Wissensnachfrage-orientierte Gestaltung von Softwareentwicklungsprozessen
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- Benedict Hummel
- vor 8 Jahren
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1 Wissensnachfrage-orientierte Gestaltung von Softwareentwicklungsprozessen Julian Bahrs, Claudia Müller Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Electronic Government Universität Potsdam August-Bebel-Strasse Potsdam Abstract: Die zunehmend dynamische Umwelt erfordert steigende Adaptivität von Softwareentwicklungsprozessen. Dem kann durch eine Prozessgestaltung nach Methoden des geschäftsprozessorientierten Wissensmanagements und dem damit vollzogenen Paradigmenwechsel zur nachfrageorientierten Wissensverteilung begegnet werden. In diesem Beitrag wird die Analyse einer ausgewählten Instanz eines mit der KMDL-SE beschriebenen Softwareentwicklungsprozesses vorgestellt. 1 Motivation Softwareentwicklungsunternehmen verlagern zunehmend ihre Entwicklungsaktivitäten im Rahmen des Offshoring vor allem nach Osteuropa und Indien [Mü05], [Me05]. Bis 2008 werden nach einer Schätzung von McKinsey weltweit Softwareentwicklungsleistungen im Wert von 300 Milliarden US-Dollar ausgegliedert [Ha04]. Für deutsche Softwareunternehmen bedeutet diese Entwicklung, dass bestehende Softwareentwicklungsprozesse grundlegend zu überdenken sind. Im Mittelpunkt sollte nicht mehr das einfache Programmieren stehen, sondern die Förderung der Nähe von Kunde und Entwickler sowie der Aufbau von Know-How über kundenspezifische Prozesse, z.b. in Form einer längerfristigen Kooperation. Unter anderem wegen der hohen Komplexität sowie unterschiedlichen Wissenskontexten bei Softwareanwendern (Auftraggeber) und Softwareentwicklern (Auftragnehmer) kommt es jedoch immer wieder zu unvorhergesehenen Änderungen der Anforderungen an das Ergebnis der Softwareentwicklung, sogenannte Emerging Functions (EF). Nur wenn Softwareunternehmen in der Lage sind, auf diese EF schnell und unkompliziert zu reagieren und den Kunden stärker in den Entwicklungsprozess einbeziehen, sind sie in der Lage, Kundenwünsche besser zu reflektieren und maßgeschneiderte Lösungen anzubieten. Dies bedeutet, dass die Anforderungen an wissensintensive Softwareentwicklungsprozesse steigen. Das prozessorientierte Wissensmanagement bietet Ansatzpunkte, durch die Prozessgestaltung unter Berücksichtigung der im Prozess stattfindenden Wissensaktivitäten und des im Prozess enthaltenen Wissens, diesen neuen Herausforderungen gerecht zu werden. 215
2 Knowledge Modeling and Description Language Die Methode KMDL (Knowledge Modeling and Description Language) dient der Modellierung, Analyse und der darauf basierenden Neugestaltung der wissensintensiven Geschäftsprozesse [GMU04], [GM05]. 1 Dabei werden zum Prozessverlauf, welcher über Informationsflüsse abgebildet wird, zusätzlich Wissenskonversionen visualisiert. Des Weiteren wird das eingesetzte Wissen der Prozessbeteiligten beschrieben. Die Einführung einer Wissensebene (sog. stillschweigende Ebene) ermöglicht die genaue Spezifikation, wann Wissen welchen Inhalts und in welcher Form im Prozess benötigt oder erzeugt wird. Das Ziel der Analyse ist die Prozessgestaltung basierend auf der Implementierung geeigneter technischer, organisatorischer und/oder kultureller Wissensmanagementaktivitäten im betrachteten Untersuchungsgebiet. Um die Phasen der Prozessmodellierung sowie der Prozessanalyse und -bewertung effektiver durchzuführen, wurde ein Modellierungs- und Analysewerkzeug,der K-Modeler, entwickelt. Im Rahmen des vom BMBF geförderten Projekts M-Wise [MWise05] wird die KMDL im Bereich der Softwareentwicklung eingesetzt, um ihre Anwendbarkeit für wissensintensive Softwareentwicklungsprozesse zu evaluieren (KMDL-SE). Im Folgenden wird ein Ausschnitt aus einem Softwareentwicklungsprozess vorgestellt, welcher aufgrund des Auftretens einer EF ausgelöst wurde. 3 Prozessbeispiel aus dem Bereich der Softwareentwicklung Die Basis der Modellbeschreibung bilden Aufgaben, welche über Informationsflüsse in eine logische Reihenfolge und Struktur gebracht werden. Im Beispiel (Abbildung 1) wird ein einer EF auf Basis einer Machbarkeitsanalyse über ein in einem Workflowsystem eingestellten sowie einer für die umzusetzende Funktion vergeben. ergebnisse Machbarkeitsanalyse Entwicklungauftrag vergeben umsetzen Anpepasste Funktion Funktionsdokumentation durchführen Technischer Projektleiter Teammitglied er Explizite Ebene Person 2 Person 3 Person 2 Skill-Catalog Kundenanforderungen Kundenanforderungen Arbeitstauslastung der Stillschweigende Ebene Internalisierung Abbildung 1: KMDL-SE Prozessmodell Jeder einzelnen Aufgabe werden die ausführende(n) Rolle(n), z.b. der,projektleiter und jeweilige(n) Person(en) zugeordnet. Die Aufgabenanforderungen beschreiben die Anforderungen, die an eine Rolle gestellt werden, um die betreffende Aufgabe 1 Weitere Informationen zu KMDL sind unter verfügbar. 216
3 auszuführen, z.b., beschrieben. Diese Aufgabenanforderungen umfassen das stillschweigende Wissen, über das die Person zur fachgemäßen Ausführung der Aufgabe verfügen sollte. Der Anteil des stillschweigenden Wissens, der von der Person zur Ausführung der Aufgabe genutzt wird, wird über die Wissensobjekte dargestellt. Die Visualisierung der Wissenskonversionen, d.h. der Wissensaktivitäten (Internalisierung,, Kombination und Externalisation) innerhalb des Prozesses, erfolgt über definierte farbig gekennzeichnete Assoziationen [NT95]. 4 Prozessanalyse und Ableitung der Potentiale Für die Analyse der mit KMDL-SE modellierten Softwareentwicklungsprozesse werden derzeit unterschiedliche Ansätze verifiziert, mit denen auf Basis der Prozessmodelle systematisch Potentiale identifiziert und somit Vorgaben für die Prozessgestaltung ermittelt werden können. Zu diesen Ansätzen zählen die Definition von Prozessmustern [MG05], die Analysesichten der Konversion und Kommunikation sowie die Nutzungsanalyse [MBG05]. Im Folgenden wird die Anwendung der Nutzungsanalyse auf Basis des vorab beschriebenen Softwareentwicklungsprozesses vorgestellt. Kern der Nutzungsanalyse ist eine Auswertung, die die aufgabenspezifische Anwendung der im KMDL-SE Prozessmodell vorhandenen Informations- und Wissensobjekte dargestellt. Dabei wird zwischen drei Nutzungsklassen differenziert: Erforderlich: Das Informations- oder Wissensobjekt ist für die Ausführung der Aufgabe zwingend erforderlich (im KMDL-SE Modell dargestellt durch die entsprechende Aufgabenanforderung bei Wissensobjekten sowie durch den eingehenden Informationsfluss bei Informationsobjekten). Optional: Durch den zusätzlichen Einsatz von Informations- oder Wissensobjekten wird die Ausführung der Aufgabe verbessert, z.b. hinsichtlich Ergebnisqualität, Bearbeitungszeit (im Modell dargestellt durch ein modelliertes Wissensobjekt dem keine Aufgabenanforderung zugeordnet ist). Unbenutzt: Kein Einsatz des Informations- und/oder Wissensobjekts während der Aufgabenausführung. Diese Klassifikation wird in einer matrizenähnliche Ist-Darstellung eingetragen, in welcher senkrecht Informations- und Wissensobjekte und waagerecht die Aufgaben in ihrer Abarbeitungsreihenfolge aufgetragen sind. Voraussetzung für die Durchführung dieser Auswertung ist die konsistente Bezeichnung und Strukturierung der Informationsobjekte, Wissensobjekte sowie der Aufgabenanforderungen. Daher muss bei der Modellierung ein semantisch strukturiertes Repository eingesetzt werden, dass die Konsistenz der Objektbezeichnungen sicherstellt. Ein beispielhafter Ausschnitt einer solchen Auswertung basierend auf dem zuvor vorgestellten Prozessmodell enthält Abbildung 2. Aufgrund dieser Darstellung ist die Identifikation der erzeugten aber nicht genutzten Informations- und Wissensobjekten leicht durchführbar. Diese sollten zukünftig nicht mehr erzeugt werden. Vorab ist zu prüfen, ob die Nutzung außerhalb des 217
4 betrachteten Bereichs erfolgt. Im dargestellten Beispiel wird das Informationsobjekt Funktionsdokumentation in dem betrachteten Instanzausschnitt nicht genutzt, jedoch ist dessen Nutzung in anderen Instanzen des Prozesses vorgesehen (die hier außerhalb des Betrachtungsbereichs liegen). Das Wissensobjekt Arbeitsauslastung der wird für die Ausführung der Aufgabe vergeben verwendet, obwohl dafür keine Aufgabenanforderung existiert. Der Einsatz des Wissensobjektes lässt auf eine Verbesserung der Aufgabenausführung schließen. Für die Gestaltung eines Sollprozesses sollte überprüft werden, ob die entsprechende Aufgabenanforderung angegeben wird. Entwicklungauftrag vergeben umsetzen durchführen Machbarkeitsanalyse Erforderlich Optional Unbenutzt Funktionsdokumentation Skill-Catalog [ ] Arbeitstauslastung der [ ] Abbildung 2: Nutzungsanalyse (Auswertungssicht) Im Beispiel wird das Informationsobjekt zur Zuweisung des es zunächst internalisiert. Die Nutzungsanalyse zeigt keine Verwendung des Informationsobjektes, da das erzeugte Wissensobjekt informell (stillschweigende Prozessebene) im Prozess über die weitergegeben wird. Es ist zu prüfen, ob der Dokumentationsgrad erhöht und so das Wissen in dokumentierter Form weitergegeben werden sollte oder ob auf die Erzeugung des Informationsobjektes ganz verzichtet werden kann. Neben der Ist-Darstellung, kann die Nutzungsanalyse zur Gestaltung von Sollprozessen eingesetzt werden. Dabei wird je Aufgabe die Informations- und Wissensnachfrage ermittelt. Dies erfolgt jeweils paarweise je Aufgabe und Informations- bzw. Wissensobjekt, bei der die mögliche Verbesserung der Aufgabenausführung durch den Einsatz untersucht wird. So lassen sich Vorgaben zur Sollprozessgestaltung ermitteln, aus der dann Maßnahmen in der Personaleinsatzplanung bzw. Schulungen abgeleitet werden können. Wie gezeigt ist die Definition des Betrachtungsbereiches ein Faktor, der die Ergebnisse der vorgestellten Analyse maßgeblich beeinflusst. Grundsätzlich ist das vorgestellte Verfahren skalierbar, das heißt es kann sowohl für einzelne Prozessausschnitte als auch für mehrere unterschiedliche Prozessmodelle angewendet werden. Die Übersicht und Interpretationsmöglichkeit der vorgestellten Darstellung stößt mit zunehmender Zahl der 218
5 Informations- und Wissensobjekte jedoch schnell an Grenzen. Methodisch bleibt jedoch durch das paarweise Vergleichen die Komplexität gering. Die Ergebnissqualität steigt mit der Anzahl der wissensintensivengeschäftsprozesse eines Unternehmens. 5 Fazit Durch die Modellierung der wissensintensiven Softwareentwicklungsprozesse mit der KMDL-SE wird ein Verständnis der Abläufe und Wissenskonversionen erzeugt. In der nachfolgenden Analyse wurde zunächst deutlich, dass sich die betrachteten EF-Prozesse durch ein hohes Maß an informeller Kommunikation und ad hoc Entscheidungen auszeichnen. Im betrachteten Anwendungsfall wurden häufig Programmierprobleme doppelt gelöst, da keine Transparenz über bereits gelöste EF-Anforderungen bestand, sowie diese Wissensnachfrage den Akteuren unbewusst war. Diese unterlassene Nutzung konnte durch den Einsatz der Nutzungsanalyse aufgezeigt werden, da aus Aufgabenperspektive nachfrageorientiert überprüft wird, ob vorhandene Informationsund Wissensobjekte zu einer besseren Durchführung der Aktivität beitragen. Für den Sollprozess wurden Vorgaben zur Anwendung entsprechender Dokumentationen definiert. Die Nutzungsanalyse liefert somit einen Beitrag zur wertschöpfungsorientierten Anwendung des vorhandenen Wissens. Literaturverzeichnis [GMU04] Gronau, N.; Müller, C.; Uslar, M.: The KMDL Knowledge Management Approach: Integrating Knowledge Conversions, Business Process Modeling, Skill Management and Knowledge Management Systems, Published in the Proceedings of PAKM 2004, Vienna, 2004, [GM05] Gronau, N., Müller, C.: Wissensarbeit prozessorientiert modellieren und verbessern. Wissensmanagement Heft 3/ [Ha04] Hager, M.: Müssen wir alle nach Indien?. Groupware Magazin. O6/ URL: vom [MWise05] Forschungsprojekt M-Wise. Modellierung und Analyse wissensintensiver Softwareentwicklungsprozesse. URL: vom [MBG05] Müller, C., Bahrs, J., Gronau, N.: Requirements on the Modelling of Knowledge intensive Business Processes in the Area of Software Engineering. Akzeptierter Beitrag BPOKI'05 Special Track der I-Know '05,Graz, [Me05] Mertens P.: Gefahren für die Wirtschaftsinformatik-Risikoanalyse eines Faches. Arbeitspapier Nr.1/ vom [MG05] Müller, C., Gronau, N.: Rechnergestützte Musteranalyse wissensintensiver Geschäftsprozesse. Wissensmanagement Heft 4/2005, [Mü05] Müller, O.: Walldorf spiegelt sich in Indien. Handelsblatt.com URL: 629/SH/0/depot/0/ vom [NT95] Nonaka, I., Takeuchi, H.: The Knowledge-Creating Company. How Japanese Companies Create the Dynamics of Innovation, Oxford University Press, New York,
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