Sozial-Integrativer Arbeitsmarkt

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Transkript:

Sozial-Integrativer Arbeitsmarkt Neue Perspektiven für langzeitarbeitslose Menschen! Positionspapier der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die GRÜNEN im Landtag Nordrhein-Westfalen 28. Juni 2011

ImpreSSum Herausgeberin: Bündnis 90/DIE GRÜNEN im Landtag NRW Platz des Landtags 1 40221 Düsseldorf www.gruene.landtag.nrw.de Redaktion: Harald Wölter Gestaltung: Bettina Tull Erschienen im Juli 2011 Für weitere Informationen: Martina Maaßen MdL Arbeitspolitische Sprecherin Telefon 0211-884-4084 Telefax 0211-884-3542 E-Mail: martina.maassen@landtag.nrw.de Harald Wölter Wissenschaftlicher Mitarbeiter Soziales, Arbeit, Gesundheit Telefon 0211-884-2878 Telefax 0211-884-2512 E-Mail: harald.woelter@landtag.nrw.de Maria Dittrich persönliche Mitarbeiterin Büro Maaßen Telefon 0211-884-2138 Telefax 0211-884-3542 E-Mail: maria.dittrich@landtag.nrw.de Sozial-Integrativer Arbeitsmarkt 5

Positionspapier: Juni 2011 Sozial-Integrativer Arbeitsmarkt Neue Perspektiven für langzeitarbeitslose Menschen! I. Trotz anziehender Konjunktur und sinkender Arbeitslosenzahlen gibt es auch weiterhin eine Vielzahl von Menschen die aus den unterschiedlichsten Gründen von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen sein werden. In Zukunft werden wir zum Einen mit einem wachsenden Fachkräftebedarf zum Anderen aber auch mit verfestigter Langzeitarbeitslosigkeit konfrontiert sein. Denn viele Menschen, die schon über einen längeren Zeitraum erwerbslos sind, profitieren von der Schaffung neuer Arbeitsplätze in der Regel nicht. Deshalb steht die Forderung nach einem Sozialen Arbeitsmarkt seit geraumer Zeit auf der politischen Agenda. In Deutschland sind geschätzt rund 400.000 bis 450.000 Menschen dauerhaft vom ersten Arbeitsmarkt ausgeschlossen. Für Nordrhein-Westfalen ist von einer Zahl von 80.000 bis 100.000 auszugehen. Da die bisherigen Arbeitsmarktprogramme lediglich befristet sind, stellen die derzeitigen Angebote öffentlich geförderter Beschäftigung keine Alternative zu einem verlässlich ausgestalteten Sozialen Arbeitsmarkt dar. Schon Anfang 2010 musste festgestellt werden: Ein-Euro-Jobs sind von zu kurzer Dauer und begründen keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Die Entgeltvariante fristet immer noch ein Schattendasein, weil ihre Finanzierung die Etats der Jobcenter und Optionskommunen doppelt belastet, indem durch sie nicht nur Mittel gebunden werden, sondern sich auch in der Folge Zuweisungen verringern. Das Programm Kommunal-Kombi ist bereits zum Jahreswechsel 2010 eingestellt worden, weil die von hoher Arbeitslosigkeit betroffenen Regionen nicht zur Mitfinanzierung des Programms in der Lage waren. Das Programm JobPerspektive für besonders schwer vermittelbare Langzeitarbeitslose wird von der Bundesregierung blockiert, so dass aktuell 93 Jobcenter, fast ein Fünftel aller Grundsicherungsstellen, keine weiteren Stellen mehr schaffen können. Mit der 1

Bürgerarbeit hat die Koalition ein neues Projekt angekündigt, bislang aber nichts Konkretes vorgelegt. 1 Aktuell hat sich die Situation noch weiter verschärft. Die Entwicklung bei der Arbeitsmarktförderung sieht kaum noch Angebote für langzeitarbeitslose Menschen vor, die trotz vorausgegangener intensiver Eingliederungsbemühungen und aufgrund persönlicher Vermittlungshemmnisse in absehbarer Zeit keine Chance haben. Die geplante Instrumentenreform der schwarz-gelben Bundesregierung im SGB II und die Auswirkungen der Haushaltsentwicklungen der Jobcenter 2011/2012 werden zu einem erheblichen Rückgang der notwendigen Angebote führen. Unter anderem soll das Instrument Arbeitsgelegenheit in der Entgeltvariante abgeschafft werden. Die Umsetzung des Instrumentes JobPerspektive wurde weiter zurück gefahren. Im Januar 2011 gab es auf Bundesebene nur noch 23.000 dieser Stellen, 44% weniger als ein Jahr zuvor. Der Rückgang in NRW betrug im gleichen Zeitraum 34% auf nur noch 8.100 Stellen. Dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass viele dieser Stellen auf ein bis zwei Jahre befristet sind. Der Beschäftigungsteil im Programm Bürgerarbeit schließlich stellt sich als verfehlt heraus. Statt bundesweit 35.000 Stellen zu schaffen sind bis Mitte Mai 2011 lediglich 9.000 Stellen für bis zu drei Jahre bewilligt worden. Davon nur 1.200 für NRW von ursprünglich einmal 4.100 geplanten Stellen. Mit den bisherigen Angeboten öffentlich geförderter Beschäftigung werden notwendige Bedingungen nicht gewährleistet. Hierzu gehört vor allem das Fehlen einer verlässlichen Finanzierung. Sie sind deshalb keine Alternative zu einem verlässlich ausgestalteten und dauerhaft geförderten Sozialen Arbeitsmarkt. II. Bereits in der ersten rot-grünen Koalition in NRW in den Jahren 1995-2005 haben wir mit den Sozialen Wirtschaftsbetrieben ein ambitioniertes Instrument der Arbeitsmarktpolitik bzw. Arbeitsförderung in Bezug auf einen sozialen Arbeitsmarkt entwickelt und eine Reihe von Betrieben in unterschiedlichen Bereichen entsprechend fördern können. In die Debatte um einen Sozialen Arbeitsmarkt wurden in den vergangenen Jahren auch Modelle wie das schwedische Arbeitsmarktintegrationsprogramm Samhall, das so wie die Sozialen Wirtschaftsbetriebe auch auf dem regulären Arbeitsmarkt tätig ist, diskutiert. In unserem Programm zur Landtagswahl 2010 haben wir uns für die Einrichtung eines Sozialen Arbeitsmarktes ausgesprochen und schließlich im Koalitionsvertrag für NRW 1 aus: Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode. Antrag der Fraktion Bündnis90/Die GRÜNEN. Teilhabe und Perspektiven für Langzeitarbeitslose mit einem verlässlichen Sozialen Arbeitsmarkt schaffen. Drucksache 17/1205 2

einen entsprechenden Handlungsauftrag für die rot-grüne Landesregierung wie folgt formuliert: Für die Menschen, die mittelfristig keine Chance zur Integration in den ersten Arbeitsmarkt haben, wollen wir dauerhafte Beschäftigung in einem öffentlich geschaffenen Sektor ermöglichen. Dabei werden wir auch die Erfahrungen aus den Modellen der Sozialen Wirtschaftsbetriebe, der Dienstleistungspools und der Integrationsunternehmen berücksichtigen. Maßstab für uns sind die individuellen Möglichkeiten aber auch die Wünsche der Betroffenen. 2 Dabei haben wir uns dafür ausgesprochen den Sozialen Arbeitsmarkt von vornherein in den regulären Arbeitsmarkt zu integrieren und keine Begrenzung auf zusätzliche und gemeinnützige Arbeitsfelder vorzunehmen. Die Prämisse der Zusätzlichkeit bei den Aufgaben- und Einsatzmöglichkeiten gegenüber den regulär vergüteten Tätigkeiten hat bislang zu einer deutlichen Behinderung geführt, einen Sozialen Arbeitsmarkt zu entwickeln. Die Zusätzlichkeitsillusion produziert eine doppelte Blockade, zum einen hinsichtlich der Ausweitung der öffentlich geförderten Beschäftigung, weil sich die Konkurrenz zum ersten Arbeitsmarkt durch die quantitative Ausdehnung natürlich verstärken muss, da es immer mehr Schnittstellen zu diesem gibt. Darüber hinaus wird eine notwendige Weiterentwicklung der Tätigkeitsfelder der öffentlich geförderten Beschäftigung im Sinne einer Annäherung an den "normalen" Arbeitsmarkt blockiert, was deshalb so kontraproduktiv ist, weil nur bei einer solchen Annäherung zum einen echte Integrationsperspektiven für die Betroffenen geschaffen und verbessert werden, zum anderen aber auch die immer als negativ unterstellte (angebliche) Konkurrenz zum ersten Arbeitsmarkt gemildert, wenn nicht aufgehoben werden kann. 3 III. Bausteine und Eckpunkte für einen Sozialen Arbeitsmarkt Die öffentlich geförderte Beschäftigung ist soziale Inklusion über wertschöpfende Arbeit im erwerbswirtschaftlichen oder gemeinnützigen Bereich. 2 Nordrhein-Westfalen 2010-2015: Gemeinsam neue Wege gehen. Koalitionsvertrag zwischen der NRWSPD und Bündnis 90 / Die Grünen NRW Juli 2010, S.56 ³Stefan Sell: Die öffentlich geförderte Beschäftigung vom Kopf auf die Füße stellen, S.4. aus: Remagener Beiträge zur aktuellen Sozialpolitik 10-2010 3

Die Angebote können in marktnahen Einsatzfeldern und auch in gemeinwohlorientierten Bereichen umgesetzt werden, um reelle Arbeitsbedingungen anstelle von Scheinbeschäftigungen zu schaffen. Dabei muss ein Sozialer Arbeitsmarkt Teil des allgemeinen Arbeitsmarkts sein. Es erfolgt keine Beschränkung auf gemeinnützige und zusätzliche Beschäftigungsfelder. Öffentlich geförderte Beschäftigung muss sowohl privatwirtschaftlich wie gemeinwohlorientiert möglich sein. Der Einsatz erfolgt in Wirtschaftsunternehmen und bei gemeinnützigen Trägern. Durch die Öffnung des Lohnkostenzuschusses für die Privatwirtschaft kann jedes Unternehmen eine solche Förderung für Mitarbeiter dieser Zielgruppe beantragen. Damit wird reale Arbeitsmarktnähe geschaffen und Wettbewerbsverzerrung verhindert Die öffentlich geförderte Beschäftigung muss in Form eines sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses angeboten werden. Die Lohnhöhe richtet sich nach tariflichen oder ortsüblichen Bedingungen. Die zukünftige Ausgestaltung der öffentlich geförderten Beschäftigung sieht dabei eine Lohnkostensubventionierung vor, die sich insbesondere aus einem personenbezogenen Förderungsbedarf begründet. Der Minderleistungsausgleich muss individuell festgestellt und überprüft werden. Dieser Lohnkostenzuschuss muss sinnvollerweise ergänzt werden um eine zweite Leistung, die auf die Betreuung und sonstige Zusatzleistungen abstellt, die mit Blick auf die Herstellung einer möglichst nachhaltigen Beschäftigungsfähigkeit notwendig werden und die über das normale von einem Arbeitgeber zu erwartende Maß an Unterstützung hinausgehen. Für die Betroffenen eröffnet der Vorschlag die Perspektive in einem "normalen", sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis tätig sein zu können und nicht in einem - nicht selten als stigmatisierend empfundenen - Sonderarbeitsverhältnis. 4 Lebenslanges Lernen soll auch Maxime im Sozialen Arbeitsmarkt sein. Dafür darf sich die Förderung der Qualifizierung allerdings nicht nur auf das erste Jahr beschränken. 4 vgl. Sell, Stefan: Die öffentlich geförderte Beschäftigung vom Kopf auf die Füße stellen. Ein Vorschlag für die pragmatische Neuordnung eines wichtigen Teilbereichs der Arbeitsmarktpolitik, Remagener Beiträge zur aktuellen Sozialpolitik 10-2010, Remagen, November 2010, S.9) 4

Folgende Eckpunkte sind zu berücksichtigen: Der Soziale Arbeitsmarkt ist Bestandteil des allgemeinen Arbeitsmarktes. Die Unternehmen und Träger, die entsprechende Arbeitsplätze mit einer öffentlichen Förderung anbieten, agieren im allgemeinen Arbeitsmarkt und können im privatwirtschaftlichen, öffentlichen und gemeinnützigen Bereich tätig sein. Die Zielgruppe sind langzeitarbeitslose Menschen, die trotz vorausgegangener intensiver Eingliederungsbemühungen und aufgrund persönlicher oder regionaler Bedingungen in absehbarer Zeit keine Chance haben einen regulären Arbeitsplatz zu erhalten. Für Menschen mit Behinderungen sollen die speziellen Förderangebote, etwa zur Teilhabe am Erwerbsleben und berufliche Rehabilitation, unangetastet bleiben. Bei der Förderung eines Sozialen Arbeitsmarktes müssen sich die beteiligten langzeitarbeitslosen Menschen, die Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen wie auch die Anbieter und Anbieterinnen unterstützender Angebote und Maßnahmen auf eine gesicherte Finanzierung verlassen können, unabhängig von sich ändernden öffentlichen Haushaltslagen. Ein Sozialer Arbeitsmarkt benötigt ergänzende Bausteine von Qualifizierung, Selbstvermittlungscoaching und längerfristige sozialpädagogischer bzw. psychosozialer Betreuung und Begleitung, angelehnt an die individuellen Bedürfnisse des einzelnen Arbeitslosen, die in das Gesamtkonzept integriert werden. Ein sozialer Arbeitsmarkt ist durchlässig und ermöglicht dem Beschäftigten jederzeit in eine ungeförderte Arbeit oder weitergehende berufliche Integrationsmaßnahmen zu wechseln. Eine nachhaltige weitergehende Perspektive muss realistisch gegeben sein. Schließlich muss die öffentlich geförderte Beschäftigung in Form eines sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses und grundsätzlich unbefristet angeboten werden. Die Höhe des Nachteilsausgleichs an die Unternehmen soll in regelmäßigen Abständen überprüft werden. Die Lohnhöhe richtet sich dabei nach tariflichen oder ortsüblichen Bedingungen. 5

IV. Kriterien und Rahmenbedingungen Wie kann ein Sozialer Arbeitsmarkt dauerhaft gestaltet werden? Grundvoraussetzung muss sein, dass das Angebot freiwillig ist. Es ist somit kein Programm zur Zwangsarbeit. Grundsätzlich sollte es sich um unbefristete sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen handeln. Die Beschäftigung kann im privatwirtschaftlichen, öffentlichen oder gemeinnützigen Bereich erfolgen. Die öffentlich geförderte Beschäftigung muss in Form eines sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses angeboten werden. Die Lohnhöhe richtet sich nach tariflichen oder ortsüblichen Bedingungen. Grundsätzlich ist von einer unbefristeten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung mit tariflicher oder ortsüblicher Vergütung auszugehen. Ziel der öffentlich geförderten Beschäftigung bleibt aber immer die Wiedererlangung der persönlichen Beschäftigungs- und eigenen Wettbewerbsfähigkeit für den regulären Arbeitsmarkt. Für welche Zielgruppe sollte ein Sozialer Arbeitsmarkt geschaffen werden? Die Zielgruppe sind langzeitarbeitslose Menschen, die trotz vorausgegangener intensiver Eingliederungsbemühungen und aufgrund persönlicher oder regionaler Bedingungen in absehbarer Zeit keine Chance haben, einen regulären Arbeitsplatz zu erhalten. Für Jugendliche unter 25 Jahren gilt der Grundsatz: Ausbildung vor Arbeit. Bereits ausgebildete Jugendliche können jedoch einen Zugang zu öffentlich geförderter Beschäftigung erhalten. Für Menschen mit Behinderungen sollen die speziellen Förderangebote etwa zur Teilhabe am Erwerbsleben und beruflicher Rehabilitation unangetastet bleiben. Gleichzeitig ist die Finanzierung von Arbeitsplätzen im Sozialen Arbeitsmarkt auch ergänzend für Integrationsunternehmen zur Verfügung zu stellen. Bei der Konzipierung eines Sozialen Arbeitsmarktes muss es sich um einen nachhaltigen Förderansatz handeln. Langzeitarbeitslose, SGB II-Träger und Arbeitgeber müssen sich auf die Durch- und Weiterführung, auf eine gesicherte Finanzierung verlassen können. Notwendig ist es, dass zielgruppenspezifische Angebote (z.b. für Frauen, ältere Menschen und Personen mit Migrationshintergrund) vorgehalten werden. 6

Ziel ist die Wiedererlangung der persönlichen Beschäftigungsfähigkeit. Deshalb sind im Rahmen der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung für den langzeitarbeitslosen Menschen auch Bausteine von Qualifizierung, Selbstvermittlungscoaching und längerfristiger sozialpädagogischer bzw. psychosozialer Betreuung und Begleitung in das Gesamtkonzept zu integrieren. Wenn festgestellt wird, dass sich die Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter in einer öffentlich geförderten Beschäftigung so weiter entwickelt hat, dass ein Übergang in weniger geförderte oder ungeförderte Beschäftigung außerhalb des Programms möglich ist, haben die Jobcenter bzw. die zugelassenen kommunalen Träger die Aufgabe, basiert und unterstützt durch die weiterentwickelte Eingliederungsvereinbarung, die nächsten Integrationsschritte zu ermöglichen. Dabei darf allerdings niemand aus öffentlich geförderter Beschäftigung entlassen werden ohne einen nahtlosen Anschluss entweder in eine ungeförderte Beschäftigung, in Weiterqualifizierung oder eine andere Integrationsmaßnahme zu erhalten. Eine nachhaltige weitergehende Beschäftigungsperspektive für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer muss realistisch gegeben sein. Die Auswahl und die Begleitung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit geförderter Beschäftigung sowie die gemeinsame Erstellung und Weiterentwicklung von individuellen Hilfeplänen und Eingliederungsvereinbarung stellt eine große fachliche Herausforderung an das Fallmanagement aller Beteiligten dar. Diesem Umstand ist durch eine qualifizierte Weiterbildung und der Anpassung der Betreuungszahlen Rechnung zu tragen. Sofern Personen der Zielgruppe nicht in Einzelstellen bei erwerbswirtschaftlichen oder gemeinnützigen Trägern zu vermitteln sind, sollen diese in eigenständigen Beschäftigungsprojekten in Form von Einzel- oder Gruppenmaßnahmen eingebunden werden. Wie kann ein sozialer Arbeitsmarkt finanziert werden? Die Beschäftigung im regulären Arbeitsmarkt ermöglicht es, dass die einstellenden Unternehmen Einkünfte erwirtschaften, die in die kostendeckende Gesamtfinanzierung einfließen können. Die individuelle Minderleistung muss ausgeglichen werden. Zur Finanzierung sind die eingesparten Passiv-Leistungen des ALG II einzubeziehen. Hierbei können Ausgaben aus dem (passiven) ALG II-Budget teilweise deckungsfähig 7

zum Eingliederungsbudget gestellt werden, um diese für sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu nutzen. Zudem muss gesetzlich die Möglichkeit gegeben werden den vorgesehenen Zuschuss zum Lohn aufzustocken, um eine existenzsichernde Entlohnung und damit Unabhängigkeit von bisherigen Transferleistungen zu erreichen. Eine Förderung soll personenbezogen, individuell und flexibel gestaltet werden, abhängig von der Leistungsfähigkeit und den Entwicklungsmöglichkeiten der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers. Der Beschäftigungszuschuss für die Arbeitgeberin oder den Arbeitgeber kann dann die Aufgabe eines Minderleistungsausgleichs analog der Verfahren im Schwerbehindertenrecht (SGB IX) erfüllen. Dies sollte möglichst verwaltungsarm und unkompliziert für Betroffenen und Arbeitgeber bzw. Arbeitgeberinnen erfolgen. Wichtig ist dabei eine regelmäßige Überprüfung. Auf diese Weise kann der Minderleistungsausgleich den Entwicklungen angepasst und ggf. weitere flankierende Maßnahmen eingeleitet werden. Grundsätzlich gilt, dass jederzeit der Zugang zu oder der Wechsel in eine ungeförderte Beschäftigung ermöglicht wird. Die dargestellten Überlegungen zu einer personenbezogenen, flexiblen und marktnahen Gestaltung, stellen eine Weiterentwicklung des bisherigen 16 e SGB II dar und sollten zur Schaffung eines Sozialen Arbeitsmarktes weiterentwickelt werden Bei der Umsetzung eines zukunftsfähigen Konzeptes Sozialer Arbeitsmarkt sind vergaberechtliche Verfahren auch für größere Beschäftigungskontingente bei einem Unternehmen ungeeignet und sollten nicht eingesetzt werden. Welchen Anforderungen sollten diese Unternehmen und Organisationen gerecht werden? Öffentlich geförderte Beschäftigung muss sowohl im Markt wie gemeinwohlorientiert möglich sein. Der Einsatz kann somit im öffentlichen Bereich, in der Privatwirtschaft und bei gemeinnützigen Trägern erfolgen. Dabei sollte keine Beschränkung auf gemeinnützige und zusätzliche Beschäftigungsfelder erfolgen. Durch die Öffnung des Lohnkostenzuschusses auf die Privatwirtschaft kann jedes Unternehmen eine solche Förderung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Zielgruppe beantragen. Somit ist keine Verzerrung des Wettbewerbes gegeben. 8

Sozialarbeiterische Betreuung ein fester Bestandteil Eine sozialarbeiterische und sozialpädagogische Begleitung ist für die Stabilisierung des Arbeitsverhältnisses von großer Bedeutung. Die Finanzierung könnte über das Integrationsbudget im SGB II abgewickelt werden als individuelle Leistung ohne vergaberechtliche Vorgaben. Weitere Finanzierungsmöglichkeiten: Da es sich auch um eine Form der Personalentwicklung handelt, sollte geprüft werden, ob hier ergänzende Mittel der Wirtschaftsförderung oder des Europäischen Sozialfonds eingebunden werden können. Zu prüfen wäre, ob Soziale Beschäftigungsprojekte einen Status vergleichbar den Integrationsunternehmen ( 132 SGB IX) erhalten sollen, insbesondere die Gemeinnützigkeit betreffend. Hierzu wäre eine entsprechende gesetzliche Änderung auf Bundesebene vorzunehmen. Kriterien und Rahmenbedingungen für den sozialen Arbeitsmarkt (zusammengefasst): das Angebot muss freiwillig sein keine starre Befristung der Maßnahme und Förderung Einhaltung tarifpolitischer Standards Zieldefinition über individuelle Hilfepläne Passiv-Aktiv Transfer über die Leistungen des SGB II Minderleistungsausgleich als flexibler Lohnkostenzuschuss Sozialversicherungspflicht Beschäftigung im privatwirtschaftlichen, öffentlichen und gemeinnützigen Bereich nachhaltige Absicherung der öffentlichen Finanzierung Beschluss vom 28. Juni 2011 9