Arbeitsgruppe 9.2 Vortrag zum Thema Individuelle Teilhabeplanung

Ähnliche Dokumente
Integrierter Teilhabeplan Anforderungen und Lösungen für Hilfeplanverfahren

Zuhause in Brandenburg Personenzentrierung in der Praxis - best practise aus Thüringen?

Eingliederung der Sozialhilfe in das SGB XII. Darstellung der wesentlichen Änderungen und der neuen Anforderungen

Integrierter Teilhabeplan. Lösungen. l f Institut personenzentrierte Hilfen Prof.Dr. Petra Gromann, Hochschule Fulda

Die Planung von Hilfen in der Kinder- und Jugendhilfe & in der Behindertenhilfe im Vergleich. Prof. Dr. Albrecht Rohrmann

Fachtagung Teilhaben und selbstbestimmtes Leben Perspektiven personenzentrierter Hilfen aus Sicht des LWV Hessen als Leistungsträger

Landeswohlfahrtsverband Hessen (LWV) überörtlicher Sozialhilfeträger

Vereinbarung nach 75 Abs. 3 SGB XII in Verbindung mit 76 ff SGB XII

Fachtag Hilfeplankonferenz Herford, 10./ Wozu brauchen wir die HPK? Ulrich Krüger, Aktion Psychisch Kranke

Das Bundesteilhabegesetz Positionen der Fachverbände zu einem einheitlichen Verfahren zur Bedarfsfeststellung und der Bedeutung unabhängiger Beratung

Landespsychiatrieplan NRW Ziele Perspektiven Visionen Bundesteilhabegesetz Stand und Perspektiven. Ulrich Krüger, Aktion Psychisch Kranke

Der Bedarf von Senioren mit Behinderung als Anforderung an den Sozialhilfeträger

Wie betreut man Wohnen?

Zukunftsperspektiven in der Eingliederungshilfe, insbesondere der Familienpflege Bundestagung Familienpflege am September 2010 in Münster

Ambulant Betreutes Wohnen -Eingliederungshilfegemäß 53, 54, 67 ff. SGB XII. Konzeption

Lokale Teilhabeplanung und Strategische Sozialplanung

Konzeption für das Ambulant Betreute Wohnen psychisch Kranker

Agentur für Arbeit Kiel SGB II und SGB XII

Konzeptbaustein. Ambulant Betreutes Wohnen für Menschen mit psychischen Behinderungen

Passgenaue Hilfeleistung oder Anpassung an den Mangel?

Individuelle Hilfeplanung des LVR Stand 03/2010-

Wie wollen Menschen mit Behinderung wohnen? Zusammenwirken von Sozialraum und Menschen mit Behinderung Empfehlungen aus der Berliner Kundenstudie

Modellprojekt Teilhabeplanung im Landkreis Weilheim- Schongau im Bezirk Oberbayern

Vortrag Fachtag buss 2016

Welchen Anforderungen begegnen Mitarbeiter/innen im Ambulant Betreuten Wohnen? Prof. Dr. Albrecht Rohrmann

Mehr als Eingliederungshilfe Inklusion als Herausforderung für eine örtliche Politik der Nichtdiskriminierung von Menschen mit Behinderungen

AMBULANTISIERUNG TRIFFT PRAXIS ANFORDERUNGEN AN PERSONENZENTRIERUNG IN VERBINDUNG MIT DEM ANSPRUCH AN DEINSTITUTIONALISIERUNG

Kooperative Sozialplanung

ICF Anwenderkonferenz am

Redemanuskript von Herrn Dr. Schmachtenberg Abteilungsleiter V im Bundesministerium für Arbeit und Soziales

Die Planung und Prognose bei Menschen mit einer psychischen Erkrankung / Menschen mit einer seelischen Behinderung. - Vortrag Februar

Diese beiden Themengebiete haben für die von Ihnen erbrachten Leistungen im Bereich der Eingliederungshilfe maßgebliche Bedeutung.

Bericht aus der Gegenwart und Blick in die Zukunft. Eingliederungshilfe für Menschen mit chronischen psychischen Erkrankungen im Wandel

Versatiles Wohnen. Bauliche Konversion und konzeptionelle Neuausrichtung als Baustein der inversen Inklusion in Herzogsägmühle

drobs Halle Ambulant Betreutes Wohnen Halle / MSH

Macht Eingliederungshilfe süchtig?

Eckpunkte zur Durchführung der externen Evaluation der Qualität in Hamburger Kindertageseinrichtungen

PerSEH. Landeswohlfahrtsverband Hessen EVIM Behindertenhilfe Wiesbaden

Bundesrat Drucksache 309/15 (Beschluss) Beschluss des Bundesrates

Michael Wedershoven Landschaftsverband Westfalen-Lippe Abteilung LWL-Behindertenhilfe Referat Angebote der Behindertenhilfe

Wege zu einem inklusiven Gemeinwesen. Dr. Johannes Schädler Zentrum für Planung und Evaluation Sozialer Dienste (ZPE) der Universität Siegen (D)

Workshop 6 Reform der Eingliederungshilfe - Bundesteilhabegesetz

Das Neue BegutachtungsAssessment - NBA

Vom Heim zur 24 h ambulanten Komplexbetreuung für Menschen mit psychischer Beeinträchtigung INSOS - Kongress, 28. August 2013 Dirk Bennewitz und Anke

Inklusion von Kindern mit (drohender) Behinderung in die Kinder- und Jugendhilfe

Ein neuer kommunaler Planungsoptimismus und seine Chancen für die Behindertenpolitik

AG 10. Das BTHG Trennung von Fachleistungen und existenzsichernden Leistungen

Medizinische Versorgungszentren (MVZ)

Alter und Behinderung aus Sicht des Sozialministeriums des Landes Nordrhein- Westfalen

Stellungnahme des GKV-Spitzenverbandes vom

Effiziente Organisations- und Führungsstrukturen in der Altersarbeit

Hurra, wir leben noch!

Konzept. Ambulant betreutes Wohnen für Menschen mit wesentlichen seelischen und seelischen und mehrfachen Behinderungen infolge Sucht

WfbM 2.0 Nachhaltigkeit durch regionale Vernetzung Referent: Ferdinand Schäffler 8. März 2012

Voraussetzungen für gelingende Inklusion im Bildungssystem aus Sicht der Jugendhilfe

Behindertenpolitischer Teilhabeplan für die Bundesstadt Bonn

Bezirksrahmenleistungsvereinbarung. für ambulant betreutes Wohnen für geistig und/oder körperlich behinderte Erwachsene.

ICF in der Integrierten Teilhabeplanung als Bedarfsermittlung in der Eingliederungshilfe in Hessen Ergebnisse einer Erprobung

Empfehlungen zur Durchführung von Belegungskonferenzen/Hilfeplankonferenzen für erwachsene Menschen mit Behinderungen

KVJS Forschungsvorhaben: Inklusion in Kita und Schule Beitrag der Eingliederungshilfe

Umsetzung der Rahmenvereinbarung. Zukunft der Eingliederungshilfe in NRW sichern. Die Erprobung der Leistungsmodule S und HD.

Das neue Bundesteilhabegesetz und seine Bedeutung für Integrationsunternehmen

02/ BEGLEITETES WOHNEN FÜR BEHINDERTE MENSCHEN IN FAMILIEN

Chancen und Risiken des Persönlichen Budgets in der Suchthilfe

Wie bereiten sich Leistungserbringer auf personenzentrierte Teilhabeleistungen vor?

Professionellen und Partizipation. Handlungsorientierungen von. Auf was kommt es bei der Teilhabe wirklich an? Perspektivenwechsel

KVJS. Behindertenhilfe Service. Ergebnisberichte der Leistungserbringer/ Dienstleister in der Eingliederungshilfe in Baden-Württemberg

Berufliche Reha wer leistet was

Anlage 1 gemäß 17 Abs. 3 des Rahmenvertrags für vollstationäre Pflege nach 75 Abs. 1 SGB XI für das Land Baden-Württemberg

Der neue Expertenstandard - Erhaltung und Förderung der Mobilität in der Pflege. Sarah Oswald, Christof Wiesmann

Inklusion bedeutet Vielfalt!

Inklusion und soziale Teilhabe gestalten Anforderungen, Herausforderungen und Strategien für Politik, soziale Unternehmen und Gewerkschaften

Teilhabeplanung Ergebnisse der Erprobung und Weiterentwicklung. Institut personenzentrierte Hilfen Prof.Dr. Petra Gromann, Hochschule Fulda

Wie wird strategische Steuerung in der Eingliederungshilfe wirksam?

Gemeindepsychiatrischer Verbund

Fachliche Grundlagen der Beratungstätigkeit. des Landesjugendamtes. zur Verfahrensweise im Rahmen. der Begleitung und Förderung

Wohnheim ohne Betten. 20 Jahre Imbodehuus, Vom Heim zur 24 h ambulanten Komplexbetreuung für Menschen mit psychischer Beeinträchtigung

Entwicklungen gemeinsam gestalten Dokumentation Auftakt Workshop RehaFutur 21./22. Januar 2010 in Potsdam

Antworten der Christlich-Sozialen Union in Bayern (CSU) auf die Fragen der Offenen Behindertenarbeit Oberfranken (OBO)

Ambulant Betreutes Wohnen

Zeiteinschätzung für Personenzentrierte Leistungen im ITP Hessen. Institut personenzentrierte Hilfen Ralf Bremauer Sozialwirtschaftliche Beratung

Personenzentrierung in der Praxis - Bestpractice-Beispiele aus Thüringen

Anforderungen an den Reha-Entlassungsbericht aus Sicht der GKV

Workshop Gesundheitliche Versorgung von Menschen mit Behinderung in der Gemeinde

Veranstaltung von Autismus NRW am im Landtag von Nordrhein- Westfalen Rechtliche Grundlagen zur Finanzierung von Autismustherapie

Projekt Effizienzsteigerung der Pflegedokumentation 7. Sitzung des Lenkungsgremiums am Beschluss zum Projektbeginn und -vorgehen

INTERNATIONALE AKADEMIE an der Freien Universität Berlin Institut für den Situationsansatz

Die Verbände fordern das Land auf, sich für Nachbesserungen beim Thema des leistungsberechtigten

Leitbild der WAG. Das sind die Regeln für unsere Arbeit:

Beschäftigungsmöglichkeiten außerhalb der Förderstätte Gelebte Sozialraumorientierung. Braunschweiger Gespräche

die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hat beschlossen, dem Bundesrat den als Anlage beigefügten Antrag für eine

Hauswirtschaft im Quartier

Die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF)

Deutscher Caritasverband

Qualitätsentwicklung in Ganztagsschulen

Segel Setzen 2014 Die Rolle der SpDis im Sozialraum 20./ Hannover

Auswertung der quantitativen Projektergebnisse

NACH 67 SGB XII GEFÄHRDETENHILFE SCHEIDEWEG E.V.

Interkommunales Projekt für mehr Chancengerechtigkeit (InterProChance)

Das Persönliche Budget

Transkript:

Arbeitsgruppe 9.2 Vortrag zum Thema Individuelle Teilhabeplanung ReferentInnen: Moderator: Gerhard Kronenberger und Bianka Röhl, Landeswohlfahrtsverband Hessen Prof. Dr. Michael Regus, ZPE der Universität Siegen Der Landeswohlfahrtsverband (LWV) ist als überörtlicher Träger der Sozialhilfe in Hessen zuständig für alle stationären und teilstationären Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen. Und er ist auch zuständig für das ambulant betreute Wohnen behinderter Menschen. Seit Mitte der 90 er Jahre wird im LWV Hessen systematisch an einer Verbesserung seiner Dienstleistungen für Menschen mit Behinderungen gearbeitet. 1 Selbstbestimmung und Teilhabe behinderter Menschen sind nicht erst seit Inkrafttreten des SGB IX erklärte Ziele dieser Arbeit. Das Interesse des Verbandes gilt vor diesem Hintergrund auch einer Optimierung seiner Steuerungsmöglichkeiten im Einzelfall: den Wirkungen der von ihm finanzierten Leistungen und deren Kosten. Der Gesamtplan nach 46 BSHG resp. 58 SGB XII wird dabei von uns nach wie vor als eine besonders wichtige Stellschraube angesehen. In unserem Beitrag für die Arbeitsgruppe werden wir auf folgende Inhalte näher eingehen: 1. Warum und wozu individuelle Teilhabeplanung? 2. Wie wird sie gemacht? (leitende Prinzipien, Instrument und Verfahren) unter Einbeziehung einer individuell passgenauen Finanzierung von Leistungen zur Teilhabe 3. Individuelle Teilhabeplanung und zeitbasierte Vergütung Beiträge zu einem inklusiven Gemeinwesen? Zu 1. Gründe und Ziele der individuellen Planung von Leistungen zur Teilhabe Für den LWV Hessen sind Selbstbestimmung und Teilhabe nicht nur fachlicher Konsens in der Behindertenhilfe, sondern spätestens seit Inkrafttreten des SGB IX verpflichtender Gesetzesauftrag. Das Ziel ist im Allgemeinen klar und unumstritten. Weniger klar sind die Wege, das Ziel zu erreichen, hat man es doch mit einem höchst komplexen System von Interessen, Bedürfnissen und Erwartungen einer Vielzahl von Beteiligten zu tun, die in gewissen mehr oder weniger klaren und teilweise verkrusteten Abhängigkeiten zueinander stehen. Im LWV Hessen haben wir in rund 10 Jahren über diverse Projekte vornehmlich auf dem Feld der Versorgung von Menschen mit seelischen Behinderungen und Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen versucht, neue Wege zu finden und modellhaft zu gehen, die 1 Siehe Kronenberger G./Brinkmann S./Hassenzahl G. 1999. Der Gesamtplan in der Eingliederungshilfe des BSHG. Nachrichtendienst Deutscher Verein, Heft 2/1999. Kronenberger G. 2002. Der Gesamtplan nach 46 BSHG Warum Hilfeplanung und wie geht sie? Greving H. (Hrsg.) 2002. Hilfeplanung und Controlling in der Heilpädagogik. Freiburg. Kronenberger Gerhard 2006. Hilfeplanung in der Eingliederungshilfe. Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit, Heft 3/2006.

Teilhabechancen der Betroffenen zu verbessern. Das Grundkonzept dieser Projekte ist der Personenzentrierte Ansatz, also dass Leistungen zur Teilhabe individuell passgenau dem Bedarf der Person folgen, ziel und ressourcenorientiert sind und im Lebensfeld der Person angesiedelt sind. Dies sind Kriterien wie sie auch in den heute gehörten Referaten der Herrn Rohrmann, Regus und Schädler vorgetragen worden sind. Über die genannten Projekte haben wir im vergangenen Jahr ein kleines Buch geschrieben, das wir interessierten Menschen zur Lektüre empfehlen, weil darin die vielfältigen Erfahrungen und Erkenntnisse umfassender dargestellt sind als dies in dem hier eng gesteckten Rahmen möglich ist. 2 Als wesentliche Elemente zur Erweiterung der Teilhabemöglichkeiten behinderter Menschen sehen wir ein Verfahren der individuellen Teilhabeplanung einschließlich eines hierfür geeigneten Instrumentariums. In Hessen ist das der Integrierte Teilhabeplan (ITP) und damit in Verbindung die bereits flächendeckend arbeitenden Hilfeplankonferenzen, in denen diese Pläne zwischen den verantwortlichen Akteuren vor Ort beraten und Empfehlungen ausgesprochen werden. In unserer Projektarbeit kamen wir auch frühzeitig an den Punkt, dass individuell passgenaue Leistungen unter den heute vorherrschenden Bedingungen der Finanzierung von Eingliederungshilfen nicht oder nur sehr schwer möglich sind. Wir sahen es deshalb als erforderlich an, eine Finanzierungssystematik zu entwickeln, die genau wie die Teilhabeleistungen selber ebenfalls personenbezogen ist. Eine Grundlage für ein derart gestaltetes Verfahren zur Planung und Finanzierung lebensfeldbezogener Leistungen zur Teilhabe ist das, was gemeinhin als Versorgungsverpflichtung bezeichnet wird. Also eine Vereinbarung zwischen den primär relevanten Leistungsträgern und Leistungserbringern einer Versorgungsregion (i.d.r. einer Stadt oder einem Landkreis) darüber, dass allen hilfesuchenden und leistungsberechtigten Personen der Region ein individuell bedarfsgerechtes Angebot gemacht wird, es sei denn die Person will dies nicht. Ein aus unserer Sicht perspektivisch und strategisch besonders bedeutsames Ergebnis der Projekte ist, dass die Behindertenhilfe in Hessen den Weg der Personenzentrierung konsequent und systematisch weitergehen will. Entsprechende Beschlüsse wurden im vergangenen Jahr von den zuständigen Gremien des LWV und der Hessischen Vertragskommission zu 75 SGBXII gefasst 3. Und die Umsetzung derselben erfolgt derzeit in zwei weiteren Pilotregionen. Ziel ist, unter Berücksichtung der weiteren Erfahrungen in den Pilotregionen, die flächendeckende Umsetzung in Hessen in den nächsten Jahren. Zu 2. Wie wird die Teilhabeplanung in Hessen gemacht? Zur Vereinheitlichung der unterschiedlichen Hilfeplaninstrumente, die in Hessen für die verschiedenen Zielgruppen behinderter Menschen angewandt worden waren, hat der LWV in Zusammenarbeit mit der Hochschule Fulda im vergangenen Jahr den ITP entwickelt und in einem Praxistest erprobt. Der ITP ist ein Instrument zur Teilhabeplanung, das für alle Menschen mit Behinderung geeignet ist und jetzt in Hessen sukzessive eingeführt wird. 2 Heinrich Kunze, Gerhard Kronenberger, Ulrich Krüger, Evelin Schönhut-Keil (Hg.). Der Reiz des Unentdeckten. Neue Wege zu personenzentrierten Teilhabeleistungen in Hessen. Psychiatrie-Verlag, Bonn 2008 3 Url.: http://www.lwv-hessen.de/webcom/show_article.php/_c-330/_nr-78/i.html. Eingesehen am 11.3.2009

Der ITP soll folgenden Grundsätzen genügen: Grundsätze des ITP Alle Hilfen sollen sich an den Zielen des Menschen ausrichten Die Planung soll gemeinsam, auf gleicher Augenhöhe passieren Die Planung soll auch das berücksichtigen, was gekonnt wird oder auf was man zählen kann Die Planung soll alle Hilfen zusammenfassen und abstimmen Landeswohlfahrtsverband Hessen 2 Wir gehen hierbei davon aus, dass jeder Mensch Ziele und Wünsche für sein weiteres Leben hat. Die zugegebenermaßen anspruchsvolle Aufgabe der Teilhabeplanung ist die, diese Ziele und Wünsche gemeinsam mit der betroffenen Person zu eruieren, zu erarbeiten. Dies kann durchaus ein längerer Prozess des Verständigens und des Aushandelns sein. Es ist keine Frage der Begutachtung. Inhaltlicher Schwerpunkt Herauszufinden, welche Hilfen zur Zielerreichung benötigt werden Welcher Bedarf lässt sich aus dem Lebensumfeld, den aktuellen Problemlagen und Barrieren der Teilhabe erkennen? Welche Bedürfnisse hat eine Klientin/ein Klient? Landeswohlfahrtsverband Hessen 3 Sind die Ziele geklärt, geht es darum, herauszufinden, was im Moment das Problem ist und wie die Person unterstützt werden kann. Dabei soll das Umfeld und die Einstellung wichtiger Bezugspersonen berücksichtigt werden. Und das sowohl im Hinblick auf mögliche Unterstützung als auch Barrieren.

Problemlage Auswahlfeld und kurze Beschreibung in Stichworten (keine Anamnese, Biographie) Auswahlfelder: übergreifende persönliche Situation aktuelle Probleme der Teilhabe Unterstützung und Barrieren im Umfeld Unterstützung oder Beeinträchtigung Beziehungen Landeswohlfahrtsverband Hessen 1 Die aktuelle Problemlage soll über die Auswahl einzelner Bereiche kurz in Stichworten beschrieben werden. Anamnese und Biographien sollten schon unter datenschutzrechtlichen Aspekten nicht in einer Hilfeplankonferenz besprochen werden, auch wenn sie dem oder den künftigen Leistungserbringern bekannt sein sollten. Ziele Vorgabe von Zielbereichen: Zielformulierung grundsätzlich für das nächste Jahr Indikator formulieren Woran würde die Klientin / der Klient und die betreuende Person erkennen, dass das Ziel erreicht wurde Landeswohlfahrtsverband Hessen 5 Hier soll die Übersetzung von Lebenszielen und Problemlagen in Hilfeziele erfolgen und den Lebensbereichen zugeordnet werden. Ziele sind häufig sehr allgemein formuliert, weil sie oft ganze Bereiche betreffen. Der Indikator soll dann verdeutlichen, woran die Zielerreichung erkennbar ist. Möglich und gewollt ist hier auch, aufzuschreiben, was der Klient selbst formuliert.

Fähigkeiten / Beeinträchtigungen Hilfen ergeben sich aus den Zielen unter Berücksichtigung der Fähigkeiten und Beeinträchtigungen Angabe personenbezogener Ressourcen / Fähigkeiten Angabe zu Beeinträchtigungen nach ICF (Core-Sets) Landeswohlfahrtsverband Hessen 6 Zur Beschreibung der Fähigkeiten/Beeinträchtigungen werden im ITP Hessen die Beschreibungen der ICF (International Classification of Funktioning, Disability and Health) sowie die Abstufungseinschätzung des ICF verwand. 4 Die ICF ist weltweiter Standard und kann/soll leistungsträgerübergreifend eingesetzt werden. Verwendet werden Core Sets, die durch die Anwendung im IBRP langjährig erprobt sind. Ob diese tatsächlich die richtigen oder notwendigen sind, wird im Praxistest und in den Pilotprojekten überprüft. Wichtig ist auch, dass Fähigkeiten besonders hervorgehoben werden sollen. Vorhandene und zu aktivierende Hilfen im Umfeld Subsidiarität Vorrang natürlicher vor professioneller Hilfe Auch Identifizierung von möglichen Hilfen, die nur mit professioneller Unterstützung Bestand haben Landeswohlfahrtsverband Hessen 7 Ganz abgesehen vom rechtlichen Subsidiaritätsprinzip, wird der Vorrang natürlicher Hilfen immer wichtiger. Dabei ist es gut möglich, dass diese natürliche Hilfe nur mit professioneller Unterstützung aufgebaut oder auch erhalten wird. Sozialraumbezogene Unterstützung und 4 Vgl. hierzu auch den Beitrag von Frau Prof. Gromann im Rahmen dieser Tagung (AG 9.1).

gemeindenahe Psychiatrie sind mit professioneller Unterstützung allein nicht umsetzbar. Insofern liefern Lebensfeldbezug, Beziehungen und die Nutzung bestehender Kontakte auch einen wichtigen Beitrag zur Inklusion. Ganz klar, hier soll auch ein Gegengewicht zur Tendenz der fürsorglichen Belagerung gesetzt werden. Art der erforderlichen professionellen Hilfen von keine Hilfe regelmäßige, individuelle Hilfe erforderlich nicht jede Beeinträchtigung löst zwangsläufig Unterstützungsbedarf aus nur Art, nicht Umfang Landeswohlfahrtsverband Hessen 9 Die Einschätzung der Art der erforderlichen Hilfe ist notwendig, um bei der Festlegung der Hilfen zu einer sinnvollen Bündelung der Leistungen zu kommen. Z.B kann man beim gemeinsamen Spaziergang ja auch miteinander reden und vielleicht noch den notwendigen Behördengang erledigen. Vorgehen Was soll von wem gemacht werden? Sinnvolle Verdichtung aller Vorinformationen Bereich = Zielbereiche prospektive Einschätzung der direkt personenbezogenen Betreuungszeit (durchschnittlich pro Woche), um die Ziele zu erreichen Landeswohlfahrtsverband Hessen 10

Die Beschreibung des geplanten Vorgehens eine gedankliche Zusammenfassung der bisher beschriebenen Punkte sein. Hier geht es um eine offene Beschreibung, d.h. es werden keine Punkte gesammelt, es gibt auch keine festen Wenn Dann Zuordnungen. Die Einschätzung der für die zu erbringenden Leistungen notwendigen Zeit wird prospektiv geschätzt. Der Zeitwert (hier Minuten) wird mit einem Geldwert verknüpft. 5 Somit sind Bedarfsfeststellung, Teilhabeplanung und Verpreislichung unmittelbar miteinander verknüpft. Weshalb passt zeitbasierte Vergütung zu passgenauen Hilfen? Vergütung folgt Bedarf (zielorientiert) unterstützt differenzierte Leistungserbringung (Flexibilität) trägereinheitlicher Minutenpreis fördert Durchlässigkeit hohe Transparenz für alle Beteiligten Landeswohlfahrtsverband Hessen 12 Die individuelle Teilhabeplanung vereinbart zielorientiert passgenaue Leistungen. Diese sollen auch entsprechend individuell vergütet werden. Die Vergütung an die für die Betreuung notwendige Zeit zu koppeln, lässt Möglichkeiten für individuelle Lösungen. Außerdem ist Betreuungszeit trägereinheitlich in jedem Angebot gleich viel wert, was die Durchlässigkeit zwischen den Angeboten erhöht. Und wenn man zwischen vielen Angeboten wählen kann, vereinfacht das natürlich auch differenzierte Leistungserbringung. Unsere Erfahrung aus den verschiedenen Projekten ist auch, dass die hohe Transparenz dieses Systems das Vertrauen und die Kooperation der handelnden Personen wesentlich verbessert. 5 Vgl. hierzu auch den Beitrag von Ralf Bremauer im Rahmen dieser Tagung (AG 1)

Was ist das Neue am ITP? Ein Verfahren für alle Zielgruppen/Personenkreise Einheitliche Sprache, Terminologie nach ICF Verknüpfung von individuellem Bedarf professionellem Aufwand Geld Verfahren, das auf regionale Kooperation und Vernetzung angelegt ist übersichtliches, gut handhabbares IT-gestütztes Instrument Systematische Überprüfung der Zielerreichung Basis für regionale Bedarfsplanung, Controlling Landeswohlfahrtsverband Hessen 13 Zu 3. Sind Individuelle Teilhabeplanung und zeitbasierte Leistungsfinanzierung Beiträge zu einem inklusiven Gemeinwesen? Ein klares Ja, aber! Das Ja möchte ich so begründen: Das Paradigma der personenzentrierten Hilfen bedeutet notwendigerweise, dass sich die Unterstützungsleistungen, die ein Mensch mit Behinderung erhält und in Anspruch nehmen möchte, auch dort angesiedelt sein müssen, wo dieser Mensch das möchte. Und das ist i.d.r. in seinem normalen, gewöhnlichen und gewohnten Umfeld. Also ist der Lebensfeldbezug, die Einbeziehung des Umfeldes konstitutiver Bestandteil einer so verstandenen Teilhabe. Ebenso selbstverständlich ist und muss sein, dass diese Dinge (notwendige und gewünschte Leistungen, Ort des Geschehens, wer soll was machen) mit der leistungsberechtigten Person ausgehandelt werden. Das häufig gebrauchte Bild auf gleicher Augenhöhe macht es sehr deutlich, es muss nur eben auch so in der Praxis gehandhabt werden. Der ITP ist als Instrument dialogisch angelegt und die Hilfeplankonferenzen oder vielleicht sollten wir sie besser Konferenzen zur Planung von Teilhabeleistungen nennen sehen die direkte Beteiligung des Menschen als Experten in eigener Sache vor. Diese Konferenzen sind in Hessen überwiegend gute Orte der regionalen oder lokalen Zusammenarbeit zumindest auf der Ebene der Leistungserbringer und der Sozialhilfeträger. Und das gemeinsame Verständnis heiß an diesem Punkt auch regionale Versorgungsverpflichtung! Der ITP ist auch darauf angelegt, systematisch nach Unterstützungsmöglichkeiten außerhalb des professionellen Systems im Umfeld, in der Gemeinde zu fragen und zu suchen. Unsere Zahlen belegen, dass dies zunimmt, wenn auch bescheiden.

Wir sind uns im Klaren darüber, dass die heutige Ausgrenzung von Menschen mit Behinderungen nicht damit erledigt ist, das Profi System mit ein paar schnieken nichtprofessionellen Accessoires zu versehen. Da ist weit mehr nötig. Und was das alles ist oder sein muss, das glaube ich haben wir in Deutschland noch nicht wirklich durchdacht und noch viel weniger konzeptionell entwickelt. Und in der Praxis sind wir davon noch sehr sehr weit entfernt. Nicht zuletzt in Fragen der Haltung und der Einstellung zu dem, was wir in jahrzehntelanger Denk und Rechtstradition als Behinderungsbegriff verinnerlicht haben und was wir meinen was für Menschen mit Behinderung gut ist. Herr Rohrmann hat dazu heute Vormittag viel Kluges und Richtiges gesagt. Auch die Tatsache, dass Personenzentrierung en vogue ist, kann und sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass das System Behindertenhilfe/Gemeindepsychiatrie nach wie vor überwiegend nach den traditionellen Mustern und Regeln funktioniert. Etikettenschwindel inklusive. Das ist das aber. Umso wichtiger ist es, sich mit dem Thema Inklusion zu beschäftigen, so wie es diese Tagung tut. Denn wir brauchen Visionen, wir brauchen Leuchttürme, die Orientierung bieten. 6 Denn wie heißt es so schön: Das Unmögliche ist oft nur das unversucht Gebliebene. Die Schrauben, an denen es unseres Erachtens derzeit lohnenswert ist, im Sinne eines inklusiven Gemeinwesen zu drehen und es ist Zeit, dass sich was dreht sind: Konsequente Orientierung der Leistungen an den Zielen, Wünschen und dem Bedarf der Person Sukzessive aber inhaltlich und zeitlich bestimmte Abkehr vom Anstaltsparadigma auch in Bezug auf die Finanzierung von Teilhabeleistungen Implementierung einer Teilhabeplanung, die diese Prinzipien umsetzt, lokal/regional organisiert ist und darin Gemeinwesenarbeit ist und Unterstützungsleistungen außerhalb des professionellen Versorgungssystems verbindlich einbezieht und aufbaut Beteiligung der Leistungsberechtigten nicht nur an der sie betreffenden Teilhabeplanung sondern auch ihrer Verbände und Initiativen an einer verbindlichen regionalen Bedarfsplanung und Kooperation aller relevanten Akteure vor Ort Eine kontinuierliche, auf Wirkungen abgestellte Evaluation dieser Prozesse. 6 Weiterführend auch: Ingmar Steinhart. Praxis trifft Inklusion. In: Verhaltenstherapie & psychosoziale Praxis, 40. Jg. (1) 29-34, 2008