Fallbericht Die komplizierte Geburt. Dr. Dominik Spindler Salzkammergut-Klinikum Gmunden Anästhesie und Intensivmedizin
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- Helge Haupt
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1 Fallbericht Die komplizierte Geburt Dr. Dominik Spindler Salzkammergut-Klinikum Gmunden Anästhesie und Intensivmedizin
2 Begrüßung Dr. Dominik Spindler Seit 2012 im Salzkammergut-Klinikum Gmunden Arzt für Allgemeinmedizin Sekundararzt Anästhesie Gmunden Seit 2016 im Notarztdienst tätig
3 Einsatzmeldung 15:45, Notarzteinsatz: ungeplante Hausgeburt, SSW 40+2, SEW und Praktiker vor Ort;
4 Einsatzmeldung 15:45, Notarzteinsatz ungeplante Hausgeburt, SSW 40+2, SEW und Praktiker vor Ort; Anfahrt in den Nachbar-Bezirk Auf dem Weg per Funk: Kind bereits geboren
5 Situation vor Ort Friedliche Szene Abnabelung bereits durch Praktiker erfolgt Familie und Sanitäter stehen ringsum das Bett Neugeborenes liegt bei der Mutter schmatzt beim Streicheln leise Anamnese Schwangerschaft war unauffällig Heute der 2. Tag nach errechnetem Termin Geburt verlief rasch (Partus II) und problemlos Sanitäter: Das Fruchtwasser war grünlich verfärbt Kind habe nach Geburt gleich geschrien
6 Erstuntersuchung Ich hör mal kurz drauf, ob eh alles passt... Kind, geschätzt etwa normales Geburtsgewicht Raunzt leise, nur nach Stimulation Dunkelrot(-violette) Lippen Haut teilweise mit grünlichem Fruchtwasser verschmiert Erste Auskultation: Global feuchte Rasselgeräusche Puls ca. 80 /min
7 Diagnose Apgar-Score Kriterium 0 Punkte 1 Punkt nicht 2 Punkte gut fehlt ausgeprägt Atemanstrengung keine unregelmäßig, flach regelmäßig, schreit Herzfrequenz kein Herzschlag < 100/min > 100/min Muskeltonus schlaff leichtes Beugen der Extremitäten aktive Bewegungen der Extremitäten Hautfarbe blau, blass Stamm rosig, Extremitäten blau 9-10 Punkte: optimal 5-8 Punkte: gefährdet <5 Punkte: akut lebensgefährdet gesamter Körper rosig Reflexe keine Grimassieren kräftiges Schreien, Husten, Niesen
8 Diagnose Apgar-Score Ergebnis: 5 Punkte gefährdet 9-10 Punkte: optimal 5-8 Punkte: gefährdet <5 Punkte: akut lebensgefährdet Fruchtwasser war grünlich verfärbt, aber nicht trüb ERC-Guidelines: leicht grünliches Fruchtwasser : häufig, nicht beunruhigend zähes, grünes Fruchtwasser : Alarmbereitschaft! -> Diagnose: Mekoniumaspiration
9 Definitionen & Begriffe Mekonium - Kindspech Darminhalt des Feten Epithelzellen, Galle, verschluckte Hautzellen Steril MSAF meconium-stained amniotic fluid Durch Mekonium verfärbtes Fruchtwasser Ca. 12% aller Lebendgeborenen mekoniumhaltiges FW
10 Definitionen & Begriffe Mekoniumaspiration Definiert durch Mekonium unterhalb der Stimmlippen MAS Mekoniumaspirationssyndrom Respiratorische Probleme und Adaptationsstörungen durch Mekoniumaspiration Bei 5-12% der Neugeborenen mit MSAF (Mekonium im FW) Mortalitätsraten um 5%
11 Mechanismen / auslösende Ereignisse Gastrointestinale Reife Fetaler Stress Hypoxie / Schocksituation, reaktive Hyperperistaltik / Sphinkter-Relaxierung Durch Sauerstoffmangel Atembemühungen / Schnappatmung des Feten, folglich Aspiration Perinatal Durch Geburtsstress, Druckverhältnisse Kaum mit Aspiration verbunden
12 Mechanismen / auslösende Ereignisse Risiken Schwieriger, verlängerter Geburtsverlauf Pränatale Infektion Gestationsalter >42 SSW Drogenkonsum der Mutter Mütterliche Erkrankungen: Diabetes mellitus, Hypertonie Fehlbildungen bzw. Veränderungen der Nabelschnur Intrauterine Wachstumsverzögerung Kein erhöhtes Risiko: Frühgeburtlichkeit
13 Weiteres Handeln vor Ort Was machen wir jetzt? Absaugung oral unter Sicht mit Orosauger Minimal Speichel / lockerer Schleim Dabei Grimassieren, Krächzen Monitoring EKG + Pulsoxymetrie Assistierte Beatmung mit Maske Steigen der Herzfrequenz auf /min Unter O₂-Gabe SpO₂ um 95% Klinische Besserung: deutliches Schreien, rosige Hautfarbe Bei Aussetzen der Beatmung: wieder HF-Abfall <100/min innerhalb 1min
14 Weiteres Handeln vor Ort Hypothermie -Prophylaxe Nachforderung Inkubator mit 2. SEW Transport unter laufender assistierter manueller Maskenbeatmung Ca. 17:00 (1:15h nach Alarmierung) Eintreffen im Zielkrankenhaus - Neonatologie
15 Maßnahmen - Absaugen Aspiration häufig bereits in utero Oro-/Naso-pharyngeales Absaugen (peri oder postpartal) kann Aspiration nicht verhindern Atemweg durch Mekonium verlegt? -> Absaugen unter Sicht! Routinemäßiges tracheales Absaugen von vitalen Neugeborenen? Reduziert Inzidenz von MAS nicht Nur bei Verdacht auf wirkliche Obstruktion der Trachea! Womit absaugen? Ch Absaugkatheter, Sog mind. 150mmHg Entscheidend: Beatmung nicht unnötig verzögern!
16 Maßnahmen Beatmung Raumluft oder Sauerstoff? Beginn mit Raumluft Bei unzureichender SpO₂ -> Sauerstoffzufuhr erhöhen Intubation? tracheale Intubation eines avitalen Neugeborenen mit Mekonium [...] nur noch bei Verdacht auf eine Obstruktion der Trachea Wichtiger: innerhalb 1. Lebensminute mit Beatmung beginnen! Atemunterstützung mit CPAP Bei Neugeborenen mit angestrengter Atmung Höherer Stellenwert als Intubation
17 Maßnahmen - Intubation Beatmung > CPAP > Intubation Indikationen zur Intubation Obstruktion der Trachea Wenn Maskenbeatmung unzureichend Wenn Luft im Magen verhindert werden muss (Zwerchfellhernie, Gastroschisis, Omphalozele,...) Im Notfall: orotracheal > nasotracheal (weil einfacher) Ungecuffte Tuben
18 Maßnahmen - Abnabelung Unbeeinträchtigte, gesunde Neugeborene Frühestens 1 min nach Geburt Neugeborene die Reanimationsmaßnahmen benötigen Keine Empfehlung, fehlende Daten Abnabelung, um effektive Reanimation durchführen zu können Ausstreifen der Nabelschnur? Zu wenig Evidenz für Empfehlung, könnte sinnvoll sein
19 Weitere Ereignisse vor Ort Mutter, während Versorgung des Neugeborenen: Leichte vaginale Blutabgänge Leichte, nachwehenartige Schmerzen Als normal im Rahmen der Geburt beurteilt Im Rettungswagen, bereit zur Abfahrt Meldung durch Sanitäter: Mittlerweile viel Blut gekommen... Jetzt die Nachgeburt, unvollständig!
20 Weitere Ereignisse vor Ort Unvollständige Plazentalösung Patientin vigilant, liegend im Rettungswagen, zzt. kreislaufstabil Syntocinon (Oxytocin) 5 IE bereits erhalten Neuerliche Volumengabe (2x 500ml) Einsatztaktische Überlegung Nachforderung 2. Notarzt schwierig/verzögert Fahrzeit ins Krankenhaus: ca. 5-10min Entscheidung zur Load and Go -Strategie Übergabe an Rettungssanitäter Mit Sondersignal direkt ad Kreißsaal
21 Behandlung im Krankenhaus & Outcome Kind Initial weiterhin insuffiziente Spontanatmung Orale Intubation durch Anästhesisten, später Um-Intubation auf Nasal Intraossärer Zugang, Verabreichung mehrerer Volumen-Boli Zunehmende Stabilisierung Thorax-Röntgen: Bild mit Mekoniumaspiration vereinbar Transfer in zentrales Klinikum Schlussendlich Entlassung in gutem AZ Mutter Ankunft im Kreißsaal mit beginnender Schocksymptomatik Postpartale Hämorrhagie bei unvollständiger Plazentalösung Notfallmäßige operative Sanierung 2 Erythrozytenkonzentrate Stabilisierung, später Verlegung mit Kind
22 Conclusio / Reflexion Beatmung ggf. zunächst Raumluft, dann erst O₂ CPAP (konstantere Drücke, Arbeitsentlastung) Mehr Aufmerksamkeit bezüglich Mutter Versorgung der Mutter Erhöhte Syntocinon-Dosis (z.b. 20 IE ad Inf.) Manuelle Kompression? Schockraum anstatt Kreißsaal? Aufteilung des Teams Notfallsanitäter/Notarzt?
23 Zusammenfassung & Fragen? Mekoniumaspiration MSAF (M. im FW) Mekoniumaspiration MAS (M.-Aspirations-Syndrom) Beurteilung des Neugeborenen (Klinik, APGAR, Monitoring,...) Absaugen, tracheal nur bei eindeutiger Tracheaobstruktion Beatmung innerhalb 1. Lebensminute Raumluft, wenn nötig O₂ Beatmung > CPAP > Intubation Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Quellen: [1] ERC Leitlinien Kapitel 7 Die Versorgung und Reanimation des Neugeborenen [2] Berger TM et. al.: Pädiatrie up2date 2009 [3] Ahanya SN et. al.: Meconium passage in utero: mechanisms, consequences, and management. In: Obstet Gynecol Surv Jan;60(1):45-56; [4] Yurdakök M: Meconium aspiration syndrome: do we know? In: Turk J Pediatr Mar-Apr;53(2): [5] Viraraghavan VR et. al.: Yield of meconium in non-vigorous neonates undergoing endotracheal suctioning and profile of all neonates born through meconiumstained amniotic fluid: a prospective observational study. In: Paediatr Int Child Health Aug 30:1-5 [6] Huang L et. al.: A Sticky Situation: Meconium Aspiration in the Emergency Department. In: J Emerg Nurs Aug 7. pii: S (18)30014-X. [7] Rijal P et. al.: Scenario of Neonatal Respiratory Distress in Tertiary Hospital. In: J Nepal Health Res Counc Jul 3;16(2):
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