Kolloquium Einführung in das Wettbewerbsrecht WS 2018/2019
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1 Kolloquium Einführung in das Wettbewerbsrecht WS 2018/2019 Prof. Dr. Alexander Peukert Goethe University Frankfurt am Main
2 I. Einführung Wettbewerbsrecht Kartellrecht (Ob des Wettbewerbs) 2
3 I. Einführung Anwendungsbereich des Kartellrechts: wirtschaftlicher Wettbewerb Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen zwischen Unternehmen; Märkte für Waren und Dienstleistungen (Art. 101 AEUV/ 1 GWB) Missbrauch privater Macht durch Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen auf dem (Binnen-)Markt (Art. 102 AEUV/ 18 I GWB) 3
4 I. Einführung Zweck des Kartellrechts: Schutz des unverfälschten Wettbewerbs Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken (Art. 101 I AEUV/ 1 GWB) Mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten ist die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen (Art. 102 AEUV) Bezug zum unverfälschten Wettbewerb über Protokoll Nr. 27 EUV (s.o.) Fusionskontrolle: Ein Zusammenschluss, durch den wirksamer Wettbewerb erheblich behindert würde ist zu untersagen ( 36 I GWB). Beihilferecht: staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen, sind mit dem Binnenmarkt unvereinbar (Art. 107 I AEUV) 4
5 I. Einführung Wettbewerbsrecht Kartellrecht (Ob des Wettbewerbs) Lauterkeitsrecht (Wie des Wettbewerbs) 5
6 I. Einführung Gewährleistung lauteren Wettbewerbs durch das UWG Anwendungsbereich: geschäftliche Handlungen, 2 I Nr. 1 UWG: jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt Abgrenzung zu sonstigen Handlungen und damit dem allgemeinen Deliktsrecht UWG als Sonderdeliktsrecht 6
7 I. Einführung Zweck des UWG gem. 1 UWG: Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. 7
8 I. Einführung Zweck des UWG gem. 1 UWG: Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb. 8
9 I. Einführung Also: Wettbewerbsrecht schützt die Institution Wettbewerb im Allgemeininteresse an einem wirksamen, funktionsfähigen Wettbewerb (und seinen Funktionen) Es soll überhaupt wirksamer Wettbewerb zwischen Anbietern und Nachfragern bestehen (Ob des Wettbewerbs) Der stattfindende Wettbewerb soll nicht durch Irreführungen, Aggressivität und andere unlautere Handlungen verfälscht werden (Wie des Wettbewerbs) 9
10 I. Einführung Konsequenz: Wettbewerbsfunktionale Auslegung und Anwendung des Wettbewerbsrechts Zu verbieten sind diejenigen Wettbewerbshandlungen, die die Funktionen des Wettbewerbs beeinträchtigen Aktuellen oder potentiellen Wettbewerb von vornherein behindern (Art. 101 ff. AEUV, GWB) Andere Marktteilnehmer irreführen (insbes. 5 f. UWG) Wettbewerbsfremde Aggressivität (insbes. 4 Nr. 4, 4a UWG) Verstoß gegen Marktverhaltensregeln (par conditio concurrentium Rechtsbruch, 3a UWG) 10
11 I. Einführung Verhältnis zwischen Individual- und Allgemeininteressen Wettbewerbsrecht knüpft an individuelle Handlungen an und schützt die Interessen der Marktteilnehmer vor wettbewerbswidrigen Beeinträchtigungen ( 1 S. 1 UWG, Betroffene gem. 33 III GWB) Übergeordneter Maßstab für die Entscheidung, welchem Interesse der Vorzug gebührt, ist das Allgemeininteresse an der Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs als solchem 11
12 I. Einführung Dogmatische Konsequenzen I Wettbewerbsrecht statuiert gesetzliche Verbote bestimmter wirtschaftlicher Verhaltensweisen Art. 101 f. AEUV; 1, GWB 3, 7 UWG ( unzulässig = verboten) Verbote # Verletzung subjektiver Rechte gem. 823 I BGB Schutz durch Wettbewerbsrecht ist für den Einzelnen Marktteilnehmer nur Reflex eines Verbots Verbote als Schutzgesetze gem. 823 II BGB? Ja, aber Vorrang der speziellen Rechtsfolgenregelungen in 33a ff. GWB, 8 ff. UWG Und: Aktivlegitimation für Ansprüche ist nicht an individuelle Interessenbeeinträchtigung gekoppelt Daher historische Bedeutung des 826 BGB für das Wettbewerbsrecht (s.u.) 12
13 I. Einführung Dogmatische Konsequenzen II Das Wettbewerbs-, insbes. das Kartellrecht als Hybrid zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht Allgemeininteresse am Wettbewerb Individualinteressen der Marktteilnehmer Hoheitliche Sanktionen durch Kartellbehörden zivilrechtliche Ansprüche Betroffener/Geschädigter Das Kartell- und Beschwerdeverfahren als Hybrid: verwaltungs-, strafprozess- und zivilprozessuale Elemente Hybride Akteure und Sanktionen Verbandsklagebefugnisse ( 33 IV GWB, 8 III Nr. 2-4 UWG) Vorteils- bzw. Gewinnabschöpfung durch Verbände an den Bundeshaushalt ( 34a GWB, 10 UWG) 13
14 II.1: Kartellrecht, Einführung Kartellrecht: Geschichte Common Law: Restraint of Trade Doctrine ab 15. Jahrhundert USA: Sherman Act 1890 mit dem Verbot mehrseitiger und einseitiger Wettbewerbsbeschränkungen Deutschland: Preußen im 19. Jahrhundert: Wettbewerbsverbote stets nichtig 1870 ff. (Gründerkrise): Kartelle als Kinder der Not gebilligt (z.b. RGZ 38, 155 Sächsisches Holzstoffkartell) 1. Weltkrieg: Wirtschaftslenkung, auch via Kartelle Weimarer Republik: Versuche zur Eingrenzung von Kartellen Kartellverordnung 1923, aber Industriekartelle Benrather Tankstellen-Fall 1931 (RGZ 134, 342) Franz Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf (1933) 3. Reich: Integration der Kartelle in den NS-Staat (Zwangskartellgesetz 1933 und G zur Vorbereitung des organischen Aufbaus der dt. Wirtschaft 1934) 14
15 II.1: Kartellrecht, Einführung Kartellrecht: Geschichte Nachkriegszeit/BRD Teil III Art. 12 Potsdamer Abkommen 1945 und alliiertes Dekartellierungsrecht in den Westzonen 1947 GWB 1957, in Kraft und EWG-Vertrag, in Kraft ab Einzelfallbeurteilung durch Komm. gem. VO Nr Rechtsprechung des EuGH, z.b. zur unmittelbaren Anwendbarkeit der Art. 85 f. EWGV in Rs. Continental Can 1973 Zusammenschlusskontrolle D 1973, EG ff.: Angleichung des GWB an das EU-Kartellrecht 2003: Wechsel zum System der Legalausnahme im EU- Recht (VO 1/2003) 15
16 II.1: Kartellrecht, Einführung Mehrseitige Wettbewerbsbeeinträchtigungen (Kartelle usw.) Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen ( Kartellrecht ) 16
17 II.1: Kartellrecht, Einführung Mehrseitige Wettbewerbsbeeinträchtigungen (Kartelle usw.) Einseitiger Marktmachtmissbrauch Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen ( Kartellrecht ) 17
18 II.1: Kartellrecht, Einführung Mehrseitige Wettbewerbsbeeinträchtigungen (Kartelle usw.) Einseitiger Marktmachtmissbrauch Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen ( Kartellrecht ) Fusionskontrolle 18
19 II.1: Kartellrecht, Einführung Mehrseitige Wettbewerbsbeeinträchtigungen (Kartelle usw.) Einseitiger Marktmachtmissbrauch Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen ( Kartellrecht ) Fusionskontrolle Regulierung des Marktverhaltens der öffentlichen Hand 19
20 II.1: Kartellrecht, Einführung Rechtsquellen des Kartellrechts EU-Recht für Wettbewerb im Binnenmarkt 20
21 II.1: Kartellrecht, Einführung Rechtsquellen des Kartellrechts EU-Recht für Wettbewerb im Binnenmarkt Deutsches Recht für inländischen Wettbewerb 21
22 II.1: Kartellrecht, Einführung Sind grundsätzlich nebeneinander anwendbar Rechtsquellen des Kartellrechts EU-Recht für Wettbewerb im Binnenmarkt Deutsches Recht für inländischen Wettbewerb 22
23 II.1: Kartellrecht, Einführung Rechtsquellen des Kartellrechts: Deutsches Recht Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) 23
24 II.1: Kartellrecht, Einführung Rechtsquellen des Kartellrechts: EU-Recht Primärrecht, EUV und AEUV Insbes. Wettbewerbsregeln Art AEUV Unmittelbar anwendbar im Privatrechtsverhältnis Sekundärrecht Verordnungen VO 1/2003 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln ( Kartell-VO, insbes. System der Legalausnahme; Verhältnis EU-nat. Recht; Befugnisse Komm.) Fusionskontrollverordnung 139/2004 VO 773/2004 über die Durchführung von Wettbewerbsverfahren durch die Kommission 10 Gruppenfreistellungsverordnungen gem. Art. 101 III AEUV Kartellschadensersatzrichtlinie 2014/104 Diverse Mitteilungen der Komm. zu ihrem Verständnis des EU- Rechts und zur Anwendungspraxis ( Leitlinien ) 24
25 II.1: Kartellrecht, Einführung Räumlicher Anwendungsbereich EU-Recht/deutsches Recht kann überlappen: Räumlicher Anwendungsbereich deutsches Recht: Als Marktortrecht nach dem Auswirkungsprinzip auch für grenzüberschreitende Sachverhalte Art. 6 IIIa Rom-II-VO 864/2007: Recht des Staates, dessen Markt beeinträchtigt ist/wird 185 II GWB: Die Vorschriften des Ersten bis Dritten Teils dieses Gesetzes sind auf alle Wettbewerbsbeschränkungen anzuwenden, die sich im Geltungsbereich dieses Gesetzes auswirken, auch wenn sie außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes veranlasst werden. 25
26 II.1: Kartellrecht, Einführung Räumlicher Anwendungsbereich EU-Recht: EU-Markt Binnenmarkt Zwischenstaatlichkeitsklausel Art. 101 I AEUV (Abreden, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind ) Wird weit ausgelegt: Jede Abrede oder Maßnahme, die unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell den Wirtschaftsverkehr zwischen den MS spürbar beeinflussen kann. Einfuhr-/Ausfuhrmaßnahmen (+) Abschottung nationaler Märkte innerhalb der EU (+) 26
27 II.1: Kartellrecht, Einführung Angleichung des EU- und des deutschen Kartellrechts entschärft das Nebeneinander Vgl. Wortlaut 1, 18 f. GWB mit Art. 101 f. AEUV (s.u.) 2 II 2 GWB: EU-Gruppenfreistellungen gelten auch entsprechend, soweit die dort genannten Vereinbarungen, Beschlüsse und Verhaltensweisen nicht geeignet sind, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu beeinträchtigen. 27
28 II.1: Kartellrecht, Einführung Zum Konkurrenzverhältnis bei gleichzeitiger Anwendbarkeit von GWB und EU-Recht (Art. 3 KartellVO 1/2003, 22 GWB) Grundsatz: EU-Recht und nat. Recht nebeneinander anwendbar Zum Verhältnis im Einzelnen unterscheide (siehe jeweils unten): Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen Marktmachtmissbrauch Fusionskontrolle Sonstige Vorschriften mit anderem Zweck als Wettbewerbsschutz bleiben anwendbar (Art. 3 III KartellVO 1/2003; 22 IV 2 GWB) 28
29 II.2: Kartellrecht, Wettbewerbsbeschränkende Abreden Mehrseitige Wettbewerbsbeeinträchtigungen (Kartelle usw.) Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen ( Kartellrecht ) 29
30 II.2: Kartellrecht, Wettbewerbsbeschränkende Abreden Wettbewerbsbeschränkende Abreden: Worum es geht: Der Kartell-Man Verhältnis EU-Recht/Deutsches Recht: Art. 3 KartellVO 1/2003; 22 I, II GWB: Parallele Anwendbarkeit Soweit das EU-Recht nach Maßgabe der Zwischenstaatlichkeitsklausel anwendbar ist, gelten allein seine Verbotsmaßstäbe (Art. 3 II 1 KartellVO 1/2003, 22 II 1 GWB) 30
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