S Ü D W E S T R U N D F U N K F S - I N L A N D R E P O R T MAINZ S E N D U N G:

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1 Diese Kopie wird nur zur rein persönlichen Information überlassen. Jede Form der Vervielfältigung oder Verwertung bedarf der ausdrücklichen vorherigen Genehmigung des Urhebers by the author S Ü D W E S T R U N D F U N K F S - I N L A N D R E P O R T MAINZ S E N D U N G: Gefährliches Geflügel: Wieso die Politik nichts gegen multiresistente Keime auf Hühnerfleisch unternimmt AutorInnen: Monika Anthes Edgar Verheyen Kamera: Maik Bläsche Andreas Deinert Hans Schauerte Schnitt: Frank Schumacher Moderation Fritz Frey: Bei einer wirklich schweren Erkältung oder bei einer Lungenentzündung verschreibt der Arzt Antibiotika. Immer öfter aber stoßen die Mediziner auf Krankheitserreger, die sich mit diesem Arzneimittel nicht mehr behandeln lassen, weil sie resistent sind. Auf der Suche nach Gründen für die zunehmende Wirkungslosigkeit von Antibiotika sind Monika Anthes und Edgar Verheyen jetzt auf eine weitere Spur gestoßen, eine Spur, die direkt in die Ställe großer Geflügelproduzenten führt.

2 2 Dort, so der Verdacht, werden Antibiotika im großen Stil unsachgemäß eingesetzt. Das ist gefährlich, vor allem dann, wenn die Gefahr direkt auf unseren Tellern landet. Bericht: Gesund, fettarm, lecker Gründe, warum die Deutschen immer mehr Geflügelfleisch essen. Der Verbrauch steigt stetig. Doch jetzt schlagen Wissenschaftler Alarm: Mit dem Fleisch können gefährliche Krankheitskeime in die Küche gelangen. Davor warnt einer der bekanntesten deutschen Mikrobiologen, Prof. Wolfgang Witte. Seit Jahrzehnten forscht er am Robert Koch- Institut. Er und sein Team haben in einer neuen Studie das Auftauwasser von mehr als 100 Tiefkühlhähnchen verschiedener Hersteller untersucht. In jeder dritten Probe fanden sie große Mengen krankmachender Eiterkeime, sogenannte MRSA. Es besteht Ansteckungsgefahr. O-Ton, Prof. Wolfgang Witte, Robert-Koch-Institut:»Wenn ich jetzt das Auftauwasser an meine Finger bekomme und habe dort kleine Schnittwunden, dann kann der MRSA dort eindringen und kann eine Hautweichgewebeinfektion verursachen. Im ungünstigen Falle kann davon eine Blutvergiftung, eine Sepsis, ausgehen und im ganz ungünstigen Falle, ist selten, aber durchaus beschrieben, der Tod.«Für Laien ist der Krankheitskeim unsichtbar. Doch Wissenschaftler entdecken ihn immer öfter den MRSA, diese Abkürzung steht für Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus. Ein Eiterbakterium, gegen das viele Antibiotika nicht wirken. Dieser Krankheitskeim breitet sich in der Massentierhaltung immer mehr aus. Vor allem unter Schweinen und Geflügel. Das Problem: Der Tier-Keim geht auf den Menschen über, deshalb sind Landwirte, die in solchen Ställen arbeiten, besonders gefährdet. In Regionen mit großen Mastbetrieben, wie hier in Oldenburg, stecken sich immer mehr Menschen an. Der Hygienefacharzt Dr. Jörg Hermann hat beinahe täglich neue MRSA-Patienten. Einige hatten schwere Wundinfektionen.

3 3 O-Ton, Dr. Jörg Hermann, Hygienefacharzt, Klinikum Oldenburg:»Wir hatten einen Patienten, der in einem nutztierproduzierenden Betrieb tätig war, sich dort verletzt hat und dann mit einer Wundinfektion zu uns gekommen ist. Der Patient musste hier operiert werden, musste spezifische Antibiotika bekommen und war deutlich länger im Krankenhaus, als der das im Normalfall gewesen wäre.«durch Fleisch kann jetzt jeder mit dem Keim in Berührung kommen, denn der lauert nicht nur auf Tiefkühlhähnchen. Bundesinstitut für Risikobewertung. Hier haben Wissenschaftler in einer großangelegten, bundesweiten Studie über Fleischproben untersucht. 15 Prozent der Schweinfleischund 22 Prozent der Hühnerfleischproben waren mit MRSA belastet. Spitzenreiter: Das Putenfleisch 42 Prozent MRSA positiv. Vor allem auf Geflügel fanden die Forscher viele Keime, gegen die Antibiotika nicht mehr wirken. O-Ton, Dr. Bernd-Alois Tenhagen, Bundesinstitut für Risikobewertung:»Das ist sicherlich ein gravierendes Problem für den gesundheitlichen Verbraucherschutz, wenn diese Erreger dann resistent gegen ein oder mehrere Antibiotika sind, dann schränkt das natürlich die Möglichkeit der Ärzte, die Menschen, die infiziert sind, zu behandeln, deutlich ein, und das ist dann schon ein erhebliches Problem.«Immer mehr Tiere sind mit MRSA infiziert. Der Grund: Die Bedingungen in der Massentierhaltung. Die Puten stehen, dicht gedrängt, auf engstem Raum. Krankheiten breiten sich in solchen Ställen schnell aus. Deshalb greifen viele Mäster massenhaft zu Antibiotika, wie diese heimlich gedrehten Aufnahmen zeigen. Die Politik hat dieses Problem erkannt, will seit Jahren den Antibiotikaeinsatz reduzieren. Doch dafür muss der Staat erst einmal wissen, wie viel davon überhaupt eingesetzt wird. Verlässliche Zahlen fehlen bislang. Deshalb hat die Bundesregierung eine Verordnung erlassen. Demnach muss die Pharmaindustrie alle Lieferungen von Antibiotika

4 4 an Tierärzte melden, und zwar an das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation, kurz DIMDI. Es werden die Wirkstoffe, Mengen sowie die ersten beiden Ziffern der Postleitzahl der Tierarztpraxis erfasst. Doch es gibt eine Ausnahme: Bei Antibiotika für Geflügel wird der Lieferort nicht registriert, und das, obwohl gerade Geflügel besonders belastet ist. Kritiker vermuten, dass sich die Geflügellobby durchgesetzt hat. Vergangene Woche. Das Präsidium der Bundestierärztekammer tagt in Berlin. Auch die Tierärzte kritisieren diese Regelung scharf. Der Präsident fordert mehr Transparenz, vor allem beim Geflügel. O-Ton, Dr. Theodor Mantel, Präsident Bundestierärztekammer:»Tierärzte, die korrekt arbeiten, haben nichts zu verbergen, und insofern sehen wir nach wie vor hier keine Veranlassung, beim Geflügel, bei Geflügelpräparaten, anders zu verfahren, als bei den anderen Tierspezies. Wir sollten unmittelbaren Zugriff haben auf die Menge der eingesetzten Medikamente, speziell natürlich der Antibiotika, im jeweiligen Betrieb.«Mehr Transparenz vor allem bei Antibiotika für Geflügel. Was sagt die Ministerin zu dieser Forderung? Ein Interview lehnt sie ab. Auf einer Pressekonferenz am vergangenen Freitag sprechen wir sie dennoch darauf an. Ilse Aigner redet sich raus, schiebt die Verantwortung auf die Länder. O-Ton, Ilse Aigner, Bundeslandwirtschaftsministerin:»Die Länder sind hier zuständig für die Kontrolle sowohl des Betriebes als auch der Tierärzte. Es gibt ganz klare Regeln und die müssen auch überwacht werden.«dem widerspricht der Landwirtschaftsminister von Nordrhein- Westfalen vehement. O-Ton, Johannes Remmel, B`90/Die Grünen, Landwirtschaftsminister NRW:»Also wir haben gar nicht die Möglichkeit, diese Zahlen so jedenfalls zuzuordnen, dass wir Lieferströme und Verordnungswege klar erkennen könnten.«

5 5 Massenhafter Antibiotikaeinsatz in der Mast, krank machende Keime im Fleisch. Davor sollte die Bundesregierung die Verbraucher schützen, statt die Geflügelindustrie zu schonen. Abmoderation Fritz Frey: Hinter den Kulissen tobt ein politischer Streit über das richtige Rezept gegen Antibiotika-Resistenzen. Landwirtschaftminister wie der niedersächsische oder der aus Nordrhein-Westfalen stehen gegen Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner. Wir finden: Wenn es um unsere Gesundheit geht, darf es keine faulen Kompromisse geben. Darüber habe ich mich übrigens auch mit unseren Fachautoren unterhalten. Das Gespräch unter