Wissen gibt Sicherheit

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1 Mobbing was tun? SBK Sektion Basel Vortrag vom 27. Oktober 2014 Patrick Villoz, lic.iur. Mediator Wissen gibt Sicherheit was tun? Inhaltsübersicht Grundstruktur von Mobbing Ursachen / Folgen Rechtsgrundlagen was tun? 1

2 Begriff Mobbing Definition des Bundesgerichtes Mobbing ist ein o systematisches o feindliches o über einen längeren Zeitraum anhaltendes Verhalten o mit dem eine Person an ihrem Arbeitsplatz isoliert, ausgegrenzt oder gar von ihrem Arbeitsplatz entfernt werden soll Mobbing # Schikanen # wechselseitiger Eskalationsprozess, der keine klare Täter Opfer-Beziehung zulässt verschiedene Akteure gemobbte Person / Opfer aktiv mobbende Person(en) / Täter passive Drittpersonen wer mobbt? / wer wird gemobbt? Secco Studie 2002 betriebliche Stellung der Haupttäter o Vorgesetzte 51 % o Mitarbeitende 16 % o Untergebene 13 % keine alters-, geschlechts- noch ausbildungsspezifisch signifikanten Unterschiede deutlich häufiger betroffen sind Personen mit einer ausländischen Nationalität 2

3 1. Phase: die täglichen Konflikte einzelne Meinungsverschiedenheiten, Streitigkeiten und empfundene Ungerechtigkeiten treten auf Konflikt wird ausgewichen o. bekämpft statt angepackt und gelöst Konflikt verlagert sich auf persönliche Ebene Konflikt erhält durch Dritte kaum Beachtung 2. Phase: Mobbing etabliert sich zunehmende Polarisierung in Angreifende und Opfer betriebliches Umfeld verhält sich passiv schwächere Partei wird systematisch angegriffen / allmählich gebrandmarkt Opfer wird als störend und unmöglich eingestuft 3. Phase: passive Führungsebene bewusste o. unbewusste Rechtsbrüche der Führungsverantwortlichen (um die vermeintlichen Interessen des Unternehmens zu wahren) Täterschaft bestimmt Spielregeln ev. Herabsetzung von Position und Rang des Opfers Opfer zeigt auffälliges Verteidigungsverhalten / gesundheitlich angeschlagen 3

4 4. Phase: Der Ausschluss o aus der Abteilung, aus dem Betrieb, aus dem Berufsleben, aus der Gesellschaft bis hin zum Selbstmord o in der Form von Kündigung, Abfindung, vorzeitiger Pensionierung o erschwerte Stellensuche o arbeitsplatzbezogenes Problem wird zum existenziellen Problem o eigentlicher Konflikt bleibt ungelöst und wird weitergetragen Mobbinghandlungen 45 spezifische Mobbinghandlungen nach Heinz Leymann ( o Abblocken von Kontaktversuchen o Beschimpfungen, Drohungen o Vorenthalten von Informationen o abwertende Blicke und Gesten o jemanden ständig unterbrechen o man spricht nicht mehr mit dem Betroffenen o man wird wie Luft behandelt o Kritik an der Arbeitsleistung o Kompetenzen werden entzogen o interessante Aufgaben werden vorenthalten o es werden Fehler unterstellt, die Arbeit wird erschwert o wiederholte ungerechtfertige Kritik o hinter dem Rücken schlecht reden o lächerlich machen o Isolierung o... 4

5 Ursachen von Mobbing Organisationskultur Organisationsstruktur Arbeitsbedingungen bei den beteiligten Personen... Folgen beim Gemobbten physisch: Kopf-/Rückenschmerzen, Muskelverspannungen, Kreislaufstörungen, Magen- und Darmbeschwerden, Tinnitus,... psychisch: Schlafstörungen, Nervosität, Reizbarkeit, Demotivation, Depression, Burnout,... Selbstzweifel, Sozialer Rückzug Arbeitsunfähigkeit, Arbeitsplatzverlust, Invalidität Suchterkrankung eine betroffene Person: Ich war völlig erschöpft, konnte mich nicht mehr entspannen, fast gar nicht mehr konzentrieren. Ich litt unter Schlafstörungen, Kopf- und Magenschmerzen. Ich brauchte manchmal übermenschliche Kraft, um meine Arbeit zu erledigen, um mich überhaupt morgens zu überwinden aufzustehen, um zur Arbeit zu gehen. Am Eingang zum Betrieb überkamen mich Übelkeit und Kopfschmerzen, ich zitterte am ganzen Körper. Ich ass nicht mehr und schlief nicht mehr, hatte Alpträume und war nur noch verzweifelt. Mein einziger Gedanke war: wann ist endlich Schluss? 5

6 weitere Folgen Betrieb: o Produktivitätsverlust o Fluktuationskosten o schlechtes Betriebsklima Folgekosten (Sozialversicherungen) beim Täter o fühlt sich selbstbewusster Rechtsgrundlagen Es gibt nur indirekte Schutznormen in den Gesetzen Art. 328 Obligationenrecht, 14 Personalgesetz (BS), 27 & 28 Personalgesetz (BL) Persönlichkeits- und Gesundheitsschutz (Fürsorgepflicht des AG) Unterlassungspflicht: AG muss Eingriffe in Persönlichkeit des AN unterlassen AG muss AN vor Angriffen schützen, Konflikte entschärfen und Massnahmen ergreifen Rechtsgrundlagen Arbeitsgesetz (ArG), Art. 6 (Gesundheitsschutzmassnahmen) Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz (ArGV3) o Art. 2 und 3: Wahrung der physischen / psychischen Integrität) o Art. 5 : Information der AN durch AG Arbeitsvertragliche Grundlagen (Arbeitsvertrag, Personalreglement, Gesamtarbeitsvertrag [GAV]) 6

7 was tun? PrävenRon (der InsRtuRon) Aufklärung, Sensibilisierung, Schulung durch AG verbesserte Kommunikation in den Betrieben Errichtung klarer Hierarchien und Zuständigkeiten (Organisationsstruktur) betriebsinterne Regelungen (Handlungsplan) taugliches Konfliktmanagement interne und / oder externe Anlaufstelle (Beratung & Unterstützung)... wer kann unterstützen? intern Vorgesetzte, Arbeitskollegen betriebseigene o. externe Anlaufstelle extern im privaten Umfeld Rechtsberatung o SBK Sektion beider Basel (für Mitglieder) o Rechtsschutzversicherung Mobbing Beratungsstellen (Bern, Zürich) Psychologische Beratung Opferhilfe beider Basel (Beratung und finanzielle Unterstützung für Hilfeleistungen durch JuristInnen oder PsychotherapeutInnen) 7

8 Handlungsmöglichkeiten der betroffenen Person Beweise sammeln (Mobbingtagebuch führen) Gespräch mit der anderen Konfliktpartei suchen / KollegInnen ansprechen Vorgesetzte aufsuchen, Ermahnung an den AG, seine Fürsorgepflicht zu erfüllen o Sachverhaltsabklärung (Gespräche führen) o Weisungsrecht gegenüber fehlbaren Mitarbeitern ausüben Antrag um Versetzung, ordentliche ggf. nach erfolgloser Abmahnung fristlose Kündigung Ansprüche gegenüber dem AG Arbeitsverweigerung mit Lohnzahlungspflicht des AG (Art. 324 und Art. 82 OR) Lohnfortzahlungsansprüche bei Arbeitsverhinderung wegen Krankheit Schadenersatz (97 OR) / Genugtuung bei schwerer Persönlichkeitsverletzung (Art. 49 OR) Strafentschädigung bei missbräuchlicher Kündigung (Art. 336 OR) missbräuchliche Kündigung (nach OR) Kündigung wegen einer persönlichen Eigenschaft z.b. Sturheit, Arroganz Ausübung eines verfassungsmässigen Rechtes z.b. relevant, wenn kritische Äusserungen des AN gegenüber AG erfolgen Rachekündigung weil nach Treu und Glauben Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis geltend gemacht werden, z.b. Bitte um Unterstützung bei der vorgesetzten Stelle Unterlassene Fürsorge wenn die Arbeitgeberin vorher zumutbare Massnahmen nicht ergriffen hat, um die Lage zu entspannen (nicht explizit im OR aufgeführt) 8

9 Ansprüche gegen den Mobber strafrechtlich Tätlichkeit (Art. 126 StGB): z.b. Ohrfeige einfache Körperverletzung (Art. 123 StGB) z.b. Schläge Ins Gesicht üble Nachrede (Art. 173 StGB) Verleumdung (Art. 174 StGB) zivilrechtlich Schadenersatz (Art. 41 OR) Genugtuung (Art. 49 OR) nur bei schwerer Verletzung Klage auf BeseiIgung bzw. Unterlassung der Mobbing- handlung (Art. 28 / 28a ZGB) Durchsetzung der Ansprüche hohes Vorkommen kaum Urteile Gründe: o nur ein wechselseitiger Eskalationsprozess? o schleichende Entwicklung: schwer erfassbar Beweisproblematik ungewisser Prozessausgang o beschwerlicher Rechtsweg: finanziell, psychisch, langwierig, tendenziell retraumatisierend o Genugtuungssummen sind sehr tief hohe Anforderungen für Durchsetzung Literatur Heinz Leymann: Mobbing; Psychoterror am Arbeitsplatz und wie man sich dagegen wehren kann Irmtraud Bräunlich Keller: Mobbing so nicht! Wie Sie sich gegen Schikanen am Arbeitsplatz wehren (Beobachter) Secco-Studie 2002: Mobbing und andere psychosoziale Spannungen am Arbeitsplatz in der Schweiz (im Internet abrufbar) 9

10 ein erweiterter Blick... Folgen von Mobbing Die mobbende Person baut sich in ihrem äusseren Selbstbewusstsein auf Kosten des Gemobbten auf Die gemobbte Person trägt Schuldgefühle, fühlt sich minderwertig bis hin zum Selbstmord seelische, meist verborgene Wirkung von Mobbing gemobbte Person steigt im Seelischen auf im Verborgenen gedeihen neue Möglichkeiten und Qualitäten mobbende Person steigt ab Aushöhlung der Selbst- achtung, denn unser Selbst- wertgefühl hängt von unserer moralischen Integrität ab. 10

11 Es entspricht einem Lebensgesetz: Wenn sich eine Tür vor uns schließt, öffnet sich eine andere. Die Tragik ist jedoch, daß man auf die geschlossene Tür blickt und die geöffnete nicht beachtet. André Gide 11