S Ü D W E S T R U N D F U N K F S - I N L A N D R E P O R T MAINZ S E N D U N G:

Transkript

1 Diese Kopie wird nur zur rein persönlichen Information überlassen. Jede Form der Vervielfältigung oder Verwertung bedarf der ausdrücklichen vorherigen Genehmigung des Urhebers by the author S Ü D W E S T R U N D F U N K F S - I N L A N D R E P O R T MAINZ S E N D U N G: Schmutziges Geschäft: Pharmakonzern verkauft in Deutschland verbotenes Medikament in Brasilien Autor: Red. Mitarbeit: Kamera: Schnitt: Thomas Reutter Mariá Mendonça Thomas Reutter Christian Saal Gerald Volp Stefan Weinholz Moderation Fritz Frey: Boehringer Ingelheim, das ist das zweitgrößte Pharmaunternehmen in Deutschland. Mit seinem zweistelligen Milliardenumsatz gehört es zu den ganz großen in der Branche. Stolz verweist man auf die hohen ethischen Standards, nach denen die Geschäftspolitik ausgerichtet werde. Wenn ein solcher Branchenriese mit einem Medikament, das in Deutschland seit Jahren verboten ist, in Brasilien satte Gewinne macht, dann ist das ein Thema für REPORT MAINZ. Thomas Reutter mit den Details.

2 2 Bericht: Eine Mutter ist verzweifelt. Ein Medikament hat das Leben ihrer Tochter dramatisch verändert. Bei Familie Padilha müssen sich alle um Fernanda kümmern. Denn Fernanda verlor durch einen allergischen Schock ihr Gedächtnis, ausgelöst durch ein Medikament aus Deutschland. Auf einen Schlag war sie ein Pflegefall. O-Ton, Celso Nilson Padilha, Fernandas Vater: O-Ton, Andréia Fernanda Padilha:»Sie hatte einen Herzstillstand, um die Augen war sie blau, die Lippen waren blau. Sie war praktisch tot.die größte Schwierigkeit ist es, mich an die Sachen zu erinnern, ich vergesse so vieles, sehr vieles.«früher hatte sie viele Freunde und den höchsten Schulabschluss. Journalistin wollte sie werden. In diesem Krankenhaus spritzte man ihr ein Mittel von Boehringer Ingelheim gegen harmlose Rückenschmerzen. Das löste den Schock aus. Fernanda überlebte. Doch der Schock warf sie in ihrer geistigen Entwicklung auf den Stand eines zweijährigen Kindes zurück. Mühsam musste sie alles wieder neu lernen: sprechen, lesen, schreiben. Ihre Eltern hörten auf zu arbeiten, um sie pflegen zu können. Sie mussten Fernanda ein zweites Mal aufziehen. Heute, 13 Jahre später, ist sie 31 Jahre alt, aber in ihrer Entwicklung erst auf dem Stand einer 14-Jährigen, erzählen uns die Eltern. Ein Interview zu den Nebenwirkungen seines Medikaments lehnt Boehringer Ingelheim ab. Schriftlich teilt uns der Konzern mit, er gehe Fällen nach, in denen es zu schweren Nebenwirkungen kommt. In einer Drogerie in Brasilien kaufen wir eine Packung von dem Medikament, das Fernandas Zukunft zerstörte. Hier ist es überall rezeptfrei erhältlich: Buscopan Composto von Boehringer Ingelheim. Der Konzern verkauft es in Lateinamerika, obwohl es in Deutschland schon lange verboten ist. Schon 1987 stufte das Bundesgesundheitsamt das Mittel als medizinisch nicht vertretbar ein und nahm es vom Markt.

3 3 Er hat das Verbot ausgearbeitet: Professor Peter Schönhöfer. Im Bundesgesundheitsamt war er damals für die Arzneimittelsicherheit zuständig. Für ihn war das Verbot unausweichlich, nachdem zahlreiche Patienten an dem Wirkstoff Metamizol in Kombinationen, wie sie auch in Buscopan Composto enthalten sind, gestorben waren: O-Ton, Prof. Dr. med. Peter Schönhöfer, Pharma-Experte:»1981 haben wir erfasst 55 Todesfälle allein durch Schock. Da aber in Erfassungssystemen spontaner Art nur fünf Prozent der tatsächlichen Ereignisse ankommen, müssen wir davon ausgehen, dass die Realität 20mal größer war, dass es sich also ungefähr um Fälle handelte.«der Grund für die hohe Dunkelziffer: oft wird die genaue Todesursache gar nicht erkannt. Buscopan Composto ist in den meisten europäischen Ländern verboten, auch zum Beispiel in den USA, in Australien und Japan. Nicht dagegen in Brasilien. Dort wirbt Boehringer Ingelheim noch im vergangenen Monat für eine breite Anwendungspalette: O-Ton, Werbevideo:»Wenn man zu viel Pizza gegessen hat. Wenn man den Schlüssel im Auto vergessen hat. Bei Magenschmerzen und Krämpfen. Oder wenn man sich mal nicht wohl fühlt. Dafür gibt es Buscopan Composto.«O-Ton, Prof. Dr. med. Peter Schönhöfer, Pharma-Experte:»Das ist eine grobe Verzerrung des Risikos der Substanz.«Buscopan Composto, bei uns verboten, doch in Südamerika verkauft es die Firma massenhaft. Familie Padilha klagte gegen das Krankenhaus. Doch die Ärzte wurden freigesprochen. Kein Behandlungsfehler Und Boehringer Ingelheim schreibt uns dazu:»nach dieser Berufungsentscheidung steht aber keineswegs fest, dass Frau Padilha mit Buscopan Composto behandelt wurde.«

4 4 Wirklich? REPORT MAINZ liegt das Urteil vor. Wir wundern uns, denn das Gericht schließt aus, dass ein anders Medikament als Buscopan Composto verwendet wurde. Ihr Anwalt: O-Ton, Ferdinando Damo, Rechtsanwalt von Fernanda:»Ohne jeden Zweifel. Aus dem ärztlichen Gutachten ging hervor, dass es sich um Buscopan Composto handelte.«die brasilianischen Medien berichten immer wieder über Todesfälle nach der Vergabe von Buscopan Composto. Warum vertreibt Boehringer Ingelheim ein solches Medikament, das so gefährlich ist? Aus der Konzernzentrale erhalten wir diese Antwort:»Das positive Nutzen-Risiko-Profil von Buscopan Composto spricht gegen eine Marktrücknahme.«Das Bundesgesundheitsamt stellte dagegen 1990 fest:»die Nutzen-Risikoabwägung für die Kombinationspräparate stellt sich daher insgesamt als negativ heraus.«hat sich daran etwas für die Patienten geändert? Dem widerspricht Claudia Jenkes. Die Pharma-Kritikerin arbeitet an einer Studie, zu den Medikamenten, die Boehringer Ingelheim und andere Pharmafirmen in Brasilien verkaufen. O-Ton, Claudia Jenkes, BUKO-Pharmakampagne:»Boehringer Ingelheim vermarktet ein Arzneimittel, zu dem es auf jeden Fall Alternativen gibt, sicherere Arzneimittel. Und unseres Erachtens sollte die Firma Buscopan Composto in allen Ländern vom Markt nehmen.«fernanda kann kaum alleine auf die Straße gehen. Sie vergisst den Weg nach Hause. Ihre Mutter muss immer bei ihr bleiben. Sie hat die Hoffnung, dass Fernanda irgendwann wieder so wird wie früher. Die Ärzte haben diese Hoffnung aufgegeben.

5 5 Abmoderation Fritz Frey: Um auch das zu sagen: Das Geschäftsgebaren von Boehringer Ingelheim verstößt, soweit wir das recherchieren konnten, nicht gegen gesetzliche Regelungen. Ein Unternehmen aber, das so viel auf seine ethischen Standards setzt, muss sich schon fragen lassen, ob sein Handel mit Buscopan Composto den eigenen Ansprüchen genügt.