Diagnostik: Potenziale auf dem Prüfstand. Dr. Katrin Vogt Dr. Michael Wolf
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1 Diagnostik: Potenziale auf dem Prüfstand Dr. Katrin Vogt Dr. Michael Wolf Forum 3; Fachtagung Perspektive Begabung,
2 Übersicht Psychologische Diagnostik (Dr. Michael Wolf) Diagnostik Begriffsbestimmung Testtheoretische Grundlagen und Gütekriterien Intelligenztests und Checklisten Pädagogische Diagnostik (Dr. Katrin Vogt) Pädagogisches Grundverständnis Verhaltensbeobachtung und Beobachtungsfehler Diskussion 2
3 Diagnostik - Begriffsbestimmung diagignóskein = gründlich kennenlernen, entscheiden, beschließen Psychologische Diagnostik Definition Psychologische Diagnostik ist eine wissenschaftliche Disziplin. Ihre Funktion besteht darin, eine Methodologie (System von Regeln, Anleitung und Algorithmen) zu entwickeln und anzuwenden, um psychologisch relevante Charakteristika von Merkmalsträgern zu gewinnen und die erhobenen Daten zu einem diagnostischen Urteil zu integrieren Entscheidungen und Prognosen vorzubereiten sowie zu evaluieren. (Jäger & Petermann, 1992) 3
4 Merkmalsträger Einzelpersonen Personengruppen Institutionen Situationen Diagnostik - Begriffsbestimmung Von den Merkmalsträgern werden z.b. erfasst: biographische Daten, Fakten Verhaltensweisen Persönlichkeitsmerkmale (typisch & maximal) Einstellungen, Meinungen & Präferenzen 4
5 Diagnostik - Begriffsbestimmung Methoden Exploration Interview Fragebogen Verhaltensbeobachtung: frei vs. standardisiert Tests: psychometrische vs. projektive weitere Operationalisierungsverfahren: Inhaltsanalyse, psychophysiologische Verfahren usw. 5
6 Zielgerichtetheit: Diagnostik - Begriffsbestimmung Diagnostik wird nicht um ihrer Selbst willen betrieben! Was ist? Was war? Warum? Wohin? Ziel der Erkenntnisbemühungen: Bereitstellung von Entscheidungshilfen für unterschiedliche Handlungs- und/oder Behandlungsmöglichkeiten. 6
7 Aufgaben: Diagnose vs. Prognose Diagnose Diagnostik - Begriffsbestimmung Feststellung, ob bestimmte Eigenschaft vorliegt, Erfassung von Ursachen, Indikation, Evaluation (z.b. Lernerfolg, Amnesie, Intelligenz) Prognose Vorhersage zukünftiger Zustände (Schul- und Berufserfolg, Rückfallgefahr bei Straftätern) Modellannahmen Eigenschaftstheoretische Konzeption Verhaltenstheoretische Konzeption 7
8 Eigenschaftstheoretische Konzeption Verhaltensweisen sind Indikatoren für bestimmte Eigenschaften ( traits ) Diagnostik - Begriffsbestimmung Ziel: Instrumente entwickeln, die eine exakte Erfassung der Eigenschaften ermöglichen (z.b. standardisierte Tests) 8
9 Diagnostik - Begriffsbestimmung Verhaltenstheoretische Konzeption, The best predictor of future performance ist past performance Starke vs. schwache Situationen (Wernimont & Campbell, 1968) Ziel: Suche nach repräsentativen Stichproben von Verhaltensweisen (Instrumente: z. B. Exploration, Interview, Verhaltensbeobachtung) 9
10 Was ist ein Test? 10
11 Objektivität Testtheoretische Grundlagen und Gütekriterien Der Test soll Merkmale des Testteilnehmers, nicht Merkmale der Untersuchungssituation oder des Diagnostikers erfassen. Reliabilität Grad der Zuverlässigkeit oder Genauigkeit, mit der ein Test das misst, was er misst (egal was er misst). 1. Messung 1,80 m 2. Messung 1,80 m 3. Messung 1,79 m 4. Messung 1,81 m 5. Messung 1,81 m 7. Messung 1,80 m 11
12 Validität Testtheoretische Grundlagen und Gütekriterien Ein Test gilt dann als valide (gültig), wenn er das Merkmal, das er messen soll, auch wirklich misst und nicht irgendein anderes. Beispiel: Validierung eines IQ-Tests an Schulerfolg Wechselbeziehungen zwischen den Gütekriterien Objektivität Reliabilität Validität ist Voraussetzung für ist Voraussetzung für 12
13 Klassifikationen von Testverfahren Leistungstests Entwicklungstests Intelligenztests Allgemeine Leistungstests Schultests Einschulungstests Spezielle Schuleignungstests Mehrfächertests Lesetests Rechtschreibtests Mathematik- und Rechentests Sonstige Schultests 13
14 Klassifikationen von Testverfahren Spezielle Funktionsprüfungs- und Eignungstests Psychometrische Persönlichkeitstests Persönlichkeits-Struktur-Tests Einstellungs- und Interessentests Klinische Tests Fragebogen Interviews Sonstige klinische Verfahren Persönlichkeits-Entfaltungsverfahren Formdeuteverfahren Verbal-thematische Verfahren Zeichnerische und Gestaltungsverfahren 14
15 Begabung Was ist das eigentlich? Begabung bezeichnet das individuelle kognitive, motivationale und soziale aber auch sensorische oder motorische Potential, hohe Leistungen in einem oder verschiedenen Bereichen zu erbringen. (Heller, 2001; Holling & Kanning, 1999) (Hoch-)Begabung (Hoch-)Leistung Welche Begabungen werden diskutiert? intellektuelle Begabung Kreativität musikalische Begabung sportliche Begabung... 15
16 Häufige Kritik Begabung Was ist das eigentlich? Intelligenztests sind Artefakte, die im realen Leben keine Rolle spielen. Wie ist der Zusammenhang zwischen Intelligenz und Leistung? Intelligenztestwerte sind die besten Einzelprädiktoren um Bildungs- und vielfach auch den Berufserfolg vorherzusagen. Intelligenz: Einfluss von Erbe und Umwelt Die Wissenschaft ist sich einig darüber, dass es genetisch bedingte Unterschiede in der geistigen Leistungsfähigkeit gibt. Erbanteil = ca. 50% 16
17 Konzepte der Intelligenzmessung Theorie der fluiden und kristallinen Intelligenz (Cattell, ) Fluide Intelligenz Basale, angeborene, Fähigkeit, sich neuen Situationen anzupassen, ohne dabei wesentlich auf frühere Lernerfahrungen zurückgreifen zu müssen gekennzeichnet durch Primärfähigkeiten wie Merkfähigkeit, Induktion und räumliches Denken (eher anlagebedingt) lässt sich optimal durch Logikaufgaben (Matrizenaufgaben) erfassen 17
18 Beispiel für Matrizenaufgabe Konzepte der Intelligenzmessung 18
19 Konzepte der Intelligenzmessung Theorie der fluiden und kristallinen Intelligenz Kristalline Intelligenz bildungs- und erfahrungsabhängige, kumulierte Effekte vergangenen Lernens, gekennzeichnet z.b. durch Wortverständnis und Wortflüssigkeit erfassbar z.b. durch Wortschatz- oder Wissenstests 19
20 Beispiel für Wissensaufgabe Konzepte der Intelligenzmessung Zu welchem Land gehört Grönland? Kanada Island Russland USA Dänemark Norwegen 20
21 Konzepte der Intelligenzmessung Intellektuelle Leistungen Fluide Intelligenz Kristalline Intelligenz Gedächtnis Logisches Denken Wortschatz Rechenfertigkeit Zahlenverständnis Sprachverständnis Figurales Wissen Schach spielen Fähigkeit Fertigkeit 21
22 Können Lehrer erkennen, wie begabt ihre Schüler/innen sind? 22
23 Erkennen von begabten Schülerinnen und Schülern Studie von Bergold (2012) 429 Schüler/innen wurden von 64 Lehrkräften auf Basis eines Fragebogens beurteilt Vergleich mit Ergebnissen aus Testverfahren besonders schulnahe (kristalline) Fähigkeitsbereiche können von Lehrkräften befriedigend erkannt werden sprachliche und mathematische Begabungsanteile Problem: Begabte Underachiever fallen durchs Raster! 23
24 Können Eltern erkennen, ob ihr Kind (hoch-)begabt ist? 24
25 Merkmale begabter Kinder und Jugendlicher Merkmale im kognitiven Bereich hohes abstraktes Denkvermögen schnelles Erkennen und Verstehen von Zusammenhängen, hohes Lerntempo hohe Neugierde, Wissbegierde, Erkenntnisstreben Freude an intellektuell herausfordernden Aktivitäten besitzen meist ein breit angelegtes Allgemeinwissen und auf einzelnen Feldern ein großes Detailwissen hervorragendes Gedächtnis (besonders bei interessierenden Lerninhalten) kreative Problemlösungen 25
26 Merkmale begabter Kinder und Jugendlicher Merkmale in der Arbeitshaltung ungewöhnliches Beharrungsvermögen bei selbstgestellten intellektuellen Aufgaben Routineaufgaben lassen Langweile aufkommen arbeiten oftmals an mehreren Aufgaben gleichzeitig durchdenken gerne ein Problem in Ruhe und arbeiten gerne unabhängig setzen sich hohe Leistungsziele perfektionistisch und selbstkritisch 26
27 Merkmale begabter Kinder und Jugendlicher Merkmale im sozialen Bereich vielfältige und außergewöhnliche Interessen interessiert an moralischen und philosophischen Fragen Sinn für Gerechtigkeit präferieren die Freundschaften mit Älteren; Erwachsenenorientierung hinterfragen Autoritäten; kritisches, unabhängiges und wertendes Denken sind eher individualistisch und wenig auf die Mehrheit hin ausgerichtet teilen gerne ihr Wissen Sinn für Humor 27
28 Erkennen von begabten Kindern und Jugendlichen eindeutige Checklisten zur Identifizierung von besonderen Begabungen existieren nicht; von der Anwendung solcher Listen ist grundsätzlich abzuraten Zur Feststellung der intellektuellen Begabung müssen immer wissenschaftlich-psychologische Verfahren eingesetzt werden! 28
29 Aufgabenschwerpunkte Diagnostik und Beratung Fortbildungen Förderprojekte Kontakt:
30 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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