S Ü D W E S T R U N D F U N K F S - I N L A N D R E P O R T MAINZ S E N D U N G:

Transkript

1 Diese Kopie wird nur zur rein persönlichen Information überlassen. Jede Form der Vervielfältigung oder Verwertung bedarf der ausdrücklichen vorherigen Genehmigung des Urhebers by the author S Ü D W E S T R U N D F U N K F S - I N L A N D R E P O R T MAINZ S E N D U N G: Abzocke mit Sozialwohnungen- Preistreiberei auf Kosten von Geringverdienern Autoren: Kamera: Schnitt: Achim Reinhardt Andreas Deinert Mathias Sauter Thomas Schäfer Susanna Tomas Moderation Fritz Frey: Guten Abend zu REPORT MAINZ. Immer öfter werden Mieter in Deutschland dreist abgezockt. Selbst bei so genannten Sozialwohnungen finden skrupellose Vermieter Wege, ihre Mieter auszuplündern. Achim Reinhardt mit einer Geschichte, die so schön begann. Bericht: Eigentlich müssten hier die glücklichsten Sozialmieter der Welt wohnen: Hochmoderne Architektur, tolle Lage in Hamburg, sogar mit Bootssteg und Kanuliegeplätzen. Und mit schickem Namen: The Bridge. Gleich nebenan der Neubau Le Parc. Der private Bauherr hat beide Grundstücke günstig bekommen, mit staatlicher Förderung dafür muss er hier Sozialwohnungen anbieten. Die Miete: 15 Jahre niedrig, gesetzlich garantiert.

2 2 Jeannette Leoni konnte ihr Glück kaum fassen. Sie ist alleinerziehend, hat drei Töchter und kommt finanziell gerade so über die Runden. Endlich eine Wohnung, die sie sich leisten konnte. Doch die Sache hatte einen Haken. Der Vermieter wollte plötzlich mehr Geld. O-Ton, Jeannette Leoni, Sozialmieterin:»Für die Ausstattung in der Wohnung waren das knapp Euro, dann wollte er für einen Tiefgaragenstellplatz 177 Euro, für einen Keller extra 37 Euro, für eine Dachterrasse, für eine halbe, 30 Euro. Ja, das Geld hat richtig wehgetan. Das zahlen zu müssen, da habe ich fast geweint.«extrakosten für die höherwertige Ausstattung, und dann noch die Extramiete für den Parkplatz damit wurde die Sozialwohnung deutlich teurer. Dabei braucht sie weder Edelparkett noch Tiefgaragenplatz. Doch sie hatte da keine große Wahl, sagt sie. O-Ton, Jeannette Leoni, Sozialmieterin:»Es wurde einem von vornherein zu verstehen gegeben, wir haben hier so viele Interessenten, friss oder stirb, nimm das oder geh wieder.«auch ihre Nachbarin Kirsten Wolf fühlt sich über den Tisch gezogen. Die Studentin jobbt bei einer Krankenkasse. Sie muss für ihren Tiefgaragenplatz 125 Euro im Monat bezahlen. Und diese Zusatzmiete steigt alle 2 Jahre um 12,50 Euro. Sie würde den teuren Parkplatz gerne kündigen können. Doch der ist vertraglich an die Wohnung gebunden. Ihr Eindruck: O-Ton, Kirsten Wolf, Sozialmieterin:»Wir wurden massiv unter Druck gesetzt und wir hatten keine Wahl. Wir mussten die Zusatzkosten annehmen, wir mussten tatsächlich unseren Mietpreis schlagartig erhöhen.«damit nicht genug. Sobald die Preisbindung ihrer Sozialwohnung endet, wird ihre Miete regelrecht explodieren. Spätestens dann sind Geringverdiener wie sie hier raus. Ausgedacht hat sich das alles Bauherr und Vermieter Gerhard Clausen. Der Notar weiß Gesetzeslücken für sich zu nutzen. Weil Sozialmieter protestierten, machte die Stadt ihm Druck. Clausen musste zwar das Geld für die Luxusausstattung vorerst zurückgeben und einen Teil der

3 3 Forderungen fallen lassen. Dagegen klagt er aber vor Gericht. Und teure Extra-Mieten für Parkplätze streicht er weiter ein. Schriftlich teilt er mit, er könne nichts Unanständiges daran sehen. Die Mieter seien in ihrer Entscheidung völlig frei. Er habe in keinem Fall Mieter unter Druck gesetzt. Komisch: Bei einem Interview im Lokalfernsehen klang das ganz anders: O-Ton, Gerhard Clausen, Bauherr und Vermieter (Hamburg Journal):»Wir können die Wohnung jedenfalls nicht so weggeben, dass wir dann sagen, die Stellplätze bleiben leer, und wo soll ich die Mieter für die Stellplätze herkriegen? Deswegen bevorzugen wir natürlich Mieter, bei denen wir den Eindruck haben, dass die sich wirtschaftlich auch noch weiterentwickeln können.«o-ton, Rolf Bosse, Mieteranwalt Hamburg:»Für mich ist empörend und einfach skandalös, dass der Vermieter günstig an Grundstücke, günstig an Neubauten gekommen ist über die öffentliche Förderung und zudem eben über diese Zusatzvereinbarungen höhere, deutlich höhere Mieten jetzt kassiert von seinen Mietern als er eigentlich haben sollte.«abzocke mit staatlich geförderten Sozialwohnungen? Dabei sollten Geringverdiener doch gerade hier vor Mietwucher geschützt sein. Nicht nur in Hamburg, in vielen Städten wird derzeit mit Sozialwohnungen Kasse gemacht, beobachtet der Mieterbund. O-Ton, Lukas Siebenkotten, Direktor Deutscher Mieterbund:»In Ballungszentren und Universitätsstädten, in denen besondere Wohnraumknappheit herrscht, beobachten wir besondere Spekulationsprobleme, aber auch, dass Vermieter tricksen mit energetischer Sanierung oder dass sie Mieterinnen und Mieter zwingen, Objekte anzumieten, die mit der eigentlichen Sozialwohnung überhaupt nichts zu tun haben und überteuert sind.«auch am anderen Ende der Republik, in Freiburg, bekommen Sozialmieter drastische Mieterhöhungen. Denn die Freiburger Stadtbau saniert gerade ihre Wohnblocks aus den 60er Jahren. Jahrzehntelang wurde hier nichts gemacht. Jetzt wird s für die Sozialmieter teuer.

4 4 Der LKW-Fahrer Michael Kneuer verdient Euro netto. Das muss für die ganze Familie reichen. Seine Frau pflegt zu Hause die behinderte Tochter. Nach der Modernisierung sollen sie 265 Euro mehr zahlen. Die Kaltmiete verdoppelt sich. O-Ton, Michael Kneuer, Sozialmieter:»Durch die Mieterhöhung hab ich eben die Angst, dass mein Gehalt reicht nicht aus für die Wohnung und dann weiß ich auch nicht wohin wir sollen, weil das ist ja schon Sozialwohnung und billig. Wo soll s billiger sein?«der Freiburger Oberbürgermeister sieht darin kein Problem. Man bleibe mit der Miete immer noch im unteren Bereich. Die Mieterhöhung diene nicht der Gewinnerzielung, sondern der Refinanzierung. Die Stadtbau komme ihrer sozialen Verpflichtung in vollem Umfang nach. Annette Brox ist Sozialarbeiterin und betreut hier viele Sozialmieter. Sie warnt vor Mieterhöhungen auf Kosten von Geringverdienern. O-Ton, Annette Brox, Sozialarbeiterin:»Die Mieterhöhung durch die Sanierung hier treibt die Leute in die Armut. Eigentlich sollte man meinen, die Sozialwohnungen, auch die ehemaligen Sozialwohnungen, schützen die Menschen genau davor.«der Deutsche Mieterbund schlägt jetzt im Interview mit REPORT MAINZ Alarm. Er fordert, die gesetzlichen Regelungslücken endlich zu schließen. O-Ton, Lukas Siebenkotten,Direktor Deutscher Mieterbund:»Die gesamte Gesetzgebung im Wohnraumförderungsbereich muss auf den Prüfstand gestellt werden. Es muss sichergestellt werden, dass Mieterinnen und Mieter vor Abzocke geschützt werden, und dazu muss kontrolliert werden.«selbst Sozialwohnungen schützen nicht mehr vor der Mietpreisexplosion. Die Wohnungsnot trifft die Schwächsten der Schwachen.

5 5 Abmoderation Fritz Frey: 24 Millionen Miethaushalte gibt es in Deutschland. Da sind viele Wähler dabei und die werden Sie, liebe Politiker, die Sie am 22. September gewählt werden wollen, daran messen, wie Sie verhindern wollen, dass Mieter weiter abgezockt werden. Unter übrigens eine ausführliche Fassung des eben gesehenen Beitrages.