Quantenobjekt Schrödinger-Gleichung Tunneleffekt

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Transkript:

Quantenobjekt Schrödinger-Gleichung Tunneleffekt Inhaltsverzeichnis Fourier-Transformation........................... Allgemeines zur Quantenmechanik..................... 4 3 Schrödinger-Gleichung, Materiewellenfunktion.............. 7 3. Zeitabhängige Schrödingergleichung................ 7 3. Stationäre Schrödingergleichung.................. 9 4 Das freie quantenmechanische Teilchen.................. 4. Wellenfunktion des freien Teilchens................ 3 4. Materiewellenpaket und Teilchenunschärfe............ 6 4.3 Breitfließen (Dispersion) des Gauß schen Wellenpakets..... 0 5 Quantenmechanisches Teilchen im eindimensionalen unendlich hohen Potentialtopf und das Volumen der zweidimensionalen Phasenraumzelle 5 6 Quantenmechanisches Teilchen mit endlichem, stückweise konstantem Potential................................... 33 6. Potentialbarriere Tunneleffekt.................. 35 6. Raster-Tunnel-Mikroskopie..................... 4 7 Anhang................................... 46 Die Wellenmechanik von Schrödinger wird sehr anschaulich dargestellt von Martin Bäker in seinem Blog: Die Schrödingergleichung - Teil I bis Teil VIII, Das Ende der Schrödingergleichung, http://scienceblogs.de/hier-wohnendrachen/.... Das vorliegende Skript kann dazu eine Ergänzung sein, weil in ihm einige grundlegende Standardthemen der Wellenmechanik mathematisch behandelt und vollständig durchgerechnet werden. Die vollständigen Rechenwege fehlen nämlich meistens in Lehrbüchern und Vorlesungsskripten, weil sie kurzerhand in die Übungen verbannt werden. Das spart Autoren und Dozenten Mühe und Zeit. Insofern ist dieses Skript vielleicht für einige Physikstudenten eine kleine Starthilfe in die Quantenmechanik. Abgesehen davon findet man viele gute Vorlesungsskripte über die Quantenmechanik im Internet und kann sich, wenn man will, die Kosten für entsprechende Lehrbücher ersparen. Lange Rechnungen, die nicht unbedingt zum Verständnis beitragen, haben wir zur besseren Übersicht in den Anhang verlegt. Nikolausdorf im Juli 06 Reinhard Weiß

Fourier-Transformation Wir werden in diesem Skript die Fourier-Transformation in der folgenden Notation verwenden: Hintransformation: Ψ(k, ω) = dx dt Ψ(x, t) e i(kx ωt), Rücktransformation: Ψ(x, t) = (π) dk dω Ψ(k, ω) e i(kx ωt). Hintransformation: Φ(k, t) = bzw. Φ(k, 0) = dx Ψ(x, t) e ikx () dx Ψ(x, 0) e ikx. () Rücktransformation: Ψ(x, t) = π bzw. Ψ(x, 0) = π dk Φ(k, t) e ikx (3) dk Φ(k, 0) e ikx. (4) Parseval sches Theorem: dx f(x) = π dk f(k). (5) Die Fourier-Transformierte wird also ggf. durch eine Tilde über dem Symbol der Ausgangsfunktion gekennzeichnet. Periodische Funktionen lassen sich in eine Fourier-Reihe entwickeln, also in der Praxis durch eine Fourier-Reihe annähern. Das geschieht, indem man verschiedene Sinus- und Kosinus-Funktionen, also im Prinzip ebene Wellen verschiedener Wellenlänge bzw. Periode und verschiedener Amplitude A geschickt überlagert: f(x) = n A n e iknx. (6) Die Fourier-Koeffizienten A n bilden dann ein diskretes Amplitudenspektrum. Aperiodische Funktionen lassen sich nicht durch Fourier-Reihenentwicklung darstellen. Wenn man aber die Periode der zur Reihenentwicklung verwendeten Sinus- und Kosinus-Funktionen gegen unendlich gehen lässt, wird in (6) das Amplitudenspektrum kontinuierlich und die Summe geht in ein Integral über, das Fourier-Integral: f(x) = π dk Ã(k) eikx. (7)

Das kontinuierliche Amplitudenspektrum oder besser gesagt, die Amplitudenfunktion Ã(k) heißt die Fourier-Transformierte von f(x). Mit Hilfe des Fourier- Integrals bzw. der Fourier-Transformation lassen sich also aperiodische Funktionen darstellen. Weil der Weg von der Fourier-Reihe zum Fourier-Integral in der Literatur meistens als bekannt vorausgesetzt wird, obwohl er dies oft nicht ist, wollen wir ihn hier kurz skizzieren. Die dafür erforderliche Herleitung der komplexen Fourier-Reihe findet man in sehr übersichtlicher Form z. B. im Lehr- und Übungsbuch Mathematik V für Elektrotechniker, Fachbuchverlag Leipzig, Köln, 99, Seite 5 bis Seite 7. Und alles Wesentliche zur Fourier-Transformation wird sehr schön illustriert im Buch von Tilman Butz, Fouriertransformation für Fußgänger, 7. Aufl., Vieweg und Teubner, 0. Aber auch im Internet findet inzwischen jeder das Seine. Wir gehen also aus von der komplexen Form der Fourier-Reihe f(x) = n A n e i n π L x = n A n e i knx mit den Fourier-Koeffizienten A n = L dx f(x) e i knx. Die dabei vorkommenden Größen sind der Laufindex n Z, die Periode L λ der zu entwickelnden periodischen Funktion f(x) und die Wellenzahlen k n = n π/l der zur Reihenentwicklung verwendeten Sinus- und Kosinus-Funktionen. Ausgeschrieben lautet die komplexe Fourier-Reihe f(x) = [ ] f(x) e i knx dx e i knx. (8) L n L }{{} Ã(k) Die Feinheit der Unterteilung der Reihe wird bestimmt durch L k = (n + ) π L n π L = π L L = k π. Wenn wir die Unterteilung jetzt beliebig fein machen, resultiert k 0 k n k, d. h., die Unterteilung geht über in ein Kontinuum. k 0 bedeutet aber, dass die Periode der zur Reihenentwicklung verwendeten Sinus- und Kosinus-Funktionen gegen unendlich geht, was aber nur sinnvoll ist, wenn auch die Periode L der zu entwickelnden Funktion f(x) gegen unendlich geht. f(x) geht damit über in eine aperiodische Funktion und wir können schreiben: k 0 L L = k π k 0 dk π. 3

Damit wird die komplexe Fourier-Reihe (8) gemäß zum Fourier-Integral n L k 0 dk π = π dk mit f(x) = π dk Ã(k) eikx (9) Ã(k) = dx f(x) e ikx. (0) (0) ist die Fourier-(Hin-)Transformation, (9) demzufolge die Fourier-Rücktransformation und Ã(k) ist die Fourier-Transformierte von f(x). Allgemeines zur Quantenmechanik Die Quantenmechanik (Abk. QM) beschreibt das Verhalten von Quantenobjekten, mikroskopisch kleinen Teilchen von Elementarteilchen bis hin zu mittelgroßen Molekülen. Quantenobjekte besitzen also eine räumliche Ausdehnung (Länge, Durchmesser) von nm = 0 9 m. Hier einige Zahlen zum Vergleich: Durchmesser von Atomen 0, nm 0, 5 nm, Durchmesser des Influenzavirus 00 nm, Durchmesser von Staphylococcus aureus (Eiterbakterium) 000 nm, Wellenlänge des sichtbaren Lichts 380 nm 780 nm. Die QM ist folglich keine Naturwissenschaft zum Sehen und Anfassen. Sie ist das Gebiet der Physik mit der größten Genauigkeit. Vieles in unserem Alltag wäre ohne die Erkenntnisse aus der QM nicht möglich, wie z. B. die Halbleitertechnik und die Elektronik. Eine interessante Anwendung der QM ist die Elektronenmikroskopie. Und zwar ist diese deshalb so interessant, weil hier wegen der hohen Elektronengeschwindigkeiten die spezielle Relativitätstheorie berücksichtigt werden muss. Das gleiche gilt dann natürlich auch für die Elementarteilchenbeschleuniger. Schrödingers Katze (als Ganzes) ist ein makroskopisches Objekt, also eigentlich kein quantenmechanisches Objekt. Und bekanntlich interferieren Katzen (fast) nicht, was man von Quantenobjekten erwarten dürfte. Insofern ist Schrödingers Katze ein hinkendes Beispiel, das dazu geeignet ist, mehr Verwirrung als Klarheit zu stiften. Die QM wurde maßgeblich von Werner Heisenberg (90 976), Erwin Schrödinger (876 96) und Paul Dirac (90 984) entwickelt, wobei jeder von einem anderen Ansatz ausging. Deshalb nennt man Heisenbergs QM auch Matrizenmechanik (ca. Dirac war bekennender Atheist, sodass sich Wolfgang Pauli einmal dazu wie folgt geäußert haben soll: Es gibt keinen Gott und Paul Dirac ist sein Prophet. 4

95) und Schrödingers QM die Wellenmechanik (Schrödinger-Gleichung 96). Diracs QM (ca. 96) verbindet die Ansätze von Heisenberg und Schrödinger und geht schließlich verallgemeinernd darüber hinaus. Heisenberg-Bild, Schrödinger-Bild und Dirac-Bild der QM sind aber äquivalent und deshalb letztlich ineinander überführbar. Wir werden im Folgenden für den Begriff Schrödinger-Gleichung die Abkürzung SGL verwenden. Quantenmechanische Teilchen leben im Phasenraum, zusammengesetzt aus Impuls- und Ortsraum, und können folglich beschrieben werden durch ihre Phasenraumvektoren π = ( p(t), r(t) ) = ( p x (t), p y (t), p z (t), x(t), y(t), z(t) ). Der Phasenraum eines Einteilchensystems ist 6-dimensional, der eines N-Teilchensystems 6N-dimensional. Ort r und Impuls p eines Teilchens müssen nicht unbedingt abhängig sein von der Zeit t. Die De-Broglie-Beziehung beschreibt den Zusammenhang zwischen dem Impuls eines Quantenobjekts und seiner Materiewellenlänge bzw. seiner De-Broglie- Wellenlänge λ. Mit dem reduzierten Planck schen Wirkungsquantum = h/(π) und der Wellenzahl k = π/λ gilt also De-Broglie-Beziehung p = k h p = λ De-Broglie-Wellenlänge. Wenn die Vektorschreibweise nicht erforderlich ist, benutzt man den Impulsbetrag p = p und den Betrag des Wellenvektors k, d. h. die Wellenzahl k = k. Für (ruhemasselose) Photonen mit der Frequenz ν = c/λ bzw. der Kreisfrequenz ω = π ν und der Energie E = ω = hν = hc/λ liefert die De-Broglie-Beziehung E = h λ c = p c. () Weil Photonen sich im Vakuum mit der Lichtgeschwindigkeit c bewegen, ist p in () der relativistische Impuls. Die Heisenberg sche Unschärferelation umfasst nicht nur die Impuls-Orts-Unschärfe p x x, sondern auch die Energie-Zeit-Unschärfe E t. Wegen der Heisenberg schen Unschärfe bewohnt jedes Teilchen im Phasenraum ein Phasenraumvolumen, dessen Größe einen bestimmten Wert nicht unterschreiten kann. Dieser kleinstmögliche Phasenraumbereich heißt Phasenraumzelle und hat für ein quantenmechanisches N-Teilchenystem das Phasenraumvolumen (π ) 3N = h 3N 5

bzw. h 3 für das Einteilchensystem. Das Phasenraumzellenvolumen spielt eine wichtige Rolle in der statistischen Physik bzw. Thermodynamik. Die Dimension des Wirkungsquantums h bzw. der Wirkung ist Wirkung = Energie Zeit = Impuls Länge und ist somit konsistent z. B. mit dem Phasenraumzellenvolumen im Einteilchensystem h 3 Impuls 3 Länge 3 = Impulsraumvolumen Ortsraumvolumen. Die Energie-Impuls-Beziehung für ein nichtrelativistisches freies Teilchen der Masse m ist E = hν = ω = k m = p m = m v m = mv. () Darin ist ω = π ν die Kreisfrequenz. Die Frequenz und folglich auch die Kreisfrequenz können nur positive Werte annehmen gemäß ν 0 und ω 0. Nichtrelativistisch, d. h. im Fall v c, wird für m die Ruhemasse des Teilchens verwendet. Durch Äquivalenzumformung erhalten wir aus () die für Physiker wichtige Dispersionsrelation ω = ω(k) = k m (in der Schrödinger-Gleichung). (Ruhemasselose) Photonen bzw. elektromagnetische Wellen im Vakuum zeigen keine Dispersion, denn für sie gilt ω = c k (in Maxwell schen Gleichungen, Vakuumlichtgeschwindigkeit c = const). Die SGL enthält den Hamilton-Operator (Hamiltonian) Ĥ, ein hermitescher Operator, der im Allgemeinen auf den Hilbertraum wirkt. Der Hilbertraum im eigentlichen Sinne ist ein abzählbarer, unendlichdimensionaler komplexer Vektorraum zur Beschreibung der Zustände quantenmechanischer Systeme. Im Allgemeinen sind deshalb die Lösungen der SGL komplexwertige Funktionen. Die zu diesen Lösungen komplex Konjugierten indizieren wir mit einem Stern wie beispielsweise Ψ Ψ. 6

3 Schrödinger-Gleichung, Materiewellenfunktion Viele quantenphysikalische Sachverhalte können durch die SGL beschrieben werden. Deshalb besteht die Anwendung der Quantenmechanik zu einem großen Teil in der Suche nach Lösungen der SGL. Weil es sehr viel einfacher und für die Erläuterung grundlegender quantenmechanischer Prinzipien ausreichend ist, werden wir in diesem Kapitel nur Einteilchensysteme betrachten. 3. Zeitabhängige Schrödingergleichung Von den drei QM-Ansätzen ist Schrödingers Wellenmechanik wohl am stärksten verwandt mit der klassischen Mechanik und vielleicht deshalb anwendungsfreundlich und in der Praxis geläufig. Die allgemeine Form der SGL ist die zeitabhängige Schrödinger-Gleichung Ψ( r, t) + V ( r, t) Ψ( r, t) = i Ψ( r, t) (3) m r }{{}}{{}} t{{} = E pot = E kin = E ges r = =, Lösungsfunktion Ψ, potentielle Energie V, imaginäre Einheit i. Die mathematischen Operationsbefehle, die auf der linken Seite auf Ψ wirken, werden vereinfachend zusammengefasst zum Hamilton-Operator (Hamiltonian) Ĥ := m + V ( r, t). Die SGL ist ein fundamentales Postulat (Axiom) der QM, wurde von Erwin Schrödinger durch Analogiebetrachtungen gefolgert und ist somit nicht herleitbar. Sie betrifft die Energie quantenmechanischer Teilchensysteme, ist also eine Energiegleichung. Die potentielle Energie V wird in der Physik aus Bequemlichkeit meistens kurz und unkorrekt als Potential bezeichnet. Die SGL ist eine lineare Differentialgleichung. Deshalb gilt für ihre Lösungen Ψ das Superpositionsprinzip, d. h., auch alle Linearkombinationen Ψ( r, t) = i c i Ψ i ( r, t), c i C sind Lösungen der SGL. Die zeitabhängige SGL ist eine lineare Differentialgleichung. Ordnung in der Zeit. Deshalb gilt: Wenn ihre Lösung für irgendeinen Zeitpunkt t 0 bekannt ist, so ist sie auch für alle Zeiten t eindeutig bestimmt. Die SGL ist eine lineare Differentialgleichung. Ordnung im Ort. Wenn wir als Lösungen Ψ nur entsprechend normierte quadratintegrable Funktionen Ψ( r, t) L zulassen, also Funktionen die im Unendlichen hinreichend 7

schnell verschwinden und bei Integration über den gesamten Ortsraum V die Bedingung W = d 3 r Ψ ( r, t) Ψ( r, t) = d 3 r Ψ( r, t)! = V erfüllen, lassen sich die Lösungsfunktionen bzw. komplexwertigen Materiewellenfunktionen Ψ als Wahrscheinlichkeitsamplituden interpretieren. Die Wahrscheinlichkeitsinterpretation der Materiewellenfunktionen erfordert ihre Normierung. Es ist dann Ψ ( r, t) Ψ( r, t) d 3 r = Ψ( r, t) d 3 r die Wahrscheinlichkeit, das Quantenobjekt zur Zeit t im Volumenelement d 3 r am Ort r anzutreffen. Folglich ist das Betragsquadrat der Wahrscheinlichkeitsamplitude die Wahrscheinlichkeitsdichte: Ψ( r, t) = ϱ( r, t). Über die Bahn eines Teilchens können also nur ( ungenaue ) Wahrscheinlichkeitsaussagen gemacht werden. Die Wahrscheinlichkeit selbst, z. B. die ortsabhängige Wahrscheinlichkeit W = d 3 r ϱ( r, t) V für den Raumbereich V, ist aber durch die Wahrscheinlichkeitsamplitude Ψ als Lösung der SGL exakt festgelegt. 3 3 Die (komplexen) Wahrscheinlichkeitsamplituden (Materiewellenfunktionen) Ψ besitzen keine physikalische Realität im Gegensatz z. B. zu elektromagnetischen Wellen und sind folglich nicht beobachtbar bzw. einer direkten Messung nicht zugänglich. Die eigentliche (beobachtbare) Messgröße ist die (reelle) Wahrscheinlichkeitsdichte Ψ. Das reelle Potential V ( r, t) in der SGL enthält alle Einflüsse durch äußere Kräfte bzw. Störungen (Wechselwirkungen) auf das quantenmechanische Teilchensystem. Das Potential charakterisiert deshalb wesentlich die quantenmechanischen Systeme und hat entscheidenden Einfluss auf die Form der Lösungen der SGL. Ist das Potential V zeitlich konstant, also nicht explizit zeitabhängig, müssen folglich auch die ganze linke Seite und somit auch die rechte Seite von (3) zeitlich konstant sein. Dieser Sachverhalt führt uns gleich zum nächsten Abschnitt. Anmerkung zur Maßeinheit von Ψ : In der Ortsdarstellung muss die Wahrscheinlichkeitsdichte im 3-dimensionalen Ortsraum die Maßeinheit [ϱ( r, t)] = m besitzen, im -dimensionalen Ortsraum aber [ϱ(x, t)] = 3 m. Die zugehörige Wahrscheinlichkeitsamplitude hat dann die Maßeinheit [Ψ( r, t)] = = m 3 m 3 bzw. [Ψ( x, t)] = m = m. Dadurch ist gewährleistet, dass die aus der Integration über die Wahrscheinlichkeitsdichte resultierende Wahrscheinlichkeit dimensionslos ist. 3 Dieser Aufzählungspunkt ist teilweise zitiert aus Wolfgang Nolting, Springer-Lehrbuch, Grundkurs Theoretische Physik 5/, Quantenmechanik Grundlagen, 6. Aufl., Springer Berlin, Heidelberg, New York, 004, Seite 95. V 8

3. Stationäre Schrödingergleichung Die Lösung der zeitabhängigen SGL kann recht aufwendig sein, vereinfacht sich aber, wenn das Potential nicht explizit zeitabhängig ist, d. h. wenn V = V ( r, t) V = V ( r ). Wir zeigen jetzt, dass in diesem Fall die zeitabhängige SGL übergeht in die zeitunabhängige bzw. stationäre SGL. Das heißt aber nicht, dass die Lösungen (Wahrscheinlichkeitsamplituden) Ψ von (3) dann keine Zeitabhängigkeit mehr beinhalten, denn schließlich sind die Lösungen Wellenfunktionen. Stationär bedeutet in diesem Fall einerseits, dass sich die Form (speziell das Potential V ) der SGL mit der Zeit nicht ändert, und andererseits, dass das Betragsquadrat Ψ der Lösungsfunktionen Ψ, also die Wahrscheinlichkeitsdichte, zeitunabhängig, d. h. stationär ist. Suchen wir also eine allgemeine Lösung der SGL für das nicht explizit zeitabhängige Potential. Die zeitabhängige SGL (3) bekommt dann die Form m r Ψ( r, t) + V ( r ) Ψ( r, t) = i Ψ( r, t). (4) t Machen wir einen Ansatz 4 für die Lösung dieser Differentialgleichung, indem wir annehmen, dass die Struktur der Lösungsfunktionen eine Separation ihres Zeitanteils von ihrem Ortsanteil ermöglicht und dann die Lösungsfunktionen gebildet werden aus dem Produkt von Orts- und Zeitanteil gemäß Ψ( r, t) = ψ( r ) f(t). (5) Wenn wir diesen Produktansatz in die SGL (4) einsetzen, können wir gespannt sein, was dann passiert: f(t) m r ψ( r ) f(t) + V ( r ) ψ( r ) f(t) = i ψ( r ) f(t) t ) ( m r ψ( r ) + ψ( r ) f(t) V ( r ) = ψ( r ) (i ddt ) f(t), Division (Kürzen) durch ψ( r ) f(t) : m r ψ( r ) ψ( r ) + V ( r ) = i d dt f(t) f(t). Wir sehen, dass die linke Seite der letzten Gleichung nur von der Variablen r abhängt und die rechte Seite nur von der Variablen t. Das aber bedeutet, dass diese Gleichung nur für eine (gemeinsame) Konstante erfüllt ist. Diese Konstante heißt Separationskonstante, weil es uns mit dem Produktansatz gelungen 4 Bei diesem Ansatz handelt es sich um den üblichen multiplikativen Separationsansatz zur Lösung partieller Differentialgleichungen dieses Typs, d. h. für den Fall, dass das Potential V nicht explizit zeitabhängig ist. 9

ist, die Abhängigkeit von mehreren Variablen in beiden Seiten der ursprünglichen Differentialgleichung aufzuteilen, sodass jede Seite nur noch von einer Variablen abhängt: A( r ) = const = B(t). Dieses Verfahren erleichtert die Lösung der Differentialgleichung wesentlich. Wir wollen die Separationskonstante hier E nennen, denn tatsächlich lässt sich E als die Gesamtenergie des quantenmechanischen Systems identifizieren, welches jetzt durch zwei voneinander unabhängige (nicht gekoppelte) Differentialgleichungen beschrieben wird: r ψ( r ) m ψ( r ) i d dt f(t) f(t) = E i d f(t) = E f(t), (6) dt + V ( r ) = E m Weil einerseits der Operator m ψ( r ) + V ( r ) ψ( r ) = E ψ( r ). r nur auf den Ortsanteil ψ( r ) von Ψ( r, t) r wirkt und andererseits der Operator i d nur auf den Zeitanteil f(t), resultiert dt aus unserem Poduktansatz ψ( r ) f(t) = Ψ( r, t) die m zeitunabhängige bzw. stationäre SGL r Ψ( r, t) + V ( r ) Ψ( r, t) = E Ψ( r, t). (7) Die kompakte Schreibweise für die stationäre SGL ist ĤΨ = EΨ. Jetzt lösen wir die zeitabhängige Differentialgleichung (6), eine homogene lineare Differentialgleichung erster Ordnung, also f + kf = 0 : df dt = ie f f df = ie dt ln f = i E t + c f = f(t) = c e i E t. (8) Die Konstante c = e c (mit der Integrationskonstanten c) soll in die Normierungskonstante von Ψ( r, t) eingehen, sodass mit E/ = ω f(t) = e i E t = e iωt (9) resultiert. Setzen wir die beiden Teillösungen ψ( r ) und (9) wieder zusammen, erhalten wir die separierte Lösungsfunktion, d. h. die allgemeine Lösung der stationären SGL : Ψ( r, t) = ψ( r ) e i E t. (0) Die Normierungskonstante sei Bestandteil der allein ortsabhängigen Teillösung ψ( r ). 0

Einsetzen von (0) in die SGL (4) mit V = V ( r ) liefert m r E ψ( r ) e i t + V ( r ) ψ( r ) e i E t = i t ψ( r ) E e i t mit der konstanten Gesamtenergie E des Systems. = i ( i E ) ψ( r ) e i E t = E ψ( r ) e i E t Wie man sieht, sind die separierten Lösungen (0), also Ψ( r, t) = ψ( r ) e i E t, zeitabhängig. Sie liefern jedoch stationäre Quantenzustände, denn die zugehörigen Betragsquadrate, die Wahrscheinlichkeitsdichten, sind zeitunabhängig: Ψ( r, t) = ψ ( r ) e +i E t ψ( r ) e i E t = ψ( r ). Achtung! Jede Linearkombination von separierten Lösungen (für stationäres Potential V ( r )) Ψ( r, t) = n Ψ n ( r, t) = n c n ψ n ( r ) e En i t ist wieder eine Lösung, die aber im Allgemeinen nicht stationär ist. Zusammenfassung der Konsequenzen aus der expliziten Zeitunabhängigkeit des Potentials in der SGL, also aus V = V ( r, t) V = V ( r ). Für die zeitabhängige SGL resultieren separierte Lösungen Ψ( r, t) = ψ( r ) e i E t.. Diese separierten Lösungen selbst sind zeitabhängig, ihr Betragsquadrat jedoch ist stationär: Ψ( r, t) = ψ( r ). 3. Durch den multiplikativen Separationsansatz resultiert aus der zeitabhängigen SGL die stationäre SGL ĤΨ = EΨ mit dem zeitunabhängigen Hamilton-Operator (Hamiltonian) Ĥ = m + V ( r ) und der konstanten Systemgesamtenergie E. 4. Wegen E = const ist der Erwartungswert E, d. h. der quantenmechanische Mittelwert von E E = d 3 r Ψ E Ψ = E d 3 r Ψ ( r )Ψ( r ) = E. }{{} = nach Voraussetzung 5. Weil die Gesamtenergie des Teilchens (zeitunabhängig) konstant ist, kann das explizit zeitunabhängige Potential V ( r ) nur konservative (energieerhaltende) auf das Teilchen wirkende Kräfte zur Folge haben.

4 Das freie quantenmechanische Teilchen Zur Vereinfachung werden wir in diesem Kapitel wieder nur das quantenmechanische Einteilchensystem betrachten. Außerdem werden wir uns im Ortsraum und folglich auch im Impulsraum auf eine Dimension beschränken und nur die x-achse und die p x -Achse benutzen, wobei wir p x = p setzen. Die auf diese Weise erhaltenen Ergebnisse, lassen sich ohne große Mühe auf den dreidimensionalen Ortsraum bzw. den dreidimensionalen Impulsraum verallgemeinern. Φ(k, t) ist die Fourier-Transformierte von Ψ(x, t), also das kontinuierliche Amplitudenspektrum bzw. die Amplitudenfunktion von Ψ(x, t) im k-raum. Man beachte hierbei die Abhängigkeit von t, die von der Transformation unberührt bleibt. Die Fourier-Transformierte einer Gauß-Funktion ist ebenfalls eine Gauß- Funktion. Wegen der sich daraus ergebenden guten Vergleichbarkeit werden wir unseren Betrachtungen von Wellenpaketen als Teilchenmodell ausschließlich Gauß- Verteilungen zugrundelegen. Weiterhin werden wir in diesem Kapitel die mittleren quadratischen Abweichungen 5 bzw. Schwankungen x von x und k von k benötigen: x = x x, k = k k. Darin sind x und k die Erwartungswerte bzw. die quantenmechanischen Mittelwerte gemäß dx Ψ(x)! = x = Ψ x Ψ = dk A(k)! = k = A k A = dx Ψ x Ψ, dk A k A. Auf die Dirac-Notation bzw. Bra-Ket-Notation mit den Hilbert-Raum-Vektoren bzw. Ket-Ausdrücken, den zugehörigen Dualraum-Vektoren bzw. Bra-Ausdrücken und den quantenmechanischen Operatoren bzw. Observablen (hier der Ortsoperator x) wollen wir aber nicht weiter eingehen. Es reicht in diesem Zusammenhang, wenn wir wissen, dass es diese verallgemeinerte, koordinatenunabhängige Darstellungsform gibt. 5 Praxisnahe Plausibilisierungen des Begriffs der mittleren quadratischen Abweichung findet man im Kapitel 0 Gesetz der großen Zahlen Binomialverteilung meines Skripts Grundlegendes zur Statistischen Physik sowie im Springer-Lehrbuch von Wolfgang Demtröder Experimentalphysik Mechanik und Wärme, 3. Aufl., Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York, 003, Seite 9 bis Seite 33, Abschnitt.8 Messgenauigkeit und Messfehler.

4. Wellenfunktion des freien Teilchens Wenn das Potential in der zeitabhängigen SGL (3) (zeitlich konstant) identisch Null, also V (x) 0 ist, dann bewegt sich ein durch diese SGL beschriebenes Teilchen ungestört bzw. kräftefrei im Raum, d. h., es handelt sich in diesem Fall um ein freies Teilchen. Und weil das Potential zeitlich konstant (identisch Null) ist, wird zur Lösung der SGL wieder der Produktansatz benutzt. Dann haben wir aber bereits mit (9) die zeitabhängige Teillösung f(t) = e iωt berechnet. Wir brauchen also nur noch die stationäre SGL für V 0 zu lösen, um die allein ortsabhängige Teillösung zu erhalten: m m Ψ(x, t) = E Ψ(x, t), x x ψ(x) e iωt = E ψ(x) e iωt, m ψ(x) = E ψ(x). () x () ist eine homogene lineare Differentialgleichung zweiter Ordnung der Form ψ + a ψ = 0, a = m E () = m k m = k, die wir routinemäßig mit dem Exponentialansatz ψ(x) = e µ x lösen. Wir erhalten µ = ± a und damit die allgemeine Lösung ψ(x) = A e +ik x + A e ik x. () Die Lösung Ψ(x, t) der (stationären) SGL für ein freies Teilchen ist also das Produkt aus der allein ortsabhängigen Teillösung () und der allein zeitabhängigen Teillösung (8) und hat die Form einer ebenen Welle: Ψ(x, t) = ψ(x) f(t) = ( C e +ik x + C e ik x) e iωt Ψ(x, t) = C e i(kx ωt) + C e i(kx+ωt). Dabei ist die Konstante c der zeitabhängigen Teillösung in die Konstanten C und C eingegangen. Ausgehend von einem Fixpunkt x 0 kann man sich überlegen, dass C e ±i(kx ωt) ebene Wellen beschreibt, die sich in die positive Richtung der x-achse ausbreiten. C e ±i(kx+ωt) dagegen beschreibt ebene Wellen, die sich in die negative Richtung der x-achse ausbreiten. Die Konstanten C und C werden durch die Rand- oder/und Anfangsbedingungen festgelegt. Das von uns beobachtete quantenmechanische Teilchen soll sich in die positive Richtung längs der x-achse bewegen. Deshalb muss die Konstante C verschwinden. Wir wählen folglich für unser freies Teilchen die Materiewellenfunktion (Wahrscheinlichkeitsamplitude) Ψ(x, t) = C e i(kx ωt). 3

Diese Lösung setzen wir in die (allgemeine) zeitabhängige SGL (3) ein und berücksichtigen V 0 : m m x Ψ(x, t) = i Ψ(x, t), t x C ei(kx ωt) = i t C ei(kx ωt), k m k m = ω = ω(k). (3) Mit (3) haben wir die Dispersionsrelation für ebene Materiewellen gefunden. Diese Dispersionsrelation besagt, dass ebene Materiewellen bei frei wählbarer Wellenzahl k nur dann die SGL lösen, wenn sie die Gleichung (3) erfüllen. Es ist also bei Materiewellen immer zu berücksichtigen, dass ihre Kreisfrequenz ω = π ν (bzw. ihre Frequenz ν) abhängig ist von der Wellenzahl k = π/λ (bzw. ihrer Wellenlänge λ oder ihrem Impuls p = k). Überlagern sich mehrere Teilchenwellen bzw. Materiewellen mit verschiedenem Impuls k, gebildet von einem 6 Teilchen der Ruhemasse m, zu einer Wellengruppe, dann gilt für die Phasengeschwindigkeit 7 v p jeder einzelnen Welle v p = λ ν = ω(k) k = k m und für die Gruppengeschwindigkeit v g der Wellengruppe v g = dω(k) dk = k m. Wie man sieht, ist bei Materiewellen die Gruppengeschwindigkeit größer als die Phasengeschwindigkeit. Die Gruppengeschwindigkeit kann als die eigentliche Teilchengeschwindigkeit angesehen werden. Materiewellen mit größerem Impuls haben nicht nur eine höhere Frequenz, sondern besitzen auch eine größere Phasengeschwindigkeit als Materiewellen mit kleinerem Impuls. Im Gegensatz dazu besitzen ruhemasselose Teilchen, also Photonen, die Dispersionsrelation ω = ω(k) = c k, sodass die Gruppengeschwindigkeit eines nichtmonochromatischen Lichtstrahls gleich der Phasengeschwindigkeit jeder seiner Teilwellen verschiedener Frequenz ist, nämlich gleich der Lichtgeschwindigkeit: v g = d dk c k = v p = c k k = c = const. 6 Wegen der Heisenberg schen Unschärferelation ist dieser Ansatz nicht widersprüchlich. 7 Für die Phase einer Wellenfront gilt: ϕ = k r ωt = const und k r = k r cos ( k, r) = k r k k r k ωt = const r k = const + ωt v p = dr k k k dt = ω k = k m = p m = v g. 4

Die Materiewellenfunktion (Wahrscheinlichkeitsamplitude) eines freien Teilchens, das sich in die positive Richtung der x-achse bewegt, hat somit die endgültige Form Ψ(x, t) = C e i[kx ω(k)t]. (4) Achtung! Die Funktion der ebenen Welle ist nicht quadratintegrabel und folglich nicht normierbar: dx Ψ Ψ = dx C e i(kx ωt) C e i(kx ωt) = C dx = C x. Die freie Materiewelle ist in diesem Fall über die gesamte x-achse (allgemein über den gesamten Ortsraum) delokalisiert. Mit anderen Worten, das freie Teilchen wird hier durch eine ebene Welle beschrieben, die (orts)räumlich und zeitlich unendlich ausgedehnt ist. Tatsächlich ist aber eine ebene Welle mit unendlicher Ausdehnung nicht real. In der Realität haben wir es mit begrenzten Räumen zu tun. Das einfachste derartige Standardmodell ist ein quantenmechanisches Teilchen im eindimensionalen Potentialtopf mit unendlich hohen Potentialwänden, wobei innerhalb des Topfs V 0 gelten soll (s. Kapitel 5). In diesem Fall ist das Teilchen nicht mehr frei, sondern im Topf gefangen oder besser gesagt, gebunden, weshalb die ebene Wellenfunktion am Rand (an der Potentialtopfwand) verschwindet. Auf diese Weise wird die Wellenfunktion normierbar. Für einen Topf der Breite x = L lautet dann die Normierung C = L L 0 dx e i(kx ωt) e i(kx ωt) = L L L L 0 dx = L x L 0 =. Die (Gesamt-)Energie E freier Teilchen ist gleich ihrer kinetischen Energie k und m das Spektrum der diesen freien Teilchen prinzipiell zugänglichen Energiewerte, welche sich aus der SGL ergeben, ist kontinuierlich. Bei gebundenen Teilchen ist dies anders. Die räumliche Begrenzung des Teilchenaufenthaltsbereichs bewirkt, dass die SGL nur bestimmte Gesamtenergiewerte der Teilchen zulässt. Das Spektrum der Gesamtenergie E gebundener Teilchen ist diskret ein wesentliches, rein-quantenphysikalisches Phänomen. Zum Teilchen im Potentialtopf mit unendlichem und mit endlichem Potential findet man viele, gut illustrierte Beispiele im Internet. Wie manifestiert sich die Heisenberg sche Unschärferelation an einem freien Teilchen? Die Delokalisierung der Wellenfunktion eines freien Teilchens über den gesamten Ortsraum bedeutet, dass die räumliche Unschärfe des Teilchens gegen unendlich geht, d. h. x. Demzufolge muss die Impulsunschärfe des freien Teilchens gegen Null gehen, also p 0, d. h., der Impuls des freien Teilchens muss scharf sein. Diesen Zusammenhang kann man für ein Teilchen mit dem (scharfen) Impuls k 0 durch Fourier-Transformation der freien Wellenfunktion (der Funktion der ebenen Welle) 5

vom Ortsraum in den k-raum 8 darstellen: 9 Ψ(x, t) = C e i [k 0x ω(k 0 )t] F Φ(k, t) = dx Ψ(x, t) e ikx Die Dirac sche δ-distribution δ(k k 0 ) = π = = C e iω(k 0)t dx C e i [k 0x ω(k 0 )t] }{{} Ψ(x,t) e ikx dx e i(k k 0)x Φ(k, t) = C e iω(k 0)t π δ(k k 0 ). (5) dx e i(k k 0)x, üblicherweise δ-funktion genannt, beschreibt sinngemäß einen unendlich schmalen und dafür aber unendlich hohen Peak an der (konstanten) Stelle k 0 auf der k-achse. Sie ist definiert durch das Integral k 0, k 0 / [k, k ] dk δ(k k 0 ) =., k 0 [k, k ] k Wir sehen, dass die Wellenfunktion des Teilchens im k-raum tatsächlich (scharf) an der Stelle k 0 = p 0 lokalisiert ist. Der Vollständigkeit halber zeigen wir noch die Fourier-Rücktransformation von (5): Ψ(x, t) = π = π dk Φ(k, t) e ikx Ψ(x, t) = C e i [k 0x ω(k 0 )t]. dk C e iω(k 0)t π δ(k k 0 ) e ikx 4. Materiewellenpaket und Teilchenunschärfe Wir wollen jetzt durch Superposition (Überlagerung) verschiedener ebener Materiewellen ein (begrenztes) Wellenpaket als Modell für ein reales Teilchen konstruieren. Dabei gehen wir aus von (4), der Lösung der stationären SGL für das freie Teilchen: Ψ(x, t) = C e ikx e iω(k)t = C e i[kx ω(k)t]. 8 Wegen der De Broglie-Beziehung p = k entspricht der Impuls p der Wellenzahl k und der k-raum steht für den Impulsraum. 9 Die Fourier-Transformierte der Funktion einer ebenen Welle ist eine δ-funktion. 6

Weil die SGL eine lineare Differentialgleichung ist, sind auch die Superpositionen C n e i[knx ω(kn)t] = Ψ(x, t) (6) n Lösungen, wobei die C n ein diskretes Amplitudenspektrum bilden. Verwenden wir aber statt des diskreten Amplitudenspektrums die Amplitudenfunktion Ã(k), geht (6) über in das Integral Ψ(x, t) = π dk Ã(k) ei [kx ω(k)t]. (7) Dabei ist Ã(k) so zu wählen, dass die auf diese Weise konstruierte Lösung Ψ(x, t) normierbar ist. Vergleichen wir die Fourier-Rücktransformation (3) Ψ(x, t) = π dk Φ(k, t) e ikx mit der Lösung (7), so stellen wir fest, dass die Fourier-Transformierte von Ψ(x, t), nämlich die Wellenfunktion Φ(k, t) die Form Φ(k, t) = Ã(k) e iω(k)t. hat. Wie wir sehen, lassen sich bei geeigneter Wahl der Amplitudenfunktion Ã(k) mit Hilfe der Fourier-Transformation aperiodische Funktionen wie z. B. ein (begrenztes) Wellenpaket darstellen. So ein Wellenpaket ist dann im Prinzip nichts anderes als eine Superposition von unendlich vielen verschiedenen ebenen Wellen. Zum Zeitpunkt t = 0 gilt für den zeitabhängigen Phasenfaktor e iω(k)t = e 0 = und folglich Φ(k, 0) = Ã(k) Ψ(x, 0) = π dk Ã(k) eikx. Nehmen wir jetzt an, die Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion des (unscharfen!) Teilchens bzw. des Materiewellenpakets entspreche im Ortsraum nicht einer ebenen Materiewelle sondern sei zum Zeitpunkt t = 0 die Gauß sche Normalverteilung πσ e (x x 0 ) σ = Ψ(x, 0) = ϱ(x). Weil bei t = 0 der zeitabhängige Phasenfaktor e iω(k)t gleich eins ist, vereinfacht sich 7

die zugehörige Wahrscheinlichkeitsamplitude 0 zu Ψ(x, 0) = (πσ ) 4 e (x x 0 ) 4 σ mit der Normierung dx Ψ(x, 0) = dx πσ e (x x 0 ) σ =. Hierbei haben wir das Gauß-Integral dy e ay = π a (8) mit den Substitutionen verwendet und erhalten πσ σ = a, x x 0 = y, dx = dy dy e ay = πσ πσ =. Berechnen wir jetzt die Fourier-Transformierte bzw. das kontinuierliche Amplitudenspektrum Φ(k, 0) = Ã(k) von Ψ(x, 0) gemäß (): Ã(k) = dx Ψ(x, 0) e ikx Ã(k) = = dx dx (πσ ) 4 (πσ ) 4 e (x x 0 ) 4 σ e ikx [ e (x x0 ) ] 4 σ +ikx, (9) Ã(k) = ( 8 πσ ) 4 e σ k e ikx 0. (30) 0 Im Physik-Skript Quantenphysik und statistische Physik von Peter Ryder, Shaker Verlag, Aachen 004, findet man auf Seite 0 die folgenden Fourier-Transformationen zum Zeitpunkt t = 0 : ψ(x) = F (k) e ikx dk F (k) = ( ) σ π e x /(σ ) e i(k k0)x dx π π ψ(x) = ( σ π ) e x /(σ ) e ik0x. Die Wahrscheinlichkeitsfunktion ψ(x) wird dabei konstruiert durch die Modulation der ebenen Welle e ik0x mit einer Gauß-Funktion und charakterisiert ein Teilchen mit dem Impuls p 0 = k 0. 8

Den Lösungsweg für dieses Integral zeigen wir im Anhang. Die Fourier-Transformierte (30) entspricht einer Gauß-Kurve, ist aber nicht normiert: dk Ã(k) = 8π σ dk e σ k = 8π σ π σ = π. Dieses Ergebnis wird bestätigt durch das Parseval sche Theorem (5) dx Ψ(x, 0) = π dk Ã(k) = π π =. Um Ã(k) zu normieren, brauchen wir (30) nur mit / π zu multiplizieren und erhalten schließlich ( ) σ 4 A(k) = e σ k e ikx 0. π Mit resultiert schließlich ( σ π ) 4 = K A(k) = K e σ k e ikx 0. Die zugehörige (normierte) Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion ist dann A(k) = K e σ k. (3) (3) mit k 0 = 0 ist die spezielle Form der entsprechenden verallgemeinerten Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion A(k) = K e σ (k k 0 ). (3) Diese Gauß-Kurven besitzen ihr Maximum an der Stelle der mittleren Wellenzahl k 0. Gauß-Kurven fallen zu beiden Seiten ihres Maximums symmetrisch ab. Um die Heisenberg sche Unschärfe des Wellenpakets zum Zeitpunkt t = 0 zu beurteilen, benötigen wir die Erwartungswerte von x, x, k, k, woraus wir dann die Schwankungen (Unschärfen) x von x und k von k berechnen können, wobei wir die uneigentlichen Integrale dy y e ay = 0 und dy y e ay = π a 3 9

verwenden. Die vollständigen Lösungswege für (33) und (34) sind im Anhang zu finden. x = x = dx x Ψ(x, 0) = dx x Ψ(x, 0) = dx x dx x πσ e (x x 0 ) σ = x 0, (33) πσ e (x x 0 ) σ = x 0 + σ, (34) x = x x = k = k = = x 0 + σ x 0 = σ. dk k A(k) = dk k A(k) = σ π π (σ ) 3 = dk k dk k σ π σ π k e σ πσ 4π 8σ 6 = 4σ, k e σ = 0, k = k k = k = σ. Wie wir sehen, ist die Schwankung bzw. Unschärfe x = σ die in der Statistik verwendete mittlere quadratische Abweichung in der Gauß schen Normalverteilung. Die Größe σ wird deshalb oft als Maß für die Breite der Gauß schen Glockenkurve angenommen. Weiterhin stellen wir fest, dass sich die Unschärfen x und k eines Wellenpakets umgekehrt proportional zueinander verhalten: x k. Wenn also z. B. die Verteilung Ψ(x, 0) (im Ortsraum) breiter wird, dann muss die Verteilung A(k) (im k-raum) im gleichen Verhältnis schmaler werden. Das Produkt aus den Breiten der beiden Verteilungen, die Heisenberg sche Orts-Impuls- Unschärfe, ist dabei aber konstant und minimal: x p = x k = σ σ =. Minimal ist diese Orts-Impuls-Unschärfe aber nur bei t = 0, wie sich im nächsten Abschnitt herausstellen wird. 4.3 Breitfließen (Dispersion) des Gauß schen Wellenpakets Achtung! Wenn im Folgenden die Integrationsgrenzen nicht angegeben werden, soll die Integration von bis + erfolgen. Dabei handelt es sich um eine in der Physik sehr oft praktizierte Vereinfachung. 0

Abbildung Abbildung aus Torsten Fließbach, Quantenmechanik Lehrbuch zur Theoretischen Physik III, 4. Auflage, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, 005, Seite 66. Darstellung der Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion eines Gauß schen Wellenpakets zum Anfangszeitpunkt t = 0 und zur Zeit t > 0 unter der Anfangsbedingung x 0 = 0. Im Abschnitt zuvor hatten wir ein Gauß sches Wellenpaket zum Anfangszeitpunkt t = 0 kennengelernt. Jetzt wollen wir die zeitliche Entwicklung dieses Wellenpakets betrachten, also für t > 0. Dabei soll sich das Maximum des Wellenpakets mit der Gruppengeschwindigkeit v g in die positive Richtung der Ortskoordinate x bewegen. Das aber bedeutet, dass in unseren Überlegungen sowohl die allein zeitabhängige Teillösung (der zeitabhängige Phasenfaktor) e iωt als auch die Abhängigkeit der Kreisfrequenz von der Wellenzahl (bzw. vom Impuls), also die Dispersionsrelation k m ω(k) = E(k) p = = m = k m zu berücksichtigen sind. Wir werden am Ende feststellen können, dass das Wellenpaket mit der Zeit auseinanderläuft, weil sich innerhalb des Wellenpakets die Teilwellen mit größerem Impuls k schneller fortbewegen als die Teilwellen mit kleinerem Impuls. Damit geht aber auch eine Zunahme der Heisenberg schen Unschärfe des Teilchens (des Wellenpakets) einher. In Übereinstimmung mit der Fourier-Rücktransformation (3) und dem Lösungsintegral (7) schreiben wir allgemein für unser Wellenpaket, also unter Berücksichtigung der Zeitabhängigkeit Ψ(x, t) = π = π dk Φ(k, t) e ikx dk Ã(k) e iω(k)t e ikx. An Stelle von Ã(k) verwenden wir jetzt aber nicht die unnormierte Form (30) sondern gehen aus von der normierten Wahrscheinlichkeitsdichte (3) A(k) = K e σ (k k 0 ) = σ π e σ (k k 0 ), verwenden also die Gauß-Funktion A(k) = K e σ (k k 0 ).

Es resultiert die nicht normierte Funktion Ψ(x, t) = dk K e σ (k k 0 ) e ω(k)t e ikx. (35) π k 0 ist die Stelle des Peaks der Gauß-Kurve und entspricht dem wahrscheinlichsten Impuls, d. h., die Wahrscheinlichkeit des Auftretens größerer oder kleinerer Impulse fällt zu beiden Seiten des Peaks stetig ab. Deshalb entwickeln wir die Dispersionsrelation an der Stelle k 0 in eine Taylor-Reihe: ω(k) = ω(k 0 ) + dω dk (k k 0 ) + d ω k0 dk (k k 0 ) + k0 = k 0 m + k 0 (k k 0 ) + }{{} m v g m }{{} β (k k 0 ) ω(k) = ω 0 + v g (k k 0 ) + β (k k 0 ). (36) Die Entwicklung bricht nach der zweiten Ordnung ab, weil bereits die dritte Ableitung von k nach k verschwindet. v m g ist die Gruppen- bzw. Teilchengeschwindigkeit, also die Geschwindigkeit des Peaks im Ortsraum, und β ist der Dispersionsparameter. Beide sind hier konstant. Statt der Taylor-Entwicklung hätten wir einen formalen, dafür aber einfacheren Weg gehen können wir finden ihn im Anhang. Setzen wir also die Entwicklung (36) in die Gleichung (35) ein: Ψ(x, t) = dk K e σ (k k 0 ) e ikx e i[ω 0+v g (k k 0 )+β (k k 0 ) ]t, π Ψ(x, t) = K π dk e σ (k k 0 ) e ikx e i[ω 0+v g (k k 0 )+β (k k 0 ) ]t. (37) Den Lösungsweg dieses Integrals finden wir im Anhang und die Lösung ist { } Ψ(x, t) = K exp i (k 0 x ω 0 t) π exp { (x v } gt). (38) σ + i βt 4 (σ + i βt) Mit der konjugiert-komplexen Lösung { } Ψ (x, t) = K exp i (k 0 x ω 0 t) π σ i βt exp { (x v } gt) 4 (σ i βt) ist dann die unnormierte Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion des Wellenpakets im Ortsraum { } Ψ(x, t) = K 4π σ4 + β t exp σ (x v g t), (39) (σ 4 + β t ) Vgl. Torsten Fließbach, Quantenmechanik Lehrbuch zur Theoretischen Physik III, 4. Aufl., Elsevier Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, 005, Kapitel 9 Lösung der freien Schrödingergleichung, Seite 65.

denn mit dem Gauß-Integral und den Substitutionen ( ) σ 4 K =, x vg t = y, dx = dy π liefert das Integral von (39) über den Ortsraum nicht sondern { } σ /π dx 4π σ4 + β t exp σ (x v g t) (σ 4 + β t ) = σ π π π σ4 + β t (σ4 + β t ) = σ π. Die normierte Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion des Wellenpakets erhalten wir also durch Multiplikation von (39) mit π gemäß Ψ(x, t) = σ { } π σ4 + β t exp σ (x v g t) (40) (σ 4 + β t ) und um Ψ(x, t) zu normieren, müssen wir folglich (38) mit π multiplizieren: { } ( ) π σ Ψ(x, t) = π 4 exp i (k 0 x ω 0 t) exp { (x v } gt), (4) π σ + i βt 4 (σ + i βt) ( σ Ψ(x, t) = π ) 4 { } exp i (k 0 x ω 0 t) σ + i βt exp { (x v } gt) 4 (σ + i βt). (4) Vergleichen wir den Term exp { σ (x v gt) exp { (x x 0) σ } σ 4 + β t (σ 4 +β t ) } in (40) mit der Exponentialfunktion der Gauß schen Normalverteilung, können wir folgendes feststellen: v g t entspricht x 0 in der Gauß schen Normalverteilung und σ entspricht σ in der Gauß schen Normalverteilung. Das bedeutet einerseits, dass sich der an der Stelle v g t gelegene Peak der Gauß-Kurve (40) mit der Gruppengeschwindigkeit v g längs der x-achse bewegt. Andererseits wird die Gauß-Kurve (40) mit der Zeit breiter, denn der Term σ4 +β t wird mit der Zeit σ größer. Wie in der Abbildung veranschaulicht, läuft das sich mit der Gruppengeschwindigkeit v g fortbewegende Wellenpaket auseinander, während die Norm bzw. der Flächeninhalt unter der Gauß-Kurve erhalten bleibt. 3

Abschließend berechnen wir die Heisenberg sche Unschärfe des Wellenpakets in Abhängigkeit von der Zeit: x = dx x Ψ(x, t) { } σ = dx x π σ4 + β t exp σ (x v g t) (43) (σ 4 + β t ) = v g t, x = = dx x Ψ(x, t) dx x { } σ π σ4 + β t exp σ (x v g t) (σ 4 + β t ) (44) = σ4 + β t σ + v g t, x = x x = σ4 + β t σ + v g t v g t = σ4 + β t σ. k = k = = k 0, dk k A(k) = dk k A(k) = = 4σ + k 0, σ dk k σ dk k π e σ (k k 0 ) π e σ (k k 0 ) (45) (46) k = k k = 4σ + k 0 k0 = σ. Die vollständigen Lösungswege für die Integrale (43) bis (46) sind im Anhang zu finden. Die von der Zeit abhängige Heisenberg sche Orts-Impuls-Unschärfe des Wellenpakets ist folglich σ4 + β x p = x k = t σ σ, x p = + β t σ 4, (47) wird mit der Zeit immer größer und geht für t ebenfalls gegen Unendlich. 4

5 Quantenmechanisches Teilchen im eindimensionalen unendlich hohen Potentialtopf und das Volumen der zweidimensionalen Phasenraumzelle Betrachten wie die eindimensionale Bewegung eines Teilchen mit der Masse m und der Energie E = p /m entsprechend p = ± me in einem unendlich hohen eindimensionalen Potentialtopf der Länge L. Das Teilchen bewegt sich folglich im zweidimensionalen Phasenraum mit dem Phasenraumvolumen V P hr (E, L) = L 0 me dx dp = L me (48) me und wird an den Wänden des Potentialtopfs reflektiert. Es soll keine potentielle sondern nur kinetischen Energie besitzen, die durch die stationäre (zeitunabhängige) Schrödinger-Gleichung bzw. Eigenwertgleichung, also durch den Hamilton-Operator Ĥ in Ortsdarstellung wie folgt beschrieben wird: m Ĥ Ψ(x) = E Ψ(x) bzw. Ĥ Ψ n (x) = E n Ψ n (x), (49) d Ψ(x) = E Ψ(x). (50) dx Setzen wir für E = p /(m) = k /(m) = k /(m), so erhalten wir aus (50) die homogene lineare Differentialgleichung. Ordnung Die zwei linear unabhängigen Basislösungen Ψ (x) + k Ψ(x) = 0. (5) Ψ (x) = e ikx, Ψ (x) = e i( k)x, k > 0 (5) bilden gemeinsam die Fundamentalbasis dieser Differentialgleichung. Für k < 0 würden wir die Fundamentalbasis Ψ (x) = e i( k)x, Ψ (x) = e ikx erhalten. Wie wir sehen, ergeben sich für negative k keine neuen Basislösungen, sodass wir uns allein auf die Lösungen für k > 0 beschränken dürfen. Die Fundamentalbasis liefert schließlich die allgemeine Lösung bzw. im Reellen Ψ(x) = C e ikx + C e i( k)x, k > 0 (53) Ψ(x) = A sin(kx) + B cos(kx), A, B R, k > 0. (54) Die Konstanten A und B werden aus den Randbedingungen Ψ(0) = 0, Ψ(L) = 0 (55) Siehe Lothar Papula, Mathematik für Ingenieure und Naturwissenschaftler, Band, 0. Aufl., Vieweg, Braunschweig, Wiesbaden, 00, Abschn. 3.3, Seite 487. 5

bestimmt: Ψ(0) = A 0 + B = 0 B = 0, (56) Ψ(L) = A sin(kl) + 0 cos(kl) = 0 (57) sin(kl) = 0 = sin(n π), k > 0 n N, n > 0, (58) kl = n π (59) k = k n = π n, n =,, 3, 4,.... (60) L Unter Berücksichtigung der Randbedingungen haben wir somit ein Spektrum von Lösungen ( nπ ) Ψ(x) = A sin L x, n =,, 3... (6) für die Differentialgleichung (50) erhalten. Aus der Normierung Ψ(x) dx! = (6) ergibt sich schließlich für A mit sin ax dx = x/ sin(ax)/(4a) : L x=0 ( nπ ) [ A sin L x x dx = A 4 L ( nπ sin nπ ) ] L L x x=0 = A L! =, (63) A = L. (64) Die Lösungen (Eigenfunktionen) 3 Ψ n (x) der Eigenwertgleichung (49) für ein Teilchen im unendlich hohen eindimensionalen Potentialtopf der Breite L sind folglich Ψ n (x) = L sin ( nπ L x ) (65) und die Eigenwertgleichung erhält damit die Form Ĥ Ψ n (x) = Ĥ L sin ( nπ L x ) = E n Ψ n (x) = π n ml Ψ n(x), n =,, 3.... (66) Das Teilchen kann also die Energieeigenwerte E n = π n ml = m k n mit k n = πn, n =,, 3,... (67) L 3 Lösungen der Differentialgleichung (49) bzw. dieses Eigenwertproblems sind aber auch alle möglichen Linearkombinationen der Eigenfunktionen Ψ n (x). 6

besitzen. In der klassischen Betrachtungsweise können wir dem Teilchen im Potentialtopf eine bestimmte kinetische Energie E = const zuordnen. Die dann maximal mögliche Quantenzahl n max ergibt sich aus (48) und aus der Gleichung (67): E = π n max ml n max = me π L = L me π = V P hr π. (68) Im eindimensionalen Fall ist n max aber gerade die Anzahl der dem System unter der Bedingung 0 < E n E zugänglichen Energiequantenzustände. Das wiederum bedeutet, dass π das Volumen einer zweidimensionalen Phasenraumzelle ist, also das Phasenraumvolumen, welches von einem Zustand im zweidimensionalen Phasenraum eingenommen wird. Beispiel Wir betrachten ein quantenmechanisches Teilchen der Masse m im eindimensionalen, unendlich hohen Potentialtopf der Breite L. Die potentielle Energie des Teilchens ist folglich V (x) = 0 und seine Bewegung soll auf das Ortsintervall [ L, L] beschränkt sein. Dieses quantenmechanische Einteilchensystem befinde sich im reinen Zustand Ψ, der in Ortsdarstellung beschrieben wird beispielsweise durch die Zustandsfunktion ( π ) x Ψ = Ψ(x) = C cos L x. (69) Ψ sei kein Eigenvektor. Folglich ist Ψ(x) auch keine Eigenfunktion. Wegen der Ortsraumbeschränkung des Systems sind die Impuls- bzw. Energieeigenfunktionen diskretisiert mit dem entsprechenden zugehörigen diskreten Eigenwertspektrum. Lediglich die zur Ortsdarstellung der diskreten Größen erforderliche Basis aus den Ortseigenfunktionen ist kontinuierlich. Zunächst normieren wir Ψ(x) durch die Festlegung der Konstante C. Dazu benötigen wir eine leichter zu integrierende Darstellung von cos 4 ( π L x) entsprechend cos(α) = cos α sin α cos α = cos(α) + cos α cos α = + cos(α) cos α = + cos(α) (70) cos 4 α = 4 + cos(α) + 4 cos (α) }{{} mit (70) { = 4 + cos(α) + [ }}{ 4 + ] cos(4α) cos 4 α = 8 [ ] 3 + 4 cos(α) + cos(4α). (7) 7

Normierung von Ψ(x) :! = + L dx Ψ(x) = + L dx C cos ( π L x ) = C + L dx cos 4 ( π L x ) (7) L L L = C 8 + L dx [ ( π ) ( 4π ) ] 3 + 4 cos L x + cos L x (73) = C 8 L [3x + Lπ sin ( πl x ) + L4π sin ( 4πL x ) ] + L L (74) = C 3L 8 C = 8 3L, (75) Ψ(x) = 8 3L cos ( π L x ). (76) Wir werden jetzt die energetischen Verhältnisse in diesem quantenmechanischen Einteilchensystem beschreiben. Der für die Energie zuständige Operator ist der Hamilton- Operator Ĥ, der für den stationären Fall in Ortsdarstellung und für V (x) = 0 die Form H(x) = d (77) m dx hat und somit nur die kinetische Energie im System beschreibt. Die zum Hamilton- Operator gehörenden Energieeigenzustände ψ n des Systems sind in Ortsdarstellung die Energieeigenfunktionen x ψ n = ψ n (x), (78) die in ihrer Gesamtheit eine VON-Basis zur Entwicklung des Zustands Ψ bilden, wie wir noch sehen werden. Die Energieeigenfunktionen ψ n (x) sind die Lösungen der sich aus dem entsprechenden Hamilton-Operator ergebenden Schrödinger-Gleichung, die in diesem Fall auch gleichzeitig die Eigenwertgleichung m Ĥ ψ = E ψ (79) H(x) ψ(x) = E ψ(x) (80) d dx ψ n(x) = E n ψ n (x) = k n m ψ n(x) (8) ist und das diskrete Energieeigenwertspektrum {E n } liefert. Lösen wir also die Differentialgleichung d m dx ψ(x) = k ψ(x) (8) m 8

mit dem Exponentialansatz 4 ψ(x) = e ±ikx. (83) Mit d dx ψ(x) = k ψ(x) (84) k ψ(x) = k ψ(x) (85) haben wir bereits die allgemeine Lösung von (8) gefunden: ψ(x) = C e ikx + C e ikx (86) [ ] [ ] = C cos(kx) + i sin(kx) + C cos(kx) i sin(kx) (87) = (C + C ) cos(kx) + (ic ic ) sin(kx) (88) ψ(x) = A cos(kx) + B sin(kx). (89) Aus der Forderung nach der Stetigkeit der Zustandsfunktionen ergeben sich die Randbedingungen ψ ( L ) = ψ ( L ) = 0, (90) womit wir die spezielle Lösung der Differentialgleichung bzw. die Eigenfunktionen ψ n (x) ermitteln können. Die Randbedingungen sind nämlich nur für bestimmte Werte von k erfüllt. Mit cos( α) = cos(α) gilt im Fall der geraden Energieeigenfunktionen ψn : [ A cos k ( ) ] [ ± L + B sin k ( ) ] ± L = 0 für (9) k sodass ( ± L ) ( = n + ) π k n = ± π L [ π ψn (x) = A cos L ( n + ), n = 0,,, 3... (9) und B = 0, (93) ( n + ) ] x. (94) Wir haben für die geraden Eigenfunktionen nur positive n zugelassen, weil negative n zum gleichen Vorzeichen führen wie positive. Die Normierung unter Verwendung von cos ax dx = x + sin(ax) ergibt schließlich 4a! = + L dx ψ n (x) = A + L dx cos [ π L ( n + ) ] x = A L (95) L L A = L, (96) 4 Die Exponentialfunktion e ikx ist die zu der ebenen Welle e i(kx ωt) gehörende Funktion für t = 0. 9

ψ n (x) = [ π L cos L ( n + ) ] x, n = 0,,, 3.... (97) Und mit sin( α) = sin(α) gilt im Fall der ungeraden Energieeigenfunktionen ψn : [ A cos k ( ) ] [ ± L + B sin k ( ) ] ± L = 0 für (98) sodass k ( ± L ) = n π k n = ± π L n, n =,, 3... (99) und A = 0, (00) [ ] π ψn (x) = B sin L n x. (0) Wir haben für die ungeraden Eigenfunktionen ebenfalls nur positive n zugelassen, weil negative n nur zu einer physikalisch nicht relevanten Vorzeichenumkehr der Eigenfunktionen führen. Physikalisch beobachtbar sind nämlich nicht die Eigenfunktionen selbst sondern nur ihr Betragsquadrat, die Wahrscheinlichkeitsdichte. Das Betragsquadrat ist aber unabhängig vom Vorzeichen der Eigenfunktionen. Außerdem haben wir für die ungeraden Eigenfunktionen n = 0 ausgeschlossen, weil n = 0 den trivialen Fall ψn (0) 0 und damit energie- bzw. impulsfreie Teilchen ergeben würde. Diese sind aber nicht mit der Heisenberg schen Unschärferelation vereinbar. Die Normierung unter Verwendung von sin ax dx = x sin(ax) ergibt schließlich 4a! = + L dx ψ n (x) = B + L dx sin [ π L n x ] = B L (0) L L ψ n (x) = B = [ π ] L sin L n x L, (03), n =,, 3.... (04) Damit sind alle Energieeigenfunktionen ψ n (x) normiert. Dass die geraden und ungeraden Eigenfunktionen gemäß + L L dx ψm ψn = 0, m, n N (05) }{{} ungerade zueinander orthogonal sind, ergibt sich aus der Tatsache, dass das Integral über eine ungerade Funktion, die symmetrisch zum Koordinatenursprung liegt und dort sowie 30

an den Integrationsgrenzen verschwindet, gleich Null ist. Aber auch verschiedene gerade Eigenfunktionen sind zueinander orthogonal und ebenso verschiedene ungerade Eigenfunktionen, wie man sich an entsprechenden Beispielrechnungen veranschaulichen kann. Alle geraden und ungeraden Energieeigenfunktionen bilden gemeinsam eine VON- Basis, spannen also den zum Hamilton-Operator Hilbert-Raum H auf. Ĥ := H(x) = m d dx gehörenden Der Zustand Ψ lässt sich nach der VON-Basis { ψ n, ψ n }, bestehend aus allen Energieeigenfunktionen, wie folgt entwickeln: Ψ = n=0 ψn ψn Ψ = }{{} c n c n ψn. (06) Warum in diesem Fall für die Entwicklung nur die geraden Eigenfunktionen Verwendung finden, werden wir gleich sehen. Die Entwicklungskoeffizienten c n in Ortsdarstellung sind c n = ψ n Ψ = + L n=0 dx ψ n x x Ψ = + L dx ψ n(x) Ψ(x). (07) L Bezüglich der ungeraden Eigenfunktionen ψ n L bedeutet das c n = + L L dx ( ) π L sin L n x }{{} ungerade Funktion 8 3L cos ( π L x ) } {{ } gerade Funktion = 0. (08) Der Integrand ist insgesamt eine ungerade Funktion, sodass das Integral verschwindet. Wir brauchen also die Entwicklungskoeffizienten bezüglich der ungeraden Eigenfunktionen nicht zu berücksichtigen. Die Entwicklungskoeffizienten bezüglich der geraden Eigenfunktionen ψn sind c n = + L L dx [ ( π L cos n + ) ] 8 ( π ) x L 3L cos L x (09) c n = 4 L 3 = + L L [ ( π dx cos n + ) ] ( π ) x cos L L x (0) 6 cos(nπ) 3 π (8n3 + n n 3). () Die Integration wurde mit einem entsprechenden Mathematikprogramm ausgeführt. Bei der Messung der (kinetischen) Energie des quantenmechanischen Teilchens im Zustand Ψ := Ψ(x) im eindimensionalen, unendlich hohen Potentialtopf können 3

nur Energieeigenwerte E n gemessen werden mit der zugehörigen Wahrscheinlichkeit p n = c n. Die drei niedrigsten Eigenenergien mit ihren entsprechenden Eigenfunktionen und Wahrscheinlichkeiten sind: k 0 = π L, E 0 = ( k 0 ) m, ψ 0 (x) = L cos ( π L x ), c 0 = 56 7π 0, 96 k = π L, E = ( k ) k = 3π L, E = ( k ) m, ψ (x) 0, c = 0 m, ψ (x) = L cos ( 3π L x ), c = 56 675π 0, 038 Wenn sich das quantenmechanische Einteilchensystem in dem gegebenen Zustand Ψ befindet, ist die Wahrscheinlichkeit, das Teilchen in den drei niedrigsten Eigenenergieniveaus anzutreffen, annähernd 0, 999. Folglich ist die Wahrscheinlichkeit, Teilchenenergien oberhalb der drei niedrigsten Energieniveaus zu messen, mit annähernd 0, 999 = 0, 00 verschwindend gering. 3

6 Quantenmechanisches Teilchen mit endlichem, stückweise konstantem Potential Ein quantenmechanisches Teilchen mit der Gesamtenergie E bewege sich entlang der Ortsraumachse x unter dem Einfluss des Potentials V (x). Wegen der Energieerhaltung gilt für die Gesamtenergie E des Teilchens E = Ekin + V (x) = const, klassisch Ekin 0. Die beiden folgenden Abbildungen veranschaulichen diese Problematik an den zwei einfachen Standardbeispielen eindimensionaler Potentialtopf und eindimensionale Potentialbarriere. Innerhalb von Topf und Barriere gilt Ekin = E V und außerhalb von Topf und Barriere gilt Ekin = E V0. Abbildung Eindimensionaler Potentialtopf der Breite L und der Tiefe V0 V : a) E < V0 Das Gebiet innerhalb des Topfs ist wegen Ekin > 0 klassisch erlaubt und das Gebiet außerhalb des Tops ist wegen Ekin < 0 klassisch nicht erlaubt. b) E > V0 Die Gebiete innerhalb und außerhalb des Topfs sind wegen Ekin > 0 klassisch erlaubt. Beim Potentialtopf handelt es sich um ein attraktives Potential, d. h., über dem Topf nimmt die kinetische Energie des Teilchens zu und es resultieren entsprechende Streuzustände. Abbildung 3 Eindimensionale Potentialbarriere der Breite d und der Höhe V V0 : a) E < V Das Gebiet innerhalb der Barriere ist wegen Ekin < 0 klassisch nicht erlaubt und das Gebiet außerhalb der Barriere ist wegen Ekin > 0 klassisch erlaubt. b) E > V Die Gebiete innerhalb und außerhalb der Barriere sind wegen Ekin > 0 klassisch erlaubt. Bei der Potentialbarriere handelt es sich um ein repulsives Potential, d. h., über der Barriere nimmt die kinetische Energie des Teilchens ab und es resultieren die entsprechenden Streuzustände. 33

Lösen wir also die stationäre SGL für endliche, stückweise konstante Potentiale V (x) = V wieder mit dem Exponentialansatz Ψ(x) = e µx : stationäre SGL : m d Ψ(x) + V Ψ(x) = E Ψ(x) dx Ψ + m (E V ) Ψ = 0, µ e µx + m (E V ) e µx = 0 = m µ = ± (V E), allgemeine Lösung : Ψ(x) = C e + (V E) m/ x + C e (V E) m/ x. Wie aus den Abbildungen und 3 hervorgeht, können wir jetzt zwei Fälle unterscheiden: V E < 0 bzw. E > V, d. h. klassisch erlaubt : bzw. Ψ(x) = C e + i (E V ) m/ x + C e i (E V ) m/ x Ψ(x) = C e +i kx + C e i kx mit k m (E V ), k R. Die Lösungen der stationären SGL für ein quantenmechanisches Teilchen in einem klassisch erlaubten Gebiet sind oszillatorische Lösungen (Wellenfunktionen). V E > 0 bzw. E < V, d. h. klassisch nicht erlaubt : Ψ(x) = C e + (V E) m/ x + C e (V E) m/ x Für (E V ) < 0 folgt aus () bzw. = C e + i (E V ) m/ x + C e i (E V ) m/ x. () ( ) (E V ) m/ = k κ k iκ Ψ(x) = C e +i (iκ)x i (iκ)x + C e Ψ(x) = C e κx + C e +κx mit κ m (V E), κ R. Wie man sieht, ist die Wellenzahl k iκ in einem klassisch nicht erlaubten Gebiet rein imaginär und die Lösungen der stationären SGL für ein quantenmechanisches Teilchen werden zu Exponentialfunktionen. Man beachte die Vorzeichenumkehr im Exponenten der e-funktionen im Vergleich zu den oszillatorischen Lösungen. 34

6. Potentialbarriere Tunneleffekt Der Tunneleffekt ist rein quantenmechanischer Natur, also klassisch nicht zu erklären. Ein einfaches Modell zur prinzipiellen Beschreibung des Tunneleffekts ist die eindimensionale rechteckige Potentialbarriere. Auf diese Barriere sollen quantenmechanische Teilchen prallen, die sich in die positive Richtung, also von links kommend, längs der x-achse bewegen. Das bedeutet, dass die Gesamtenergie E der Teilchen kleiner sein muss als das Potential V der Barriere. Das Potential zu beiden Seiten der Potentialbarriere sei der Einfachheit halber gleich Null, so dass die Teilchen außerhalb der Barriere frei sind. Für derartige freie Teilchen hatten wir die folgende allgemeine Lösung der SGL hergeleitet: me Ψ(x) = C e +i kx + C e i kx mit k =, V = 0. Obwohl das Eindringen der Teilchen in das Gebiet der Potentialbarriere klassisch verboten ist, hat die SGL innerhalb der Barriere die allgemeine Lösung m (V E) Ψ(x) = C e κx + C e +κx mit κ =, V E > 0. Links der Potentialbarriere sei das Gebiet I, innerhalb der Barriere das Gebiet II und rechts davon das Gebiet III. Die Barriere reiche von x = a bis x = a. Sie hat also die Breite d = a. Betrachten wir die Lösungen (Wahrscheinlichkeitsamplituden) der stationären SGL eines von links einlaufenden quantenmechanischen Teilchens der Masse m in den drei Gebieten (s. Abb. 4): Gebiet I x < a : Ψ I (x) = A e +i kx + B e i kx, k = + me, V = 0. A e +i kx beschreibt die einlaufende Welle und B e i kx die an der Barriere reflektierte Welle. Die Amplitude A der einlaufenden Welle sei bekannt. Gebiet II a x a : Ψ II (x) = C e κx + D e +κx, κ = + m (V E), V E > 0. C e κx ist gleichsam die nach rechts in die Barriere einlaufende Exponentialfunktion und D e +κx kann man als die an der rechten Grenze der Barriere reflektierte Exponentialfunktion ansehen. Gebiet III x > a : Ψ III (x) = F e +i kx + G e i kx, k = + me, V = 0. F e +i kx beschreibt die auslaufende Welle und G e i kx allgemein die reflektierte Welle. Weil in unserem Modell aber eine reflektierte Welle im Gebiet III nicht existiert, werden wir am Ende der allgemein durchgeführten Rechnungen G = 0 setzen. 35

Weil die Gesamtenergie E der Teilchen konstant ist (Energieerhaltung!), besitzen die Teilchen im Gebiet III die gleiche kinetische Energie wie im Gebiet I und folglich auch die gleiche Geschwindigkeit v g = k m. E V(x) (I) (II) (III) x Re{ψ(x)} A -a a F x Abbildung 4 Darstellung der Lösungsfunktionen (Materiewellenfunktionen) Ψ(x) der stationären SGL für ein von links einfallendes quantenmechanisches Teilchen der Gesamtenergie E in Abhängigkeit vom Potential V (x). In den Gebieten I und III sei das Potential Null. Das Gebiet II entspreche der Potentialbarriere V > E. Anmerkung: Re{Ψ(x)} sollte im Gebiet I die gleiche Periode besitzen wie im Gebiet III, weil für die Wellenzahlen dort k(i) = k(iii) gilt. Quelle: http : //www.semibyte.de/wp/download/graphicslib/physics/tunneleffekt_ wellenfunktion_und_potential_.png Die Randbedingungen oder besser gesagt die Anschlussbedingungen für die Lösungsfunktionen an den Grenzen x = a und x = a der Potentialbarriere sind Ψ I ( a) = Ψ II ( a) () A e i ka + B e i ka = C e κa + D e κa, d Ψ I ( a) dx = d Ψ II( a) dx () ik ( A e i ka B e i ka) = κ ( C e κa D e κa), Ψ II (a) = Ψ III (a) (3) C e κa + D e κa = F e i ka + G e i ka, d Ψ II (a) dx = d Ψ III(a) dx (4) κ ( C e κa D e κa) = ik ( F e i ka G e i ka). Auf Grund der Anschlussbedingungen ist die Lösung Ψ III über Ψ II abhängig von der Lösung Ψ I. Deshalb erhalten wir zwei voneinander abhängige, inhomogene lineare Gleichungssysteme jeweils aus zwei Gleichungen mit zwei Unbekannten, die uns am Ende die gesuchten Beziehungen zwischen A, B und F, G liefern. Wegen der Übersichtlichkeit der Matrixschreibweise werden wir hier die Rechnung aus dem Lehrbuch von Franz Schwabl, Quantenmechanik (QM I), 6. Auflage, Springer- Verlag, Berlin, Heidelberg, New York, 00, Seite 63 bis Seite 66 übernehmen. 36

Zunächst formen wir die Anschlussbedingungsgleichung () um und erhalten für a A e i ka + B e i ka = C e κa + D e κa, A e i ka B e i ka = iκ k ( C e κa D e κa). Dies ergibt in Matrixschreibweise ( e i ka e i ka i ka e e i ka ) } {{ } Matrix Q ( ) A = B ( ) A = B ( e i ka e i ka i ka e e i ka eκa ) }{{} zu Q inverse Matrix Q ) also ( ( A B M( a) = + iκ k ( iκ k iκ k eκa eκa iκ k eκa = M( a) e κa ( ) iκ C k e κa D ( ) C D ) ( e κa+ika iκ ) k ) ( e κa ika + iκ ) k e κa ( ) iκ C k e κa D,, mit (3) e κa+ika e κa ika. Jetzt formen wir in analoger Weise auch die Anschlussbedingungsgleichung (4) um und erhalten für a iκ k Dies ergibt in Matrixschreibweise ( e i ka i ka e e i ka C e κa + D e κa = F e i ka + G e i ka, ( C e κa D e κa) = F e i ka G e i ka. i ka e ) } {{ } Matrix W ( ) F = G ( ) F = ( e i ka i ka ) e G e i ka e i ka }{{} zu W inverse Matrix W e κa iκ k e κa e κa iκ k e κa e κa ( ) iκ C k eκa D e κa ( ) iκ C k eκa D,, also ( ) ( ) F C = M(a) G D mit 37

( M(a) = + iκ k ( iκ k Die Inverse zur Matrix M(a) ist ( M(a) = ik κ ( + ik κ ) ( e κa ika iκ ) k ) ( e κa+ika + iκ ) k ) ( e κa+ika + ik ) κ ) ( e κa+ika ik ) κ e κa ika e κa+ika e κa ika e κa ika.. Mit ihr erhalten wir den Zusammenhang zwischen ( A B ) und ( FG ) wie folgt: ( ) F M(a) = M(a) M(a) G ( ) C = D ( ) C D ( ) ( ) ( ) A C F = M( a) = M( a) M(a) B D G (3) = M( a) M(a) ] = [( + iε) e κa + ( iε) e κa e ika iη e κa iη e κa 4 [ ], iη e κa + iη e κa ( iε) e κa + ( + iε) e κa e ika wobei wir zur Vereinfachung die Substitutionen, ε = κ k k κ, η = κ k + k κ eingeführt haben. Berücksichtigen wir außerdem die Beziehungen e x + e x = cosh x, e x e x = sinh x, können wir die Matrix M( a) M(a) kompakter schreiben und der allgemeine Zusammenhang zwischen ( ) ( A B und FG ) erhält die Gestalt [ A cosh(κa) + iε ] sinh(κa) e ika iη sinh(κa) F = B iη [ sinh(κa) cosh(κa) iε ]. sinh(κa) e ika G In unserem speziellen Modell zur Erklärung des Tunneleffekts sollen Teilchen aber nur von links (und nicht auch von rechts) einlaufen, sodass G verschwindet und wir die beiden Beziehungen 38

[ A = F cosh(κa) + iε ] sinh(κa) e ika, B = F ( iη ) sinh(κa) erhalten. Im Zusammenhang mit dem Tunneleffekt interessiert uns eigentlich nur der Anteil an den von links in das Gebiet I einfallenden Teilchen, der pro Zeit- und Flächeneinheit durch die Potentialbarriere hindurch in das Gebiet III transmittiert wird. Dieser Anteil ist gleich dem Transmissionskoeffizienten T. Was im klassisch verbotenen Gebiet II vor sich geht, ist imaginär und praktisch nicht relevant. Wegen der Teilchenzahlerhaltung muss die Summe aus dem Anteil der pro Zeit- und Flächeneinheit in das Gebiet III transmittierten Teilchen und dem Anteil der pro Zeit- und Flächeneinheit in das Gebiet I (zurück)reflektierten Teilchen Eins ergeben. Der Anteil der reflektierten Teilchen ist gleich dem Reflektionskoeffizienten R. Es muss also T + R = gelten. Wie aber berechnen wir T und R? Bei Einteilchensystemen ist das Betragsquadrat der Lösungsfunktionen Ψ der SGL, also die Wahrscheinlichkeitsdichte Ψ Ψ, gleich der Teilchenzahldichte des einen Teilchens, sodass das Integral der Wahrscheinlichkeitsdichte bzw. Teilchenzahldichte über den gesamten Raum gleich Eins ist. Im Fall eines Vielteilchensystems aus voneinander unabhängigen Teilchen verhalten sich folglich die Wahrscheinlichkeitsdichte Ψ Ψ und die Teilchenzahldichte proportional zueinander. Wenn uns unter diesen Voraussetzungen aber nur Anteile (Verhältnisse) interessieren, ist die tatsächliche Teilchenanzahl nicht von Bedeutung und wir dürfen bei der Betrachtung unseres Einteilchensystems bleiben. Allgemein wird die Anzahl der Teilchen, die an einem bestimmten Ort (Raumpunkt) pro Zeiteinheit durch eine Flächeneinheit strömt, beschrieben durch eine vektorielle Größe, die Teilchenstromdichte j( r, t). Sie ist das Produkt aus der (skalaren) Teilchendichte ρ( r ) und der (vektoriellen) Teilchengeschwindigkeit v( r, t) an diesem Ort, also von j( r, t) = ρ( r ) v( r, t). Hierbei haben wir die Teilchendichte als zeitlich konstant (stationär) angenommen. Weil unser Einteilchenmodell nur eindimensional ist, können wir aber im Folgenden auf die vektorielle Darstellung verzichten. Wie bereits erläutert, entspricht die Wahrscheinlichkeitsdichte Ψ Ψ der Teilchendichte ρ und die Teilchengeschwindigkeit v g = k im Gebiet I ist gleich der Teilchengeschwindigkeit im Gebiet III. Der Transmissionskoeffizient ist m somit T = Teilchenstromdichte der transmittierten Welle Teilchenstromdichte der einfallenden Welle = F ei kx v g A e i kx v g = F A und der Reflektionskoeffizient R = Teilchenstromdichte der reflektierten Welle Teilchenstromdichte der einfallenden Welle = B e i kx v g A e i kx v g = B A. Beim Einsetzen von A und B kürzt sich F heraus und mit ε = κ4 + k 4 κ k κ k κ k, η = κ4 + k 4 κ k + κ k κ k η = 4 + ε 39

sowie der Potentialbarrierenbreite a = d resultiert T = A = ) = + ( + ε sinh (κa) 4 + 4 + ε 4 sinh (κa), T = + η 4 sinh (κd), R = η 4 sinh (κd) + η 4 sinh (κd), η = κ k + k κ. (4) Wie man sofort sieht, gilt tatsächlich T + R =. Bevor wir den Transmissionskoeffizienten T aus (4) interpretieren, schreiben wir ihn unter Verwendung von η 4 = 4 ( κ + k k κ ) ( ) = m(v E)/ + me/ = 4 m(v E) me/ V 4 E(V E) ( ) e und mit sinh κd e κd (κd) = = ( e κd e κd) 4 um: T = + V ). (5) (e 6 E(V E) κd e κd Im Fall einer breiten und gemäß V E hohen Potentialbarriere gilt { e κd κd e κd 0, sodass wir in (5) den Summanden im Nenner und die Exponentialfunktion e κd vernachlässigen können. Wir erhalten schließlich die Näherung T 6 E(V E) V e κd, (6) T 6 E(V E) V e d 8m(V E) /, κd. (7) Im Vergleich zum Term 6 E(V E) V { [ = exp ]} ln 6 E(V E) / V 40

ist der Exponentialterm { exp d } 8m(V E) / meistens der dominante, sodass dann die Teilchenstromdichte hinter der Potentialbarriere näherungsweise exponentiell abfällt mit der Breite d der Barriere und mit der Wurzel aus der effektiven Höhe V E der Barriere. Obwohl die Teilchen klassisch betrachtet die Potentialbarriere nicht überwinden können, tunneln sie quantenmechanisch betrachtet mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit durch sie hindurch. Man bezeichnet deshalb dieses rein quantenmechanische Phänomen als Tunneleffekt. Unser Modell einer exakt-rechteckigen Potentialbarriere ist zur Vereinfachung idealisiert und nicht realisierbar. Tatsächlich sind die Verhältnisse komplizierter und entsprechen ungefähr denen in Abbildung 5. (I) (II) (III) V(x) a a x Abbildung 5 Der im Gebiet II angenäherte Potentialverlauf V (x) beschreibt einen Realisierungsversuch der rechteckigen Potentialbarriere. Wie man sieht, hat die Kurve V (x) weder einen Knick noch eine Stufe. Anmerkung: Re{Ψ(x)} sollte im Gebiet I die gleiche Periode besitzen wie im Gebiet III, weil für die Wellenzahlen dort k(i) = k(iii) gilt. Quelle: http : //www.semibyte.de/wp/download/graphicslib/physics/tunneleffekt_ wellenfunktion_und_potential_.png 6. Raster-Tunnel-Mikroskopie Die Raster-Tunnel-Mikroskopie (RTM) ist ein einfaches Beispiel dafür, wie sich der Tunneleffekt in der Praxis nutzen lässt. Die Idee dabei ist, die Oberfläche eines mikroskopisch kleinen Objekts zu erfassen und wie eine physische Landkarte darzustellen, indem verschiedenen Höhen innerhalb der Objektoberfläche entsprechende Farben oder Grauwerte zugeordnet werden. Die Höhen sind auf der atomaren Skala nicht allein topographischer sondern auf Grund verschiedener Elektronen-Zustandsdichten 5 auch elektronischer Natur. Als Objekte bzw. Proben eignen sich elektrische Leiter (z. B. Metalle, Graphit) und mit Einschränkungen auch einige Halbleiter. Die RTM ist also ein Verfahren zur (realen) dreidimensionalen Abbildung elektrisch leitfähiger Oberflächen im Ortsraum bis hinab in die atomare Größenordnung, d. h. bis zu etwa 0,0 Å vertikal und Å lateral. 6 Das Prinzip der RTM ist recht einfach: Zwischen der Probenoberfläche (Metall P) und der Sondenspitze (Metall S, meistens Gold, Platin-Iridium oder Wolfram) befinde 5 Die Elektronen-Zustandsdichte ist die Anzahl verschiedener Quantenzustände der Elektronen pro Energieintervall. 6 Å = 0 nm = 0 0 m. 4

sich ein nichtleitender Spalt (Vakuum oder abhängig vom Probenmaterial auch Luft) der Breite d. Der Spalt entspricht der Potentialbarriere (Abbildung 6). Abbildung 6 Elektronen sind Fermionen. Die Elektronen in den Leitungsbändern von Metallen kann man als freie Quantenobjekte betrachten. Sie bilden dort ein sog. Fermi-Gas. Die Energie der Elektronen im höchsten besetzten Energieniveau des Leitungsbandes wird durch ihre Fermi-Energie7 EF charakterisiert. Um diese Elektronen vom Metall in den Spalt zu befördern, ist die sog. Austrittsarbeit Φ erforderlich. Bestehen Probe und Sonde aus unterschiedlichem Material, so besitzen sie allgemein weder die gleiche Fermi-Energie noch die gleiche Austrittsarbeit. Werden Probe und Sonde bis auf wenige Ångström angenähert, so tunneln die Elektronen von einer Elektrode zur anderen, bis sich ein Gleichgewicht zwischen ihren Fermi-Niveaus eingestellt hat. Das Niveau der Fermi-Energie EFP der Probe liegt dann auf gleicher Höhe wie das Niveau der Fermi-Energie EFS der Sonde und wir können das Niveau EFP = EFS als Energie-Nullniveau festlegen (Abbildung 7). Abbildung 7 7 Die Fermi-Energie EF ist die Energie des höchsten besetzten Zustands eines Fermionensystems bei T = 0 unter Berücksichtigung des Pauli-Ausschließungsprinzips. 4

Um einen kontinuierlichen Tunnelelektronenfluss bzw. Tunnelstrom zu erzeugen, wird zwischen Probe und Sonde eine kleine elektrische Spannung, die Tunnelspannung U T angelegt (Abbildung 8). 8 Dies hat zur Folge, dass einerseits das Fermi-Niveau der Probe um e U T gegenüber der Sonde angehoben wird und andererseits die Gesamtenergie E jedes Elektrons um den Betrag e U T auf den Wert E e zunimmt. Während aber die Gesamtenergie E e = E + e U T der Elektronen im Spalt erhalten bleibt, fällt die Potentialerhöhung e U T von der Probe bis zur Sonde linear auf Null ab. Die durch die angelegte Tunnelspannung hervorgerufene Potentialerhöhung über dem Spalt beträgt also im Mittel nur e U T /. Um die Verhältnisse bei der RTM an unser Modell der rechteckigen Potentialbarriere anzupassen, mitteln wir auch die Austrittsarbeit von Probe und Sonde gemäß Φ P + Φ S = Φ und addieren diesen Mittelwert mit dem Mittelwert der Potentialerhöhung, die aus der Tunnelspannung hervorgeht. Abbildung 8 So erhalten wir das in der Abbildung 9 dargestellte und für die RTM angepasste bzw. vereinfachte Barrierenpotential in Form des Rechteckpotentials V = (Φ P + e U T ) + Φ S = Φ + e U T. 8 Die verwendeten Tunnelspannungen liegen etwa zwischen 0 mv und 500 mv, weil die Elektronen nur zwischen Zuständen nahe des Fermi-Niveaus tunneln. Bei höheren Spannungen und den daraus resultierenden höheren elektrischen Feldstärken kommt es zur sog. Feldemission von Elektronen aus der Probe, die primär von der Feldstruktur, also von der Sondenform, und nicht von der Probenoberfläche abhängt. 43

Abbildung 9 Ausgehend von (6) und (7) und mit V E e statt V E sowie der Elektronenmasse m e gilt folglich für den Tunnelstrom bei der RTM näherungsweise I T e κ d = e d 8m e(v E e)/ und mit schließlich V E e = Φ + e U T ( E + e U T ) = Φ E e U T I T e d 8m e (Φ E e U T /) / bzw. I T e d α β U T. Wir stellen fest: Der Tunnelstrom I T wächst mit der Tunnelspannung U T und fällt exponentiell ab mit der Spaltbreite d. 44

Auf die Konstruktion und Funktionsweise des Raster-Tunnel-Mikroskops wollen wir nicht weiter eingehen. Dazu findet man im Internet mehr als genug gute Informationen. Um keine falschen Vorstellungen aufkommen zu lassen, wollen wir aber darauf hinweisen, dass die Sondenführung zur Rasterung mit einem Piezo-Kristall, z. B. einem Piezo-Röhrchen oder einem Piezo-Tripod, erfolgt, an dem die Sonde befestigt ist. Durch entsprechend angelegte und computergesteuerte elektrische Spannungen lässt sich die Sonde dann in allen drei Raumrichtungen mit extrem hoher Genauigkeit hin- und herbewegen. Aus den Messwerten jedes Rasterpunkts wird dann das Oberflächenbild der Probe generiert. Je nach Probenmaterial und wissenschaftlicher Fragestellung gibt es im Wesentlichen zwei Messmethoden: Modus konstanter Rasterhöhe: Liegt die Probenoberfläche in der x, y-ebene, dann wird die Höhe z der Sondenspitze über der x, y-ebene konstant gehalten. Das Oberflächenbild wird aus den gemessenen Tunnelströmen erstellt. Wegen der Kollisionsgefahr zwischen Probenoberfläche und Sondenspitze eignet sich dieser Modus nur für nahezu atomar flache Probenoberflächen. Modus konstanten Tunnelstroms: Die Sondenspitze wird so über die Probenoberfläche geführt, dass dabei der Tunnelstrom konstant bleibt. Die Spitze folgt also den topographischen und elektronischen Oberflächenschwankungen. Das Oberflächenbild wird aus den Steuerspannungen für den Piezo-Kristall generiert. Dieser Modus ist zeitaufwendiger. Die Abbildung 0 soll uns zum Abschluss einen Eindruck vom Auflösungsvermögen der RTM vermitteln. Abbildung 0 Rastertunnelmikroskopisches Abbild einer Graphit-Kristallebene. Die in Dreiecken angeordneten hellen Stellen entsprechen den C-Atomen an den β-plätzen. 45