Diversity Management, Diversity Klima und Identitätsentwürfe von Lesben und Schwulen am Arbeitsplatz
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- Luisa Meinhardt
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1 Diversity Management, Diversity Klima und Identitätsentwürfe von Lesben und Schwulen am Arbeitsplatz Erste Ergebnisse der Studie, 2008 Thomas Köllen Wirtschaftsuniversität Wien - Forschungsinstitut für Gender und Diversität in Organisationen, Forschungsaufenthalt an der Goethe Universität, Frankfurt am Main
2 Einleitung und Hintergrund Diese Studie liefert eine Vielzahl an Daten und Ergebnissen, die fundierte quantitative Aussagen über arbeitsplatzbezogene Identitätsentwürfe von Lesben und Schwulen und das sie umgebende Arbeitsklima in Deutschland zulassen 1. Kern der Studie ist eine Online-Erhebung, welche Anfang 2008 durchgeführt wurde, insgesamt nahmen 1532 Personen teil. An dieser Stelle möchte ich noch einmal allen TeilnehmerInnen danken sowie allen Organisationen, Verbänden und Medien, die mich wirklich sehr bei der Verteilung der Umfrage unterstützt haben. Nur durch sie/sie/euch war es überhaupt erst möglich, diese Studie gelingen zu lassen! Gefördert wird dieses Dissertationsprojekt durch ein Stipendium der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), welches mir erlaubt, mich drei Jahre nur diesem Thema zu widmen. Teil des Stipendiums war ein 6monatiger Forschungsaufenthalt an der Universität Frankfurt. Zu folgenden Bereichen werde ich nun wesentliche deskriptive Ergebnisse vorstellen: - Identitätsentwürfe von Lesben und Schwulen am Arbeitsplatz - Homosexualität als Teil des Diversity Managements deutscher Unternehmen - Das Arbeitsklima für Schwule und Lesben in Deutschland Darüber hinaus gehende Ergebnisse stelle ich gerne nach Beendigung meiner Doktorarbeit zur Verfügung (voraussichtlich ab April 2009). Unter Angabe dieser Quelle können die hier präsentierten Ergebnisse gerne weiterverwendet werden. Bei Fragen bin ich unter thomas.koellen@wu-wien.ac.at erreichbar. 1 Als Überblick über bereits durchgeführte Forschung zu diesem Thema in Deutschland möchte ich an dieser Stelle auf die qualitativen Studien zu Identitätsmanagement am Arbeitsplatz von Maas (1999) und Losert (2004) hinweisen. Eine weitere umfangreiche quantitative Studie, welche unter anderem ebenfalls Identitäts- und Klimaaspekte beinhaltet hat, wurde von Frohn (2007) durchgeführt. Alle drei Studien waren sehr wertvoll für dieses Projekt.
3 Identitätsentwürfe von Lesben und Schwulen am Arbeitsplatz Es kann im Wesentlichen zwischen vier Identitäts-Management Strategien von Schwulen und Lesben am Arbeitsplatz unterschieden werden, welche sich entlang eines Kontinuums bewegen. Die erste ist Vortäuschen und umfasst Handlungen, welche Informationen an das Umfeld übermitteln, die darauf schließen lassen sollen heterosexuell zu sein. Diese Strategie wird von denen, die sie anwenden, zumeist als die sicherste betrachtet, um antizipierte Anfeindungen oder Diskriminierungen am Arbeitsplatz zu verhindern. Der Preis für diese Strategie ist ein gewisser Verlust von Selbst-Integrität. Die zweite Strategie auf dem Kontinuum ist Verbergen, welche vor allem darin liegt, dass die Informationsweitergabe über sich selbst so zensiert wird, dass die KollegInnen möglichst wenig Anlass haben sollen, zu vermuten, man könnte lesbisch oder schwul sein. Die dritte Strategie des Kontinuums ist Implizit Out. Diese Strategie beinhaltet Ehrlichkeit in Bezug auf seine Sexualität, es jedoch nicht explizit nach außen zu tragen. Diese Strategie erlaubt es, bis zu einem gewissen Grad gegebenenfalls auf eine der beiden voran beschriebenen Strategien zu wechseln. Als vierte Strategie gilt Explizit Out und beinhaltet neben der Ehrlichkeit über die eigene Sexualität eine explizite Selbstidentifikation als schwul oder lesbisch gegenüber anderen (Anderson, Croteau et al. 2001). Wichtig ist festzuhalten, dass die meisten Beschäftigten multiple Identitätsstrategien anwenden, somit nicht wie das Modell suggerieren könnte bei der Setzung ihrer Handlungen konstant im Bereich einer einzigen Strategie liegen. Zudem sind diese Strategien im Laufe der Zeit veränderbar, was aber meist mit einer Einstellungsänderung des/der Beschäftigten selbst zu seiner oder ihrer Sexualität einhergeht. Insgesamt wurde anhand von 8 Items (Fragen) die Strategie Vortäuschen, mit 8 Items Verstecken, mit 7 Items Implizit Out und mit 8 Items die Strategie Explizit Out gemessen. Die jeweiligen Strategiemittelwerte können zwischen 1 und 4 liegen, wobei 1 bedeutet, dass diese Strategie überhaupt nicht angewendet wird und 4 bedeutet, dass die Strategie voll angewendet wird. In den beiden folgenden Diagrammen sind die Mittelwerte der jeweiligen Stichproben mit dem Umfang N abgebildet. Beim Vergleich der arbeitsplatzbezogenen Identitätsentwürfe von Lesben und Schwulen in Deutschland wird deutlich, dass man zwar generell noch weit davon entfernt ist, wirklich offen mit der eigenen Sexualität am Arbeitsplatz umzugehen - Lesben im Durchschnitt aber tendenziell etwas offener agieren als Schwule. Das Gesamtbild zeigt aber, dass die beiden Offenheits-Werte noch deutlich Raum nach oben haben (siehe nachfolgende Grafik).
4 Identitäts- Entwürfe von Lesben und Schwulen am Arbeitsplatz (Deutschland) Intensität der Strategieanwendung ( 1 = nie/fast nie, 4 = immer/fast immer) ,5 2,27 2,3 2,13 1,64 1,53 1,14 1,19 Explizit Out Implizit Out Verbergen Vortäuschen Lesben (N = 641) Schwule (N = 278) Im Ländervergleich, welcher sich exemplarisch hier nur auf Lesben bezieht, wird deutlich, dass sich die Identitätsentwürfe zwischen Deutschland und der (deutschsprachigen) Schweiz kaum unterscheiden. In Österreich arbeitende Lesben hingegen gehen noch weniger offen mit ihrer Sexualität am Arbeitsplatz um. Identitäts- Entwürfe von Lesben am Arbeitsplatz (Ländervergleich - Mittelwerte) 4 Intensität der Strategieanwendung 3 2 2,27 2,31 1,9 2,5 2,64 2,53 1,75 1,53 1,52 1,14 1,15 1,2 1 Explizit Out Implizit Out Verbergen Vortäuschen Deutschland (N = 641) Schweiz (N = 112) Österreich (N = 34)
5 Homosexualität als Teil des Diversity Managements deutscher Unternehmen Diversity Management ist zu einem neuen Schlagwort für zukunftsweisende Unternehmensführung geworden. Kern dieser Strategie ist die Wertschätzung der Vielfalt, welche auf Seiten der Beschäftigten und Kundschaft eines Unternehmens besteht. Ein wesentlicher Aspekt dieser Vielfalt ist die sexuelle Orientierung 2. Im Gegensatz zu anderen Aspekten, wie beispielsweise Geschlecht, Alter oder Ethnizität ist die Integration der sexuellen Orientierung in bestehende Diversity Konzepte in Deutschland allerdings nur in einem sehr geringen Maße umgesetzt (Köllen 2007). Einen Überblick über die Verbreitung von konkreten Maßnahmen in deutschen Unternehmen gibt die nachfolgende Grafik. Die Datenbasis bezieht sich auf ArbeitnehmerInnen, die in Deutschland bei nicht-staatlichen Unternehmen arbeiten. Abgefragt wurde das Wissen über das Bestehen von Maßnahmen im eigenen Unternehmen. Implementierungsquote von Diversity Maßnahmen zu Homosexualität in deutschen Unternehmen X (in Prozent, N = 638) Es gibt besondere Mentoringprogramme für Lesben und Schwule 1,6 2,4 8,9 12,1 73,8 Homosexualität wird nach innen thematisiert (z.b. durch Berichte in MitarbeiterInnenzeitungen, Intranet usw.) 7,8 5,2 10,7 8,3 67,1 Lesbische und schwule PartnerInnen genießen den gleichen betrieblichen Pensionsanspruch im Sterbefall der/des Angestellten wie Eheleute 13 8,2 10, ,9 Führungskräfteschulungen greifen das Thema Homosexualität auf 4,1 7,8 15,2 25,2 46,6 Schwule/Lesbische PartnerInnen genießen Mitversicherungsanspruch bei betrieblichen Zusatzleistungen zur Krankenversicherung 11 9,2 9,9 26,6 41,8 Das Unternehmen setzt Gay/Lesbian Marketing Aktivitäten 7,2 4,9 6,4 5,6 75,5 Es gibt ein lesbisch/schwules Netzwerk, welches jedoch nicht offiziell vom Unternehmen unterstützt wird 6,4 6,6 7,7 14,9 63,6 Es gibt ein vom Unternehmen unterstützes lesbisch/schwules Netzwerk 13,2 5,2 8,9 9,4 63,2 Die eingetragene Lebenspartnerschaft ist der Ehe gleichgestellt 20,2 21,3 20,7 15,8 21, weiss ich nicht gibt es nicht gibt es wahrscheinlich nicht gibt es wahrscheinlich gibt es sicher 2 An dieser Stelle soll noch einmal deutlich gemacht werden, dass sich die Studie auf Homosexualität, als eine Form der sexuellen Orientierung bezieht. Die beiden zur Beschreibung des Begriffs Homosexualität notwendigen Kategorien Geschlecht und sexuelles Begehren sollen dabei weniger als statisch, sondern vielmehr als im Zeitpunkt der Erhebung tendenzielle Momentaufnahmen verstanden werden.
6 Das Arbeitsklima für Schwule und Lesben in Deutschland Als Maß für das wahrgenommene Klima für Lesben und Schwule am Arbeitsplatz wurde ein 20 Fragen (Items) umfassendes Instrumentarium verwendet (Liddle, Luzzo et al. 2004), wobei jedes Item einen Wert von 0,1,2 oder 3 haben kann, so dass der Gesamtwert jedes Befragten zwischen 0 und 60 liegt. Die Bewertung des Klimas reicht von aktiv unterstützend (bei einem Wert von 60) bis offen feindlich (bei einem Wert von 0). Die einzelnen Items berücksichtigen dabei formelle wie informelle Aspekte der Organisation bzw. des Arbeitsplatzes. Die folgende Grafik gibt einen nach Branchen aufgeschlüsselten Überblick über die Klima-Mittelwerte. Die schlechtesten Werte treten bei der Kirche und dem Militär auf, die besten weisen Partei/Politik, Architektur und Kultur/Unterhaltung auf. Als Gesamtresümee kann festgehalten werden, dass fast alle Branchen aber noch weit davon entfernt sind aktiv unterstützend zu sein. Arbeitsklima für Lesben und Schwule in Deutschland nach Branchen Insgesamt (1181) 39,28 Verkehrswesen/ Transport (Personen und Güter) (37) Verbände und Vereine (nicht konfessionell) (22) Soziale/ Psychosoziale Berufe (47) Reisen/ Tourismus (11) Partei/ Politik (5) öffentlicher Dienst i.e.s. (inkl. Polizei und Feuerwehr) (120) Militär (5) Medien (21) Marketing/ Werbung/ Vertrieb/ PR (31) Lebensmittel/ Getränke (4) Kultur/ Unterhaltung (19) Kommunikation/ Telekommunikation (27) Kirchen/ kirchliche Verbände (14) Justiz/ Rechtswesen (16) Journalismus/ Verlagswesen (19) Industrie (107) Immobilien (5) Handwerk (14) Handel/ Verkauf (63) Gesundheitswesen/ Medizin/ Altenpflege/ Arbeit mit Behinderten (114) Gastronomie/ Hotel- und Gastgewerbe (26) Forschung/ Wissenschaft/ Hochschulen (77) Energiewirtschaft/ Wasserversorgung/ Entsorgungsdienste (8) Elektrotechnik/ Fahrzeuge (12) EDV/ Computer/ IT (49) sonstige Dienstleistungen (Sicherheit, Bestattung, Nagelstudio etc.) (45) Consulting/ Training/ Beratung (39) Bildung/ Schule/ Erziehung (93) Bekleidung/Textil (5) Bauwesen (15) Banken/Versicherungen/Finanzen (107) Architektur (4) 40,55 41,93 44,27 36,97 52,20 37,78 25,20 45,70 47,16 36,50 47,89 40,92 30,58 41,15 41,95 36,64 37,69 34,85 40,23 36,98 41,40 42,18 39,50 38,26 37,72 38,88 43,66 34,68 37,52 30,07 39,63 50, Klimawerte offen feindlich aktiv unterstützend
7 Literaturverzeichnis Anderson, M. Z., J. M. Croteau, et al. (2001). "Developing an assessment of sexual identity management for lesbian and gay workers." Journal Of Career Assessment 9(3): Frohn, D. (2007). Out im Office?! Sexuelle Identität, (Anti-)Diskriminierung und Diversity am Arbeitsplatz. Köln, Schwules Netzwerk NRW e.v. (Hrsg.), gefördert aus Mitteln des Ministeriums für Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen. Köllen, T. (2007). "Part of the Whole? Homosexuality in Companies' Diversity Policies and in Business Research: Focus on Germany." The International Journal of Diversity in Organisations, Communities and Nations 7(5): Liddle, B. J., D. A. Luzzo, et al. (2004). "Construction and validation of the lesbian, gay, bisexual, and transgendered climate inventory." Journal Of Career Assessment 12(1): Losert, A. (2004). Lesbische Frauen im Angestelltenverhältnis und ihr Umgang mit dieser Lebensform am Arbeitsplatz. Sociology. Oldenburg, Carl von Ossietzky University. Master. Maas, J. (1999). Identität und Stigma-Management von homosexuellen Führungskräften. Wiesbaden, Deutscher Universitäts-Verlag.
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