Allgemeine Psychologie I. Vorlesung 10. Prof. Dr. Björn Rasch, Cognitive Biopsychology and Methods University of Fribourg. Allg. 1 Björn Rasch Unifr
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1 Allgemeine Psychologie I Vorlesung 10 Prof. Dr. Björn Rasch, Cognitive Biopsychology and Methods University of Fribourg 1
2 Allgemeine Psychologie I Woche Datum Thema 1 FQ Einführung, Verteilung der Termine Einführung und Grundlagen Psychophysik Visuelle Wahrnehmung I Visuelle Wahrnehmung II Auditive Wahrnehmung Fällt aus - - (Allerheiligen) Schmerz, Geruch, Geschmack Aufmerksamkeit Aufmerksamkeit und exekutive Kontrolle Kurzzeitgedächtnis Langzeitgedächtnis Gedächtnis und Schlaf Wiederholung und Fragen 2
3 Take Home Messages Exekutive Kontrolle Umfasst u.a. planning, task shifiting, inhibition und updating Durch-/Ausführung der exekutiven Kontrolle: lateraler PFC (BA 9/46) Konfliktdetektion: medialer PFC / ACC (BA 32/24) Fähigkeit zur Selbstkontrolle ist eine begrenzte Rssource Ego-Depletion, Muskel-Metapher Prozess der Gedächtnisbildung Enkodierung, Speicherung, Abruf Gedächtnissysteme (Mehrspeichermodell) Sensorischen Kurzzeitgedächtnis, Kurzzeitgedächtnis, Langzeitgedächtnis Kurzzeitgedächtnis als Übergang zum Langzeitgedächtnis Kurzzeitgedächtnis und Gedächtnisspanne Magical Number 7 und Chunking 3
4 Arbeitsgedächtnis Kurzzeitgedächtnis Annahme: KZG ist (nur) Übergangsstelle zum LZG Kritik: Zwischenspeicher ist nicht die einzige Funktion des KZG Schnittstelle zwischen KZG und LZG Arbeitsspeicher (Bsp.: Kopfrechnen) Arbeitsgedächtnis Funktion Informationen kurzfristig aufrechterhalten Aus sensorischem Speicher und auch aus LZG Information modifizieren und aktualisieren Austausch ermöglichen 4
5 Arbeitsgedächtnis Modell von Baddeley und Hitch (1974) Erweiterung von Baddeley (2000) 5
6 Arbeitsgedächtnis Gedankenexperiment Denken Sie an ihre Wohnung: Wie viele Fenster gibt es? Der visuell räumliche Notizblock Visuell-räumliche Vorstellungen Die phonologische Schleife Aufrechterhaltung von sprachliche Informationen Die zentrale Exekutive Koordination der Prozesse Der episodische Puffer Übergang in das LZG 6
7 Arbeitsgedächtnis Die phonologische Schleife Phonocological loop Aufrechterhaltung von sprachlichen Informationen Ohne Rehearsal zerfällt die Information nach 1-2 Sekunden Akustische Informationen haben direkten Zugang Visuelle Informationen (z.b. Lesen) müssen erst in einen phonologischen Code umgewandelt werden Komponenten Passiver phonologischer Speicher zur unmittelbaren Sprachwahrnehmung akustischer Informationen Artikulatorischer Kontrollprozess, der visuellen Informationen Zugang zum phonologischen Speicher gewährt. 7
8 Arbeitsgedächtnis Empirische Belege für die phonologische Schleife Phonologisch: Klang der Sprache / Sprachlaute Phonemähnlichkeitseffekt Phonetisch ähnliche Worte schlechter kurzfristig behalten als unähnliche Bsp.: Wonne, Sonne, Tonne vs. gross, riesig, mächtig Semantische Ähnlichkeit wenig relevant, semantische Verwechslung eher im LZG Wortlängeneffekt Erinnerungsleistung abhängig von der Lesegeschwindigkeit der Wörter Irrelevanter Spracheffekt Erinnerungsleistung an Wörter durch irrelevante Sprache gestört Aber nicht durch andere Geräusche Artikulatorische Suppression Unterdrückung der phonologischen Schleife durch Aussprechen Visuell dargebotene Wörter: Kein Wortlängeneffekt mehr, also keinen Eingang mehr in die Phonologische Schleife Gilt nicht für akustisch dargebotene Wörter 8
9 Arbeitsgedächtnis Der visuell-räumliche Notizblock Visual-spatial scetchpad Mentale Aufrechterhaltung von visuell-räumlichen Informationen Visuell-räumliche Repräsentation der Inhalte Kein sprachlicher Code Inhalte können räumlich verändert werden Reaktionszeit abhängig von der Grösse der räumlichen Veränderung Bsp.: Drehung von räumlichen Figuren ist vom Drehwinkel abhängig 9
10 Arbeitsgedächtnis Modalitätsspezifische Interferenz Sprache stört sprachliche Aufgabe / Verarbeitung Visuell-räumliche Informationen stören visuell-räumliche Vorstellung Gegenseitig nur geringe Störung Hinweis für Existenz von phonological loop vs. Visual-spatial scetchpad Doppelaufgabe Aufgabe 1: Räumliches Material merken vs. Sprachliches Material Aufgabe 2: visuell-motorische Tracking Aufgabe Ergebnis: Trackingaufgabe stört das Merken von räumlichen Material, aber nicht von sprachlichem Material Beispiele aus dem Alltag Autofahren (visuell-räumlich) und Radio hören (sprachlich) Aber: Gegenseitige Störung über Aufmerksamkeitsverschiebung möglich 11
11 Arbeitsgedächtnis Zentrale Exekutive Kontrolliert Subsysteme Weist die begrenzten Ressourcen den Subsystemen zu Bei Routinehandlungen wird die zentrale Exekutive nicht benötigt Nur bei anspruchsvollen / neuen (nichtalltäglichen) Prozessen notwendig Erklärt modalitätsunabhängige Interferenz Beispiel: Autofahren und Telefonieren Funktionen siehe Abschnitt Exekutive Kontrolle Wechsel der Aufmerksamkeit zwischen Aufgaben (task shifting) Planung von Aufgaben zur Zielerreichung (planning) Selektive Aufmerksamkeit und Inhibition von aufgabenirrelevanten Informationen und Reaktionen (Inhibition) Aktualisierung und Überwachung des Arbeitsgedächtnisses (Updating) 12
12 Arbeitsgedächtnis Testbeispiele Aufrechterhaltung Digit span Beispiel in Affen: Aufrechterhaltung und UpDating Der N-Back Test 0-Back: Drücken wenn ein X kommt 1-Back: Drücken, wenn ein Buchstabe mit dem vorherigen identisch ist 2-Back: Drücken, wenn ein Buchstaben mit dem vor-vorherigen identisch ist 3-Back:... 13
13 Gedächtnis Gedächtnis als Prozess 3 Phasen der Gedächtnisbildung Enkodierung Speicherung - Abruf 28
14 Das Mehrspeichermodell Das Mehrspeichermodell Atkinson & Shiffrin (1968) 29
15 Sind KZG und LZG verschieden? Serielle Positionskurve Worte vorlesen (alle 3 Sekunden 1 Wort) Danach Abfrage aller Worte 30
16 Sind KZG und LZG verschieden? Primacy-Effekt Items, die am Anfang der Liste standen, werden sehr gut erinnert Annahme: erste Items sind bereits in das LZG überführt Recency-Effekt Items, die am Ende der Liste standen, werden sehr gut erinnert. Annahme: letzte Items sind noch im KZG Disktraktoraufgaben Z.B. in dreier Schritten rückwärts zählen Recency-Effekt verschwindet, Primacy Effekt bleibt Beschleunigung der Präsentationsrate Primacy Effekt verschwindet, Recency Effekt bleibt Doppelte Dissoziation Methode um zu zeigen, dass zwei Prozesse verschieden sind Da Primacy und Recency Effekte unterschiedlich moduliert werden, unterliegen ihnen verschiedene Prozesse => KZG und LZG sind verschieden! 31
17 Historische Einführung Hermann Ebbinghaus «Vater» der experimentellen Gedächtnisforschung Erforscht sich selbst; Material: sinnlose Silben lernen Gesamtzeithypothese Je häufiger Silben wiederholt werden, desto besser ist das Gedächtnis nach 24 h Vergessenskurve Hermann Ebbinghaus Ebbinghaus, Björn Rasch
18 Gedächtnisexperimente Gedächtnisexperimente Was beeinflusst den Lernerfolg? Problem der Standardisierung Mnemometer Gedächtnismessgeräte von griech. μνήμη mnémē, Gedächtnis; Erinnerung
19 Langzeitgedächtnis Ergebnisse von Ebbinghaus haben generell bis heute Bestand Kritik: Gedächtnisleistung ist stark von Vorwissen abhängig Sinnlose Silben kein typisches Lernmaterial Schematheorie (Bartlett, 1932) Vorhandene Wissensschemata erleichtern das Enkodieren von neuen Informationen Informationen können in vorhandenes Wissen integriert werden Bsp.: Leichteres Nacherzählen von Geschichten aus eigenem vs. fremden Kulturkreis Spacing Verteiltes Lernen besser als massives Lernen Zeitabstände / Pausen wichtig für die langfristige Enkodierung Optimaler Abstand zwischen Wiederholungen abhängig vom Behaltensintervall Abstand zwischen Wiederholung ca % vom Behaltensintervall Bsp.: Behalten für 10 Wochen, Wiederholung ideal nach 1-2 Wochen 34
20 Enkodierungsprozesse Levels of Processing Theorie Craig & Tulving (1975) Speicherung im LZG abhängig von der Tiefe der Verarbeitung Je tiefer die Verarbeitung, desto besser die Erinnerung Beispiele Oberflächliche Verarbeitung: Ist das Wort gross geschrieben? HUND Oder: Wie viele Vokale hat das Wort Hund? Phonetische Verarbeitung: Reimt sich das Wort auf Tonne? Sonne Semantisch: Passt das Wort Gras in den folgenden Satz: Die Kuh kaute genüsslich das saftige... Ergebnisse: Oberfläche Verarbeitung: nur 20% von 60 Worten erinnert Phonetische Verarbeitung: nur 35% erinnert Semantische Verarbeitung: nur 65 % erinnert 35
21 Enkodierungsprozesse Transferadäquate Verarbeitung Je ähnlicher die Prozesse bei Enkodierung- und Abrufsituation, desto besser die Gedächtnisleistung Phonetische Verarbeitung besser wenn Abfragetest nach Reimen fragt Gab es Wörter, die sich auf Tonne gereimt haben? Tipp: So Lernen, wie es die Abrufsituation erfordert Bsp.: Multiple Choice Klausur vs. Verständnisfragen Generierungseffekt Versuch: Wortpaare gelesen vs. Zweites Wort selbst generiert Erinnerung an selbst generierte Wörter besser als passive gelesene Schliessendes Lernen gut für LZG Organisation des Lernmaterials Versuch: Wortpaare zufällig vorgegeben vs. Nach Kategorien geordnet Bsp. für Kategorien: Kleidung, Mineralien, Transportmittel etc. Erinnerungsleistung 2-3 mal besser für organisiertes Lernmaterial 36
22 Langzeitgedächtnis Der Einfluss von Lernen und Abruf Studie von Karpicke und Roediger 2008, Science Lernen von 40 Englisch Swahili Wortpaaren 4 x 1 Lerndurchgang (Study, S) + 1 Abfragedurchgang (Test, T) Abfrage der Lernleistung nach 1 Woche 4 experimentelle Gruppen: Alle 40 Lernen Gewusste Lernen Alle 40 abfragen ST: alle 40 Wortpaare werden in jedem Study-Durchgang gezeigt, alle 40 Wortpaare werden in jedem Testdurchgang abgefragt SnT: In jedem Study-Durchgang werden nur die nicht gewussten Wortpaare gezeigt, alle 40 Wortpaare werden in jedem Testdurchgang getestet STn: alle 40 Wortpaare werden in jedem Study Durchgang gezeigt, nur die nicht gewussten Wortpaare werden getestet SnTn: IN jedem Study Durchgang werden nur die nicht gewussten Wortpaare gezeigt, in jedem Testdurchgang nur die nicht gewussten getestet ST SnT Gewusste abfragen STn SnTn 37
23 Langzeitgedächtnis Einfluss von Lernen und Abfrage Karpicke und Roediger,
24 Langzeitgedächtnis Lernkurve Abfrage nach 1 Woche Einfluss von Lernen und Abfrage Aktives Abfragen aller Wortpaar bei Wiederholungen für LZG essentiell!!!! Übung des Abrufs entscheidend für das Langzeitgedächtnis (passives) Wiederholen aller Wörter nicht notwendig Wiederholte Enkodierung der nicht gewussten wortpaare ausreichend Alleiniges Wiederholen der nicht gewussten Wörter reicht nichts aus!!! Karteikartenmethoden nicht empfehlenswert 39
25 Langzeitgedächtnis Annahme verschiedener Gedächtnisspeicher Deklaratives Gedächtnis Ursprünglich: verbal reproduzierbares Gedächtnis Deklarierbares Gedächtnis (to declare), explizities Gedächtnis Verbale Informationen,autobiographsche Erlebnisse, Fakten etc. Hippokampus als entscheidende Hirnstruktur Ohne Hippokampus keine neuen deklarativen Gedächtnisinhalte enkodierbar Non-deklaratives Gedächtnis Motorisch-prozedurales Gedächtnis Fähigkeiten / Fertigkeiten, wiederholtes Üben erforderlich Priming Vorher dargebotene Information beeinflusst spätere Informationsverarbeitung unbewusster Prozess Klassische Konditionierung Non-assoziatives Lernen Habituation, Sensitivierung etc. 40
26 Gedächtnissysteme Hippocampus necessary during acquisition Hippocampus not necessary during acquisition 41 Björn Rasch Squire & Zola, 1996
27 Prozedural-motorisches Gedächtnis Beispiele
28 Deklaratives Gedächtnis Beispiele Verbales Gedächtnis Uhr - Gabel Räumliches Gedächtnis
29 Deklaratives Gedächtnis Patient H.M. ( ) Entfernung des medialen Temporallappen nach Epilepsie Enthält Hippokampus Starke anterorade Amnesie Kann keine neuen deklarativen Informationen lernen Alte Erinnerungen intakt Lernen von prozeduralen Inhalten weiterhin möglich Verbales Gedächtnis Uhr - Gabel
30 Deklaratives Gedächtnis in Tieren? Räumliches Gedächtnis: Morris Water Maze Lernen Stark abhängig von hippokampalen Läsionen
31 Deklaratives Gedächtnis Episodisches Gedächtnis makes it possible for a person to be consciously aware of an earlier experience in a certain situation at a certain time E. Tulving, 1993; S. 67 Enthält Inhalt + zeitlichen sowie räumlichen Kontext Schnell erlernbar und lange gespeichert one-trial learning Bsp.: Erinnerung an den letzten Urlaub Semantisches Gedächtnis Nur Inhalt, ohne zeitlich / räumlichen Kontext Bsp.: Faktenwissen Was ist die Hauptstadt von Paris? Ernest Tulving 46 Prof. Dr. Björn Rasch
32 Gedächtnissysteme Hippocampus necessary during acquisition Hippocampus not necessary during acquisition 47 Björn Rasch Squire & Zola, 1996
33 Take-Home Messages Arbeitsgedächtnis Erweiterung des Konzepts des Kurzzeitgedächtnisses Modell von Baddely und Hitch (1974) Phonological loop, visual-spatial sketchpad, central executive and episodic buffer Artikulatorische Suppression, Mental rotation task, N-Back Task Langzeitgedächtnis Vergessenskurve (Ebbinghaus): Je länger das Behaltensintervall, um so mehr vergessen Enkodierungsprozesse Schematheorie: Güte der Enkodierung von Vorwissen / Integrationsmöglichkeit abhängig Levels of processing Ansatz: Tiefe der Enkodierung beeinflusst LZG Transferadäquate Verarbeitung, Generierungseffekt, Organisation Bei Wiederholung: Aktives Abrufen aller (!) Items entscheidend für langfristiges Speicherung Gedächtnissysteme Deklaratives Gedächtnis: Episodischen Gedächtnis vs. Semantisches Gedächtnis Enkodierung abhängig vom Hippokampus Non-deklaratives Gedächtnis 48
34 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit 49
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