Therapieresistente Depression unter besonderer Berücksichtigung von Ketamin
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- Adam Meinhardt
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1 Therapieresistente Depression unter besonderer Berücksichtigung von Ketamin Konstantinos Papageorgiou Medizinische Universität Wien, Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie 1 Interessenskonflikte Vortragshonorare in den letzten 3 Jahren von: Eli Lilly Janssen Cilag AOP Orphan Lundbeck Merck Germania Pharmazeutika 2 1
2 Definitionen Therapieresistenz Unterschiedliche Definitionen der Therapieresistenten Depression (TRD) findensichinderliteratur: ungenügendes Ansprechen auf eine Therapieoption, nach einer Behandlungsdauer von mindestens vier Wochen (Fava, 2003; Souery et al., 1999; Thase, 2001) ODER nach einer Behandlungsdauer von sechs bis acht Wochen (Fava, 2003; Souery et al., 1999; Thase, 2001) ungenügendes Ansprechen auf zwei Therapieoptionen, unabhängig vom Wirkmechanismus, nach einer Behandlungsdauer von mindestens vier Wochen (CHMP, 2002; Thase, 2001) ODER nach einer Behandlungsdauer von sechs bis acht Wochen (ÖGPB 2012) 3 Definitionen Therapieresistenz Wahrend man früher alle Patienten, die nicht ausreichend auf ein Medikament angesprochen haben, als therapieresistent bezeichnet hat, sollte man nach der heutigen Kenntnis zwischen vier Begriffen unterscheiden: 1. Unzureichendes Ansprechen: ungenügendes Ansprechen auf eine Therapieoption (EMA Terminologie: inadequate response) 1/3 vollständige Remission 1/3 partielles Ansprechen 1/3 kein Ansprechen auf die erste angewendete antidepressive Substanz (Moser et al. 2007). 2. Therapieresistenz: ungenügendes Ansprechen auf zwei Therapieoptionen, unabhängig vom Wirkmechanismus, nach einer Behandlungsdauer von sechs bis acht Wochen ÖGPB Konsensus Depression
3 Definitionen Therapieresistenz 3. Therapierefraktäre Depression: Thase und Rush (1997) schlagen eine fünfstufige Kriterienliste vor: 1.Versagen eines adäquaten Therapieversuchs mit modernen Antidepressiva (SSRI) 2.plus Versagen eines adäquaten Therapieversuchs mit einem Antidepressivum einer anderen Substanzklasse 3.plus Versagen eines adäquaten Therapieversuchs mit Trizyklika plus Versagen eines adäquaten Therapieversuchs mit MAO Hemmer 4.plus erfolglose Serie bilateraler Elektrokrampftherapie 4. Chronische Depression: Patient leidet seit mindestens zwei Jahren trotz adäquater Therapie unter einer depressiven Episode. Der Begriff muss differenzialdiagnostisch von der Dysthymie abgegrenzt werden. DD Pseudoresistenz: Mangelnder Behandlungserfolg aufgrund ungenügender Dosierung oder Behandlungsdauer. Department of ÖGPB Psychiatry Konsensus and Psychotherapy Depression 2012 Definitionen: Therapieansprechen Kriterien für Response = Therapieansprechen Non response (ungenügendes Ansprechen): 25% Reduktion der Symptomintensität im Vergleich zum Status vor Therapiebeginn (Baseline) Partial response (partielles Ansprechen): 26 49% Reduktion der Symptomintensität im Vergleich zur Baseline Response: 50% Reduktion der Symptomintensität im Vergleich zur Baseline Cave: entspricht zum Teil auch der Definition der Teilremission (!) Remission: Vollständige Wiederherstellung des ursprünglichen Funktionszustands, meist definiert als HAM D 7 oder CGI 2 oder GAF 70 Department WFSBP of Psychiatry Guidelines and Psychotherapy Depression
4 Pseudoresistenz 4
5 Non-Compliance: Nebenwirkungen? TDM in der Psychiatrie Hiemke et al. 2011: AGNP Konsensus Leitlinien für Therapeutisches Drug Monitoring in der Psychiatrie: Update
6 TDM in der Psychiatrie Hiemke et al. 2011: AGNP Konsensus Leitlinien für Therapeutisches Drug Monitoring in der Psychiatrie: Update 2011 TDM (Therapeutisches Drug Monitoring) Therapeutisches Fenster: Wenn der Arzneistoffspiegel innerhalb des therapeutischen Referenzbereiches liegt, ist mit höchster Wahrscheinlichkeit mit therapeutischem Ansprechen bei gleichzeitig guter Verträglichkeit zu rechnen. Miterfassung von Arzneistoffmetaboliten: Das Verhältnis der Konzentration von Metabolit zu Muttersubstanz (Metabolic Ratio, MR) ist ein direktes Maß für die Verstoffwechslung eines Medikamentes. Ein MR, das deutlich vom Normalwert abweicht, ist ein Hinweis auf eine genetische Besonderheit oder eine Wechselwirkung. Das MR ist auch für das Erkennen von Non Compliance wichtig, z.b. ob kurz vor einem Termin das Medikament einmalig eingenommen wurde (z.b. bei unüblich hohem Olanzapin Spiegel bei kaum nachweisbarem Desmethylolanzapin > deutlicher Hinweis auf partielle Non Cpmpliance). Psychopharmakotherapie
7 TDM (Therapeutisches Drug Monitoring) Einzuhaltende Bedingungen bei der Anwendung von TDM: Steady State sollte erreicht sein, d.h. mind. 4 Eliminations HWZ (Ausnahme: Auftreten schwerer Nebenwirkungen) Blutentnahme im Talspiegel (üblicherweise vor der ersten Einnahme des Tages) Empfohlene Angaben (Zuweisung): Dosis, Dosierungsintervall, Zeitpunkt der letzten Einnahme, pharmakokinetisch relevante Faktoren (Komedikation, Zigarettenrauchen) Empfohlene Angaben (Befund): Referenzbereiche, Hinweise auf potenzielle Wechselwirkungen Berechnung der Talspiegel, wenn die Probe nicht zur Zeit minimaler Konzentration entnommen wurde Metabolisierung das CYP-System 7
8 Antidepressiva und das CYP-System Genetik und Therapieansprechen 8
9 Klinische Faktoren u. Therapieansprechen Patienten mit ängstlicher Depression haben weniger Remissionen erreicht (48.6% vs. 61.5%, OR = 0.63) und die Zeit bis zur Remission war länger (44 ± 3.4 vs. 30 ± 2.8 Tage). Wiethoff (2010). Prevalence and tx outcome in anxious versus non anxious depression Behandlungsstrategien bei Non-Response (nach DGPPN 2007) 1) Wechsel zu einem neuen AD aus einer anderen pharmakologischen Klasse 2) Wechsel zu einem anderen AD aus derselben Klasse 3) Kombination zweier AD aus unterschiedlichen Klassen 4) Augmentation des AD mit anderen Wirkstoffen (z.b. Lithium, SD Hormon) 5) Kombination des AD mit einer psychotherapeutischen Intervention. Gegenwärtig gibt es keine einheitliche Meinung, welche Strategie bei nicht respondierenden Patienten bevorzugt werden sollte, da bis jetzt noch keine doppelblinde randomisierte Studie durchgeführt wurde, die diese Fragestellung beantworten konnte. Einige Autoren argumentieren zugunsten der Augmentationsstrategien. 9
10 Stufenschema zur Behandlung der TRD (ÖGPB Konsensus Statement 2012) ÖGPB Statement 2012: Conclusio Derzeit liegen jedoch keine Ergebnisse vor, die einen Wechsel auf ein AD einer anderen Substanzklasse über den Wechsel auf ein anderes AD derselben Klasse befürworten (Conolly et al. 2011). Daher werden in diesem Statement bei ungenügendem Ansprechen die Kombination zweier unterschiedlicher AD ebenso wie die adjuvante Gabe von Medikamenten anderer Substanzklassen (z.b. atypische AP) sowie nicht pharmakologische Maßnahmen zur Erwägung empfohlen. Aus heutiger Sicht und aufgrund der vorliegenden Datenlage sollte der Augmentationsbehandlung mit atypischen AP (dabei liegen Daten für Quetiapin XR, Olanzapin und Aripiprazol vor) der Vorzug vor dem Wechsel des AD gegeben werden. Aufgrund der unterschiedlichen Pharmakologie und Wirkung von AD auf mehrere Neurotransmitter Rezeptoren kann auch ein Wechsel auf ein zweites Präparat derselben Substanzklasse als eine mögliche Therapiestrategie erachtet werden. Die Umstellung von einem SSRI auf einen anderen SSRI wird bisher kontrovers beurteilt. Untersuchungen kommen zu dem Schluss, dass eine Unverträglichkeit oder das Nichtansprechen auf einen ersten SSRI nicht als Prädiktor für ein schlechtes Ansprechen auf einen zweiten SSRI gesehen werden kann, da die verschiedenen SSRI eine unterschiedliche Pharmakodynamik und Pharmakokinetik aufweisen. 10
11 Behandlungsstrategien bei Non-Response (nach WFSBP 2013) WFSBP 2013: 1) Dosissteigerung bzw. maximale Aufdosierung 2) a) Wechsel zu einem neuen AD aus einer anderen pharmakologischen Klasse b) Wechsel zu einem anderen AD aus derselben Klasse 3) Kombination zweier AD aus unterschiedlichen Klassen 4) Augmentation des AD mit anderen Wirkstoffen (z.b. Lithium, SD Hormon) 5) Kombination des AD mit einer psychotherapeutischen Intervention. 6) Kombination des AD mit einer anderen biologischen Therapiemaßnahmen (Lichttherapie, Schlafentzug, Elektrokonvulsionstherapie). Dosiserhöhung bei Therapieresistenz Response durch Dosiserhöhung nur für TZA, MAO H. und Venlafaxin belegt. Besonders bei partieller Response eine plausible Strategie Bei TZA kann die Dosis bis zu 300 mg/d betragen (EKG Kontrollen! ggf. EEG). Bestimmung der Plasmakonzentration des TZA bei V.a. Unterdosierung. Dosiserhöhung unter SSRI nicht mit besserer Effizienz verknüpft. Duloxetin: 120mg/d nicht besser als 60mg/d (außer bei Rauchern). (Benkert und Hippius, 2013) Dosisoptimierung Dosisoptimierung unter Plasmaspiegelbestimmung sollte bei fehlendem Ansprechen erwogen werden, allerdings nicht immer möglich. Eine prinzipielle Hochdosistherapie zeigte aufgrund pharmakokinetischer Eigenschaften keinen nachweisbaren überlegenen therapeutischen Effekt. (ÖGPB Konsensus TRD 2011) 11
12 Wechsel bei Therapieresistenz Sowohl ein Wechsel zu einem AD mit gleichem Wirkmechanismus als auch ein Wechsel zu einem AD mit anderem Wirkmechanismus kann erfolgreich sein. Nach Non Response auf einen SSRI besteht bei Wechsel auf einen zweiten SSRI eine %ige Response Chance. Eine Response kann noch nach 3 maligem Wechsel erwartet werden. Wechsel auf ein AD mit anderem Angriffspunkt: Umstellen auf Venlafaxin v.a. bei schweren Episoden günstiger als ein erneuter SSRI Versuch. Metaanalyse: Vorteil eines Wechsels zu einem AD mit anderem Wirkmechanismus (Bupropion, Mirtazapin und Venlafaxin) im Vergleich zu einem SSRI. Wechsel des AD im Vergleich zu Augmentationsstrategien: unzureichende Datenlage. Vorteile: Beibehaltung einer Monotherapie mit damit möglicherweise besserer Verträglichkeit und geringerem Risiko von Wechselwirkungen. Nachteile: mögliches Auftreten von Absetzsyndromen (v.a. Venlafaxin, Paroxetin) und ein möglicher Verlust einer zumindest partiellen Wirksamkeit. Wechsel des AD bietet sich insbesondere bei Vorliegen von NW an, die eine Fortführung der Behandlung in ausreichend hoher Dosis erschweren oder eine weitere Dosiserhöhung unmöglich machen. Benkert und Hippius, 2013 WFSBP Guideline 2013: Wechsel-Strategien Die beste Evidenz besteht für einen AD Wechsel von einem SSRI auf Venlafaxin oder auf Tranylcypromin (Cave: Serotonin Syndrom! Washout von mindestens 2 Wochen vor Beginn des irrevers. MAO Hemmers, bei Fluoxetin 5 Wochen wegen der langen HWZ) 12
13 Die Klasse des AD ist nicht entscheidend für den Therapieeffekt beim Switch (Souery et al., 2011) Neuropharmakologie des NMDA-Antagonisten Ketamin hypnotisch analgetisch amnestisch psychotomimetisch R( ) ketamine S(+) ketamine: 3 4 x höhere Affinität 26 13
14 Ketamin - Pharmakologie Phencyclidin-Derivat Antagonist am NMDA Rezeptor (nicht-kompetitiv, am Phencyclidin-Binding Site) Moderate Opioid-Rezeptor Affinität Inhibitor des Monoamin-Transporters GABA-A Rezeptor Himmelseher, Pfenninger: The clinical use of S-(+)-ketamine - a determination of its place. Anaesthesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 33(12): , Glutamate (Glu) Synthese in Gliazellen 60% aller Neuronen express Glu Wichtigster exzitatorischer Neurotransmitter Praktisch alle Hirnfunktionen involviert Spezifische Bedeutung bei synaptischer Homöostase Motrische Bahnen: Basalganglien und Prämotor Kortex Hippokampus and Präfrontaler Kortex: kognitive Funktionen 28 14
15 Glutamat Rezeptoren Ion channel-associated Ionotropic (iglur) G protein-coupled Metabotropic (mglur) NMDA AMPA Kainate Group I Group II Group III NR1 NR2 (A,B,C,D) NR3 (A,B) GluR1 GluR2 GluR3 GluR4 KA (1,2) GluR5 GluR6 GluR7 mglur1 mglur5 mglur2 mglur3 mglur4 mglur6 mglur7 mglur8 Fast excitatory Slow excitatory Slow inhibitory 29 Glutamat: Synapse und Gliazelle - Kreislauf GLNT präsynaptisches Neuron mglu II+III K + Gln Glu Glu EAAT 3/4 EAAT 1/2 Gln Glu Citrat Zyclus GDH Gliazelle GLAST Na + GLT1 Glu Glu L-ser mglu II D-ser D-ser Na + Kainat Na + Glu Na+ Ca ++ mglu I AMPA NMDA K + K Kainat + K + postsynaptisches, z.b. serotonerges Neuron AMPA: α-amino-3-hydroxy-5-methyl-4-isoxazolpropioinsäure-rezeptor, D-Ser: D-Serin, EAAT: exzitatorische Aminosäuretransporter, GDH: Glutamatdehydrogenase, Gln: Glutamin, GLAST: Glutamat Aspartat Transporter, GLNT: Glutamintransporter, GLT1: Glialer Glutamat Transporter 1, Glu: Glutamat, GLYT: Glycintransporter, L-Ser: L-Serin, mglu: metabotroper Glutamatrezeptor, NMDA: N-Methyl-D-Aspartat-Rezeptor 15
16 Ketamin Interaktion mit Glutamat mglu5 Antagonist Ketamin mglu2/3 Antagonist NMDA Blocking AMPA Stimulation Serotonin Dopamin Serotonin Serotonin 2A/ 2C GABA Release Glutamate release BDNF? BDNF mtor Dendritic growth Synaptic activity NORMALIZATION OF GLUTAMATERGIC DYSFUNCTION 31 Glutamat GABA Dysbalance Glutamat erhöht Angst Depression Schizophrenie (Negativ-Symptomatik) Glutamate Glutamate erniedrigt GABA Therapie GABA Therapie Schizophrenie (kognitive Dysfunktion, Positiv-Symptomatik) excitatory/ inhibitory Balance GABA Wieronska & Pilic, Neurochem Int 55 (2009)
17 Ketamin: NMDA-Antagonismus und rascher antidepressiver Effekt 33 Metaanalyse von Ketamin in MDD McGirr et al, Psychological Medicine
18 Ketamin Suizidalität bei Depression Zarate et al. Biol Psych Wiederholte Ketamin i.v. Gabe in TRD: akute and mittelfristige Wirkung Murrough et al, Biol. Psychiatry
19 Langfristige antidepressive Effekte von wiederholter i.v. Ketamin-Behandlung 37 Review
20 Review 2017 Workflow 39 Unerwünschte Wirkungen von Ketamin i.v. Kraus et al., 2017 Data from Morrough et al.,
21 Esketamin Intranasal 41 Study Population Men and women 18 years old Diagnosed with TRD Medically stable Comfortable with taking an intranasal medication diagnostic criteria for single-episode MDD, without psychotic feature MADRS total score of 22 nonresponse to 2 oral antidepressant treatments taken at adequate dosage and for adequate duration Open-label Induction Phase, 4 weeks 42 21
22
23 Ketamin: Zusammenfassung Response Rate von 70 80% in uni und bipolarer Depression Rasche Wirksamkeit bei konkreten Suizidgedanken Effekt bleibt nicht immer erhalten, wiederholte Gabe gut verträglich Möglicher Mechanismus: Reduktion d. thalamokortikalen Konnektivität RR Anstieg häufig (RR Monitoring für mind. 30 Min. während Infusion) Aktuell vorwiegend stationär angewendet (1 2 Amp. Ketanest 25 mg) Ambulante Behandlung wird evaluiert 45 Ketamin: Offene Fragen Langfristige Effektivität und Sicherheit? Unerwünschte Wirkungen? Bis dato nur in TRD Sonstige Indikationen? Management der akuten Suizidalität? Monotherapie vs. Add on Therapie? Höhere Dosis besseres Ansprechen? Intranasale Applikation weniger UAW? Abhängigkeit? Psychotische Exazerbation? Setting spezifische Behandlungszentren? 23
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