Lineare Algebra. Jung Kyu Canci. Mit der Hilfe von: Stefano Iula, Olivia Ebneter, Katharina Laubscher, Viviane Wehrle

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Transkript:

Lineare Algebra Jung Kyu Canci Mit der Hilfe von: Stefano Iula, Olivia Ebneter, Katharina Laubscher, Viviane Wehrle Herbstsemester 2015

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Inhaltsverzeichnis 1 Einführung in die Lineare Algebra 5 1.1 Elementare Logik................................ 5 1.1.1 Aussagen................................ 5 1.1.2 Verknüpfung von Aussagen...................... 5 1.1.3 Wichtige Bemerkungen........................ 10 1.2 Elementare Mengentheorie........................... 12 1.2.1 Quantoren................................ 15 1.2.2 Zahlenmengen............................. 15 1.3 Abbildungen und Relationen......................... 17 1.3.1 Abbildungen.............................. 17 1.3.2 Relationen............................... 19 1.4 Ringe und Körper............................... 22 1.4.1 Ringe.................................. 22 1.4.2 Wichtiges Beispiel........................... 24 3

4 INHALTSVERZEICHNIS

Kapitel 1 Einführung in die Lineare Algebra 1.1 Elementare Logik 1.1.1 Aussagen In der Mathematik und in der Logik ist eine Aussage ein sprachliches Gebilde, das entweder wahr oder falsch ist. Auch wenn wir nicht wissen, welches von beiden gilt, muss erkennbar sein, dass eine und nur eine der beiden Möglichkeiten zutreffen kann. Beispiel 1.1. Dies sind Aussagen: Ein Hund ist ein Tier. (Wahr) 2 plus 2 ist gleich 3. (Falsch) Man schreibt auch 2 + 2 = 3. Jedes Vielfache von 4 ist eine gerade Zahl. (Wahr) Dies sind keine Aussagen: 2+2. Es fehlt etwas. α ist grösser als 5. Man weiss nicht, was α ist; es muss zuerst α definiert werden. Vorsicht: Es gibt einige Sätze, bei denen kein Mensch bestimmen kann, ob sie gelten oder nicht. Aber man erkennt, dass sie entweder falsch oder wahr sind. Beispiel 1.2. Jede gerade Zahl grösser als 3 ist die Summe zweier Primzahlen. Dies ist eine Aussage, von der kein/e Mathematiker/in weiss, ob sie wahr oder falsch ist. 1.1.2 Verknüpfung von Aussagen Man kann neue Aussagen bilden, indem zwei oder mehr Aussagen verknüpft werden. 5

6 KAPITEL 1. EINFÜHRUNG IN DIE LINEARE ALGEBRA Disjunktion. Seien p und q zwei Aussagen. Die Aussage p q ist wahr, wenn entweder p oder q oder beide Aussagen p und q wahr sind. Die Wahrheitstabelle von p q ist folgende, wobei wahr und falsch bedeutet. p q p q (1.1) Z.B. zeigt die erste Reihe, dass p q wahr ist, wenn p und q beide wahr sind. Die zweite Reihe zeigt, dass p q wahr ist, wenn p falsch und q wahr ist. Wenn man in der Mathematik die Aussage p oder q sind wahr sagt, können auch beide wahr sein. Beispiel 1.3. Sei p die Aussage p: 6 ist eine Primzahl und sei q die Aussage q: 7 ist eine Primzahl. p q ist die Aussage p q: Entweder 6 ist eine Primzahl oder 7 ist eine Primzahl oder beides sind Primzahlen. Obwohl p falsch ist, ist p q wahr, weil q wahr ist. Konjunktion. Seien p und q zwei Aussagen. Die Aussage p q ist nur dann wahr, wenn beide Aussagen wahr sind. Die Wahrheitstabelle von p q ist folgende: p q p q (1.2) Wenn mindestens eine der Aussagen p und q falsch ist, ist p q falsch. Beispiel 1.4. Seien a, b, c die folgenden Aussagen: a: 4 2 = 16; b: sin π = 1; c: cos π = 1; Es gilt: a b ist falsch, a c ist wahr, b c ist falsch. Implikation. Seien p und q zwei Aussagen. Die Aussage p q ist wahr, wenn die Aussage q logisch aus der Aussage p folgt. Um genau zu sein, betrachten wir die Wahrheitstabelle von p q:

1.1. ELEMENTARE LOGIK 7 p q p q Die Implikation p q ist genau dann falsch, wenn p wahr und q falsch ist. In allen anderen Fällen ist p q wahr. Man sagt, dass p q genau dann stimmt, wenn p wahr und q falsch nicht möglich ist. Beispiel 1.5. Seien a, b, und c die folgenden Aussagen: a: Es regnet. b: Es gibt Wolken. c: Ich bin glücklich. a b stimmt, weil es nicht möglich ist, dass es regnet und es keine Wolken gibt. Wir nehmen an, dass ich den Regen nicht mag. Also ist a c falsch. Denn wenn a wahr ist, ist c falsch. Äquivalenz. Seien p und q zwei Aussagen. Die Aussage p q ist die Zusammenfassung von (p q) (q p). Die Wahrheitstabelle ist folgende: p q p q Daher sind zwei Aussagen p und q genau dann äquivalent, wenn die Wahrheitswerte von p und q gleich sind. Beispiel 1.6. Seien a, b, und c die folgenden Aussagen: a: Ich habe eine 4 in der Prüfung von Lineare Algebra bekommen. b: Ich habe die Prüfung in Lineare Algebra bestanden. c: Ich habe eine Note grösser oder gleich 4 in der Prüfung von Lineare Algebra bekommen. a b stimmt. Aber a b stimmt nicht, weil b nicht a impliziert. b c stimmt. Negation. Sei p eine Aussage. Die Aussage p ist immer dann wahr, wenn die Aussage p falsch ist, und immer dann falsch, wenn die Aussage p wahr ist. Die Wahrheitstabelle ist folgende: p p (1.3)

8 KAPITEL 1. EINFÜHRUNG IN DIE LINEARE ALGEBRA Beispiel 1.7. Sei p die folgende Aussage: p: Ich habe Lust, die Aufgaben in Lineare Algebra zu lösen.. Also ist p: Ich habe keine Lust, die Aufgaben in Lineare Algebra zu lösen.. Vorsicht! p ist nicht äquivalent zu Ich hasse es, die Aufgaben in Lineare Algebra zu lösen.. Einige Eigenschaften der Verknüpfungen von Aussagen Seien a, b, c feste Aussagen, aber beliebig gewählt. Kommutativgesetz. Die Aussagen i) a b ist äquivalent zu b a ii) a b ist äquivalent zu b a gelten. Beweis: Trivial oder betrachte die Tabellen (1.1) und (1.2) zuerst mit a = p und b = q und dann mit a = q und b = p. Assoziativgesetz. Die Aussagen i) a (b c) ist äquivalent zu (a b) c ii) a (b c) ist äquivalent zu (a b) c gelten. Z.B. wird durch die Klammer in a (b c) angezeigt, dass zuerst die Aussage b c betrachtet werden soll und dann die Disjunktion der Aussage a mit der Aussage b c; analog mit den anderen Aussagen (a b) c, a (b c) und (a b) c. Beweis von i). Durch die folgende Wahrheitstabelle: a b c b c a (b c) a b (a b) c Alternativer Beweis: Die Aussage a (b c) ist genau dann wahr, wenn mindestens eine der Aussagen a und b c gilt. Ferner ist die Aussage b c wahr genau dann, wenn mindestens eine der Aussagen b und c gilt. Daher ist die Aussage a (b c) wahr genau dann, wenn mindestens eine der Aussagen a, b oder c gilt. Analog für (a b) c. Beweis von ii). Siehe Aufgabe 1.4.

1.1. ELEMENTARE LOGIK 9 Distributivgesetz. Die Aussagen i) a (b c) ist äquivalent zu (a b) (a c) ii) a (b c) ist äquivalent zu (a b) (a c) gelten. Beweis von i). Durch die folgende Wahrheitstabelle: a b c b c a (b c) a b a c (a b) (a c) Beweis von ii). Siehe Aufgabe 1.5. Prinzip der doppelten Negation. Der Wahrheitswert von a ist gleich wie a. Um das zu sehen, betrachte die folgende Wahrheitstabelle: a a a Wir habe zwei Mal die Wahrheitstabelle in (1.3) angewandt (zuerst mit a statt p und dann mit a statt p). Man sagt auch, dass a äquivalent zu a ist. Beispiel 1.8. Sei a die Aussage a: Ich habe einen Apfel gegessen. Die Aussage a besagt: Es ist falsch, dass ich keinen Apfel gegessen habe. De Morgansche Gesetze. i) (a b) ist äquivalent zu a b. Beweis: Gemäss der Tabelle (1.1) gilt und gemäss der Tabelle (1.2) gilt a b (a b)

10 KAPITEL 1. EINFÜHRUNG IN DIE LINEARE ALGEBRA a b a b a b Beispiel 1.9. Sei a wie im Beispiel 1.8. Sei b die Aussage b: Ich habe eine Birne gegessen.. a b besagt: Ich habe einen Apfel gegessen oder ich habe eine Birne gegessen.. Daher sagt die Aussage (a b): Es ist nicht wahr, dass ich einen Apfel oder eine Birne gegessen habe.. Andererseits sagt a b: Ich habe keinen Apfel gegessen und ich habe keine Birne gegessen.. ii) (a b) ist äquivalent zu a b. Beweis: Siehe Aufgabe 1.3. 1.1.3 Wichtige Bemerkungen Die gemeinsame Logik (die Logik der Menschen) hat folgende wesentliche Prinzipien: Prinzip der Zweiwertigkeit (Bivalenzprinzip). Jede Aussage ist entweder wahr oder falsch. Ist das Prinzip der Zweiwertigkeit nicht erfüllt, spricht man von mehrwertiger Logik. Wir werden hier nie mehrwertige Logik betrachten. Satz vom Widerspruch. Zwei sich widersprechende Aussagen können nicht zugleich zutreffen. In mathematischen Symbolen: a a ist immer falsch für jede Aussage a. Hinreichende und notwendige Bedingungen Wirklich wichtig ist die Veknüpfung (Implikation). Seien a und b zwei Aussagen. Nehmen wir an, dass die Aussage a b wahr ist. Man sagt, dass die Prämisse a eine hinreichende Bedingung für die Konklusion b ist und die Konklusion b eine notwendige Bedingung für die Prämisse a ist. Seien a und b wie im Beispiel 1.5. a ist eine hinreichende Bedingung für b. Wenn es regnet, müssen (mindestens ein paar) Wolken am Himmel sein. Aber das Gegenteil gilt nicht: Es können Wolken am Himmel sein, ohne dass es regnet. Also ist die Aussage Es regnet nur eine hinreichende Bedingung für die Aussage Es gibt Wolken (und die Aussage Es gibt Wolken ist nur eine notwendige Bedingung für die Aussage Es regnet ). Die Aussage a b liest man wie folgt: Wenn es regnet, dann gibt es Wolken.. Antinomien Eine Antinomie ist ein Satz, der einen Widerspruch enthält. Sie ist keine Aussage. Man kann nicht bestimmen, ob sie wahr oder falsch ist, weil es immer einen Widerspruch (Kontradiktion) gibt.

1.1. ELEMENTARE LOGIK 11 Beispiel 1.10. Antinomie des Barbiers: Man kann einen Barbier als einen definieren, der all jene und nur jene rasiert, die sich nicht selbst rasieren. Die Frage ist: Rasiert der Barbier sich selbst? Beim Versuch, die Frage zu beantworten, ergibt sich ein Widerspruch. Denn angenommen der Barbier rasiert sich selbst, dann gehört er zu denen, die er laut Definition nicht rasiert, was der Annahme widerspricht. Angenommen es gilt das Gegenteil und der Barbier rasiert sich nicht selbst, dann erfüllt er selbst die Eigenschaft derer, die er rasiert, entgegen der Annahme. Aufgaben Aufgabe 1.1. Bestimmen Sie, welche Sätze Aussagen sind: (a) Das ist eine Katze. (b) Eine Katze ist ein Tier. (c) Ein Hund und eine Katze. (d) Wie viel Uhr ist es? (e) Nicht rauchen! (f) Rauchen ist verboten. (g) Ich lüge immer. (h) Eine ganze Zahl ist genau dann durch 3 teilbar, wenn ihre Quersumme durch 3 teilbar ist. Bilden Sie für jede obige Aussage die Negation. Aufgabe 1.2. Seien p und q zwei Aussagen. Betrachten Sie die Aussagen A : p q und B : q p. Beweisen Sie, dass A äquivalent zu B ist. Geben Sie ein paar Beispiele. Aufgabe 1.3. Beweisen Sie Teil ii) aus den De Morganschen Gesetzen: (a b) a b. Aufgabe 1.4. Beweisen Sie Teil ii) des Assoziativgesetzes: a (b c) (a b) c. Aufgabe 1.5. Beweisen Sie Teil ii) des Distributivgesetzes: a (b c) (a b) (a c).

12 KAPITEL 1. EINFÜHRUNG IN DIE LINEARE ALGEBRA 1.2 Elementare Mengentheorie Eine Menge ist eine abstrakte Zusammenfassung bestimmter, wohlunterschiedener Objekte zu einem Ganzen. Diese Objekte heissen Elemente einer Menge. Sei M eine Menge. x M bezeichnet x ist ein Element von M oder anders gesagt x ist in M. x / M bezeichnet x ist kein Element von M und ist gleichwertig mit x ist nicht in M. Es gibt zwei Arten, Mengen zu beschreiben: Durch die Angabe der Elemente. Zum Beispiel: M = {Viviane Wehrle, Stefano Iula, Olivia Ebneter, Katharina Laubscher} Daher ist M die Menge der Assistierenden in Lineare Algebra 1. Durch die Angabe einer Eigenschaft, die zwischen x M und x / M unterscheidet. Zum Beispiel: M = {x x ist ein/e Assistent/in in Lineare Algebra 1 im HS2015 in Basel} Man liest M ist die Menge der Elemente x, so dass x ein... ist. Sind alle Elemente einer Menge N zugleich Elemente von M, so heisst N eine Teilmenge oder Untermenge von M und man schreibt N M. Wenn N M und M N, dann enthalten N und M genau dieselben Elemente. Man nennt die Mengen M, N gleich und schreibt Die Notation M = N. N M bedeutet, dass N M und dass es mindestens ein x M gibt, s.d. x / N. Die leere Menge ist eine Menge, die keinerlei Elemente enthält. Daher gibt es nur eine einzige leere Menge. Als Zeichen für die leere Menge verwendet man (auch oder {}). Es gilt M für jede beliebige Menge M. Seien A und B beliebige Mengen. Die Menge D, die aus allen Elementen besteht, welche sowohl zu A als auch zu B gehören, heisst Durchschnitt der Mengen A und B. Man schreibt: D = A B.

1.2. ELEMENTARE MENGENTHEORIE 13 Beispiel 1.11. Seien A = {1, 2, 3, 4, 5}, B = {5, 6, 7} und C = {6, 7}. Dann ist A B = {5}, A C =, B C = C. Wie vorher seien A und B beliebige Mengen. Die Menge V, die aus allen Elementen besteht, die zu mindestens einer der Mengen A oder B gehören, heisst Vereinigungsmenge von A und B. Man schreibt: V = A B. Beispiel 1.12. Seien A, B, C wie im Beispiel 1.11. Dann ist A B = {x x ganze Zahl und 1 x 7} = A C, B C = B. Sei A eine Teilmenge einer Menge U (manchmal wird eine solche Menge U Universum genannt). A c bezeichnet genau die Menge der Elemente aus U, welche nicht in A enthalten sind. D.h. A c = {x U x / A}. A c heisst das Komplement von A in U. In einem Mengendiagramm sieht die Situation so aus: Dabei ist A der weisse Kreis und U das ganze Rechteck. Das Komplement A c ist rot gefärbt. Sei B eine andere Teilmenge von U (B kann auch gleich A sein). Die Menge B \ A bezeichnet genau die Menge der Elemente aus B, welche nicht in A enthalten sind. D.h. In einem Mengendiagramm: B \ A = {x B x / A}. Dabei bezeichnet jetzt A den linken und B den rechten Kreis und U weiterhin das gesamte Rechteck. Die Menge B \ A ist rot gefärbt. Die Menge B \ A wird relatives Komplement von A in B genannt oder einfacher als B ohne A bezeichnet.

14 KAPITEL 1. EINFÜHRUNG IN DIE LINEARE ALGEBRA Beispiel 1.13. Seien A, B, C wie im Beispiel 1.11. Sei U = A B C. Dann ist A c = C\A = C, B c = {1, 2, 3, 4} = A\B, C c = A, A\C = A, B\C = {5}, B\A = {6, 7}. Man benutzt Klammern in der Mengentheorie wie in Rechnungen: z.b. betrachtet man im Ausdruck A (B C) zuerst die Menge B C als die Vereinigungsmenge von B und C und dann die Menge A (B C) als die Vereinigungsmenge der Mengen A und B C. Es gilt folgender Satz: Satz 1.14. Seien A, B, C drei beliebige Teilmengen einer Menge U. Es gelten die folgenden Eigenschaften: 1. A B = B A und A B = B A. 2. A (B C) = (A B) C und A (B C) = (A B) C. 3. A (B C) = (A B) (A C) und A (B C) = (A B) (A C). 4. A = (A c ) c. 5. (A B) c = A c B c und (A B) c = A c B c. Beweis. Einige der obigen Eigenschaften sind ganz einfach zu beweisen (z.b. 1)). Im Allgemeinen betrachtet man folgende Aussagen: a: x A, b: x B, c: x C. Dann wenden Sie das Kommutativ-, das Assoziativ- und das Distributivgesetz sowie das Prinzip der doppelten Negation und die De Morgansche Gesetze auf die Aussagen a, b, c an. Seien A und B zwei beliebige Mengen. Das kartesische Produkt zweier Mengen A und B ist die Menge aller geordneten Paare von Elementen der beiden Mengen, wobei die erste Komponente ein Element von A und die zweite Komponente ein Element der Menge B ist. Man schreibt A B = {(a, b) a A, b B}. Beispiel 1.15. Seien B, C wie im Beispiel 1.11. Also B C = {(5, 6), (5, 7), (6, 6), (6, 7), (7, 6), (7, 7)}. Vorsicht! Im Allgemeinen ist (a, b) (b, a). Die Position ist wichtig. Z. B. sind in der obigen Menge B C die Elemente (6, 7) und (7, 6) nicht gleich. Sei A eine beliebige Menge. P(A) bezeichnet die Potenzmenge von A, die die Menge aller Teilmengen von A ist. Beispiel 1.16. Es gilt: P( ) = { }. P({a}) = {, {a}}.

1.2. ELEMENTARE MENGENTHEORIE 15 P({a, b}) = {, {a}, {b}, {a, b}}. Vorsicht! Die Menge { } ist eine Menge, die genau ein Element enthält. Dieses Element ist die Leermenge. Es gilt a {a, b}, {a} {a, b} und {a} P({a, b}). Satz 1.17. Sei n eine beliebige aber feste ganze Zahl n 0. Sei A eine Menge mit genau n Elementen. Dann hat die Potenzmenge P(A) genau 2 n Elemente. Beweis. Man beweist den Satz durch vollständige Induktion über n. Induktionsanfang: Sei n = 0 (also A = ). Dann ist P( ) = { }, P( ) hat also genau 2 0 = 1 Element. Induktionsschritt: Wir nehmen die Induktionsvoraussetzung an, d.h. dass P(A) genau 2 n Elemente hat für jede Menge A mit n Elementen. Sei B eine Menge mit n+1 Elementen. Dann existiert eine Teilmenge A B und ein Element x B, so dass B = A {x}. Daher enthält A genau n Elemente. Jede Teilmenge von B ist entweder eine Teilmenge von A oder von der Form C {x}, wobei C eine Teilmenge von A ist. Die Anzahl der Teilmengen erster Sorte ist 2 n und die Anzahl der Teilmengen zweiter Sorte ist ebenfalls 2 n. Daher hat die Potenzmenge P(B) genau 2 2 n = 2 n+1 Elemente. 1.2.1 Quantoren Der Existenzquantor wird durch das Zeichen dargestellt. Die Schreibweise x bedeutet: Es existiert (gibt) ein x.... Z.B. sei n eine beliebige ganze Zahl. Sei X n = {n, n+2, n+ 4}. x X n, so dass x ein Vielfaches von drei ist. Die Schreibweise ist die Negation von. Z.B. sei n eine gerade Zahl und X n wie oben beschrieben. Also x X n s.d. x ungerade ist. Die Schreibweise! bedeutet Es gibt ein x und genau ein x.... Z.B. sei X n wie oben beschrieben. Also!x X n, s.d. x ein Vielfaches von drei ist. Der Allquantor wird durch das Zeichen dargestellt. Die Schreibweise x bedeutet: Für jedes x.... Z.B. sei n eine gerade Zahl und X n wie oben beschrieben. Dann ist x eine gerade Zahl x X n. Beispiel 1.18. Die folgende Aussage ist wahr: Pferd, das meine Vorlesung besucht, gilt, dass es die Farbe grün hat. Die Aussage ist wahr, weil kein Pferd meine Vorlesungen besucht. In der Logik sagt man, dass die Leermenge jede Eigenschaft erfüllt. 1.2.2 Zahlenmengen Mit N bezeichnen wir die Menge der natürlichen Zahlen. N = {1, 2, 3,...} (Um die natürlichen Zahlen richtig zu definieren braucht man die Peano-Axiome). Mit N 0 bezeichnen wir N {0}. Mit Z bezeichnen wir die Menge der ganzen Zahlen. Z = {..., 3, 2, 1, 0, 1, 2, 3,...}

16 KAPITEL 1. EINFÜHRUNG IN DIE LINEARE ALGEBRA Die Menge Q der rationalen Zahlen ist die Menge, die alle Brüche zweier ganzer Zahlen enthält: { z } Q = n z, n Z, n 0. Erinnerung: Seien a b, c d Q (also bd 0). Dann gilt a b = c d genau dann, wenn ad bc = 0. Mit R bezeichnen wir die Menge der reellen Zahlen. Es gibt eine intuitive Idee hinter den reellen Zahlen. Man kann sie sich als Gerade vorstellen: Eine andere Darstellung der reellen Zahlen ist die folgende: R = {a 0, a 1 a 2 a 3... a 0 Z, a i {0, 1,..., 9} i N}. Eine echte Definition der reellen Zahlen ist: Die reellen Zahlen sind die Grenzwerte der Cauchy Folgen rationaler Zahlen. (Diese Begriffe werden Sie in Analysis kennenlernen). Aufgaben Aufgabe 1.6. Seien A, B zwei Mengen. Beweisen Sie, dass A = B genau dann wenn eine Menge C mit A C = B C und A C = B C. Aufgabe 1.7. Seien A, B zwei Mengen. Beweisen Sie 1. A \ (A \ B) = A B; 2. (A \ B) \ (B \ A) = A \ B; 3. A (B \ A) = A B; 4. (A \ B) (A B) = A. Aufgabe 1.8. Seien A, B, C drei Mengen. Beweisen Sie 1. (A \ B) \ C = A \ (B C); 2. (A \ B) \ C A \ (B \ C); 3. (A \ B) \ C = A \ (B \ C) genau dann wenn A C =. 4. A (B \ C) = (A B) \ (A C).

1.3. ABBILDUNGEN UND RELATIONEN 17 Aufgabe 1.9. Die symmetrische Differenz zweier Teilmengen A, B einer Universummenge ist die Menge definiert durch: A B := (A \ B) (B \ A). Beweisen Sie, dass A B = (A B) \ (A B). Aufgabe 1.10. Bestimmen Sie die Potenzmengen von A = P( ) und B = P({a}). Aufgabe 1.11. Seien A, B zwei Mengen. Beweisen Sie 1. P(A) P(B) = P(A B) genau dann wenn A B oder B A; 2. P(A \ B) (P(A) \ P(B)) { }; 3. P(A \ B) = (P(A) \ P(B)) { } genau dann wenn A B oder A B =. 1.3 Abbildungen und Relationen 1.3.1 Abbildungen Definition 1.19. Seien X, Y zwei Mengen. Eine Abbildung von X nach Y ist eine Vorschrift f, die jedem x X ein eindeutig bestimmtes y = f(x) Y zuordnet. X wird Definitionsmenge genannt, Y Zielmenge. Man schreibt f : X Y x y = f(x) Beispiel 1.20. Folgendes sind Abbildungen: 1. 2. f : R R x x 2 f : {1, 2, 3} {1, 2} 1 f(1) = 1 2 f(2) = 2 3 f(3) = 1 Folgendes sind keine Abbildungen: 3. f : R R x x f(x) ist nicht definiert für negative x. Wenn die Definitionsmenge R 0 = {x R x 0} ist anstatt R, ist f eine Abbildung.

18 KAPITEL 1. EINFÜHRUNG IN DIE LINEARE ALGEBRA 4. f : [ 1, 1] R x arcsin x. f ist keine Abbildung, weil gilt sin(x) = sin(x + 2nπ) n Z. Wenn die Zielmenge [ π/2, π/2] ist anstatt R, ist f eine Abbildung. Zwei Abbildungen f : X Y, g : X Y sind genau dann gleich, wenn X = X, Y = Y und f(x) = g(x) für jedes x X = X. Definition 1.21. Sei f : X Y eine Abbildung und M X eine Teilmenge. Dann heisst f M : M Y x f(x) die Einschränkung von f auf M. Weiter bezeichnen wir mit f(m) = {y Y x M mit f(x) = y} = {f(x) x M} Y das Bild von M (in Y ). Insbesondere nennt man f(x) das Bild von f. Sei N Y eine Teilmenge. Die Teilmenge heisst Urbild von N in X. f 1 (N) = {x X f(x) N} Definition 1.22. Eine Abbildung f : X Y zwischen zwei Mengen heisst 1. injektiv, wenn gilt aus f(x) = f(x ) folgt x = x für alle x, x X. Äquivalent dazu ist: Für jedes y Y enthält das Urbild f 1 ({y}) entweder 0 oder 1 Element. 2. surjektiv, wenn f(x) = Y, d.h. wenn es zu jedem y Y ein x X mit f(x) = y gibt. Äquivalent dazu ist: Für jedes y Y ist das Urbild f 1 ({y}) nicht die Leermenge. 3. bijektiv, wenn f injektiv und surjektiv ist. Äquivalent dazu ist: Für jedes y Y enthält das Urbild f 1 ({y}) genau ein Element. Ist f bijektiv, dann gibt es eine Umkehrabbildung f 1 : Y X y x, so dass y = f(x). Beispiel 1.23. Die Abbildung f definiert in Beispiel 1.20 1 ist nicht injektiv (f(x) = f( x) x R). f ist nicht surjektiv, denn es gibt keine negative Zahl, die ein Quadrat ist.

1.3. ABBILDUNGEN UND RELATIONEN 19 Die Abbildung f definiert in Beispiel 1.20 2 ist nicht injektiv (f(1) = f(3) = 1). f ist surjektiv, weil f({1, 2, 3}) = {1, 2}. Die Abbildung f : [ 1, 1] [ π/2, π/2] definiert durch f(x) = arcsin x ist bijektiv (folgt aus Trigonometrie). Definition 1.24. Seien X, Y, Z Mengen und f : X Y, g : Y Z Abbildungen. Dann heisst die Abbildung die Komposition von f und g. g f : X Z x g(f(x)) Bemerkung 1.25. Die Komposition von Abbildungen ist assoziativ, d.h. für f : X Y, g : Y Z, h: Z W gilt (h g) f = h (g f) Beweis. Für jedes x X gilt: ((h g) f)(x) = (h g)(f(x)) = h(g(f(x))) = h((g f)(x)) = (h (g f))(x). Bemerkung 1.26. Die Komposition von Abbildungen ist nicht kommutativ. Z.B. Seien f : R R x x + 1, g : R R x 2x + 1 Es gilt (f g)(x) = f(2x + 1) = 2x + 2 und (g f)(x) = g(x + 1) = 2x + 3. Definition 1.27. Für eine Menge X heisst f : X X x x die identische Abbildung, bezeichnet mit id X. Mit Hilfe der identischen Abbildung werden wir eine Charakterisierung der bijektiven Abbildungen geben (Siehe Aufgabe 1.13). 1.3.2 Relationen Für zwei gegebene Mengen A und B bezeichnet eine Relation R zwischen A und B eine Teilmenge des kartesischen Produkts A B: R A B = {(a, b) a A, b B}. Definition 1.28. Sei X eine Menge. Eine Relation R X X auf X heisst Äquivalenzrelation, wenn für alle x, y, z X gilt

20 KAPITEL 1. EINFÜHRUNG IN DIE LINEARE ALGEBRA 1. (x, x) R; (reflexiv) 2. x, y X gilt (x, y) R (y, x) R; (symmetrisch) 3. (x, y), (y, z) R (x, z) R; (transitiv) Für x 1, x 2 X schreibt man oft x 1 x 2 statt (x 1, x 2 ) R. Beispiel 1.29. 1. Sei X eine beliebige Menge. Die Relation x y x = y ist eine Äquivalenzrelation. 2. Sei X = Z. Die Relation x y (x y ist gerade) ist eine Äquivalenzrelation. 3. Sei X = {p p ist eine Aussage}. Die Relation x y (x ist äquivalent zu y) ist eine Äquivalenzrelation. 4. Seien X, Y Mengen. Sei f : X Y eine Abbildung. Die Relation x 1 x 2 f(x 1 ) = f(x 2 ) ist eine Äquivalenzrelation. Ist auf einer Menge X eine Äquivalenzrelation definiert, betrachtet man für x X die Menge A x := {y X x y}. A x ist eine Untermenge von X und heisstäquivalenzklasse von x. Bemerkung 1.30. Für x, y X gilt: 1. A x = A y x y; 2. Entweder ist A x = A y oder A x A y =. (Es gibt keine andere Möglichkeit!) Beweis. Wir beweisen zuerst 1. Annahme: x y. Sei z ein beliebiges Element von A x. Dann gilt z x und gemäss Annahme auch x y. Mit der Transitivität von haben wir z y. Also z A y. Daher A x A y (weil z ein beliebiges Element von A x ist). Ähnlich beweisen wir A y A x, also A x = A y. Da y A y = A x folgt y x. Jetzt beweisen wir 2. Sei A x A y. Es folgt, dass es ein z A x A y gibt. Also z x und z y. Daher x y (Transitivität), woraus mit 1 folgt A x = A y. Die Äquivalenzklassen von X bezüglich betrachtet man nun als Elemente einer neuen Menge X/.

1.3. ABBILDUNGEN UND RELATIONEN 21 Beispiel 1.31. Sei m N. Wir definieren eine Äquivalenzrelation auf Z durch x y genau dann wenn gilt m teilt y x. Man schreibt auch x y mod m wenn x y. Die Äquivalenzklasse eines Elements n Z ist A n = {n + km k Z}. Oft schreibt man hier n anstatt A n. Die Klasse n wird Restklasse von n modulo m genannt. In der Tat kann man durch Division mit Rest zeigen, dass es für jedes n Z ein 0 r < m gibt, so dass n = r. Also Z/ = { 0, 1,..., m 1 }. Diese Menge ist auch mit Z/mZ bezeichnet. Aufgaben Aufgabe 1.12. Seien A, B zwei Mengen und f : A B eine Abbildung. Seien X 1, X 2 P(A) und Y 1, Y 2 P(B). Beweisen Sie 1. f(x 1 X 2 ) f(x 1 ) f(x 2 ); 2. f(x 1 X 2 ) = f(x 1 ) f(x 2 ); 3. f(x 1 \ X 2 ) f(x 1 ) \ f(x 2 ); 4. f 1 (Y 1 Y 2 ) = f 1 (Y 1 ) f 1 (Y 2 ); 5. f 1 (Y 1 Y 2 ) = f 1 (Y 1 ) f 1 (Y 2 ); 6. f 1 (Y 1 \ Y 2 ) = f 1 (Y 1 ) \ f 1 (Y 2 ); Geben Sie Beispiele, bei denen in 1 und/oder 3 die Gleichheit nicht gilt. Aufgabe 1.13. Zeigen Sie, dass gilt: f : X Y ist bijektiv g : Y X mit g f = id X und f g = id Y. (Ein solches g wird inverse Abbildung genannt und man sagt, dass f invertierbar ist.) Aufgabe 1.14. Beweisen Sie, dass die folgende Abbildung invertierbar ist: Bestimmen Sie die inverse Abbildung. f : R \ {1} R \ {2}, x 2x + 1 x 1 Aufgabe 1.15. Sei X eine endliche Menge. Sei f : X X eine Abbildung. Beweisen Sie, dass die folgenden Aussagen äquivalent sind: 1. f ist injektiv; 2. f ist surjektiv; 3. f ist bijektiv.

22 KAPITEL 1. EINFÜHRUNG IN DIE LINEARE ALGEBRA Aufgabe 1.16. Sei X eine endliche Menge und A eine Teilmenge von X. Sei f : A X eine Bijektion. Beweisen Sie, dass A = X. Was könnten Sie sagen, wenn X unendlich wäre? Aufgabe 1.17. Sei X eine nichtleere Menge. Sei f : X P(X) die Abbildung definiert durch x X \ {x}. Beweisen Sie, dass f injektiv, aber nicht surjektiv ist. Aufgabe 1.18. ( ) Beweisen Sie, dass es für jede Menge X keine Bijektion gibt. f : X P(X) Aufgabe 1.19. Beweisen Sie, dass die Relationen in Beispiel 1.29 Äquivalenzrelationen sind. Aufgabe 1.20. Sei X eine Menge. Eine Partition P ist eine Teilmenge der Potenzmenge P(X), deren Elemente nichtleere Teilmengen von X sind, sodass jedes Element von X in genau einem Element von P enthalten ist. Sei A die Menge aller Äquivalenzrelationen auf X und B die Menge aller Partitionen von X. Beweisen Sie, dass A in Bijektion zu B steht. Aufgabe 1.21. ( ) Seien A, B zwei nichtleere Mengen. Zeigen Sie: Wenn es eine injektive Abbildung f : X Y und eine injektive Abbildung g : Y X gibt, dann gibt es eine Bijektion zwischen X und Y. 1.4 Ringe und Körper 1.4.1 Ringe Definition 1.32. Eine Menge R zusammen mit zwei Verknüpfungen heisst Ring, wenn gilt +: R R R (a, b) a + b, : R R R (a, b) a b G0. Die Verknüpfung + ist kommutativ : a + b = b + a a, b R. G1. Die Verknüpfung + ist assoziativ : a + (b + c) = (a + b) + c a, b, c R. G2. ein Element 0 R R mit a+0 R = a a R. (0 R heisst Nullelement oder neutrale Element bzgl. +) G3. a R existiert b R, so dass a + b = 0 R. Das Element b heisst additives Inverse von a. R1. Die Verknüpfung ist assoziativ : a (b c) = (a b) c a, b, c R.

1.4. RINGE UND KÖRPER 23 R.2 Es gelten die Distributivgesetze, d.h a (b + c) = a b + a c, (a + b) c = a c + b c a, b, c R. Ein Ring heisst kommutativ wenn a b = b a a, b R. Ein Element 1 R R \ {0 R } heisst Einselement, wenn 1 R a = a 1 R = a a R. Um einen Ring zu definieren, braucht man ein Tripel (R, +, ), wobei R eine Menge und +, zwei Verknüpfungen auf R sind. Wenn es klar ist, welches diese zwei Verknüpfungen sind, dann schreibt man nur R statt (R, +, ). Bemerkung 1.33. Es gibt nur ein Nullelement und es gilt Ferner, wenn R ein Einselement hat, ist es eindeutig. 0 R a = a 0 R = 0 R a R. (1.4) Beweis. Eindeutigkeit von 0 R. Seien 0 a, 0 b zwei Nullelemente von R. Es gilt: 0 a = 0 a + 0 b = 0 b. Eindeutigkeit von 1 R. Seien 1 a, 1 b zwei Einselemente von R. Es gilt: Beweis von (1.4): 1 a = 1 a 1 b = 1 b. 0 R a = (0 R + 0 R ) a = 0 R a + 0 R a. Also folgt 0 R = 0 R a. Änlich beweist man a 0 R = 0 R. Beispiel 1.34. Die folgenden Beispielen sind Ringe: 1. R = {0 R }; 2. R = {0 R, 1 R }; 3. Z, Q, R mit den üblichen Verknüpfungen + und ; 4. Sei X eine beliebige Menge. Sei R = {f : X R fabbildung} mit (f + g)(x) = f(x) + g(x), (f g)(x) = f(x) g(x) f, g R, x X. Wir werden in den folgenden Kapiteln Beispiele von nicht kommutativen Ringen sehen. Definition 1.35. Sei R ein Ring. x R heisst Links bzw. Rechtsnullteiler, falls x 0 R und y R mit y 0 R und x y = 0 R bzw. y x = 0 R. Falls R kommutativ ist, so nennt man so ein x Nullteiler. Ein kommutativer Ring mit Einselement, der kein Nullteiler hat, heisst Integritätsbereich. Ein Element x 0 R ist kein Links bzw. Rechtsnullteiler wenn die Implikation x y = 0 R (bzw. y x = 0 R ) y = 0 R gilt. Im nächsten Abschnitt werden wir Beispiele von Integritätsbereichen sehen. Wir werden auch Beispiele von Ringen mit Nullteiler betrachten.

24 KAPITEL 1. EINFÜHRUNG IN DIE LINEARE ALGEBRA 1.4.2 Wichtiges Beispiel Division mit Rest: Für jedes a, b Z mit b 0 gibt es ein q, r Z mit a = b q + r und 0 r < b. ( b bezeichnet den Betrag von b) Für ein m N 0, sei mz = {m n n Z} die Menge der Vielfachen von m. Für a, b Z, sei ggt(a, b) der grösste gemeinsame Teiler von a und b. Satz 1.36. Seien a, b Z \ {0} und m = ggt(a, b). Es gilt Beweis. Zuerst beweisen wir, dass ein n N existiert s.d. az + bz = mz. (1.5) az + bz = nz. (1.6) Dann zeigen wir n = ggt(a, b). Behauptung 1: n N mit (1.6) wahr. Beweis der Behauptung 1 : Sei n die kleinste Zahl in N, die in az + bz enthalten ist. Seien i, j Z mit a i + b j = n. Dann n c = a i c + b j c az + bz c Z. Daher folgt az + bz nz. Sei d / nz. O.B.d.A. nehmen wir d > 0 an. Wir wollen zeigen, dass d / az + bz. Bei der Division mit Rest q, r Z mit 0 < r < n und d = q n + r (r 0 weil d / nz). Wenn d az + bz folgt r = d q n az + bz (da az + bz nz). Aber dies widerspricht der Minimalität von n als kleinste natürliche Zahl in az + bz. Das endet den Beweis der Behauptung 1. Behauptung 2: Die Zahl n in (1.6) ist gleich ggt(a, b). Beweis der Behauptung 2 : Der gösste gemeinsame Teiler ggt(a, b) von zwei Zahlen a, b Z \ {0} ist bestimmt durch die zwei folgenden Bedingungen: ggt(a, b) ist ein ganzer positiver Teiler von a und b; jeder andere gemeinsame Teiler von a und b teilt auch ggt(a, b). Diese zwei Eigenschaften bestimmen den ggt(a, b). Also muss man zeigen, dass n die zwei obigen Bedingungen erfüllt. Da (1.6) gilt, folgt a, b nz. Also ist n ein gemeinsamer Teiler von a und b. Sei t ein gemeinsamer Teiler von a und b. Wie schon bemerkt i, j Z mit n = a i + b j. Also ist t auch ein Teiler von n. Wir haben bewiesen, dass n = ggt(a, b). Bemerkung 1.37. Wenn a = b = 0, folgt 0Z + 0Z = 0Z. Wenn a = 0 und b 0, gilt ggt(a, b) = b. So ist (1.5) mit m = ggt(a, b) trivialweise wahr. Korollar 1.38. Sei p eine Primzahl und a, b Z mit p a b. Dann gilt p a oder p b.

1.4. RINGE UND KÖRPER 25 Beweis. Wenn a b = 0 gibt es nichts zu zeigen, weil entweder a = 0 oder b = 0 und jede Zahl teilt 0. Wenn p a, gibt es ebenfalls nichts zu zeigen. Sei p a, da p Primzahl ist, folgt ggt(a, p) = 1. Gemäss Satz 1.5 i, j Z mit a i+p j = 1. Also b = a b i+p b j. Daher p b, weil p a b. Sei m N grösser als 1 und Z/mZ = {0, 1,..., m 1} die Menge vom Beispiel 1.31. Wir werden zwei Verknüpfungen + und auf Z/mZ definieren. Seien n, m Z dann gilt Z. B. Sei m = 3. Es gilt und z. B. n + m = n + m, n m = n m. (1.7)... 3 = 0 = 3 = 6...,... 2 = 1 = 4 = 7...,... 1 = 2 = 5 = 8..., 2 + 14 = 2 + 2 = 4 = 1, 2 14 = 2 2 = 4 = 1. Weil (Z, +, ) ein Ring ist, folgt dass (Z/mZ, +, ) auch ein Ring ist. Das Element 0 ist das Nullelement von Z/mZ und 1 ist das Einselement von Z/mZ. Beispiel 1.39. Sei m = 2. Die additive Tabelle und die multiplikative Tabelle sind folgende: + 0 1 0 0 1 1 1 0, 0 1 0 0 0 1 0 1 Sei m = 4. Die additive Tabelle und die multiplikative Tabelle sind folgende: + 0 1 2 3 0 0 1 2 3 1 1 2 3 0 2 2 3 0 1 3 3 0 1 2, 0 1 2 3 0 0 0 0 0 1 0 1 2 3 2 0 2 0 2 3 0 3 2 1 Satz 1.40. Sei m N. Es gilt Z/mZ Integritätsbereich m ist eine Primzahl. Beweis. ( ) Sei m keine Primzahl. Also a, b Z mit 1 < a, b < m und m = a b. Also sind a und b beide nicht null in Z/mZ und a b = m = 0. Also sind a und b Nullteiler. Daher ist Z/mZ kein Integritätsbereich. ( ). Sei m eine Primzahl und a, b Z/mZ mit a b = 0. Dann m a b. Mit Korollar 1.38 folgt m a oder m b. Daher a = 0 oder b = 0.

Index Äquivalenzklasse, 20 Äquivalenzrelation, 19 Abbildung, 17 Additives Inverse, 22 Allquantor, 15 Bijektiv, 18 Bild, 18 De Morgansche Gesetze, 9 Definitionsmenge, 17 Durchschnitt von Mengen, 12 Einschränkung einer Abbildung, 18 Einselement, 23 Elemente einer Menge, 12 Existenzquantor, 15 Relation, 19 Relatives Komplement, 13 Restklasse, 21 Ring, 22 Surjektiv, 18 Teilmenge, 12 Umkehrabbildung, 18 Untermenge, 12 Urbild, 18 Vereinigungsmenge, 13 Zielmenge, 17 Hinreichende Bedingung, 10 Injektiv, 18 Integritätsbereich, 23 Inverse Abbildung, 21 Invertierbare Abbildung, 21 Kartesisches Produkt, 14 Kommutative Ring, 23 Komplement, 13 Komposition, 19 Menge, 12 Notwendige Bedingung, 10 Nullelement, 22 Nullteiler, 23 Potenzmenge, 14 26