Peter Bartelheimer: Teilhabe auf einem gespaltenen Arbeitsmarkt
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- Christel Schräder
- vor 8 Jahren
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1 Peter Bartelheimer: Teilhabe auf einem gespaltenen Arbeitsmarkt Wie integrativ ist die Arbeitsgesellschaft? Beitrag zu: Wachsende Ungleichheiten. Anforderungen an eine neue Politik des sozialen Ausgleichs. Arbeitnehmerkammer Bremen, 15. Mai 2012
2 Überblick Warum ungleiche Erwerbsteilhabe so schwer zu messen ist Arbeitsmarkt im Diskurs: Kurz vor Vollbeschäftigung Was heißt eigentlich Erwerbsteilhabe Ein Arbeitsmarkt oder verschiedene Beschäftigungssysteme Lebensweisen und Erwerbsverläufe vielfältiger und ungleicher Verdienermodelle und Erwerbsbiografien Wer arbeitet atypisch und warum (Beispiel Minijobs) Die Arbeitsverwaltung beeinflusst Erwerbschancen und Beschäftigungssysteme Status»arbeitslos«rahmt und beeinflusst Beschäftigungssysteme und Arbeitsmarktchancen zum Beispiel: Ältere SGB II Fürsorge für externe sekundäre Beschäftigungssysteme Eine Zone der Prekarität im Beschäftigungssystem
3 Warum ungleiche Erwerbsteilhabe so schwer zu messen ist
4 Arbeitsmarkt im Diskurs kurz vor Vollbeschäftigung EU-Beschäftigungsziele»Lissabon«-Strategie der EU: Beschäftigungsquote 2010: 70% EU-Strategie»Europa 2020«: Beschäftigungsquote 2020: 75%»Messung des Fortschritts in einer Welt des Wandels«(2009)? Aktivierende Arbeitsmarktpolitik Jede Form der Erwerbsbeteiligung schafft Teilhabe Kennzahlen der Arbeitsverwaltung Integration: Abgänge (ohne BBL) in Erwerbstätigkeit über sieben Tage Nachhaltige Integration: (noch) sv-beschäftigt nach sechs Monaten Das demografische Ende der Massenarbeitslosigkeit Zwingt»Arbeitnehmermarkt«Betriebe zur Abwanderung?»Vollbeschäftigung«(aber flexibel!) ist keine Utopieinklusive Bürgerarbeit, Ein-Euro-Jobs, Aufstockern«
5 Erwerbsteilhabe als Bewertungsmaßstab was gehört zu»guter Arbeit«Beschäftigungsverhältnis: materielle Sicherung und gestaltbare Lebensführung (»vier Sicherheiten«) Arbeitsplatzsicherheit Beschäftigungsstabilität Einkommenssicherheit (auch: soziale Sicherung) Vereinbarkeitssicherheit (Sorge- und Erwerbsarbeit) Arbeitsverhältnisse: Partizipation, Erhalt und Entwicklung von Fähigkeiten, soziale Beziehungen Partizipation und Interessenvertretung am Arbeitsplatz förderliche Arbeitsinhalte, Arbeitsgestaltung Erhalt von Erwerbs- und Beschäftigungsfähigkeit Optionen z.b. auf Verbesserungen durch freiwillige berufliche Mobilität
6 Den»einen«Arbeitsmarkt gibt es nicht widersprüchliche Befunde (1) Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nimmt wieder zu 1994 bis 2003: - 1,3 Mio. (von 28,2 auf 27,0 Mio.) 2004 bis 2009: + 0,9 Mio. (von 26,5 auf 27.4Mio.) 2010: +0,3 Mio. (auf 27,7 Mio., entspricht dem Niveau von 1996)»Atypische«abhängige Beschäftigung nimmt weiter zu 2004 bis 2009: + 1,5 Mio.(von 6,1 Mio. auf 7,6 Mio.) 2010: + 0,2 Mio. (zum Vergleich: 1996: 4,9 Mio.) Alleinselbständige 1996 bis 2010: + 0,6 (Mio. (von 1,5 auf 2,2 Mio.) Niedriglohnbeschäftigung nimmt weiter zu 1995 bis 2003: + 1,5 Mio. (22,4%) 2004 bis 2009: + 0,85 Mio. ( auf 7,9 Mio., 23,6%)
7 Den»einen«Arbeitsmarkt gibt es nicht widersprüchliche Befunde (2) Mehr Befristung und längere Betriebszugehörigkeit (Rhein 2010) Befristungsquote ,5%, ,5% durchschnittliche Betriebszugehörigkeit ,3 J., ,8 J. Keine Zunahme der Fluktuationsrate ( ,6%) Deutlich mehr unfreiwilligen Jobverlust als im EU-Durchschnitt 4,2% gegenüber EU-weit 2,5% (2005/6; Lehweß-Litzmann 20012) Demografische Effekte am Arbeitsmarkt 2005 bis 2025 (DEMOS, ) ausgeglichene Angebots-, Nachfragerelation bei mittleren, höheren Qualifikationen (ISCED 3B, 4 / ISCED 5B / ISCED 5A/6) 1,3 Mio.»Angebotsüberhang«bei Beschäftigten ohne Berufsabschluss
8 »Gespaltener Arbeitsmarkt«- welche Segmente? Horizontal Vertikal Primär Sekundär Interne Arbeitsmärkte Geschlossene (betriebliche) Beschäftigungssysteme Langfristige Beschäftigung (> 10 Jahre) Gute Einkommen Langfristige Beschäftigung Niedriglöhne Minijobs? Nach: Krause/Köhler 2012, eigene Darstellung Externe Arbeitsmärkte Offene (betriebliche) Beschäftigungssysteme Kurzfristige (< 2 Jahre), Mittelfristige (2 bis < 5 Jahre) Beschäftigung Einkommensgewinne durch Betriebsmobilität Kurzfristige (< 2 Jahre), Mittelfristige (2 bis < 5 Jahre) Beschäftigung Arbeitslosigkeit Niedriglöhne atypische Beschäftigung
9 Arbeitsmarktsegmentation und ungleiche Erwerbsteilhabe nicht alles klärt sich im Betrieb Beschäftigungssysteme entstehen nicht allein durch betriebliche Beschäftigungsbeziehungen beschreiben keine individuellen Lebenslagen Was bedeutet aktuelle Beschäftigung im Erwerbsverlauf Wie lange in instabiler, atypischer Beschäftigung? In welcher Phase des Erwerbsverlaufs? (Z.B. Einstiegsposition?) Gleicht Haushaltskontext prekäre Potenziale aus? Alleinverdiener/in, Familienernährer/in, Zuverdiener/in? Welche alternativen Positionen außerhalb des Beschäftigungssystems? Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik Welche Übergänge oder Alternativen werden unterstützt? Wie beobachtet man Optionen? Weder Mobilität noch Stabilität sind immer gewünscht
10 Lebensweisen und Erwerbsverläufe werden vielfältiger und ungleicher
11 Differenzierte Verdienermodelle von Paaren mit Kindern im Ost-West-Vergleich Region / Alter der Kinder Partnerschaftlich Alte Bundesländer in % Modernis. Ernährermodell Trad. Ernährermodell Andere Tz.- Modelle Beide nicht erwerbstätig Alle < 18 J. 12,3 45,6 32,9 4,5 4,7 7 bis < 12 J. 9,0 50,7 31,9 4,3 4,1 Neue Bundesländer in % Alle < 18 J. 37,7 28,9 20,4 5,0 7,9 7 bis < 12 J. 37,4 32,6 17,6 5,8 6,7 MZ 2007, Sabine Fromm
12 Differenzierte Erwerbsbiografien (1) (Alter: 18 bis 50 Jahre; Jahrgänge: 1940 bis 1955) Anteile in % Monate (n=385) Muster Insg. F-W F-O sv-erw Erz. Alo. 1 RV-Aussteiger/innen 14,8 15,4 3, Späteinsteiger/innen 15,5 13,3 26, Eckrentner/innen 37,0 14,9 53, Drei- Phasen-Modell 8,1 18,0 4, Frühe Hausfrauen 7,1 17,1 0, Kinderreiche 4,7 11,1 0, Langzeitarbeitslose 12,7 10,1 10, VSKT RV, Stegmann 2009, SOEB-Arbeitspapier
13 Differenzierte Erwerbsbiografien (2) durchgängige sv-beschäftigung ist kein»auslaufmodell«muster kontinuierlicher Vz-Beschäftigung in allen Lebensphasen Junge Erwachsene : in zwei von sieben Clustern überwiegend erwerbstätig Haupterwerbsphase: drei von sechs Cluster»Normalerwerbsverlauf«Vier Fünftel der Männer mit Kindern bzw. ohne Kinder Worin sich Erwerbsverläufe unterscheiden Junge Erwachsene Länge der Bildungszeiten Frühe oder späte Haushalts- und Familiengründung Zwei Frauencluster mit langen Haushaltszeiten Haupterwerbsphase Elternschaft begrenzt Erwerbsbeteiligung von Frauen Zwei Frauencluster: Zuverdienstund Familienarbeit Zwei diskontinuierliche Cluster (mit Kindern / ohne Kinder)
14 Wer arbeitet»atypisch«und warum (1) zum Beispiel Minijobs Verdienermodell und Armutsrisiko (MZ 2008, Wingerter 2009) 33,9% Alleinverdiener/innen, Armutsrisiko 49,5% 9,% mit weiterer atypisch beschäftigter Person, Armutsrisiko 35,9% 49,9% mit Normalarbeitnehmer/in, Armutsrisiko 4,7% Hauptsächliche Einkommensquelle (MZ 2007) Erwerbseinkommen 43,6%, Unterhalt 32,3%, SGB II 15,5% Stärkste Einflussfaktoren (Regressionsmodell S. Fromm) Betriebsgröße (5,936) Berufswechsel im letzten Jahr (4,945) Haushalte mit Kindern (2,779 bis 3,400) Alter (1,788)
15 Wer arbeitet»atypisch«und warum (2) Frauen mit Minijob (Klenner/Schmidt 2012) Teilzeit-Erwerbsverlauf mit Kindern Zeit mit Partner im Haushalt: 90%; Zeit im Minijob: 26% Lange Vorerfahrung mit Teilzeitarbeit längere Zufriedenheit mit Arbeitszeit Diskontinuierlich-prekärer Erwerbsverlauf mit Kindern Zeit mit Partner im Haushalt: 74%; Zeit im Minijob: 10% Lange Vorerfahrung mit Arbeitslosigkeit Abstand gewünschter von tatsächlicher Arbeitszeit Diskontinuierlich-prekärer Erwerbsverlauf ohne Kinder Zeit mit Partner im Haushalt: 63%; Zeit im Minijob: 11% Lange Vorerfahrung mit Teilzeit und Arbeitslosigkeit Abstand gewünschter von tatsächlicher Arbeitszeit
16 Die Arbeitsverwaltung beeinflusst Erwerbschancen und Beschäftigungssysteme
17 Status»arbeitslos«rahmt und beeinflusst Beschäftigungssysteme und Arbeitsmarktchancen Ökonomische Deutung von Arbeitslosigkeit Aktive Arbeitsmarktpolitik unterstützt beide primäre Teilarbeitsmärkte Unfreiwillige Arbeitslosigkeit als Folge fehlender Nachfrage Sucharbeitslosigkeit als Folge des Strukturwandels Aktivierende Arbeitsmarktpolitik Mismatch, mangelnde Mobilität, Reservationslöhne begründen freiwillige Arbeitslosigkeit Beschäftigungserfolg durch Ausbau»flexibler«extern-sekundärer Beschäftigungssysteme Vereinbarte Eingliederung als Anpassung an Arbeitsmarkt Das Beschäftigungssystem verschwindet vom Schirm Problemsicht: Persönliche Merkmale der Bewerber/innen Für Vermittlungshemmnisse durch»spezifische Arbeits-/ Ausbildungsmarktbedingungen«keine Handlungsstrategien hinterlegt
18 Bessere Chancen durch Vermittlungsberatung? Zum Beispiel ältere Arbeitslose Politischer Strategiewechsel: Späterer Renteneintritt Konflikt auf der Fallebene: Arbeitslosigkeit im Rentenübergang Erwerbsorientierungen und Fallverläufe rentennaher Arbeitsloser (ab 60 Jahre) Arbeitslos mit geklärter Orientierung Rentenübergang aus Arbeitslosigkeit Rentenübergang aus Erwerbstätigkeit oder Arbeitslosigkeit Arbeit (Entgeltpunkte) vor Rente Klärungsbedarf: Alters- oder EU-Rente Veränderung der Erwerbsorientierung im Fallverlauf Von Arbeit zu frühzeitiger Rente mit Abschlägen (Resignation) Renteneintritt wird verschoben (neue Erwerbsoptionen) Festhalten an Erwerbsziel (Unterstützung)
19 SGB II: Fürsorge für externe sekundäre Beschäftigungssysteme Zwei Rechtskreise der Arbeitsverwaltung spiegeln Arbeitsmarktspaltung Vorsorgesystem (Sozialversicherung) für primäre Teilarbeitsmärkte Fürsorgesystem für unsichere Erwerbsmuster Geringe Durchlässigkeit der Systeme: kaum Austausch mit dem SGB III Mehrzahl der Zugänge (54% der Lb) mit Vorbezug < 12 Monate Ein Viertel der Abgänge (26% der Lb) ist nicht nachhaltig (> 3 Monate)»Grundsicherung für Arbeitsuchende«als Gelegenheitsstruktur für sekundäre Teilarbeitsmärkte 30% (1,3 Mio.) erwerbstätige Leistungsberechtigte (43% arbeitslose elb) davon 0,5 Mio. ausschließlich geringfügig Häufige Wechsel Beschäftigung / Arbeitslosigkeit, seltene Übergänge in vorsorgefähige Erwerbstätigkeit
20 Eine Zone der Prekarität im Beschäftigungssystem
21 Soziale Verwundbarkeit im gespaltenen Arbeitsmarkt Spannungsreiches Nebeneinander der Beschäftigungssysteme Sekundäre externe Teilarbeitsmärkte dehnen sich aus Keine Entsprechung von Zonen der Teilhabe und Arbeitsmarktsegmenten Interne Arbeitsmärkte setzen weiter Maßstäbe»richtiger«Arbeit Grenzlinien der Verwundbarkeit Erwerbsarbeit mit dauerhaft eingeschränkter Teilhabe Nicht vorsorgefähige Beschäftigung, erzwungene Turbulenz Fürsorge als prägende Form sozialer Sicherung Haushalte, Familie, Sozialbeziehungen mit schwachen Ressourcen Ausschluss von Wahlmöglichkeiten und Handlungsalternativen Das prekäre Potenzial sekundärer Arbeitsmärkte begrenzen Arbeitsverwaltung als gemeinsames öffentliches Gut Mindestlöhne und Grundsicherung als soziale Bürgerrechte
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