Gewerkschaftliche Erneuerung und Umbau in Krisenzeiten
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- Viktoria Bösch
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1 Gewerkschaftliche Erneuerung und Umbau in Krisenzeiten Forum Gewerkschaftsforschung, Fribourg 18. Februar 2011 Andreas Rieger, Unia Retraite PA, Januar Ausgangspunkt anfangs der 90er-Jahre Definitives Ende des grossen Wachstumszyklus ( ) und des langen konjunkturellen Hochs ( ) Tertiarisierungsschub: Sekundärsektor auf 25% reduziert Späte neoliberale Wende von Politik und Unternehmern; Ausstieg eines Teils der Unternehmer aus den GAV Für CH-Verhältnisse hohe Arbeitslosigkeit von 5% und zunehmende Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse Rauhe Zeiten für Hochkonjunktur-Gewerkschaften
2 Retraite PA, Januar Ausgangspunkt Gewerkschaften (I) Organisationsgrad bei rund 20%: Industrie und Gewerbe: 15% bis 75% (Bau) öffentlicher Sektor: 20% bis 90% (SBB) privater Tertiärsektor: 2% bis 15% GAV-Abdeckung Kollektivverträge sinkt unter 50%: Industrie: < 50% (einzelne GAV ohne Mindestlohn); Gewerbe: 70% Privater Tertiärsektor: < 40% Streikhäufigkeit und Mobilisierungsfähigkeit liegt nach Jahrzehnten des Arbeitsfriedens nahe bei Null In Betrieben ausgedünnte Präsenz der Gewerkschaften Politik weitgehend bei/mit Sozialdemokratischer Partei Retraite PA, Januar Ausgangspunkt Gewerkschaften (II) Verbandsstrukturen aus 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts, zersplittert, konzentriert auf Sekundärsektor und Öffentlicher Dienst Spaltung in 4 Dachorganisationen Grosse Mitgliederverluste der meisten Gewerkschaften Einnahmeverluste Mitgliederbeiträge, Vermögensrückgang Rückzug aus der Präsenz in der Fläche ( Regionalisierung ) Einige Organisationen geraten an die Grenze der Lebensfähigkeit Druck zu Umgruppierung der Gewerkschaftslandschaft
3 Retraite PA, Januar Retraite PA, Januar Ziele der gewerkschaftlichen Neuorientierung: In den 90er-Jahren kommt eine neue Generation an die Führungen der Gewerkschaften und leitet neue Entwicklung ein. Ziele: 1. Wiedererlangung der Mobilisierungsfähigkeit 2. Ausweitung des Abdeckungsgrades der Kollektivverträge 3. Neu-Aufbau im privaten Dienstleistungssektor und bei Frauen 4. Aufbau einer eigenständigen sozial-politischen Schlagkraft 5. Organisationeller Umbau: schlagkräftiger, professioneller 6. Umgruppierung der Arbeitnehmerorganisationen um den SGB 7. Umkehr der negativen Mitgliederentwicklung
4 Retraite PA, Januar Bilanz Mobilisierungsfähigkeit: Wiedererlangung punktueller Streikfähigkeit: nationale Flächenbewegungen im Bauhauptgewerbe regionale Flächenbewegungen im Gewerbe und öffentlichen Dienst noch sehr punktuelle Streikfähigkeit in einzelnen Betrieben 50% der direkten Aktionen im Dienstleistungsbereich Relativierung des Arbeitsfriedens in der Aktion Wiedererlangung der Mobilisierungsfähigkeit auf der Strasse: immer mal wieder bis auf dem Bundesplatz viele regionale Demonstrationen Retraite PA, Januar Verstärkte Mobilisierungsfähigkeit Streiks in der Schweiz Vergleich Beteiligte und Streiktage Streiks für die Einführung von GAV Streiks gegen Massenentlassungen und für Sozialpläne Diverse Gründe, u.a. FAR-Streik Streiks gegen Massenentlassungen und für Sozialpläne Beteiligte pro Hundert Streiktage pro Tausend Erwerbstätige
5 Retraite PA, Januar Bilanz Unterstellte Kollektivverträge: Die Anzahl und der Anteil der GAV-unterstellten Lohnabhängigen konnte gesteigert werden auf : Dank flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit Dank systematischer Ausnutzung der AVE Wegen Umwandlung von Beamtenreglementen in GAV Dank verstärkter gewerkschaftlicher Arbeit im privaten Tertiär Das Lohnniveau konnte in den GAV-Bereichen meist gehalten werden, in mehreren Tieflohnbereichen signifikant erhöht werden. Trend zur Verbetrieblichung von Effektivlohnverhandlungen (Basler Chemie, Banken, Graph. Industrie) gestoppt aber keine Umkehr Zum Teil geschwächte GAV-Normen im Bereich der Arbeitszeit (Flexiblisierung) Retraite PA, Januar GAV- Unterstellte , in Tausend Quelle: BFS, Schätzung 2010 aufgrund GAV-Abschlüsse 2008/09
6 Retraite PA, Januar Bilanz Aufbau im privaten Tertiärsektor: Der Aufbau im priv. Tertiärsektor ist auf dem Weg der Umsetzung: Unia im Detailhandel und Gastgewerbe je über Mitglieder. Plus Personal Sicherheit, Reinigung, Strassentransport, Theater,.. Aufbaubranchen anderer SGB-Gewerkschaften: Privatbahnen, private Postanbieter, Elektronische Medien, Erfolgreiches campaining Keine Löhne unter Franken. Kontinuierliches Wachstum bei den Frauen (SGB > ) Der Aufbau läuft aber sehr langsam, bisher ohne Schübe. Diskussion und erste Erfahrungen im Organizing Verstärkter Aufbau unter den Frauen Assoziierung einiger Tertiär-Berufsverbände beim SGB Retraite PA, Januar Bilanz sozial-politische Aktionskraft: Seit 1994 waren/sind die Gewerkschaften (mit) federführend bei mind. 12 nationalen Referenden (vom Ausländerrecht über Krankenund Arbeitslosenversicherung bis Altersrente) 7 nationale Volksinitiativen (Wochenarbeitszeit, Altersrücktritt, Post, Krankenversicherung, Ferienanspruch, gesetzlicher Mindestlohn) Dutzende kantonaler Referenden/Initiativen Nationale Erfolge: - Ablehnung Deregulierung Sonntagsarbeit (1996) - Ablehnung Kürzung Arbeitslosengelder (1998) - Ablehnung Privatisierung Elektrizitätsmarkt (2002) - Ablehnung Erhöhung Rentenalter Frauen (2005) - Ablehnung Verschlechterung Rentenformel BVG (2010) Gewerkschaften wurden Referendums- und sozialen Gegenmacht, in Allianzen mit sozialen Bewegungen, SPS, Grünen,... Gewerkschaften nicht mehr fixiert auf Beziehung zu den Patrons
7 Retraite PA, Januar Bilanz Umbau der Gewerkschaften Fusionen: Unia: Erst GBH-GTCP GBI; SMUV-VBLA Sodann SMUV GBI VHTL actions unia Unia Comedia: Fusion der graphischen Gewerkschaften, plus SJU Gewerkschaft Kommunikation: Fusion der Post Gewerkschaften syndicom: GeKo und comedia Syna und transfer: Fusion aller christlichen Gew. in zwei Verbänden Travail Suisse: Fusion CNG (incl. LSfA) und VSA Professionalisierung: Kommunikation, Prozesse, Management, Finanzen, Mitgliederservice Effekt: Erosion Mitglieder, Finanzen und Präsenz gebremst, Schlagkraft erhöht Retraite PA, Januar
8 Retraite PA, Januar Bilanz Umgruppierung um den SGB Erfolgreiche Assoziierungsstrategie des SGB, dank vermehrter gewerkschaftlicher Orientierung einiger Berufsverbände: Bankpersonalverband Bundespersonalverband kapers, Musiker, SIT, AvenirSocial, SBK Assoziierung ohne Abstriche an Ausrichtung und Strategie SGB Aktionseinheit mit fast allen Arbeitnehmerorganisationen: ad hoc in einzelnen Kampagnen (z.b. Referenden AHV, AVIG, ) gemeinsame Projekte (Netz AN-Vertreterin Pensionskassen, ) Retraite PA, Januar Bilanz Mitgliederentwicklung: Der massive Mitglieder Rückgang der SGB-Verbände der 90er- Jahre wurde zwar abgebremst, aber nicht gestoppt. Teilkompensation des Rückgangs im SGB dank Assoziierung und Aufnahme neuer Verbände Regelmässiges Wachstum bei den Frauen
9 Retraite PA, Januar % SGB, Unia, VPOD, Comedia Durchschnittl. jährliche Mitgliederentwicklung % 0.5% -0.2% -0.5% -1.5% Unia (bis 2005 Vorgänger) -0.8% -0.7% -1.6% VPOD -0.9% -0.5% -0.2% Comedia -0.2% (bis 1999 Vorgänger) SGB -0.3% -2.5% -2.6% -1.8% -2.2% -2.9% -2.0% -3.5% -4.5% % Retraite PA, Januar Strategie Mobilisierungsfähigkeit: muss v.a. in Betrieben stärker werden 2. GAV-Ausweitung: Insbes. mehr einklagbare Mindestlöhne 3. Private Dienstleistungen: am Anfang einer epochalen Aufgabe; neue Aufbauprojekte, Organizing, mehr Frauen, 4. Sozial-politische Schlagkraft: neben Defensive auch Offensive 5. Gewerkschaftlicher Umbau geht weiter: - Stärkung Rolle Vertrauensleute - Professionalisierung Mitgliederbetreuung, Elektron. Kommunik.,.. - weitere Fusionen?? 6. Umgruppierung um den SGB, Fortsetzung Assoziierungen 7. Mitgliederentwicklung: Trendumkehr zu Stabilisierung/Wachstum 8. Neu: Europäisierung: Gemeinsame Strategie und Aktion mit EGB?
10 Retraite PA, Januar Besten Dank für die Aufmerksamkeit! Demonstranten gegen die Krise, in Bern auf dem Bundesplatz
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