täter in Gang gesetzten Geschehens verbunden mit der entsprechenden Vorstellung, dass bereits eine konkrete Gefahr für das geschützte Rechtsgut entstanden ist 17

Anstiftung und Beihilfe, 26, 27 StGB I. Aufbau A: Strafbarkeit des Haupttäters (Schema Alleintäter) B: Strafbarkeit des Teilnehmers (Straftatbestand i.v.m. 26 bzw. 27 StGB) I. Tatbestandsmäßigkeit 1. Objektiver Tatbestand a) Teilnahmefähige Haupttat tatbestandsmäßig und rechtswidrig kein schuldhaftes Handeln erforderlich Grundsatz der limitierten Akzessorietät denkbare Haupttaten: o (versuchtes) Begehungsdelikt o Unterlassungsdelikt o Erfolgsqualifiziertes Delikt (sofern dem Teilnehmer bzgl. der schweren Folge ebenfalls Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist) o Anstifter- bzw. Beihilfehandlung hier: Abgrenzung zur Täterschaft Anstiftung: Hervorrufen des Tatentschlusses Beihilfe: Förderung der Haupttat 2. Subjektiver Tatbestand = doppelter Anstifter- bzw. Gehilfenvorsatz Vorsatz bzgl. der Haupttat Vorsatz bzgl. der Anstifter- bzw. Beihilfehandlung II. Tatbestandsverschiebung nach 28 II StGB III. Rechtswidrigkeit 18

IV. Schuld V. Persönliche Strafausschließungs- oder Strafaufhebungsgründe VI. Strafantrag und andere Prozessvoraussetzungen II. Sonderfragen 1. Anstiftung Akzessorietätslockerungen, 28, 29 StGB Kettenanstiftung (Anstiftung zur Anstiftung zur Haupttat) mittelbare Anstiftung zur Haupttat omnimodo facturus Differenzierung: - zur Tat fest Entschlossenem Anstiftung (-), nur 27, 30 I StGB - bei bloßer Tatgeneigtheit Anstiftung (+) Aufstiftung (qualifizierte Tatbegehung) möglich aufgrund des wesentlich höheren Unrechtsgehalts der Qualifikation Abstiftung (nur Grunddelikt verwirklicht) psychische Beihilfe zum Grunddelikt error in persona des Haupttäters Unbeachtlichkeit bzw. aberratio ictus des Anstifters bzw. Differenzierung, ob Verwechslung außerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung liegt 2. Beihilfe versuchte Beihilfe straflos (Arg.: Gegenschluss aus 30 StGB) psychische Beihilfe regelmäßig möglich Kausalität der Beihilfehandlung für den Erfolg der Haupttat Rspr. (-) Exzess des Haupttäters Zurechnung (-), da vom Vorsatz des Gehilfen nicht umfasst 19

Irrtümer nach 16 I 1, 17 StGB (ohne Erlaubnistatbestandsirrtum) error in persona vel objecto aberratio ictus Fehlvorstellungen, die sich auf die Identität oder sonstige Eigenschaften der betroffenen Person oder des Tatobjekts beziehen Die Strafrechtliche Bewertung und Anwendbarkeit von 16 I 1 StGB hängt davon ab, ob beide Objekte gleichwertig sind Bsp.: T will B töten. In der Dunkelheit verwechselt er den B mit dem O und erschießt diesen. Strafbarkeit des T? Bsp.: T will den B töten. In der Dunkelheit erschießt er versehentlich dessen Deutsche Dogge. Strafbarkeit des T? Täter??? "gewün schtes Opfer" tatsäch liches Opfer Geschehen, bei dem der Täter seine Handlung auf ein individualisiertes Tatobjekt lenkt, der Angriff aber ein anderes Objekt trifft h.m.: unabhängig von Gleichwertigkeit oder Ungleichwertigkeit ergibt sich für den Täter hier eine Versuchsstrafbarkeit sowie eine Strafbarkeit aufgrund Fahrlässigkeit Bsp.: T will B töten. Um den Tod besonders grausig zu gestalten, hat sich T eine abgesägte Schrotflinte besorgt. Damit zielt er auf den B, trifft aber den O, der danebensteht, weil die Streuung so immens und der Lauf der Flinte so verbogen ist. Strafbarkeit des T? Ziel Täter Treffer 20

Aufbau: Irrtum nach 17 StGB (Verbots- und Erlaubnisirrtum) I. Fehlendes Unrechtsbewusstsein II. Vermeidbarkeit: wenn der Täter bei gehöriger Anspannung seines Gewissens und Ausschöpfung aller zumutbaren Erkenntnisquellen hätte erkennen können, dass sein Handeln verboten ist Konkurrenzen liefern die Feststellung, in welchem Verhältnis mehrere begangene Delikte zueinander stehen Relevanz für spätere Strafzumessung regelmäßige Prüfung am Schluss eines strafrechtlichen Gutachtens (u.u. auch Zwischenfeststellungen nach jedem Handlungsabschnitt/Tatkomplex) Prüfungsreihenfolge: I. Liegen mehrere Gesetzesverletzungen vor? II. Ergeben sich diese aus... 1.... einer Handlung (= Handlungseinheit) Handlung im natürlichen Sinne (ein Willensentschluss = eine Körperbewegung) Natürliche Handlungseinheit (enger räumlich-zeitlicher Zusammenhang) Juristische Handlungseinheit (vgl. insb. mehraktige Delikte/Dauerdelikte) a) Welche Delikte treten durch Gesetzeskonkurrenz zurück? Spezialität: Strafvorschrift erfasst alle Merkmale der anderen Subsidiarität: ausdrücklich normiert oder Sinnzusammenhang Konsumtion: Unrechts-/Schuldgehalt erschöpfend erfasst b) Falls (-), dann tatsächliche Konkurrenz Tateinheit (Idealkonkurrenz), 52 StGB 21

2.... mehreren Handlungen (= Handlungsmehrheit Tatkomplexe) a) Welche Delikte treten durch Gesetzeskonkurrenz zurück? Mitbestrafte Vortat: Unrechtsschwergewicht bei Nachtat Mitbestrafte Nachtat: lediglich Ausbau oder Sicherung der durch die Vortat erlangten Position & kein neues RG verletzt b) Falls (-), dann tatsächliche Konkurrenz Tatmehrheit (Realkonkurrenz), 53 StGB 22