Facetten von Gewalt im Kontext Pflege. Gewaltfreie Pflege von Menschen mit Demenz. Lösungsansätze und Handlungsempfehlungen
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- Jasper Hausler
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1 Facetten von Gewalt im Kontext Pflege Gewaltfreie Pflege von Menschen mit Demenz Lösungsansätze und Handlungsempfehlungen 1
2 Was ist Gewalt? Gewalt: Körperliche, psychische oder soziale Einflussnahme, um gegen den Willen oder die Bedürfnisse eines Menschen ein Ziel zu erreichen. Nach J. Galtung lassen sich drei Dimensionen von Gewalt unterscheiden, die in einer Wechselwirkung zu einander stehen. Die unterschiedlichen Formen von Gewalt können sich gegenseitig herausfordern. Dabei beginnen die gewaltsamen Übergriffe oft zunächst in leichten, kaum wahrnehmbaren Formen und können sich dann steigern und in extremen Fällen bis zur Tötung von Menschen führen. Diese Steigerung von Gewalttätigkeiten wird als Gewaltspirale bezeichnet. Nur durch Prävention und Intervention kann eine Gewaltspirale unterbrochen werden. 2
3 Gewaltdreieck in Bezug auf Pflege (Galtung 1993 ; Hirsch 2000) 3
4 Gewalt im Kontext Pflege Gewalterfahrung in der Biographie alter Menschen Kriegskinder Kindesmisshandlung Sexualisierte Gewalterfahrung Gewalt Gewalt gegen Pflegende Professionelle Pflegekräfte Angehörige Gewalt in der Pflege Pflegebedürftige untereinander Gewalt gegen Pflegebedürftige durch Pflegekräfte durch Angehörige G. Ensink 2015 Richterlich genehmigte Gewalt Freiheitsentziehende Maßnahmen 4
5 Gewalterfahrung in der Biographie - Anzeichen für ein posttraumatisches Belastungssyndrom Der Heimeinzug kann Erinnerungen an ein Lager oder Bombennächte auslösen und damit Reaktionen hervor rufen, wie: Depression Angst und Panikattacken Übererregbarkeit Hoffnungslosigkeit Weglauftendenz Autoaggression Halluzinationen und Wahnvorstellungen Suchterkrankungen 5
6 Sexualisierte Gewalterfahrung in der Biographie alter Menschen Das Glück des Mannes heißt: ich will Das Glück des Weibes heißt: er will F. Nietzsche Die Einstellung zur Sexualität verändert sich im Laufe des Lebens. Sie entwickelt sich nach Erikson ein Leben lang weiter. Die Einstellung eines alten Menschen zur Geschlechtlichkeit ist geprägt durch Erziehung in Kindheit und Jugend Normen, die in einer Gesellschaft vorherrschen Erfahrungen, die im Laufe eines Lebens im Bereich der Sexualität gemacht werden 6
7 Auswirkungen sexueller Gewalterfahrung Sexualität als Tabuthema, über das man nicht spricht: In der Konsequenz sexuelle Gewalterfahrung tabuisiert. Opfer sprechen bis heute nicht über die ihnen angetanen Verbrechen (Vergewaltigungen / sexueller Missbrauch in der Kindheit) Traumatisierte demenzkranke alte Menschen zeigen Verhaltensweisen und Reaktionen, die nicht eingeordnet werden können Unkenntnis über die Ursachen können bei Anderen unbeabsichtigt gewaltsames Handeln auslösen 7
8 Anzeichen für eine mögliche sexualisierte Gewalterfahrung in der Biographie Die Betroffenen sprechen von schrecklichen Erlebnisse am Kriegsende und danach Angst vor den Russen oder vor Soldaten Angst, sich nicht verstecken zu können Schwierigkeiten mit dem Ehemann nach dem Krieg Idealisierte liebe Väter Wenn ohne Erklärungen gesagt wird, dass die Ehe nicht gut war. 8
9 Anzeichen für eine mögliche sexualisierte Gewalterfahrung in der Biographie Die Betroffenen zeigen Frühe psychiatrische Behandlungen Suizidversuche Abwehrverhalten wie schreien und toben, Apathie oder Schreckensstarre bei Pflegehandlungen im Intimbereich oder bei der Mundpflege Autoaggression Halluzinationen und Wahnvorstellungen (Männern, die nachts am Bett stehen) Sexuelle Hyperaktivität 9
10 Pflegen bei Verdacht auf sexualisierte Gewalterfahrung Angst reduzierendes Verhalten: Biographiearbeit vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund und möglicher früherer sexueller Gewalt Vertrauen aufbauen Ursachen, Notwendigkeit und Dauer von Psychopharmaka kritisch überdenken Die auf bestimmte Situationen folgenden seelischen und körperlichen Reaktionen beobachten, dokumentieren und im Team besprechen Pflegemaßnahmen am Körper einer Pflegebedürftigen nur mit deren ausdrücklicher Zustimmung durch männliche Pflegekräfte durchführen lassen. 10
11 Pflegen bei Verdacht auf sexualisierte Gewalterfahrung Angst reduzierendes Verhalten der Pflegenden: Pflegemaßnahmen im Voraus besprechen Pflegemaßnahmen bei Bedarf unterbrechen Validation einsetzten Sprache vermeiden, die an das Trauma erinnern könnte (z.b. machen Sie mal die Beine breit ) nichts aufzwingen Pflege ohne Zuschauer Keine Medikamente oder Instrumente in Körperöffnungen einführen 11
12 Gewalt gegen Pflegende Bei Befragungen von Pflegekräften sagen 86 %, sie seien in den letzten 12 Monate verbal attackiert worden ~ 60 % erlebten körperliche Gewalt, wie Kneifen, Spucken oder Schläge. 16,5 % sexuelle Belästigung Nur rund ein Drittel der Pflegekräfte geben an, ausreichend Unterstützung durch den Arbeitgeber zu erhalten 12
13 Häufigkeit von Gewalt durch beruflich Pflegende gegenüber Pflegebedürftigen Görgen, T. et al, S
14 Häufigkeit von Gewalt durch Pflegende im häuslichen Umfeld Gründe: Qualität der Beziehung vorher Chronische Gewaltbeziehung Selbst Opfer des Pflegebedürftigen sein Verschlechterung der Beziehung durch Pflegesituation Soziale Isolation Gewalt aus fachlicher Unkenntnis Görgen, T. et al, S. 32 Überforderung 14
15 Gewalt durch Pflegende ohne die Absicht den Pflegebedürftigen zu schädigen Gründe: Verhalten im Kontext von Pflegehandlungen nicht mit dem Bestreben Schmerzen zuzufügen oder zu verletzen Sondern: Görgen, T. et al, S. 31 Mitwirkung bei Pflegehandlungen erzwingen Selbst- oder fremdgefährdendes Verhalten verhindern Abwehr von Angriffen auf sich selbst 15
16 Ansätze gegen Gewalt im häuslichen Pflegekontext Trägerneutrale Beratung in kritischen Pflegesituationen Information über vorhandene Hilfeangebote Beratung im Vorfeld der Übernahme von Pflegeverantwortung Selbsthilfegruppen für pflegende Angehörige Aufklärung pflegender Familienangehöriger über Merkmale und Verläufe von Erkrankungen Vermitteln von Strategien zur Bewältigung problematischer Situationen, auch anonyme telefonische Beratungsangebote Entlastungsangebote für pflegende Familienangehörige (Kurzzeitpflege, Tagespflege, regelmäßige Unterstützung durch Pflegedienste) Beschwerdestellen für Missstände in der professionellen Pflege Sensibilisierung und Schulung relevanter Berufsgruppen (Ärzte, Pflegekräfte) 16
17 Ansätze gegen Gewalt im beruflichen Pflegekontext Gewaltsituationen lassen sich durch eine hohe Pflegequalität minimieren. Diese ist gekennzeichnet durch gut ausgebildete, professionell arbeitende Pflegefachkräfte und gründlich angeleitete Hilfskräfte, sowie eine sorgsame Personalführung: Erkennen und reflektieren der Ursachen von Aggression Wahrnehmen von verändertem, aggressiven Verhalten einzelner Mitarbeiter Angemessenes Beschwerdemanagement Ansprechen von Grenzen Krisentraining z.b. Supervision und Fallbesprechungen Teamarbeit Erhaltung der Eigenständigkeit und Vermeidung von Überforderung der Pflegekräfte Positive Rückmeldung für erbrachte Leistungen Psychohygiene Gelingender, wertschätzender Führungsstil 17
18 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Dr. Gabriele Ensink Institut für Gerontologie Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Bergheimer Straße Heidelberg Tel. +49(0)6221/
19 Quellen Arets, J. et al (1999): Professionelle Pflege; 3. Aufl., Bern, Göttingen Toronto, Seattle: Huber Verlag Bergmann, G. et al (2008): Pflege lernen Kommunizieren und interagieren; Band 5, Braunschweig: Westermann Verlag BGW (08/2011): Gewalt und Aggression in Betreuungsberufen; Erstveröffentlichung 09/2007, Stand 08/201, 2007 Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege BGW Böhmer, Martina (2005): Erfahrungen sexualisierter Gewalt in der Lebensgeschichte alter Frauen; Marbuse (Frankfurt / M.) Bundeszentrale für politische Bildung; heruntergeladen unter: am Ensink, G. (2009): Gewalt in der Altenpflege; Seminarpräsentation zu Seminar: Grundlagen der Pflegewissenschaft Pflegekonzepte Ensink, G. (2014): Und trotzdem möchte ich nichts Anderes tun : Die kognitive Repräsentation des Pflegeberufs bei Pflegefachkräften in der stationären Altenpflege; Dissertation Fakultät für Verhaltens- und Empirische Kulturwissenschaften, Universität Heidelberg Flechsig, K.-H. (1995): Die Entwicklung interkultureller Kompetenz als ein zentrales Ziel globalen Lehrens und Lernens; heruntergeladen unter: am Görgen, T. et al: Kriminalitäts- und Gewalterfahrungen im Leben älterer Menschen - Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse einer Studie zu Gefährdungen älterer und pflegebedürftiger Menschen; Broschure, Redaktion BMFSFJ ;Görgen, T. (2005): Nahraumgewalt gegen ältere und pflegebedürftige Menschen. in: Kerner, H.-J.; Marks, E. (Hrsg.): Internetdokumentation Deutscher Präventionstag. Hannover. Menker,K. / Waterboer, C.(2006): Pflegetheorie und Praxis; Urban und Fischer (München, Jena) Naimark, Norman M.: DIE ZEIT, Nr. 44 Radebold, H. (2005): Die dunklen Schatten unserer Vergangenheit; Klett Cotta (Stuttgart) Rathke, M. : Vergewaltigungsopfer - 60 Jahre Schweigen; DIE ZEIT, Nr.43 Stanjek, K. (Hrsg.) (2005) Sozialwissenschaften; Urban und Fischer (München, Jena) Schimany, P., Rühl, S. & Kohls, M.(2012): Ältere Migrantinnen und Migranten - Entwicklungen, Lebenslagen, Perspektiven ; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, heruntergeladen unter: blob=publicationfile; am
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