7. ADHS Gipfel Hamburg, 28. Januar 2012
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1 7. ADHS Gipfel Hamburg, 28. Januar 2012 Prof. Dr. med. Andrea G. Ludolph Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie Universitätsklinikum Ulm
2 Behandlung der ADHS unter entwicklungs-(neuro)biologischen Aspekten: Was bedeutet das für zukünftige Therapien? Prof. Dr. med. Andrea G. Ludolph Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie Universitätsklinikum Ulm
3 Wie werden wir ADHS vom Säuglings- bis ins Erwachsenenalter behandeln?
4
5 Gliederung I. Prävalenz II. Genetische, prä-, peri-, postnatale Faktoren III. Pathophysiologie ADHS Bildgebungsbefunde IV. ADHS eine neuronale Entwicklungsstörung, die weit über das monoaminerge System hinausgeht
6 Gliederung I. Prävalenz II. Genetische, prä-, peri-, postnatale Faktoren III. Pathophysiologie ADHS Bildgebungsbefunde IV. ADHS eine neuronale Entwicklungsstörung, die weit über das monoaminerge System hinausgeht
7 Wie hoch schätzen Sie die Prävalenz von ADHS im Kindes- und Jugendalter in Deutschland? A. 2,9 % B. 5,0 % C. 7,5 % D. 7,9 %
8 Prävalenz ADHS Deutschland Aktuellen Prävalenzschätzungen zufolge sind in Deutschland ca. 5 % der Kinder und Jugendlichen im Alter von 3 bis 17 Jahren betroffen, wobei die Erkrankung bei Jungen etwa viermal häufiger diagnostiziert wird als bei Mädchen (1). Bei etwa 60% der Betroffenen bleiben wesentliche Symptome der ADHS auch im Erwachsenenalter bestehen (2). Quellen 1. Schlack R et al., Bundesgesundheitsblatt, 2007, 50: Wender PH et al. Adults with ADHD. Ann NY Acad Sci 2001; 932:1-16
9 Prävalenz ADHS Deutschland 2006 wurde in Deutschland eine umfangreiche Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen (KIGGS, 2006) durchgeführt. Bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 3 bis 17 Jahren wurden die Prävalenzdaten zu ADHS erhoben. Je nach Altersgruppe lag die Prävalenz bei bis zu 2,9% der Vorschulkinder und bis zu 7,9% bei Jugendlichen. Dabei wird die Diagnose bei Jungen zwei- bis viermal häufiger vergeben als bei Mädchen (Schlack et.al.2007).
10 Prävalenz ADHS Deutschland Für den Übergang in das Erwachsenenalter belegen Studien, dass die im Kindesalter diagnostizierten ADHS - Symptome in % der Fälle weiterhin vorliegen. Daraus ergeben Prävalenzraten von ca. 1 4% (Philipsen et al., 2008; Sobanski et al., 2008; Spencer et al.2007). Während im Kindes- und Jugendalter Geschlechtseffekte vorliegen, sind diese im Erwachsenenalter nicht in dieser ausgeprägten Form festzustellen (Biedermann et al.2004).
11 MPH prescriptions in Germany DDD = 30 mg; 40 X increase in the last 10 years 0.3 million DDD in million in million 2004 Million DDD DDD = Defined daily dose 80x in the last 15 years
12 Mio. DDD Verordnungen von Methylphenidat Gesamtverordnungen nach den definierten Tagesdosen.
13 (Zu) viele Pillen für den Zappelphilipp?! Über 1,7 Tonnen Tabletten für AD(H)S-Kinder Hamburg, 9. Mai Immer mehr Kinder bekommen Medikamente gegen das Zappelphilippsyndrom AD(H)S. Daten der Techniker Krankenkasse (TK) zeigen: Im Jahr 2009 haben rund 27 von TK-versicherten Kindern und Jugendlichen zwischen sechs und 18 Jahren Methylphenidat, besser bekannt unter dem Handelsnamen des Originalpräparates Ritalin, verordnet bekommen. Im Jahr 2006 waren es noch 20 von Das entspricht einer Steigerung von 32 Prozent. pressemitteilungen-bundesweit-anwendung/309238?newsroompressemitteilung=340412
14 Gliederung I. Prävalenz II. Genetische, prä-, peri-, postnatale Faktoren III. Pathophysiologie ADHS Bildgebungsbefunde IV. ADHS eine neuronale Entwicklungsstörung, die weit über das monoaminerge System hinausgeht
15 Welches Gen wurde am häufigsten mit ADHS in Verbindung gebracht? A. Dopaminrezeptor D4 B. alpha2-adrenerger Rezeptor C. Dopamintransporter 1 D. β2-adrenozeptor
16 ADHS: Genetik Zwillingsstudien zeigen eine hohe genetische Vulnerabilität (> 2000 Paare, monozygote 50-80% Konkordanz, Dizygote 35%) Adoptionsstudien zeigten einen stärkeren Genetischen Einfluss als gemeinsame Umwelt. Geschwister: Prävalenz 2-4x höher Eltern: Prävalenz 8 10x höher Kinder von Eltern mit ADHS: 60%
17 ADHS: Genetik Polymorphismen korreliert mit ADHS: 10-repeat Allel des DAT 1 (Dopamintransporter) und 7-repeat Allel des DRD4 (und DRD5) Rezeptors
18 ADHS: Genetik Polymorphismen korreliert mit ADHS: 10-repeat Allel des DAT 1 (Dopamintransporter) und 7-repeat Allel des DRD4 (und DRD5) Rezeptors GRIN2A BDNF SNAP 25 NMDA glutamate receptor subtype brain derived neurotrophic factor - synaptosomal-associated protein of 25 kda, is an integral part of SNARE (soluble N-ethylmaleimide-sensitive factor attachment protein receptor), a docking complex for synaptic vesicle exocytosis and neurotransmitter release
19 Perinatale Risikofaktoren Risikofaktoren in der Schwangerschaft: Hoher Blutdruck Diabetes Präeklampsie Vaginale Blutungen Geplatzte Fruchtblase 11h vor Wehen Verzögertes fetales Wachstum Rötelninfektion in der Schwangerschaft small for date Babies Rauchen in der Schwangerschaft Polanczyk et al., J. Am. Acad. Child Adolesc. Psychiatry, 2010;49(3):
20 Anita Thapar et al., Dep Psychological Medicine, School of Medicine; Cardiff University, Cardiff, Wales Methods The design is based on offspring conceived with Assisted Reproductive Technologies recruited from 20 fertility clinics in the United Kingdom and United States who were: 1) genetically unrelated, and 2) related to the woman who underwent the pregnancy. If maternal smoking in pregnancy has true risk effects, association will be observed with ADHD regardless of whether mother and offspring are related or unrelated. Data were obtained from 815 families of children ages 4 years 11 years with parent questionnaires and antenatal records. Birth weight was used as a comparison outcome. The key outcome considered was child ADHD symptoms. Biological Psychiatry 2009
21 Anita Thapar et al., Dep Psychological Medicine, School of Medicine; Cardiff University, Cardiff, Wales Results Association between smoking in pregnancy and lower birth weight was found in unrelated and related mother-offspring pairs, consistent with a true risk effect. However, for ADHD symptoms, the magnitude of association was significantly higher in the related pairs (β =.102, p <.02) than in the unrelated pairs (β=.052, p >.10), suggesting inherited effects. Conclusions Our findings highlight the need to test causal hypotheses with genetically sensitive designs. Inherited confounds are not necessarily removed by statistical controls. The previously observed association between maternal smoking in pregnancy and ADHD might represent an inherited effect. Biological Psychiatry 2009
22 Gliederung I. Prävalenz II. Genetische, prä-, peri-, postnatale Faktoren III. Pathophysiologie ADHS Bildgebungsbefunde IV. ADHS eine neuronale Entwicklungsstörung, die weit über das monoaminerge System hinausgeht
23 Die Hirnreifung bei Kindern und Jugendlichen mit ADHS im Vergleich zu verhaltensunaufälligen Kindern und Jugendlichen erfolgt A. genau so B. deutlich verzögert C. deutlich zu schnell D. weiß ich nicht
24 Hauptmechanismen der Hirnentwicklung Progression und Regression progressive Myelinisierung regressives Pruning (kürzen, stutzen, reduzieren) von Synapsen und Axonen
25 Der Cortico-Striato-Thalamo-Cortikale Schaltkreis Neuner & Ludolph, Nervenarzt 2009
26 Gliederung I. Prävalenz II. Genetische, prä-, peri-, postnatale Faktoren III. Pathophysiologie ADHS Bildgebungsbefunde IV. ADHS eine neuronale Entwicklungsstörung, die weit über das monoaminerge System hinausgeht
27 Welcher Neurotransmitter tritt im Gehirn am häufigsten auf? A. Noradrenalin B. Adrenalin C. Dopamin D. Glutamat
28 Hirnreifung bei ADHS ist deutlich verzögert! Zusammenspiel glutamaterges System (Hyperexzitation) und perinatale Risikofaktoren (hypoxische Zustände)
29 Glutamat ist ein exzitatorischer Neurotransmitter im ZNS. 80% aller Synapsen im Gehirn sind glutamaterg. Glutamatübertragung zeigt altersabhängig sehr unterschiedliche Effekte. ist eine essentielle Komponente der neuronalen Bahnen, die offensichtlich bei der ADHS mitbetroffen sind. ist ein extensiver Modulator von Dopamin, dem Hauptneurotransmitter, dessen Übertragung bei ADHS beeinträchtigt zu sein scheint.
30
31 ADHS und Glutamatstoffwechsel Memantine Antidementivum NMDA-Rezeptor-Antagonist verstärkt die Wirkung von Dopaminagonisten open-label, 8wöchige Dosisfindungskurve, 8-12jährige, Auftitrierung Saft (2mg/ml), 10mg/Tag (n=8) oder 20 mg/tag (n=8), höhere Dosis hatte bessere Wirkung auf Symptomreduktion (ADHD Rating scale-iv, Clinical Global impression of Severity (CGI-S) Findling et al, J Child Adolesc Psychopharmacol 2007
32 WIRKUNG VON METHYLPHENIDAT: Neuroplastische Effekte 22 tierexperimentelle Studien in adoleszenten Tieren (Ratten, Degus, Primaten) - Wirkung scheint abhängig von Alter der Tiere, Dauer und Dosis der Applikation, Applikationsform - Fast ausschließlich gesunde Tiere - Befunde sind widersprüchlich, bei oraler Applikation in niedriger Dosierung zum Teil keine Effekte, - Neuroplastische Effekte auf Genexpressionsebene, morphologisch anhaltende Veränderungen in unterschiedlichen Hirnarealen (frontal, striatal, hippocampal, amygdalar), z.b. verminderte Neurogenese, Verstärktes Dendritenwachstum, verminderte DAT Konzentration Britton 2012, Int J Neuropsychopharmacol
33 WIRKUNG VON ATOMOXETIN IM GLUTAMATERGEN SYSTEM: Atomoxetin wirkt in klinisch relevanten Dosen als NMDA-Rezeptor-Inhibitor Ludolph et al., Brit J Pharmacol 2010
34 Zusammenfassung ADHS läßt sich heute als neuronale Entwicklungsstörung mit genetischer Disposition und frühen Risikofaktoren verstehen, funktionelle u. morpholog. Auffälligkeiten gehen deutlich über das monaminerge System hinaus. Nicht nur das monoaminerge System, sondern auch die Neurotransmitter Glutamat, GABA etc sowie für die Entwicklung notwendige Synapsenproteine scheinen beteiligt zu sein. Methylphenidat zeigt im Tierexperiment (zum Teil) Einflüsse auf Neuroadaptation. Auch Atomoxetin scheint über den bekannten monoaminergen Wirkmechanismus hinaus neuroplastische Effekte zu zeigen. Substanzen mit neuen Wirkmechanismen könnten gezielter am glutamatergen System und somit in synaptische Reifungsprozesse eingreifen. 18/20
35 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Andrea G. Ludolph
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