Arbeitsrecht im Krankenhaus
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- Johanna Scholz
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1 L E I N E N & D E R I C H S A N W A L T S O Z I E TÄT Januar 2008 Arbeitsrecht im Krankenhaus KÖLN Clever Straße 16 Telefon Telefax Koeln@leinen-derichs.de BERLIN Rosenstraße 2 Telefon Telefax Berlin@leinen-derichs.de / 2
2 - 2 - I. Oberärzte 1. und 2. Klasse Eingruppierung von Oberärzten nach dem neuen TV Ärzte / TVÜ Ärzte Die Arbeitsgerichte Aachen (Az: 6 Ca 178/07, Urteil vom ) und Düsseldorf (14 Ca 669/07, Urteil vom ) haben sich bereits in zwei noch nicht rechtskräftigen Entscheidung mit der Auslegung der Eingruppierungsvorschriften für Oberärzte im neuen TV Ärzte / TVÜ Ärzte auseinandergesetzt. Das Problem Im Rahmen der neuen Tarifwerke wurde die Eingruppierung als Oberarzt nicht an die bloße Berufsbezeichnung Oberarzt angeknüpft, sondern an tarifvertraglich erstmals festgelegte Definitionsmerkmale. Nur wer diese tatsächlich erfüllt ist Oberarzt im tarifvertraglichen Sinne. In der Praxis treten Probleme deshalb auf, weil die Verleihung (Verwendung ) der Berufsbezeichnung Oberarzt in der Vergangenheit nicht zwingend mit dem heute geforderten Tätigkeitsprofil einhergingen. Bei der Frage der künftigen ordnungsgemäßen Eingruppierung des betreffenden Arbeitnehmers ist deshalb im Einzelfall zu prüfen, ob die Voraussetzungen des TV Ärzte tatsächlich vorliegen. Medizinische Verantwortung Kernpunkt der vom Tarifwerk geforderten Voraussetzung ist die Übernahme bzw. das Innehaben einer medizinischen und auch organisatorischen Verantwortung. Voraussetzung ist dabei zunächst, dass ärztliche und nicht ausschließlich Verwaltungsaufgaben wahrgenommen werden. Mit der Übernahme medizinischer Verantwortung ist in erster Linie die Übertragung von Aufsichtsfunktionen über ärztliches oder nichtärztlicher Personal, d.h. die Übertragung einer Vorgesetztenfunktion gemeint. Nach Auffassung des Arbeitsgerichts Aachen soll es hierfür nicht darauf ankommen, dass bzw. ob bestimmte durch den Oberarzt zu überwachende Rahmenstandards zuvor durch einen Chefarzt vor- bzw. freigegeben worden sind. Auch das Weisungsrecht des Chefarztes gegenüber dem Oberarzt schließe eine medizinische Verantwortung des Oberarztes im Sinne von 12 TV Ärzte nicht aus. Das Andernfalls reduziere sich der Anwendungsbereich der Vorschrift auf null. Das / 3/ 3
3 - 3 - Arbeitsgericht Düsseldorf verweist in diesem Zusammenhang auf eine Stellungnahme des Marburger Bundes, nach der die ärztliche Letztverantwortung des Chefarztes der medizinischen Verantwortung des Oberarztes ebenfalls nicht entgegenstehe. Die insoweit durch die Gerichte festgestellten, recht pauschalen Abgrenzungskriterien bedürfen künftig sicherlich weiterer Differenzierung, da sie nicht geeignet sind, im Einzelfall eine sachgerechte Beurteilung und Abgrenzung zum einfachen Stationsarzt sicherzustellen. Teil- oder Funktionsbereich Die Frage, wann eine Verantwortung für einen Teil- oder Funktionsbereich festgestellt werden könne, richtet sich nach Auffassung des Arbeitsgerichts Aachen danach, ob der zugewiesene Bereich über eine eigene räumlich und personelle Ausstattung verfügt. Auf den tatsächlichen Umfang der Ausstattung soll es hingegen nicht ankommen. Auch dieser Differenzierungsversuch greift zu kurz; denn es ist denkbar, dass ein solcher räumlich personell abgrenzbarer Bereich innerhalb einer der medizinischen Verantwortung des Chefarztes obliegende Fachabteilung eine nur untergeordnete Rolle spielt. Übertragung einer Spezialfunktion, für die der Arbeitgeber erfolgreich abgeschlossene Schwerpunkt- und Zusatzweiterbildung fordert Die zweite Alternative der Entgeltgruppe Ä 3 setzt voraus, dass der betreffende Arzt in einer Spezialfunktion tätig ist, für die der Arbeitgeber eine erfolgreich abgeschlossene Schwerpunkt- oder Zusatzweiterbildung nach der Weiterbildungsordnung fordert. In der Praxis dürfte die Feststellung der Tatbestandsvoraussetzungen aufgrund der Inbezugnahme auf die Weiterbildungsordnung keine Schwierigkeiten bereiten. Lediglich die Frage, ob die Spezialfunktion vom Arbeitgeber übertragen wurde, wird im Einzelfall zu diskutieren sein (hierzu nachfolgend). Formale Voraussetzungen Weiterhin streitig diskutiert wird derzeit, ob eine Eingruppierung als Oberarzt eine förmliche Bestellung durch die Klinikleitung voraussetzt. Der Tarifvertrag verlangt, dass die medizinische Verantwortung vom Arbeitgeber übertragen worden ist. In der Praxis wurden und werden Oberärzte zum Teil durch Chefärzte und/oder Klinikdirektoren ernannt, ohne dass dies / 4/ 4
4 - 4 - einen formalen Ernennungsakt darstellt. Nach Auffassung des Arbeitsgerichts Aachen soll sich das Erfordernis eines solchen formalen Bestellungsaktes weder aus dem Tarifvertrag selbst noch aus den Hinweisen der Geschäftsstelle der Tarifgemeinschaft deutscher Länder zum TV Ärzte ergeben. Zurecht verweist das Arbeitsgericht Düsseldorf jedoch darauf, dass die Tarifparteien mit dem arbeitgeberseitigen Übertragungserfordernis eine schleichende Übertragung von medizinischer Verantwortung für Teil- und Funktionsbereiche verhindern und damit die Personalhoheit des Arbeitgebers schützen wollten. Folglich müsse die Übertragung durch den Krankenhausträger erfolgen, der diese Befugnis allerdings auch auf den Chefarzt delegieren kann. In der Praxis wird es bei der Frage des geforderten Übertragungsaktes letztlich darauf ankommen, ob der ernennende Chefarzt in Kenntnis und Duldung des Krankenhausträgers tätig geworden ist. Die Übertragung kann im Übrigen nicht nur ausdrücklich, sondern auch konkludent erfolgen oder sich aus Indizien, wie z.b. der Zahlung von Funktionszulagen, einer Weiterbildungsermächtigung oder der Durchführung eigener Dienstbesprechungen ergeben. Anrechenbare Beschäftigungszeiten Letztlich beschäftigte das Arbeitsgericht sich auch mit der Frage, welche Zeiten einschlägiger Berufserfahrung als förderlich im Sinne des 5 TVÜ Ärzte i.v.m. 16 Abs. 2 TV Ärzte anzusehen seien. Gemäß 5 Satz 1 TVÜ Ärzte werden Ärzte derjenigen Stufe der Entgeltgruppe zugeordnet, die sie erreicht hätten, wenn die Entgelttabelle für Ärztinnen und Ärzte bereits seit Beginn ihrer Zugehörigkeit zu der für sie maßgeblichen Entgeltgruppe gegolten hätte. Gemäß 16 Abs. 2 TV Ärzte gilt für die Anrechnung von Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit folgendes: Bei der Stufenzuordnung werden Zeiten mit einschlägiger Berufserfahrung als förderliche Zeiten berücksichtigt. Hier steht den Parteien des Arbeitsvertrages und damit auch den Instanzgerichten ein erheblicher Bewertungsspielraum zu, denn die Tätigkeits- und Verantwortungsbereiche jedes betroffenen Arbeitnehmern sind nachträglich und individuell zu bewerten. Die Einordnung in die richtige Entgeltgruppenstufe 1 bis 3 hat durchaus wirtschaftlich Bedeutung, liegen zwischen Stufe 1 und Stufe 3 der Entgeltgruppe Ä 3 monatlich 850,-- Differenz (Tarifgebiet West). / 5/ 5
5 - 5 - Geltung ab dem Die neue Eingruppierung gilt ab dem Voraussetzung hierfür ist die Tätigkeit auf Basis einer 42-Stunden- Woche. Im übrigen setzt ein Anspruch selbstverständlich ganz allgemein voraus, dass dieser innerhalb der tariflichen Ausschlussfristen gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht worden ist. besondere Voraussetzungen knüpft, ist nicht jeder, der die Berufsbezeichnung des Oberarztes trägt, auch als Oberarzt im Sinne des 12 TV Ärzte anzusehen und zu vergüten. Allein die Titelführung besagt insoweit noch nichts. Es bleibt insoweit abzuwarten, ob sich die Krankenhausstrukturen aufgrund der erheblichen Personalkostenmehrbelastung verändern. Fazit und Ausblick Die nunmehr im Tarifvertragswerk enthaltene Benennung der Berufsbezeichnung Oberarzt wird in vielen Krankenhäusern die Frage der Ernennung neuer Oberärzte unter einem besonderen Licht erscheinen lassen. Da der Titel nun an Die Klinikleitung tut gut daran, sich diesem Thema strategisch zu nähern, ohne es pauschal abzuhandeln. Gerade in der angemessenen individuellen Beurteilung liegt die Chance, Wirtschaftlichkeit und Akzeptanz des Personalmanagements zu erhöhen. II. Ein Jahr AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) Dem mit Wirkung zum in Kraft getretene AGG wurden große Klagewellen vorhergesagt. Diese blieben zwar aus, dennoch darf die Materie aus Arbeitgebersicht keinesfalls vernachlässig werden. Insbesondere die durch einzelne Instanzgerichte bereits festgestellte Anwendbarkeit des AGG auch auf Kündigungssachverhalte kann den Arbeitgeber im Einzelfall teuer zu stehen kommen. Von besonderer Bedeutung sich nach wie vor die Einwirkungen der Diskriminierungsverbote auf bestehende arbeitsvertragliche Regelungen. So mussten sich die Gerichte bereits mehrfach mit der Frage beschäftigen, ob die in Arbeitsvertragen üblichen Altersbegrenzung (z.b. Das Arbeitsverhältnis endet automatisch mit Erreichung des 65. Lebensjahres ) AGG- / 6/ 6
6 - 6 - fest oder vielmehr altersdiskriminierend ist. Die Klage dreier Lufthansapiloten gegen eine tariflicher Altersbefristungsregelung mit Erreichen des 60. Lebensjahres wies das Arbeitsgericht Frankfurt a.m. mit Hinweis auf die flugmedizinische Rechtfertigung zurück. Bereits das Bundesverfassungsgericht hatte in einem ähnlichen Fall eine Altershöchstgrenze für Piloten von 65 Jahren als angemessen erachtet. Parallelitäten können hier mit bspw. zu chirurgischem Fachpersonal gezogen werden. Ob derartige Höchstgrenzen auch für Berufsbilder anzuerkennen sind, von denen kein Gefährdungspotential ausgeht (bspw. kaufmännischer Angestellter), ist noch nicht geklärt. Die konfessionelle Differenzierung bei Neueinstellungen bleibt Häusern unter kirchlicher Führung nach wie vor erlaubt ( 9 AGG). Problematisch ist hierbei jedoch, of dies für alle Tätigkeitsfelder Geltung hat. Bei Reinigungspersonal und Haustechnik könnte dies durchaus in Frage gestellt werden. Zu Problematisieren sind sicherlich auch die in einigen Tarifvertragen aufzufindenden Unkündbarkeitsklauseln (z.b. AVR), soweit sie als Tatbestandsvoraussetzung auf das Erreichen eines bestimmten Mindestalters abstellen. Diese dürften jedenfalls altersdiskriminierend und damit gem. 7 Abs. 2 AGG unwirksam sein. Die sich an diese Feststellung unmittelbar knüpfende Frage der Rechtsfolge, ob aufgrund dessen der tarifvertraglich vorgesehene besondere Kündigungsschutz der bisher unter die jeweilige Regelung fallenden Arbeitnehmer künftig entfällt, muss erst noch durch die Rechtsprechung geklärt werden. Ebenfalls unter dem Aspekt der Altersdiskriminierung unwirksam sein dürfte die Vorschrift des 622 Abs. 2 Satz 2 BGB, nach der bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer betreffend der Kündigungsfrist Zeiten, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahres liegen, nicht berücksichtigt werden. Entsprechende Urteile liegen hierzu aber noch nicht vor. / 7/ 7
7 - 7 - III. Fristlose Kündigung wegen Versendung von Privatpost auf Arbeitgeberkosten Wer private Post über die Frankiermaschine Das LAG Hessen (Urt. v ) seines Arbeitgebers laufen hat eine hierauf gestützte Kündigung lässt, riskiert wegen Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Nebenpflichten die fristlose Kündigung. Die Höhe des Schadens - im vorliegenden Fall weniger als 5 Euro - ist dabei unerheblich. als wirksam anerkannt, da der Mitarbeiter durch dieses Verhalten in erheblicher Weise das Vertrauen des Arbeitgebers in seine Redlichkeit gebrochen hat. IV. Ansprüche wegen Mobbing Ein Oberarzt, der durch den Chefarzt seiner Abteilung in seiner fachlichen Qualifikation herabgewürdigt wird und deshalb psychisch erkrankt, hat gegen seinen Arbeitgeber Anspruch auf Schmerzensgeld. Die Entlassung des Chefarztes kann er im Regelfall nicht verlangen. Anspruch auf das Angebot eines gleichwertigen Arbeitsplatzes, an dem er nicht mehr den Weisungen des bisherigen Chefarztes untersteht, hat der Oberarzt nur dann, wenn ein solcher Arbeitsplatz in der Klinik vorhanden ist. Nach Auffassung des BAG (Urteil vom 25. Oktober AZR 593/06) hatte der Chefarzt die psychische Erkrankung des Klägers schuldhaft herbeigeführt. Für den Schmerzensgeldanspruch habe die Beklagte einzustehen, da der Chefarzt ihr Erfüllungsgehilfe sei. V. Arbeitsvertrag als Verbrauchervertrag i.s.d. 310 Abs. 3 BGB Das LAG Köln hat in einer noch nicht veröffentlichten Entscheidung vom unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BAG klargestellt, das es sich bei Arbeitsverträgen um Verbraucherverträge i.s.d. 310 Abs. 3 BGB handelt. Dies bedeutet, dass auch dann, wenn eine Vertragsklausel nicht für mindestens 3 Fälle vorgesehen ist (womit allgemeine Geschäftsbedingungen i.s.d. 305 Abs. 1 BGB vorlägen), eine Inhaltskontrolle gleichwohl stattfindet, wenn der Vertragspartner (Arbeitnehmer) keine Einflussmöglichkeit auf den Inhalt der Klausel hat. Die Möglichkeit der Einflussnahme / 8/ 8
8 - 8 - setze voraus, dass derjenige, der die Klausel formuliert hat, diese ernsthaft zur Disposition stellt und dem Vertragspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung seiner Interessen eingeräumt hat. In der Praxis dürfte danach jeder, auch nur einmal verwendete Arbeitsvertrag der AGB-Kontrolle unterliegen. / 9/ 9
9 - 9 - Für die Anwendung im konkreten Fall kann aus diesem Mandantenbrief eine Haftung nicht übernommen werden. Ihr Ansprechpartner für Arbeitsrecht Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Prof. Dr. Daniel Knickenberg ( Fax mail daniel.knickenberg@leinen-derichs.de Sekretariat: Frau Korsinnek ( Ihr Ansprechpartner für Krankenhausrecht Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Matthias Wallhäuser ( Fax mail matthias.wallhaeuser@leinen-derichs.de Sekretariat: Frau Felten ( Bitte beachten Sie auch unsere Internet-Präsentation unter Dort können Sie auch unsere weiteren Mandantenbriefe bestellen.
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