Ref. iur. Sebastian Denke Fälle zum Handelsrecht WS 2014/15. Fall 1



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Transkript:

Fall 1 A betreibt eine Werkstatt mit zwei Angestellten. Er ist nicht ins Handelsregister eingetragen. Vor Vertragsschluss mit B möchte er diesen beeindrucken und gibt an, dass seine Werkstatt mit Aufträgen in Millionenhöhe fast ausgelastet sei. Seine 50 Mitarbeiter hätten bereits jetzt schon Probleme, die Flut an Aufträgen zu bewältigen. Nur ausnahmsweise könne er den Auftrag von B noch annehmen. B schließt daraufhin den Vertrag mit A. Kann sich B auf die Kaufmannseigenschaft des A berufen? B kann sich auf die Kaufmannseigenschaft des A berufen, wenn dieser entweder tatsächlich Kaufmann ist oder nach der Lehre vom Scheinkaufmann als ein solcher behandelt wird. A. Kaufmannseigenschaft des A I. Istkaufmann nach 1 HGB? A könnte Istkaufmann nach 1 HGB sein. Voraussetzung hierfür ist das Betreiben eines Handelsgewerbes. 1. Betreiben eines Gewerbes Zunächst müsste A ein Gewerbe betreiben. Ein Gewerbe ist jede selbstständige Tätigkeit, die nach außen erkennbar und auf Dauer angelegt in erkennbarer Weise mit Gewinnerzielungsabsicht (str.) und nicht als freier Beruf betrieben wird. A handelt frei von Weisungen und kann seine Arbeitszeit frei bestimmen. Er handelt mithin selbstständig, vgl. 84 I 2 HGB. Auch ist davon auszugehen, dass der Betrieb seiner Autowerkstatt auf Dauer angelegt ist und mit Gewinnerzielungsabsicht 1 erfolgt. Ferner liegt kein freier Beruf vor. Ein Gewerbe liegt somit vor. Betrieben wird ein Gewerbe, wenn die abgeschlossenen Geschäfte für und gegen den Betreibenden wirken. Auch dies ist vorliegend offensichtlich gegeben. A betreibt folglich ein Gewerbe. 2. Handelsgewerbe Allerdings muss es sich auch um ein Handelsgewerbe handeln. Ein Handelsgewerbe liegt dann vor, wenn das Unternehmen nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Hinweis: Zu beachten ist, dass das Nichtvorliegen dieser Merkmale aufgrund der Vermutung in 1 II HGB vom Gewerbetreibenden zu beweisen sind (Beweislastumkehr). Zur Bestimmung dessen ist eine Gesamtschau vorzunehmen. A betreibt lediglich eine sehr kleine Werkstatt mit nur zwei Angestellten. Es ist davon auszugehen, dass ein solches Unternehmen keinen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Ein Handelsgewerbe liegt somit nicht vor. 1 Ob die Gewinnerzielungsabsicht überhaupt konstitutives Merkmal des Gewerbebegriffs ist, muss an dieser Stelle nicht diskutiert werden, da das Merkmal unzweifelhaft gegeben ist. 1

3. Zwischenergebnis Es mangelt an einem Handelsgewerbe. A ist folglich kein Istkaufmann nach 1 HGB. II. Kannkaufmann, 2 HGB A könnte jedoch Kaufmann nach 3 2 HGB sein. Voraussetzung hierfür ist jedoch die Eintragung in das Handelsregister. Diese ist vorliegend nicht erfolgt. A ist damit auch kein Kaufmann nach 2 HGB. III. Zwischenergebnis Weitere gesetzliche Tatbestände, die die Kaufmannseigenschaft des A begründen könnten, scheiden evident aus. A ist daher tatsächlich kein Kaufmann. B. Lehre vom Scheinkaufmann Jedoch könnte A nach der Lehre vom Scheinkaufmann so behandelt werden, als ob er Kaufmann sei. Voraussetzung hierfür ist, dass A kein Kaufmann kraft Fiktion nach 5 HGB ist, er in zurechenbarer Weise einen Rechtsscheintatbestand gesetzt hat und B hinsichtlich dessen schutzwürdig ist. I. Kein Kaufmann kraft Fiktion nach 5 HGB Da die Firma des A nicht in das Handelsregister eingetragen ist, scheidet eine Anwendung des 5 HGB aus. II. Rechtsscheintatbestand Ferner müsste A einen Rechtsscheintatbestand gesetzt haben. A gab vor, 50 Mitarbeiter zu beschäftigen und Aufträge in Millionenhöhe bewältigen zu müssen. Damit suggerierte er das Betreiben eines Handelsgewerbes. A hat somit einen Rechtsscheintatbestand gesetzt. III. Zurechenbarkeit An der Zurechenbarkeit des Rechtsscheins bestehen keine Zweifel. Hinweis: Dieses Merkmal ist dann besonders problematisch (und damit erläuterungsbedürftig), wenn ein Dritter den Rechtsschein gesetzt hat. In diesen Fällen muss sich derjenige, dessen Kaufmannseigenschaft fingiert werden soll, den Rechtsschein zu Eigen machen. IV. Schutzwürdigkeit des B Auch müsste B schutzwürdig sein. Hieran fehlt es, wenn B nicht gutgläubig war oder der Rechtsschein nicht kausal für das Vertrauen war. Für beides fehlen hier Anhaltspunkte. Von der Schutzwürdigkeit des B ist daher auszugehen. V. Zwischenergebnis A muss sich nach der Lehre vom Scheinkaufmann wie ein Kaufmann behandeln lassen. C. Gesamtergebnis B kann sich auf die Kaufmannseigenschaft des A berufen. 2

Fall 2 Landwirt M besitzt einen großen Hof und ca. 60 Hektar Land. Die Bewirtschaftung lässt sich nur mit einem erheblichen Auffand bewältigen, insb. ist eine umfangreiche Buchführung notwendig. Um im Dorf angeben zu können, lässt sich M in das Handelsregister eintragen. Nach einiger Zeit stellt er jedoch fest, dass das HGB doch sehr hart sei und möchte daher wieder aus dem Handelsregister gelöscht werden. M müsste die Löschung seiner Firma aus dem Handelsregister beantragen. Hinweis: Aufgrund des 3 I HGB ist M nicht schon Kaufmann nach 1 HGB! Fraglich ist jedoch, ob das Registergericht seinem Löschungsantrag stattgeben wird. M betreibt ein landwirtschaftliches Unternehmen, sodass 3 HGB einschlägig ist. Dieser verweist auf 2 HGB. Nach 2 S. 3 HGB findet eine Löschung der Firma auch auf Antrag des Unternehmers statt. Jedoch gilt dieser Verweis nur unter der Maßgabe, dass der Betrieb des M ein Kleingewerbe ist. Handelt es sich hingegen um ein Handelsgewerbe, so richtet sich die Löschung der Firma nach den allgemeinen Vorschriften. M bewirtschaftet einen sehr großen Hof. Außerdem ist eine umfangreiche Buchführung notwendig. Dies spricht dafür, dass M ein Handelsgewerbe betreibt. Die Löschung der Firma aus dem Handelsregister richtet sich daher nach den allgemeinen Vorschriften, also insb. 31 II HGB. Dessen Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor, sodass das Registergericht dem Antrag des M nicht stattgeben wird. Fall 3 Herr Meier, Herr Müller und Herr Kornhammer haben 2008 eine Blumengroßhandel-oHG gegründet. Da die Namen Müller und Meier sehr häufig sind, überredeten sie Herrn Kornhammer seinen Namen für die ohg zur Verfügung zu stellen. Nach anfänglichem Zögern willigt Herr Kornhammer ein, woraufhin die Firma Kornhammer-Blumen, ohg in das Handelsregister eingetragen wird. In den folgenden Jahren lief das Geschäft sehr gut und wurde weit über die Stadt hinaus bekannt. Im Jahre 2012 zerstritten sich die drei Gesellschafter und Herr Kornhammer schied aus der ohg aus. Die anderen beiden wollten den Betrieb unter dem bisherigen Namen weiterführen, weil sie aufgrund des Bekanntheitsgrades mit Umsatzeinbußen rechneten, wenn sie den Namen ändern würden. Herr Kornhammer war mit der Namensbeibehaltung nach seinem Ausscheiden nicht einverstanden. Dürfen Meier und Müller die Firma beibehalten? Fraglich ist, ob Müller und Meier die Firma Kornhammer-Blumen ohg beibehalten dürfen. A. Grundsatz der Firmenwahrheit, 18 HGB Hiergegen könnte der sog. Grundsatz der Firmenwahrheit sprechen. Nach 18 II HGB darf die Firma zum Schutz des Rechtsverkehrs keine irreführenden Angaben enthalten. Vorliegend erweckt die Firma den Anschein, dass einer der Gesellschafter Kornhammer heißt. Herr Kornhammer ist jedoch nicht mehr Gesellschafter der ohg. Nach dem Grundsatz der Firmenwahrheit wäre die Fortführung der Firma daher unzulässig. 3

B. Grundsatz der Firmenbeständigkeit, 21 ff. HGB Der Grundsatz der Firmenwahrheit wird jedoch teilweise durch den Grundsatz der Firmenbeständigkeit durchbrochen. Nach 24 I HGB darf im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters die bisherige Firma fortgeführt werden, auch wenn sie den Namen des ausgeschiedenen Gesellschafters beinhaltet. Gem. 24 II HGB bedarf es hierfür jedoch der ausdrücklichen Einwilligung des betreffenden Gesellschafters. Herr Kornhammer hat sich bei seinem Ausscheiden aus der ohg explizit gegen die weitere Verwendung seines Namens ausgesprochen. Daher mangelt es an einer Einwilligung. Denkbar wäre zwar, auf den Zeitpunkt der Gründung der ohg abzustellen, in dem Herr Kornhammer mit der Verwendung seines Namens in der ohg einverstanden war. Dies trifft jedoch auf schwerwiegende Bedenken. 24 II HGB verlangt eine ausdrückliche Einwilligung. Dies dient dazu, das allgemeine Persönlichkeitsrecht zu schützen. Eine Vorverlagerung des Betrachtungszeitpunktes würde genau diesen Schutzzweck negieren. Daher liegt keine wirksame Einwilligung vor. 24 HGB ist daher nicht einschlägig. C. Ergebnis Müller und Meier dürfen die Firma nicht fortführen. Fall 4 R verkauft dem S, der sein Unternehmen unter der Firma Schott Autohandel und Werkstatt e.k. führt, 3 Neuwagen im Wert von 60.000. Die Autos werden übergeben, die Zahlung erfolgt allerdings noch nicht. Zwei Monate später veräußert S sein gesamtes Handelsgeschäft an M, der das Geschäft des S unter der Bezeichnung Schott Autohandel und Werkstatt e.k., Inh. Meier weiter führt. Von wem kann R Zahlung der 60.000 verlangen? A. Anspruch des R gegen S aus 433 II BGB R könnte einen Anspruch auf Zahlung der 60.000 gem. 433 II BGB haben. Voraussetzung hierfür ist zunächst das Vorliegen eines wirksamen Kaufvertrages zwischen R und S. Hieran besteht nach den Angaben im Sachverhalt kein Zweifel. Fraglich ist allerdings, ob die Veräußerung des Handelsgeschäfts an M zur Folge hat, dass R die Kaufpreiszahlung nur noch von diesem verlangen kann, S mithin nun nicht mehr passivlegitimiert ist. Dies ist zu verneinen. Denn 25, 26 HGB ordnen die Haftung des Erwerbers und des Veräußerers als Gesamtschuldner an. Die Vorschriften bewirken also gerade keine gesetzliche Schuldübernahme, sondern einen gesetzlichen Schuldbeitritt. R kann daher die Zahlung der 60.000 von S verlangen. B. Anspruch des R gegen M aus 433 II BGB, 25 I 1 HGB Ferner könnte R ein Anspruch auf Zahlung der 60.000 gem. 433 II BGB, 25 I 1 HGB gegen M zustehen. Gem. 25 I 1 HGB haftet der Unternehmenserwerber für alle im Betrieb des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten, wenn das Handelsgeschäft unter Lebenden erworben wurde und die Firma mit oder ohne Beifügung eines Nachfolgezusatzes fortgeführt wird. Vorliegend hat M das Handelsgeschäft des R unter Lebenden erworben. Auch führte M die Firma fort. Dabei ist es irrelevant, dass M einen Nachfolgezusatz angefügt hat. Folglich hat R einen Anspruch auf Zahlung der 60.000 gem. 433 II BGB, 25 I 1 HGB gegen M. 4

Abwandlung S veräußert sein Unternehmen nicht, sondern will es erweitern. Zu diesem Zweck gründet S zusammen mit M eine ohg mit der Firma Schott und Schneider ohg. Dabei vereinbaren beide, dass die ohg für frühere Verbindlichkeiten des S nicht haften soll. Kann R von der ohg die Zahlung der 60.000 verlangen? Anspruch des R gegen die ohg gem. 433 II BGB, 28 I HGB R könnte einen Anspruch auf Zahlung der 60.000 gegen die ohg gem. 433 II BGB, 28 I HGB haben. Fraglich ist allein die Haftung der ohg. Gem. 28 I HGB haftet eine Gesellschaft für die Verbindlichkeiten eines Einzelkaufmanns, wenn dieser als persönlich haftender Gesellschafter oder als Kommanditist in die Gesellschaft eintritt. Vorliegend besteht eine Verbindlichkeit des S ( 433 II BGB). Ferner ist S als persönlich haftender Gesellschafter in eine ohg eingetreten. Damit besteht grds. ein Anspruch des R gegen die ohg aus 433 II BGB, 28 I HGB. Fraglich ist allerdings, ob dieser Anspruch wirksam durch die Vereinbarung zwischen M und S ausgeschlossen wurde. 28 II HGB bestimmt, dass eine abweichende Vereinbarung (also der Haftungsausschluss) Dritten gegenüber nur wirksam ist, wenn sie in das Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht oder von einem Gesellschafter dem Dritten mitgeteilt worden ist. Der Haftungsausschluss wurde weder in das Handelsregister eingetragen, noch wurde er dem R bekannt gemacht. Damit entfaltet er diesem gegenüber keine Wirkung. Somit hat R einen Anspruch auf Zahlung der 60.000 gegen die ohg gem. 433 II BGB, 28 I HGB. Fall 5 M, Inhaberin der Textilfabrik Meier Moden hat den Designer D engagiert, um neue Sommerkleider zu entwerfen. Dafür möchte sie ihm 15.000 zahlen. Kurz darauf bringt M ihr Unternehmen in die bereits bestehende A-GmbH ein, woraufhin die Textilfabrik in Modern Fashion umbenannt wird. Von wem kann D Zahlung der 15.000 verlangen? A. Anspruch des D gegen M aus 631 I BGB D könnte einen Anspruch auf Zahlung des Werklohnes i.h.v. 15.000 gem. 631 I BGB gegen M haben. Voraussetzung hierfür ist zunächst der Abschluss eines wirksamen Werkvertrages. D und M haben sich darüber geeinigt, dass D eine neue Kollektion an Sommerkleidern entwirft. Hierbei kam es den Parteien entscheidend auf den Erfolg an, es war nicht nur lediglich ein Bemühen geschuldet. Somit haben M und D einen Werkvertrag geschlossen. Rechtshindernde oder rechtsvernichtende Einwendungen sind nicht ersichtlich. Ferner müsste die Werklohnforderung auch fällig sein. Fälligkeit tritt im Werkvertragsrecht grds. mit der Abnahme ein, 640 BGB. Abnahme meint die Billigung des Werkes durch den Besteller als im Wesentlichen vertragsgemäß. Mangels gegenteiliger Angaben im Sachverhalt ist davon auszugehen, dass M das Werk des D auch abgenommen hat. Damit besteht ein Anspruch des D gegen M aus 631 I BGB auf Zahlung des Werklohns i.h.v. 15.000. 5

B. Anspruch des D gegen die A-GmbH aus 631 I BGB i.v.m. 28 I 1 HGB Ferner kommt ein Anspruch des D gegen die A-GmbH aus 631 I BGB i.v.m. 28 I 1 HGB in Betracht. Tritt jemand als persönlich haftender Gesellschafter oder als Kommanditist in das Geschäft eines Einzelkaufmanns ein, so haftete die Gesellschaft, auch wenn sie die frühere Firma nicht fortführt, für alle im Betrieb des Geschäfts entstandenen Verbindlichkeiten des früheren Geschäftsinhabers. Eine Verbindlichkeit des früheren Geschäftsinhabers besteht (siehe oben). Allerdings liegt im vorliegenden Fall kein Eintritt in ein einzelkaufmännisches Unternehmen vor. 28 HGB erfasst den Fall, dass aus dem zuvor einzelkaufmännischen Unternehmen eine ohg oder KG wird. Hier hat M ihr Unternehmen allerdings in eine GmbH eingebracht. 28 HGB schiedet als Haftungsgrund also aus. C. Anspruch des D gegen die A-GmbH aus 631 I BGB i.v.m. 25 I 1 HGB Allerdings käme eine Haftung der A-GmbH für die Werklohnverbindlichkeit der M aus 25 I 1 HGB in Betracht. Problematisch ist jedoch die von 25 I 1 HGB vorausgesetzte Firmenfortführung. M firmierte bis zur Einbringung ihres Unternehmens in die A-GmbH unter Meier Moden. Die A-GmbH führt das Handelsgeschäft nun unter der Firma Modern Fashion fort. Es mangelt daher an der notwenigen Firmenfortführung. Daher kommt auch eine Haftung aus 25 I 1 HGB nicht in Betracht. D. Gesamtergebnis D hat einen Anspruch gegen M aus 631 I BGB. Ansprüche gegen die A-GmbH bestehen nicht. Abwandlung M schließt sich mit der A-GmbH zusammen. Gemeinsam wird eine Personengesellschaft gegründet, die A-GmbH & Co. KG. M ist als Kommanditistin beteiligt. D verlangt nun sowohl von der KG als auch von der GmbH Zahlung der 15.000. Zu Recht? A. Anspruch des D gegen die A-GmbH & Co. KG aus 631 I BGB i.v.m. 28 I 1 HGB D könnte einen Anspruch gegen die A-GmbH & Co. KG auf Zahlung des Werklohns i.h.v. 15.000 gem. 631 I BGB i.v.m. 28 I 1 HGB haben. Bei der Werklohnforderung handelt es sich um eine Geschäftsverbindlichkeit des früheren Inhabers (M). Auch ist die A-GmbH als persönlich haftender Gesellschafter (als Komplementär) in das einzelkaufmännische Unternehmen der M eingetreten, sodass eine KG entstand. Gegenrechte sind nicht ersichtlich. Daher besteht der Anspruch des D gegen die A-GmbH & Co. KG. B. Ansprüche gegen die A-GmbH Fraglich ist, ob D darüber hinaus auch noch Ansprüche gegen die A-GmbH zustehen. Ein Anspruch aus 631 I BGB i.v.m. 25 I 1 HGB schiedet evident aus, da keine Übernahme eines Unternehmens vorliegt. Auch 28 I HGB kommt als Haftungsgrund nicht in Betracht, da die Norm nur die Haftung der Gesellschaft (also der KG) und nicht die der Gesellschafter anordnet. Möglich wäre allerdings eine Haftung der A-GmbH aus 161 II, 128 HGB. Ob eine persönliche Haftung der Gesellschafter (hier also der A-GmbH) neben derjenigen der Gesellschaft in Frage 6

kommt, wenn es um die Haftung für Altverbindlichkeiten des früheren Geschäftsinhabers geht, ist umstritten. Hierbei handelt es sich um eine Problematik, die an 128 HGB anknüpft. Denn diese Norm betrifft zunächst einmal nur Verbindlichkeiten, die nach Eintritt in die Gesellschaft bzw. nach ihrer Gründung entstanden sind. Daher wird teilweise eine persönliche Haftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten des früheren Inhabers abgelehnt. Dem ist allerdings mit der h.m. entgegenzuhalten, dass die Haftung nach 28 HGB zwar Verbindlichkeiten betrifft, die vor der Entstehung der Gesellschaft entstanden sind, jedoch selbst erst dann entsteht, nachdem der Eintretende bereits Gesellschafter geworden ist. Folgt man dem, so wäre ein Anspruch des D gegen die A-GmbH aus 161 II, 128 HGB zu bejahen. (Eine andere Ansicht ist selbstverständlich ebenso gut vertretbar) Achtung: In diesem Kontext bedeutet persönliche Haftung der Gesellschafter die Haftung der GmbH und NICHT die Haftung der GmbH-Gesellschafter! Fall 6 W ist Inhaber eines Blumenhandels. Als er stirbt, erbt L diesen als Alleinerbin. L übernimmt zunächst das Geschäft, veräußert es aber nach zweieinhalb Monaten gewinnbringend inklusive Firma an Z. Nachdem dies geschehen ist, nimmt Altgläubiger X die L gemäß 27 HGB auf Zahlung von 1.000 in Anspruch. Zu Recht? Anspruch des X gegen L aus 433 II BGB i.v.m. 27 I, 25 HGB X könnte einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung gegen L gem. 433 II BGB i.v.m. 27 I, 25 HGB haben. Gem. 27 I HGB findet 25 HGB entsprechende Anwendung, wenn ein zum Nachlass gehörendes Handelsgeschäft von dem Erben fortgeführt wird. Vorliegend ist L Erbin geworden ( 1922 BGB). Insb. hat sie nicht die Erbschaft ausgeschlagen. Auch hat sie zunächst das Handelsunternehmen fortgeführt. Daher ist grds. 25 HGB entsprechend anzuwenden, wonach L für die Verbindlichkeit des W aus 433 II BGB gegenüber X haften müsste. Allerdings bestimmt 27 II HGB, dass die unbeschränkte Haftung nach 25 HGB nicht eintritt, wenn die Fortführung des Geschäfts vor dem Ablauf von drei Monaten nach dem Zeitpunkt, in welchem der Erbe von dem Anfall der Erbschaft Kenntnis erlangt hat, eingestellt wird. Hier hat L die Fortführung des Handelsgeschäfts nach 2 Monaten eingestellt. Allerdings geht die h.m. davon aus, dass eine bloße Weiterveräußerung des Unternehmens nicht ausreicht, um das Merkmal der Einstellung zu erfüllen. Die Vorschrift schütze Haftungserwartungen des Rechtsverkehrs. Daher sei es notwendig, klar nach außen erkennbar zu verdeutlichen, dass der Geschäftsbetrieb eingestellt wurde. Dies sei nur durch eine tatsächliche Aufgabe des Geschäftsbetriebes möglich und gerade nicht durch eine bloße Weiterveräußerung des Unternehmens. Folgt man dem, so wäre 28 II HGB nicht einschlägig und 25 HGB uneingeschränkt anwendbar. Schließlich fordert die h.m. noch die Fortführung der Firma. Dies stellt im vorliegenden Fall kein Problem dar. X hat daher einen Anspruch gegen L gem. 433 II BGB i.v.m. 27 I, 25 HGB. 7

Fall 7 Der Gesellschafter C der A, B & C ohg scheidet aus der Gesellschaft aus, ohne dass dies in das Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht wird. Gläubiger G nimmt C wegen einer nach seinem Ausscheiden durch die verbleibenden Gesellschafter A und B im Namen der A, B & C ohg begründeten Kaufpreisschuld der Gesellschaft in Anspruch. Mit Erfolg? Anspruch des G gegen C aus 433 II BGB, 124 I, 128 HGB G könnte gegen C einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung gem. 433 BGB, 124 I, 128 HGB haben. Voraussetzung hierfür ist das Bestehen einer Gesellschaftsschuld und die persönliche Haftung des C. A. Verbindlichkeit der Gesellschaft, 124 I HGB Zunächst müsste eine wirksame Gesellschaftsverbindlichkeit bestehen. In Frage kommt eine Kaufpreisschuld der ohg nach 433 II BGB. Voraussetzung hierfür ist der Abschluss eines wirksamen Kaufvertrages. Da die ohg selbst keine Willenserklärung abgeben kann, muss sie durch ihre Gesellschafter handeln. Gem. 125 I HGB ist jeder Gesellschafter einer ohg zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigt, wenn nicht im Gesellschaftsvertrag etwas anderes bestimmt ist. Dnach sind sowohl A als auch B zur Vertretung ermächtigt. Diese haben nach dem Ausschieden des C die ohg wirksam vertreten. Damit liegt eine Gesellschaftsverbindlichkeit vor. B. Persönliche Haftung des C Jedoch müsste C auch persönlich für die Gesellschaftsverbindlichkeit haften, 128 HGB. Allerdings mangelt es an der notwenigen Gesellschafterstellung des C zum Zeitpunkt der Begründung der Verbindlichkeit. Jedoch könnte C auch nach seinem Ausschieden weiterhin als Gesellschafter zu behandeln sein, wenn 15 I HGB eingreift (negative Publizität des Handelsregisters). I. Vorliegen einer einzutragenden Tatsache Zunächst müsste das Ausscheiden des C aus der ohg eintragungspflichtig gewesenen sein. Dies ist gem. 143 II, I HGB der Fall. II. Keine Eintragung und Bekanntmachung Auch wurde das Ausschieden des C weder eingetragen noch bekanntgemacht. III. Handeln im Rechtsverkehr Ferner geht es vorliegend um ein Handeln im Rechtsverkehr. IV. Guter Glaube des Dritten Außerdem hatte G keine positive Kenntnis vom Ausscheiden des C. V. Zwischenergebnis Damit greift 15 I HGB ein. C ist also noch so zu behandeln, als ob er Gesellschafter sei. Damit besteht auch eine persönliche Haftung aus 128 HGB 8

C. Ergebnis G hat einen Anspruch gegen C aus 433 BGB i.v.m. 124 I, 128 HGB. Abwandlung Es ist in das Handelsregister eingetragen, dass A, B und C die ohg nur zusammen vertreten dürfen (Gesamtvertretung). Anspruch des G gegen c aus 433 II BGB, 124 I, 128 HGB G könnte einen Anspruch gegen C aus 433 II BGB, 124 I, 128 HGB haben. A. Gesellschaftsverbindlichkeit Zur Begründung einer Gesellschaftsverbindlichkeit müssten A und B die ohg wirksam vertreten haben. Im Handelsregister ist Gesamtvertretung eingetragen, d.h. die Gesellschafter konnten die ohg nur gemeinsam vertreten. A und B waren zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses die einzigen Gesellschafter der ohg, d.h. nach der tatsächlichen Rechts- und Sachlage hätten sie die ohg wirksam vertreten. Legt man allerdings die Rechtslage nach dem Inhalt des Handelsregisters zugrunde, so hätten A und B die ohg nur gemeinsam mit C vertreten können. B. Persönliche Haftung des C Genau umgekehrt verhält es sich hinsichtlich der persönlichen Haftung des C. Geht man von der tatsächlichen Rechtslage aus, so würde C nicht haften, da er zum Zeitpunkt der Begründung der Gesellschaftsverbindlichkeit kein Gesellschafter der ohg mehr war. Legt man hingegen die Rechtsund Sachlage nach dem Handelsregister zugrunde ( 15 I HGB), so wäre C noch als Gesellschafter der ohg zu behandeln (siehe oben). C. Zwischenergebnis Beruft sich G auf die tatsächliche Rechtslage, so bestände eine Gesellschaftsschuld. Jedoch würde C für diese nicht haften. Beruft sich G hingegen auf die Sach- und Rechtslage nach dem Handelsregister, so würde zwar C persönlich haften, aber es wäre keine wirksame Gesellschaftsschuld zustande gekommen. Fraglich ist daher, ob sich G hinsichtlich der Begründung der Gesellschaftsschuld auf die tatsächliche und hinsichtlich der persönlichen Haftung des C auf die Rechtslage, wie sie sich aus dem Handelsregister ergibt, berufen kann. D. Möglichkeit der Kombination zwischen wirklicher Sach- und Rechtslage und dem Registerinhalt Die Rechtsprechung und Teile der Literatur gehen davon aus, dass eine Kombination aus scheinbarer und tatsächlicher Rechtslage auch innerhalb eines einheitlichen Sachverhaltes ohne weiteres möglich ist. Zum einen beruft man sich auf den Wortlaut des 15 I HGB, der keine dahingehende Einschränkung fordert. Zum anderen entspreche es auch dem umfassenden Schutzzweck des 15 I HGB, ein entsprechendes Wahlrecht zuzulassen. Hiergegen wendet sich ein Teil der Literatur. Eine Berufung sowohl auf die tatsächliche als auch auf die scheinbare Rechtslage sei als Fall des 9

widersprüchlichen Verhaltens zu werten. Ferner würde der Dritte im Ergebnis besser stehen, als wenn die scheinbare Rechtslage der Wirklichkeit entspreche. Hierfür gebe es keinen sachlichen Grund. Folgt man der h.m., so steht dem G ein Anspruch aus 433 BGB i.v.m. 124 I, 128 HGB gegen C zu. Fall 8 Der eingetragene Kaufmann K erteilt P Prokura. Dies wird auch ordnungsgemäß in das Handelsregister eingetragen, jedoch insofern falsch bekannt gemacht, als dass B in der Bekanntmachung als Prokurist genannt wird. B schließt im Namen des K einen Kaufvertrag mit Z. Z verlangt Zahlung des Kaufpreises von K. Dieser weist ihn auf die fehlende Bevollmächtigung des B hin. Wie ist zu entscheiden? Anspruch des Z gegen K aus 433 II BGB Z könnte einen Anspruch gegen K aus 433 II BGB haben. Voraussetzung hierfür ist zunächst das Vorliegen eines wirksamen Kaufvertrages. Notwendig hierfür sind zwei korrespondierende Willenserklärungen, Angebot und Annahme, 145 ff BGB. K selbst hat keine Willenserklärung abgegeben. Jedoch könnte ihm die Willenserklärung des B zuzurechnen sein, wenn dieser ihn wirksam vertreten hat, 164 I BGB. B hat zweifellos eine eigene Willenserklärung im Namen des K abgegeben. Fraglich ist allerdings, ob er mit der nötigen Vertretungsmacht handelte. In Betracht kommt die Prokura als Sonderform der Vollmacht. K hat dem B jedoch niemals Prokura erteilt, sondern nur dem P. Fraglich ist allerdings, wie es sich auswirkt, dass B als Prokurist bekannt gemacht wurde. Gem. 15 III HGB (sog. positive Publizität des Handelsregisters) kann sich ein Dritter demjenigen gegenüber, in dessen Angelegenheit eine Tatsache einzutragen war, die unrichtig bekannt gemacht wurde, auf die bekanntgemachte Tatsache berufen, es sei denn, er kannte die Unrichtigkeit. Voraussetzung ist also zunächst das Vorliegen einer (abstrakt) eintragungspflichtigen Tatsache. Gem. 53 I HGB ist die Prokura in das Handelsregister einzutragen, wonach eine abstrakt eintragungspflichtige Tatsache vorliegt. Ferner liegt eine unrichtige Bekanntmachung vor. Auch war Z gutgläubig. Die h.m. fordert außerdem, dass derjenige, in dessen Angelegenheit die Tatsache einzutragen war, die unrichtige Bekanntmachung veranlasst haben muss. Ausreichend hierfür soll jedoch schon das Stellen eines Eintragungsantrages sein. Hiernach sei der Antragsteller verpflichtet, den Vollzug der Eintragung sowie die Bekanntmachung zu überwachen. Vorliegend hat K einen Eintragungsantrag gestellt und damit die unrichtige Bekanntmachung veranlasst. 15 III HGB ist daher einschlägig. Folglich kann sich Z darauf berufen, dass B Prokurist des K war. Somit wird die Willenserklärung des B dem K zugerechnet. Es ist ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen. Der Anspruch besteht daher. Fall 9 M bestellt S zum Prokuristen seines Betriebes. Durch ein Versehen des Registergerichts wird S als Prokurist des N eingetragen und bekannt gemacht. S schließt Verträge für N mit D. Ist N dem D aus den Verträgen verpflichtet? Fraglich ist, ob D vertragliche Ansprüche gegen den N hat. Der wesentliche Unterschied zu Fall 9 besteht hier darin, dass N noch nicht einmal einen Eintragungsantrag gestellt hat. Folglich hat er die unrichtige Bekanntmachung auch nicht veranlasst. 15 III HGB ist somit nicht einschlägig. 10

Fall 10 K, Inhaber eines Handelsgeschäfts, erteilt dem Angestellten P Prokura. Er untersagt ihm aber Verträge über den Betrag von 20.000 hinaus zu schließen. P kauft im Namen des K bei V Waren im Wert von 50.000. Muss K zahlen? Anspruch des V gegen K aus 433 II BGB V könnte einen Anspruch i.h.v. 50.000 gem. 433 II BGB gegen K haben. Voraussetzung hierfür ist der Abschluss eines wirksamen Kaufvertrages. Dieser setzt zwei korrespondierende Willenserklärungen, Angebot und Annahme ( 145 ff. BGB), voraus. K hat selbst keine Willenserklärung abgegeben. Jedoch könnte ihm die Äußerung des P zugerechnet werden, wenn dieser ihn wirksam vertreten hat, 164 I BGB. Dafür müsste P eine eigene Willenserklärung im fremden Namen mit Vertretungsmacht abgegeben haben. Unzweifelhaft hat P eine eigene Willenserklärung abgegeben. Dies geschah auch im Namen des K. Fraglich ist allerdings, ob P auch die notwendige Vertretungsmacht hatte. K könnte dem P Prokura erteilt haben. Hinsichtlich der Erteilung der Prokura wirft der Sachverhalt keinerlei Zweifelsfragen auf. Allerdings hat K dem P untersagt, Verträge über den Betrag von 20.000 hinaus zu schließen. Jedoch ist eine solche Beschränkung gem. 50 I HGB Dritten gegenüber (also im Außenverhältnis) unwirksam. Folglich handelte P mit der notwenigen Vertretungsmacht, sodass seine Willenserklärung K zugerechnet wird. Damit ist ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen. Einwendungen und Einreden sind nicht ersichtlich. Der Anspruch des V gegen K aus 433 II BGB besteht. Hinweis: 50 I HGB spricht nur vom Verhältnis zu Dritten. Im Innenverhältnis (also hier zwischen K und P) ist eine Beschränkung ohne Weiteres möglich. Überschreitet der Prokurist seine Grenzen und entsteht dem Prinzipal hierdurch ein Schaden, so kommen vertragliche Schadensersatzansprüche des Prinzipals gegen den Prokuristen in Betracht. Fall 11 Der Neffe N hilft im Geschäft seines Onkels O, der Inhaber eines Handelsgeschäfts ist, als Verkäufer aus. Der Kunde K kauft einen Drucker im Wert von 50. N kassiert das Geld und steckt es in die eigene Tasche. O verlangt von K erneut Zahlung. Zu Recht? Anspruch O gegen K aus 433 II BGB O könnte einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung i.h.v. 50 gegen K haben. A. Anspruch entstanden Voraussetzung hierfür ist der Abschluss eines wirksamen Kaufvertrages. Dieser setzt zwei korrespondierende Willenserklärungen, Angebot und Annahme ( 145 ff. BGB), voraus. O hat selbst keine Willenserklärung abgegeben. Jedoch könnte ihm die Äußerung des N zugerechnet werden, wenn dieser ihn wirksam vertreten hat, 164 I BGB. Dafür müsste N eine eigene Willenserklärung im fremden Namen mit Vertretungsmacht abgegeben haben. Unzweifelhaft hat N eine eigene Willenserklärung abgegeben. Dies geschah auch im Namen des O. Fraglich ist allerdings, ob N auch die notwendige Vertretungsmacht hatte. Explizit hat O dem N niemals Vollmacht erteilt. Allerdings könnte 56 HGB eine solche Vollmacht fingieren. Hiernach gilt derjenige, der in einem Laden oder 11

offenen Warenlager angestellt ist, als ermächtigt zu Verkäufen und Empfangnahmen, die in einem derartigen Warenlager gewöhnlich geschehen. I. Anstellung in einem offenen Warenlager oder Laden Unter einem Laden oder offenem Warenlager ist ein Geschäftsraum zu verstehen, der für das Publikum zugänglich ist und nicht notwendig dauerhaft eingerichtet ist. Eine Anstellung ist gegeben, wenn die betreffende Person mit Wissen und Wollen des Geschäftsherrn dort tätig wird. N arbeitet im Geschäft des O, das dem Publikum ohne weiteres zugänglich ist. Dies geschieht auch mit Wissen und Wollen des O. Eine Anstellung in einem Laden oder offenen Warenlager ist damit gegeben. II. Verkauf oder Empfangnahme N hat vorliegend einen Drucker an K verkauft, sodass auch dieses Merkmal vorliegt. III. Kaufmannseigenschaft des Geschäftsherrn Aus dem systematischen Zusammenhang zu 54 HGB ergibt sich ferner, dass der Geschäftsherr Kaufmann sein muss. Laut Sachverhalt betreibt O ein Handelsgeschäft. Er ist damit Istkaufmann nach 1 HGB. IV. Gutgläubigkeit des Dritten Auch war K gutgläubig. V. Zwischenergebnis Die Vollmacht des N wird durch 56 HGB fingiert. Daher wird die Willenserklärung des N dem O zugerechnet. Ein wirksmaer Kaufvetrrag ist zustande gekommen. B. Anspruch untergegangen Der Anspruch des O könnte jedoch durch Erfüllung gem. 362 BGB erloschen sein. Zwar hat K die Leistung nicht an den O bewirkt, das Geld aber an den N gezahlt. Gem. 56 HGB gilt derjenige, dessen Vollmacht fingiert wird, auch als zu Empfangnahmen ermächtigt. Damit ist Erfüllung durch die Bewirkung der Leistung an den N eingetreten. Der Anspruch ist damit untergegangen. C. Ergebnis O hat keinen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises i.h.v. 50 gem. 433 II BGB gegen K. Fall 12 Kaufmann K weiß, dass sein Angestellter häufiger als Prokurist gegenüber Dritten auftritt. Er lässt ihn gewähren, weil er ihn für geschäftstüchtig hält. Hat K wirksam Prokura erteilt? Eine wirksame Prokuraerteilung scheidet vorliegend aus, da 48 I HGB die ausdrückliche Erteilung der Prokura fordert. Eine bloße Duldungsprokura -wie im vorliegenden Fall- ist also nicht denkbar. 12

Fall 13 F hat seinem Angestellten P für seinen Fahrradgroßhandel wirksam Prokura erteilt. Als P aus dem Urlaub zurückkommt, möchte er im Verkaufsraum des Großhandels eine Imbissecke mit italienischen Spezialitäten einrichten. Er kauft hierfür im Namen des F die notwenigen Lebensmittel bei V ein. V liefert die Lebensmittel und verlangt von F Zahlung des Kaufpreises. F lehnt dies ab und trägt vor, P habe seine Kompetenzen überschritten. Zu Recht? Anspruch des V gegen F aus 433 II BGB V könnte einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung gem. 433 II BGB gegen F haben. Voraussetzung hierfür ist der Abschluss eines wirksamen Kaufvertrages. Dieser setzt zwei korrespondierende Willenserklärungen, Angebot und Annahme ( 145 ff. BGB), voraus. F hat selbst keine Willenserklärung abgegeben. Jedoch könnte ihm die Äußerung des P zugerechnet werden, wenn dieser ihn wirksam vertreten hat, 164 I BGB. Dafür müsste P eine eigene Willenserklärung im fremden Namen mit Vertretungsmacht abgegeben haben. Unzweifelhaft hat P eine eigene Willenserklärung abgegeben. Dies geschah auch im Namen des F. Fraglich ist allerdings, ob P auch die notwendige Vertretungsmacht hatte. F hat dem P hier wirksam Prokura erteilt. Gem. 49 I HGB ermächtigt die Prokura zu allen Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt. Diese Formulierung bringt zum Ausdruck, dass auch branchenübergreifende Rechtsgeschäfte mit umfasst sind. Folglich umfasst die Prokura des P auch solche Geschäfte, die nicht in einem direkten Zusammenhang mit dem gewöhnlichen Geschäftsbetrieb stehen, wohl aber mit dem Betrieb des Handelsgewerbes im Allgemeinen. Damit hat P den F wirksam vertreten. Ein Anspruch des V gegen F aus 433 II BGB besteht. Abwandlung Wie oben, nur dass F dem P Handlungsvollmacht in Form der Generalvollmacht erteilt hat. Im Gegensatz zur Prokura umfasst die Handlungsvollmacht nur solche Geschäfte, die der Betrieb eines derartigen Handelsgewerbes oder die Vornahme derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt, 54 I HGB a.e. Somit ist die Handlungsvollmacht auf branchenspezifische Geschäfte beschränkt. Die Einrichtung einer Imbissecke mit italienischen Spezialitäten ist jedoch nicht der Branche Fahrradhandel zuzuordnen. Damit hat P den F nicht wirksam vertreten. Ein Anspruch aus 433 II BGB scheidet danach aus. Fall 14 B bestellt telefonisch bei N für sein Busunternehmen drei Reisebusse, Typ Ferien zum Preis von 250.000 pro Stück. Um sich abzusichern, schickt N dem B am nächsten Morgen folgenden Brief: Unter Bezugnahme auf unser gestriges Telefonat bestätige ich Ihnen hiermit die Lieferung von drei Reisebussen, Typ Urlaub zum Preis von 260.000 pro Stück. Die Auslieferung erfolgt innerhalb der nächsten Wochen. Mit freundlichen Grüßen N. B liest das Schrieben nur flüchtig und bemerkt den Fehler des N daher nicht. Erst als die Busse mit Rechnung geliefert werden, weigert er sich insg. 780.000 zu zahlen. Zu Recht? 13

Anspruch des N gegen B aus 433 II BGB B könnte einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung i.h.v. 780.000 gem. 433 II BGB gegen B haben. Voraussetzung hierfür ist der Abschluss eines wirksamen Kaufvertrages. Problematisch ist, dass sich B und N mündlich darüber verständigt haben, über 3 Reisebusse zu einem Preis von 750.000 zu kontrahieren. Etwas anderes könnte sich allerdings aus den Grundsätzen zum kaufmännischen Bestätigungsschreiben ergeben. Liegen dessen Voraussetzungen vor, so wäre der Kaufvertrag mit dem Inhalt des Bestätigungsschreibens (3 Reisebusse Typ Urlaub zu insg. 780.000 ) zustande gekommen. I. Persönliche Eigenschaften der Beteiligten Hoch umstritten sind die Anforderungen, die an die persönlichen Eigenschaften der Beteiligten zu stellen sind. Dies kann vorliegend jedoch dahinstehen, da N und B zweifellos Kaufleute sind. II. Vorangegangene Vertragsverhandlungen Auch müssten dem Bestätigungsschreiben Vertragsverhandlungen vorausgegangen sein. N und B haben sich zuvor telefonisch verständigt und damit Vertragsverhandlungen geführt. III. Schweigen des Empfängers Ferner dürfte B dem Schreiben nicht unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, widersprochen haben. B hat das Schreiben nur flüchtig gelesen und sich daher nicht umgehend bei N gemeldet, um den Fehler anzuzeigen. Folglich hat B dem Schrieben auch nicht unverzüglich widersprochen. IV. Schutzwürdigkeit des Bestätigenden Anhaltspunkte für eine mangelnde Schutzwürdigkeit des N sind nicht ersichtlich. V. Rechtsfolge Die Voraussetzungen des kaufmännischen Bestätigungsschreibens liegen vor. Dieses entfaltet hier konstitutive Wirkung, d.h. der Kaufvertrag ist mit dem Inhalt des Bestätigungsschreibens zustande gekommen. VI. Ergebnis N hat einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung i.h.v. 780.000 gegen B aus 433 II BGB. Abwandlung In seinem Schreiben bestätigt N allerdings noch die Lieferung von drei passenden Anhängern. Jedoch hatte B bei den Verhandlungen ausdrücklich ein derartiges Angebot abgelehnt. Haben B und N einen Kaufvertrag über die Anhänger geschlossen? In diesem Fall stellt sich das Merkmal der Schutzwürdigkeit des Bestätigenden als problematisch dar. Hieran fehlt es u.a. dann, wenn das Schreiben so weit von den ursprünglichen Vertragsverhandlungen abweicht, dass der Bestätigende verständlicherweise nicht mit dem Einverständnis des Empfängers rechnen kann. Hier hat N in seinem Schrieben noch die Lieferung von 3 Anhängern bestätigt, obwohl B dies in den Vertragsverhandlungen ausdrücklich abgelehnt hatte. 14

Damit liegt eine erhebliche Abweichung von den ursprünglichen Vertragsverhandlungen vor, sodass es an der Schutzwürdigkeit des N mangelt. Fall 15 A ist Alleingesellschafter der X-GmbH, deren Gewerbe im An- und Verkauf von Autoersatzteilen besteht. Am 22.10.2014 schließt A im Namen der X-GmbH mit der Y-GmbH telefonisch einen Kaufvertrag über die Lieferung mehrerer Motorersatzteile. Da der Geschäftsführer (G) der Y-GmbH Zweifel an der Liquidität der X-GmbH hat, fordert er eine Bürgschaft zur Sicherung der Kaufpreisforderung der Y-GmbH. A bekundet daraufhin im gleichen Telefonat, dass er sich für die Schuld der X-GmbH selbstschuldnerisch verbürge. Mit Recht? Anspruch der Y-GmbH gegen A aus 765 I BGB Die Y-GmbH könnte einen Anspruch gegen A aus 765 I BGB haben. A. Vorliegen einer Hauptverbindlichkeit Die Bürgschaft ist ein sog. akzessorisches Sicherungsrecht, d.h. es muss stets eine wirksame Hauptverbindlichkeit vorliegen, die durch die Bürgschaft gesichert werden soll. Hier liegt eine wirksame Forderung der Y-GmbH gegen die X-GmbH aus 433 II BGB vor. Eine Hauptverbindlichkeit ist damit gegeben. B. Wirksamer Bürgschaftsvertrag Ferner müsste ein wirksamer Bürgschaftsvertrag zwischen dem A und der X-GmbH zustande gekommen sein. Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit des Bürgschaftsvertrages bestehen allein im Hinblick auf eine evtl. Formnichtigkeit. Gem. 766 S. 1 BGB ist die Bürgschaftserklärung schriftlich zu erteilen. A hat sich im vorliegenden Fall jedoch nur mündlich verbürgt, sodass von der Nichtigkeit des Vertrages gem. 125 S. 1, 766 BGB auszugehen wäre. Etwas anderes würde jedoch dann gelten, wenn 350 HGB eingreift, wonach die Schriftform der Bürgschaftserklärung entbehrlich ist, wenn die Bürgschaft auf Seiten des Bürgen ein Handelsgeschäft darstellt. Voraussetzung hierfür ist zunächst die Kaufmannseigenschaft des A. A ist Alleingesellschafter der X-GmbH. Die X-GmbH ist zweifelsohne Kaufmann, 13 III GmbHG i.v.m. 6 HGB. Dies gilt jedoch nicht für die Gesellschafter der GmbH. A ist also kein Kaufmann. 350 HGB wäre demnach nicht einschlägig und der Bürgschaftsvertrag wäre formnichtig. Dieses Ergebnis entspricht auch der h.m. Ein Teil der Literatur wendet sich jedoch hiergegen und befürwortet eine analoge Anwendung des 350 HGB zumindest auf den Alleingesellschafter einer GmbH. Der GmbH-Alleingesellschafter entfalte ebenso wie ein Einzelkaufmann eigenverantwortlich eine unternehmerische Tätigkeit und sei daher auch ebenso wenig schutzbedürftig wie dieser. Hiergegen wird jedoch eingewendet, dass es an der die Ausdehnung des Anwendungsbereiches rechtfertigenden Kombination von persönlicher Haftung und gleichzeitiger geschäftsführender Tätigkeit fehle. Folgt man der h.m., so ist der Bürgschaftsvertrag nach 125 S. 1, 766 BGB formnichtig. 15

C. Ergebnis Es mangelt an einem wirksamen Bürgschaftsvertrag. Die Y-GmbH hat daher keinen Anspruch aus 765 I BGB gegen A. Fall 16 D, Inhaber eines Supermarktes, kauft bei Händler N für seinen Supermarkt einen Kühlschrank. Bei Lieferung denkt L, dass alles in Ordnung sei, prüft den Kühlschrank nicht weiter und baut ihn auf. Er nimmt ihn in Gebrauch. Einige Monate später entdeckt er, dass der Kühlschrank undicht ist und Flüssigkeit austritt. Dies beruht auf einem Mangel im Material, welcher bereits im Zeitpunkt der Lieferung vorhanden, aber zum damaligen Zeitpunkt nicht erkennbar war. D verlangt von N die Lieferung eines neuen Kühlschranks. Zu Recht? Anspruch des D gegen N aus 437 Nr. 1, 439 BGB D könnte einen Anspruch auf Lieferung eines neuen Kühlschrankes gem. 437 Nr. 1, 439 BGB gegen N haben. A. Kaufvertrag D und N haben einen wirksamen Kaufvertrag geschlossen. B. Mangel, 434 Ferner müsste der Kühlschrank mangelhaft sein. Mangelhaft ist eine Sache, wenn die Ist- Beschaffenheit negativ von der Soll-Beschaffenheit abweicht. Zur Bestimmung der Sollbeschaffenheit ist nach 434 I 1 BGB vordergründig auf die vertragliche Beschaffenheitsvereinbarung abzustellen. D und N haben vorliegend jedoch keine konkrete Beschaffenheitsvereinbarung getroffen. Jedoch ist eine Sache auch dann mangelhaft, wenn sie sich nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, 434 I 2 Nr. 1 BGB Der vertraglich vorausgesetzte Zweck des Kühlschranks war zunächst einmal, dass dieser dazu in der Lage ist, Lebensmittel zu kühlen. Ob es auch zur Eignung nach dem vertraglich vorausgesetzten Zweck gehört, dass der Kühlschrank dicht ist, kann dahinstehen. Denn auf jeden Fall eignet sich ein undichter Kühlschrank nicht für gewöhnliche Verwendung, 434 I 2 Nr. 2 BGB. Somit weicht die Ist-Beschaffenheit von der Soll-Beschaffenheit negativ ab. Ein Mangel liegt vor. C. Bei Gefahrübergang Der Mangel lag auch schon bei Gefahrübergang vor. D. Ausschluss gem. 377 II, III HGB? Allerdings könnte der Anspruch auf Nachlieferung gem. 377 HGB ausgeschlossen sein. I. Beidseitiger Handelskauf Zunächst müsste es sich um einen beidseitigen Handelskauf handeln. Der Kauf muss also für beide Seiten ein Handelsgeschäft sein. Handelsgeschäfte sind gem. 343 HGB alle Geschäfte eines Kaufmanns, die zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehören. N und D sind Kaufleute. Auch gehörte 16

der Verkauf, bzw. der Kauf des Kühlschrankes zum Betrieb des jeweiligen Handelsgewerbes. Ein beidseitiger Handelskauf liegt damit vor. II. Ablieferung Ferner müsste der Kühlschrank abgeliefert worden sein. Voraussetzung hierfür ist, dass der Kühlschrank so in den Machtbereich des Käufers gelangt ist, dass dieser die tatsächliche Möglichkeit zur Untersuchung hat. Hier wurde der Kühlschrank in den Supermarkt des D geliefert und befand sich daher in dessen Machtbereich. Eine Ablieferung liegt vor. III. Redlichkeit des Verkäufers, 377 V HGB Auch war N redlich. IV. Ordnungsgemäße Rüge Ferner ist für einen Ausschluss der Mängelgewährleistungsrechte notwendig, dass D den Mangel nicht ordnungsgemäß gerügt hat. Wann die Rüge zu erfolgen hat, hängt von der Erkennbarkeit des Mangels ab. Vorliegend war der Mangel für D nicht auch nicht durch eine sorgfältige Untersuchungerkennbar. 377 III HGB fordert in diesem Fall, dass unverzüglich nach der Entdeckung des Mangels gerügt werden muss. Dies hat D getan. Damit liegt eine ordnungsgemäße Rüge vor. V. Ergebnis Der Anspruch ist nicht nach 377 HGB ausgeschlossen. E. Ergebnis D hat einen Anspruch auf Nachlieferung gem. 437 Nr. 1, 439 BGB gegen N. Fall 17 G ist Inhaber einer Bäckerei. Als das Geschäft immer schlechter läuft, gibt er es am 01.06 auf. Seine Firma bleibt jedoch in das Handelsregister eingetragen. Er bestellt am 12.06 40 Flaschen Wein für insg. 200 bei V, welcher nichts von der Geschäftsaufgabe weiß. Dieser liefert den Wein am nächsten Tag in Kisten verpackt mit einer Rechnung über 200 in die Bäckerei. Die Kisten stellt G in den Keller. Drei Wochen später stellt er fest, dass V zwei Flaschen zu wenig geliefert hat. Er ruft bei V an und verlangt die Lieferung der fehlenden Flaschen. Sollte er hierauf kein Recht haben, will er zumindest nicht den vollen Kaufpreis zahlen. V lehnt dies ab und verlangt Zahlung der 200. Muss V dem G die fehlenden Flaschen liefern? Welchen Betrag muss G dem V zahlen? A. Anspruch des G gegen V aus 437 Nr. 1, 439 I BGB G könnte einen Anspruch gegen V auf Nachlieferung der fehlenden Flaschen Wein gem. 437 Nr. 1, 439 I BGB haben. I. Wirksamer Kaufvertrag G und V haben einen wirksamen Kaufvertrag geschlossen. 17

II. Sachmangel Ferner müsste die Sache mangelhaft sein. Gem. 434 III BGB steht es einem Sachmangel gleich, wenn der Verkäufer eine zu geringe Menge liefert (sog. peius). V hat nur 38 statt 40 Flaschen Wein geliefert. Ein Mangel liegt daher vor. III. Bei Gefahrübergang Der Mangel lag auch schon bei Gefahrübergang vor. IV. Ausschluss gem. 377 HGB Der Anspruch könnte jedoch gem. 377 HGB ausgeschlossen sein. 1. Beidseitiger Handelskauf Fraglich ist, ob ein beidseitiger Handelskauf vorliegt. Voraussetzung hierfür ist, dass G und V Kaufleute sind. Problematisch ist die Kaufmannseigenschaft des G. Dieser hat seinen Geschäftsbetrieb aufgegeben, ist also tatsächlich kein Kaufmann mehr. Er müsste sich jedoch als ein solcher behandeln lassen, wenn 15 I HGB eingreift. Hiernach kann eine in das Handelsregister einzutragende Tatsache, die nicht eingetragen und bekanntgemacht wurde von demjenigen, in dessen Angelegenheit sie einzutragen war, einem Dritten nicht entgegengehalten werden, es sei denn, dass sie diesem bekannt war. Die Geschäftsaufgabe bzw. das daraus resultierende Erlöschen der Firma muss in das Handelsregister eingetragen werden, 31 II HGB. Eine eintragungspflichtige Tatsache liegt damit vor. Auch wurde diese Tatsache weder eingetragen noch bekanntgemacht. Ferner wusste V nichts von der Geschäftsaufgabe. Damit kann sich G nicht auf seine mangelnde Kaufmannseigenschaft berufen. Ein beidseitiger Handelskauf liegt vor. 2. Ablieferung Außerdem wurden die Weinflaschen abgeliefert. 3. Redlichkeit des Verkäufers Auch war V redlich. 4. Ordnungsgemäße Rüge Ferner ist für einen Ausschluss der Mängelgewährleistungsrechte notwendig, dass D den Mangel nicht ordnungsgemäß gerügt hat. Wann die Rüge zu erfolgen hat, hängt von der Erkennbarkeit des Mangels ab. Hier war der Mangel leicht zu erkennen. Ein bloßes Öffnen der Kartons hätte diesen augenblicklich offenbart. Er war mithin durch angemessene Untersuchung erkennbar. Folglich hätte G die Kartons direkt untersuchen und unverzüglich hiernach rügen müssen. Die Rüge erfolgte jedoch erst drei Wochen später. Somit hat G den Mangel nicht ordnungsgemäß gerügt. V. Ergebnis Der Anspruch ist gem. 377 HGB ausgeschlossen. 18

B. Anspruch des V gegen G aus 433 II HGB V könnte einen Anspruch auf Zahlung von 200 gegen G haben. Dass der Anspruch dem Grunde nach besteht, ist unzweifelhaft. Fraglich ist allein die Höhe des zu zahlenden Kaufpreises. Durch seine Weigerung den vollen Kaufpreis zu zahlen, hat G konkludent die Minderung des Kaufpreises erklärt, 441 BGB. Unabhängig davon, ob die Voraussetzungen der Minderung tatsächlich gegeben sind, ist dieses Recht jedoch ebenfalls durch 377 HGB ausgeschlossen (siehe oben). Somit hat V einen Anspruch gegen G auf Zahlung von 200 gem. 433 II BGB. 19