Mandanten Newsletter Ausgabe 46 Taylor Wessing November 2005 Ausgabe 46/05 (November 2005) Newsletter Employment 46/05 Das neue Tarifrecht für den öffentlichen Dienst Taylor Wessing Practice Department Employment
enewsletter 02 Das neue Tarifrecht für den öffentlichen Dienst 1. Allgemeines Mit Wirkung zum 1. Oktober 2005 trat der neue Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (im nachfolgenden TVöD ) in Kraft. Die Ablösung des bisher allseits bekannten und seit 1963 (!) geltenden Bundesangestelltentarifvertrages (im nachfolgenden BAT ) durch das neu geschaffene Tarifwerk fand in den Medien starke Beachtung. Der TVöD wurde schon vor seinem Inkrafttreten für die neuen flexibleren Arbeitsbedingungen gelobt, so dass viele Arbeitgeber und Arbeitnehmer daher heute fragen: Gilt dieser neue Tarifvertrag auch für mich? Zu dieser Frage und dem TVöD als solchem soll nachfolgend in einem kurzen Überblick Stellung genommen werden: 2. Der TVöD, sein Inhalt und seine Vertragspartner Die Reform des öffentlichen Tarifrechts hatte als Hauptziel die Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen. Dies zeigt sich vor allem bei den Arbeitszeitregelungen, der Entgeltgestaltung, der Leistungsorientierung und den Öffnungsklauseln für landesbezirkliche Regelungen. Im Bereich des Bundes wurde daher die wöchentliche Arbeitszeit einheitlich in West und Ost auf 39 Stunden festgelegt, während für den kommunalen Bereich grundsätzlich noch 38,5 Stunden gelten, jedoch eine Öffnungsklausel für Landesbezirke geschaffen wurde, um das Arbeitszeitvolumen auf bis zu 40 Stunden zu erweitern. Darüber hinaus wurden der für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit maßgebliche Ausgleichszeitraum von 26 Wochen auf bis zu ein Jahr erhöht, der Überstundenbegriff neu konzipiert, die Führung von Arbeitszeitkonten und korridoren erleichtert, die Bewährungs-, Zeit- und Tätigkeitsaufstiege abgeschafft und der Leistungsgedanke bei den Stufenaufstiegen verankert. Zudem wurde durch die Schaffung einzelner Spartenregelungen auf die besonderen Bedürfnisse dieser Sparten verstärkt eingegangen, wie z.b. im Bereich der Bereitschaftsdienstregelungen für Krankenhäuser. Neben dem TVöD als solchem schlossen die Tarifvertragsparteien zudem so genannte Überleitungstarifverträge (im nachfolgenden TVÜ), anhand derer die bereits beschäftigten Arbeitnehmer unter Wahrung ihrer Besitzstände von den alten Tarifsystemen (BAT, BMT-G) in das neue Tarifsystem, insbesondere in die neuen Entgeltgruppen, übergeleitet werden sollen. Nach langen und intensiven Verhandlungen wurde der TVöD auf Seiten der Arbeitgeber vom Bund und der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeber abgeschlossen. Die Länder haben im Ergebnis diesen Tarifvertrag nicht unterzeichnet, so dass sie auch nicht Tarifvertragspartei sind. 3. Der Geltungsbereich des TVöD a) Allgemeines Grundsätzlich fallen unter den Geltungsbereich des TVöD alle beim Bund oder bei kommunalen Arbeitgebern Beschäftigten. Die im Länderbereich Beschäftigten fallen hingegen nicht unter den TVöD, da die Länder nicht Tarifvertragspartei sind. Im Länderbereich gelten damit die Vorschriften des BAT, BMT-G und MTArb weiter. b) Überleitung Fand bislang in einem Arbeitsverhältnis zwischen einem Arbeitgeber und einem Beschäftigten der BAT Anwendung, stellt sich die Frage, ob nunmehr automatisch der TVöD gilt. Bei der Beantwortung dieser Frage ist wie folgt zu unterscheiden: aa) Tarifgebundene Arbeitsvertragsparteien Sofern in einem Arbeitsverhältnis beide Arbeitsvertragsparteien Mitglied der jeweiligen Tarifvertragsparteien sind, findet der TVöD auf ein solches Arbeitsverhältnis seit dem 1. Oktober 2005 grundsätzlich Anwendung, bzw. war ein bestehendes Arbeitsverhältnis gemäß der TVÜ vom bisherigen Tarifrecht auf den TVöD überzuleiten, da dieser den BAT gemäß 2 Abs. 1 TVÜ ersetzt.
enewsletter 03 bb) Nicht tarifgebundene Arbeitnehmer Ist der bereits beschäftigte Arbeitnehmer nicht tarifgebunden, entfaltet der TVöD auch keine normative Wirkung. Er kann aber dennoch dann zur Anwendung kommen, wenn aufgrund einer einzelvertraglichen Vereinbarung (hierzu unter cc) oder aufgrund einer tatsächlich vom Arbeitgeber praktizierten Gleichbehandlung von tarifgebundenen und nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern das bisherige Tarifrecht angewandt wurde. Auch in einem solchen Fall kann dann eine Überleitung eines bestehenden Arbeitsverhältnisses auf den TVöD in Betracht kommen. cc) Einzelvertragliche Inbezugnahme Zahlreiche Fragen warfen und werfen solche Arbeitsverhältnisse auf, bei denen das bisherige Tarifrecht des öffentlichen Dienstes mangels Tarifbindung des Arbeitgebers keine normative Anwendung fand, die Arbeitsverträge jedoch so genannte einzelvertragliche Bezugnahmeklauseln auf bisheriges Tarifrecht aufweisen. Ob solche Arbeitsverhältnisse ebenfalls automatisch auf den TVöD überzuleiten waren, bzw. sind, ist eine Frage des Einzelfalls und der Auslegung des Arbeitsvertrages. Es kommt hierbei nämlich darauf an, ob die Arbeitsvertragsparteien eine statische Verweisung allein auf ein bei Vertragsabschluss geltendes Tarifrecht oder eine dynamische Verweisung auf das jeweils geltende und ersetzende - Tarifrecht vereinbart haben. Dies ist durch Auslegung zu ermitteln, wie das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 9. November 2005 erneut festgestellt hat (5 AZR 128/05). Wurde in einem Arbeitsvertrag auf den BAT (Bund oder VKA) und die ihn ergänzenden und ersetzenden Tarifverträge verwiesen, wird die Auslegung dieser dynamischen Bezugnahme im Zweifel zu dem Ergebnis gelangen, dass dieses Arbeitsverhältnis dann auch auf den den BAT ersetzenden TVöD übergeleitet werden soll. Wenn die Bezugnahme jedoch - wenn überhaupt - nur die ergänzenden Tarifverträge umfasst, nicht jedoch auch die ersetzenden, ist die Auslegung schon schwieriger. Letztlich ist hier bei der Auslegung dieser Bezugnahmeklausel entscheidend, warum die Arbeitsvertragsparteien überhaupt auf das Tarifrecht Bezug nahmen und wie sie diese Bezugnahmeklausel formuliert hätten, wenn sie von der zukünftigen Ablösung des 42 Jahre alten BAT Kenntnis gehabt hätten. Wollten die Vertragsparteien das Arbeitsverhältnis stets so gestalten wie ein öffentliches Arbeitsverhältnis auf Bundes- oder kommunaler Ebene, kann eine ergänzende Vertragsauslegung dazu führen, auch diese Bezugnahmeklauseln weit auszulegen und die betroffenen Arbeitsverhältnisse auf den TVöD überzuleiten. Sofern jedoch z. B. auf ganz bestimmte Vorschriften eines zu einem bestimmten Zeitpunkt geltendes Tarifrecht aus bewussten Gründen verwiesen wurde, kann die Auslegung auch zu einer rein statischen Bezugnahme führen. 4. Fazit Aufgrund der Komplexität des TVöD und der Vielzahl der arbeitsvertraglichen Bezugnahmemöglichkeiten sowie der Hintergründe und Motive hierfür verbietet sich also eine generelle Überleitung sämtlicher nicht tarifgebundener Arbeitsverhältnisse auf den TVöD. Vielmehr ist zu empfehlen, in jedem Einzelfall a) 9 zu prüfen, bevor pauschal der TVöD angewandt wird. Dr. Frauke Biester Rechtsanwältin Taylor Wessing Düsseldorf
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