3. Phrasenstruktur und Merkmale 2
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- Inken Bachmeier
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Transkript
1 .1. WIEDERHOLUNG. Phrasenstruktur und Merkmale An welchen Eigenschaften erkennt man den Kopf einer Phrase? Was besagt das Thetakriterium? Was sind interpretierbare und uninterpretierbare Merkmale? Was besagt das Prinzip der vollständigen Interpretation? S. Repp, Grundkurs C Syntax, WS 005/06, Sitzung.. MERKMALE UND CHECKING Überprüfung (Checking): Uninterpretierbare c-selektionale Merkmale müssen überprüft werden. Danach können sie getilgt werden. Überprüfung unter Schwesternschaft: Ein uninterpretierbares Merkmal F auf einem syntaktischen Objekt Y wird überprüft, wenn Y Schwester eines anderen syntaktischen Objekts Z mit dem passenden Merkmal F ist. Bäume: A D E Dominanz: Knoten A dominiert B, wenn A höher im Baum ist, und man eine Linie von A nach B nach unten verfolgen kann. Was direkt dominiert wird, ist eine Tochter. Was direkt dominiert, ist eine Mutter. Töchter derselben Mutter sind Schwestern. Der oberste (A) Knoten ist der Wurzelknoten. Knoten, die nicht verzweigen, sind terminale Knoten. Wie wir in der ersten Sitzung gesehen haben, entstehen Phrasenstrukturen durch die Kombination von kleineren zu größeren Elementen. Diese Kombination geschieht durch die Operation Merge (Verkettung). Man nimmt zwei syntaktische Objekte, die ein Etikett (Label) tragen (= ein Merkmalset, gewöhnlich der Name der Kategorie) und verkettet sie. Es wird ein neues syntaktisches Objekt (eine neue Konstituente) geschaffen: A Aus der neu entstandenen Konstituente kann dann durch Verkettung mit einem weiteren syntaktischen Objekt eine weitere Konstituente entstehen. Z X A Achtung: Alle Verzweigungen sind binär, d.h. es werden immer zwei Objekte miteinander verkettet.
2 Angewendet auf die Verben (zunächst nur mit Objekt), sieht das so aus: die Behauptung [N] Das Symbol u steht hier für uninterpretierbar. Das Verb glauben hat also das Kategorienmerkmal V, und das uninterpretierbare c-selektionale Merkmal un, (es muss sich mit einem Nomen verbinden). Das uninterpretierbare Merkmal un muss verschwinden, damit die Semantik etwas mit der Struktur anfangen kann. Erinnerung: Überprüfung unter Schwesternschaft. Ein uninterpretierbares Merkmal F auf einem syntaktischen Objekt Y wird überprüft, wenn Y Schwester eines anderen syntaktischen Objekts Z mit dem passenden Merkmal F ist. [V] die Behauptung [N] (1) *sachlich glauben sachlich [A] () * die Kinder unterziehen die Kinder[N] unterziehen [V, un, un ] un kann nicht getilgt werden. un kann nicht getilgt werden. 5 6 () *den Fehltritt trauern den Fehltritt [N] trauern [V] David Adger, der annimmt, dass bei Merge c-selektionale Merkmale getilgt werden und dessen Theorie wir hier verfolgt haben, diskutiert solche Beispiele nicht. Wir sehen aber, dass bei dieser angenommenen Merge-Operation keine Merkmale getilgt werden. Dies ist in Adgers System bei Merge aber obligatorisch. Übung: Geben Sie an, wie die Merkmalstilgung bei der Verkettung der folgenden Phrasen erfolgt (behandeln Sie alle NPn als wenn sie einfache N wären) dem Kind helfen des Vaters gedenken auf dem Dach stolz auf das Erreichte die Entdeckung Amerikas 7 8
3 .. DAS X-BAR SCHEMA Die Elemente, die ein Kopf selegiert, nennt man auch Komplemente. Es können also Verben, Präpositionen, Adjektive und Nomen Komplemente nehmen. Die entstandene Struktur nennt man auch Kopf-Komplement- Struktur. Subjekte sind zwar Argumente aber keine Komplemente. Warum nicht? den Ball schmeißen die Sache schmeißen eine Runde schmeißen Der Polizist schmeißt... Die Affen schmeißen... Die Verbbedeutung kann sich mit dem Objekt ändern, mit dem Subjekt nicht. Es gibt noch andere Elemente im Satz als Komplemente und Subjekte. () Am Nachmittag las Peter in seinem Zimmer ein Buch. Temporaladverbial Lokaladverbial Diese sind sog. adverbiale Ergänzungen. Sie stehen nicht im Subkategorisierungsrahmen des Verbs. Sie heißen Adjunkte oder Modifikatoren. Sie sind immer fakultativ (Komplemente sind manchmal fakultativ, manchmal obligatorisch). Adjunkte können im Ggs. zu Argumenten im Satz frei hinzugefügt werden: (5) Max hat seine Mutter abgeholt. (6) Max hat seine Mutter am Montag um 5 abgeholt. (7) *Max hat seine Mutter seinen Vater abgeholt. Die Rolle der Adjunkte im Satz wird nicht vom Verb bestimmt. Sie bringen sozusagen ihre eigene Semantik mit (möglich auch über eine Präposition). Es gibt adverbiale Ergänzungen der folgenden Art: 9 10 Adverbiale der Art und Weise: schnell gehen Instrumentadverbiale: das Porzellan mit dem Hammer zerschlagen Adverbiale der Subjekthaltung: das Buch gern lesen Lokaladverbiale: die Mutter im Bahnhof treffen. Temporaladverbiale: die Mutter am Nachmittag treffen Kausaladverbiale: die Mutter wegen des Problems treffen. Satzadverbiale (Sprecherhaltung): die Mutter wahrscheinlich belügen. Wir werden uns mit dem Erkennen von Adjunkten in der Übung zum Grundkurs genauer befassen. Mit ihrer syntaktischen Analyse werden wir uns später befassen. Wir haben oben gesehen, dass ein Komplement die Schwester vom Kopf ist, und dass sich bei der Verkettung eine neue Konstituente bildet. Diese neue Konstituente verbindet sich dann mit dem Subjekt. Das Ergebnis ist eine Struktur im sog. X-bar Schema: (8) weil Paul Comics liest Spezifi zierer [V] ---- Maximale (phrasale) Projektion X max Paul [N] V [V, un] ---- Zwischenprojektion X Comics [N] liest [V, un,un] ---- Minimale Projektion X Komplement Kopf 11 1
4 Wir haben eben das X-bar Schema der generativen Grammatik kennen gelernt. In den Theorien, die dem Minimalismus vorangegangen, ging man davon aus, dass das X-Bar- Schema ein allgemeingültiges Strukturschema ist. Die Idee ist, dass es einschlägig für alle Phrasen ist, nicht nur s. Warum? Vergleichen Sie folgende Sätze: (9) The army destroyed the city. (10) the army s destruction of the city Sowohl destroy als auch destruction nehmen ein Komplement mit der semantischen Rolle Patiens. In beiden Phrasen gibt es auch einen Agens. Wir können in beiden Fällen eine Art Passiv bilden: (11) The city was destroyed by the army. (1) the city s destruction by the army. Agens- und Patiensrollen sind hier jetzt umgedreht. 1 Chomsky, Noam (1970): Remarks on Nominalization. In Roderick Jacobs and Peter Rosenbaum (Eds.), Readings in English Transformational Grammar. Waltham, MA: Blaisdell Achtung: Die Beispiele sind Englisch Englisch ist nicht verb-final wie das Deutsche, daher steht der Kopf nicht rechts, sondern links von seinem Komplement! (Die Dreiecke kürzen komplexere Strukturen ab.) NP V the army destroyed NP the city NP NP N the army s destruction of the city 1 Das ganze ist mit Anpassungen aufs Deutsche übertragbar: (1) (weil) Kolumbus Amerika entdeckte (1) Kolumbus Entdeckung von Amerika (15) (weil) Amerika durch Kolumbus entdeckt wurde (16) Amerikas Entdeckung durch Kolumbus Kolumbus V Amerika entdeckte NP Kolumbus N Entdeckung von Amerika Wir sehen also, dass im Deutschen die kopffinal ist und die NP kopfinitial. 15 Es ist aber nun nicht so, dass immer alle Projektionsebenen vorhanden sind (N.B. Im ursprünglichen X-bar Schema wird der Kopf mit X etikettiert. Im Minimalismus macht man das nicht, s.u.): AP A NP A seinen Prinzipien treu Hier gibt es keine Spezifizierer. P P NP auf dem Tisch P NP P der Liebe wegen 16
5 Für Phrasen ohne Spezifizierer wird im Minimalismus angenommen, dass Kopf und Komplement direkt eine maximale Projektion bilden. Wenn es kein Komplement gibt, ist sogar der Kopf direkt phrasal (u. gleichzeitig minimal). Die Idee ist, dass nur Elemente, die wirklich vorhanden sind, auch im Baum repräsentiert sind. Man möchte keine unnötige Maschinerie. Alle Elemente, die in einem Satz verkettet werden, gelangen in einer sog. Numeration in die syntaktische Strukturverarbeitung. Alle Elemente der Numeration müssen aufgebraucht werden, damit die Strukturbildung (die Derivation) konvergiert (converges), d.h. erfolgreich ist. Wenn das nicht der Fall ist, kollabiert (chrasht) die Derivation. Man nennt dies auch die Theorie der reinen Phrasenstruktur (bare phrase structure) Man kann sich das als einen Beutel mit Perlen vorstellen, den man gekauft hat, um eine komplizierte Kette zu machen. Man braucht alle Perlen, die im Beutel sind, damit die Kette so aussieht, wie vom Verkäufer angepriesen. Man braucht aber nicht mehr Perlen als nötig und auch nicht mehr Faden. weil Paul Comics liest: [V] Paul [N] V [V, un] Comics [N] liest [V, un,un] seinen Prinzipien treu: AP [A] auf dem Tisch: [P] seinen Prinzipien [N] treu [A, un] auf [P,uN] dem Tisch[N] Übung/Hausaufgabe: Geben Sie die minimalistische Baumstruktur für die Phrasen aus der letzten Hausaufgabe an (lassen Sie die NPn unanalysiert): auf den Baum klettern (weil) Paul einen Brief schreibt der Vater des Kindes wütend auf den Freund Erinnerung: weil Paul Comics liest: [V] Paul [N] V [V, un] Comics [N] liest[v, un,un] 19
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