Die klassische Lehre der Temperamente von Hippokrates

Transkript

1 Die klassische Lehre der Temperamente von Hippokrates Exkurs Typen und Temperamente Für Texter, Marketer und alle Interessierten In jeder Entscheidung, die wir treffen, spiegeln sich unsere Vorlieben und unser Verständnis der Welt wider. Michael Moskowitz Von Thorsten Ströher, MBA

2 Vorwort Seit Menschen die Erde bevölkern, hat es Versuche gegeben, den Menschen in seiner Einmaligkeit besser zu verstehen und seine Eigenarten und Verhaltensmuster in Schemata zu gruppieren. Die wohl älteste und schriftlich fixierte Theorie stammt von dem griechischen Arzt Hippokrates ( v.chr.), dem Vater und Begründer westlicher Medizin. Seine Lehre von den vier Temperamenten hat mit intuitiver Sicherheit Lebensgrund-Strukturen gekennzeichnet, die sich weit über 2000 Jahre erhalten haben und heute noch Anwendung finden. Selbst der weltbekannte deutsche Hirnforscher Gerhard Roth äußerte sich zu diesem alten System wie folgt: "So falsch ist das nicht." Das Temperament beschreibt die Art und Weise, wie ein Lebewesen agiert und reagiert, seinen Verhaltensstil also. Der Begriff umschreibt relativ konstante, daher typische Merkmale des Verhaltens wie Ausdauer, Reizschwelle, Stimmung und Tempo. Das Wort Temperament beinhaltet richtige Mischung. Jeder Mensch ist in seinem Temperament eine Mischung aus den vier Grundtemperamenten Sanguiniker Choleriker Phlegmatiker Melancholiker Den vier Grundtypen werden auch die vier Grundfarben zugeordnet. Der Sanguiniker ist gelb, der Choleriker wird mit rot in Verbindung gebracht. Der Phlegmatiker wird mit grün verbunden, und der Melancholiker hat die Tiefe der Farbe Blau. 2 von 12

3 Grundsätzlich aber trägt jeder Mensch ein bis zwei Grundtemperamente in sich, die einen Schwerpunkt bilden und seine wahrnehmbare Persönlichkeit ausmachen. Der Sanguiniker Grundwesen Was ihn/sie symbolisiert Das sanguinische Temperament kennzeichnet den fröhlichen, lauten, unterhaltenden, gesprächigen und gern genießenden Menschen. Diese sogenannten Leichtblütigen sind in allen Lebenslagen optimistisch eingestellte Menschen. Ihre Grundemotion: Begeisterung Sie sind eher: extrovertiert und sprunghaft aktiv und ruhelos charmant und galant offenherzig und redselig unbefangen und unterhaltsam liebenswürdig und lebhaft grenzüberschreitend und ermüdend 3 von 12

4 Der Choleriker Grundwesen Was ihn/sie symbolisiert Das cholerische Temperament kennzeichnet den heißblütigen Menschen mit dem schnellen, aktiven Handeln. Der Heißblütige ist leicht erregbar, ehrgeizig, dominant und aufbrausend. Er ist in erster Linie Ihre Grundemotion: Wut Sie sind eher: herrschsüchtig und unnachgiebig eigensinnig und schroff entschlussfreudig und tatkräftig kämpferisch und wütend dominant und grenzüberschreitend hitzköpfig und unsensibel 4 von 12

5 Der Phlegmatiker Grundwesen Was ihn/sie symbolisiert Das phlegmatische Temperament kennzeichnet den eher langsamen, friedlichen und gemütlichen Menschen. Diese Menschen gehören sicherlich nicht zu den gewandtesten und flexibelsten Zeitgenossen, sind aber in ihrer Belastbarkeit, Ruhe, Gründlichkeit, Diplomatie, Vermittlungsfähigkeit, Standhaftigkeit und Ausdauer kaum zu übertreffen. Ihre Grundemotion: Ängstlichkeit (Vorsicht) Sie sind eher: ruhig und wahrnehmend gutmütig und liebenswürdig gründlich und praktisch langsam und achtsam unentschlossen und träge 5 von 12

6 Der Melancholiker Grundwesen Was ihn/sie symbolisiert Das melancholische Temperament kennzeichnet den dunklen, bedrückten und schwermütigen Menschen. Die Schwerblütigen sind empfindsame und sensible Menschen. Sie bevorzugen Arbeiten und Tätigkeiten, die sie für sich und auf sich allein gestellt durchführen können. Sie sind in erster Linie Ihre Grundemotion: Misstrauen (Skepsis) Sie sind eher: gefühlvoll und selbstbezogen verschlossen und zurückgezogen grüblerisch und verletzlich gründlich und treu zuverlässig und selbstdiszipliniert pessimistisch und unentschlossen unauffällig und planend 6 von 12

7 Das Beobachten und praktische Erleben der unterschiedlichen Temperamente kommt in folgendem Gedicht von Friedrich Rückert suffisant zum Ausdruck. Sind es doch gerade die Beobachtungen im Alltag, wenn die Temperamente ganz in ihrem Element sind: Leicht springt er über den Stein der Sanguiniker keck und mit Anmut stolpert er dennoch darob Macht er sich wenig daraus. Grimmig stößt in beiseit des Cholerikers kräftiger Fußtritt und sein funkelndes Aug freut sich des guten Erfolgs. Kommt der Phlegmatiker an, so hemmt er behaglich die Schritte: Gehst Du mir nicht aus dem Weg, so geh ich eben herum. Aber grübelnd vor ihm bleibt der Melancholiker stehn, sinnet vergeblich nach über sein ewiges Pech. Temperamente haben fließende Grenzen Die Vier-Typen-Klassifizierung nach Hippokrates hat sich bis heute erfolgreich behauptet, und stellt im wesentlichen die Basis vieler moderner Typologien dar. Die meisten Menschen haben ein deutliches Schwerpunkt- Temperament, mit einem weiteren Standbein in einem anderen Temperament. Daraus ergibt sich, dass im wesentlichen immer die Mischung zweiter Temperamente die gesamten Wesenszüge des Menschen ausmachen. Littauer (2006) spricht von den natürlichen Zusammensetzungen, ergänzenden Mischungen und Gegensätzen. Daraus ergeben sich für den realistischen Alltag folgende Kombinationen: 7 von 12

8 Natürliche Zusammensetzung ( Blutsbrüder ) Cholerisch/Sanguinisch Melancholisch/Phlegmatisch Ergänzende Mischungen ( Nahe Verwandte ) Cholerisch/Melancholisch Sanguinisch/Phlegmatisch Gegensätze Komplementäre Temperamente Sanguinisch/Melancholisch Cholerisch/Phlegmatisch In der Praxis sind die natürlichen Zusammensetzungen sowie die ergänzenden Mischungen am häufigsten anzutreffen. In der Temperamenten-Rose von Goethe/Schiller ist zu erkennen, dass es sich dabei immer um benachbarte, und nicht um sich gegenüberliegende Temperamente handelt. Menschen mit in sich wohnendem gegensätzlichen Temperamenten sind eher seltener anzutreffen. Daher soll kurz auf die Blutsbrüder und die nahen Verwandten eingegangen werden. "Blutsbrüder" Das cholerische und sanguinische Temperament haben eine großen gemeinsamen Nenner: sie sind extrovertiert. Beide gehen auf Menschen zu, sind optimistisch und sagen, was sie denken. Der Sanguiniker redet viel zum Spaß, der Choleriker beruflich, aber sie sind beide verbale Menschen. Die andere natürliche Mischung Melancholisch/Phlegmatisch gibt sich durch die Introvertiertheit zu erkennen. Beide Temperamente sind eher still und pessimistisch veranlagt. Sie stehen mehr auf der ernsten Seite des Lebens und reden nicht viel. "Nahe Verwandte" Das cholerisch/melancholische Temperament ist eine ergänzende Zusammensetzung eine Kombination, die gut zusammenpasst und das jeweils Fehlende in des anderen Naturells ergänzt. Der cholerische Melancholiker gibt den besten Geschäftsmann ab, weil die Kombination der cholerischen Führungskraft, Arbeitswut und Zielstrebigkeit, mit den Eigenschaften des Melancholikers nämlich analytisches 8 von 12

9 Denken, Detailbewusstsein und planmäßiges Vorgehen kombiniert einfach unschlagbar ist. Die andere sich ergänzende Mischung ist der sanguinische Phlegmatiker. Sinn für Humor und ein unbekümmertes Naturell von beiden Seiten her macht den sanguinischen Phlegmatiker zum bestmöglichen Freund. Seine warmherzige, entspannte Art ist ansprechend, und die Menschen sind gerne in seiner Nähe. Der Phlegmatiker in ihm dämpft die Höhenflüge und Abstürze des Sanguinikers, wogegen der sanguinische Teil seiner Persönlichkeit den Phlegmatiker mit Leben erfüllt. Diese Mischung ist die beste von allen für den Umgang mit Menschen. 9 von 12

10 Reflektion Nach Hippokrates differenzierte die Persönlichkeitsforschung mehr. Insbesondere Wilhelm Wundt, Hans-Jürgen Eysenck, R.B. Catell oder Robert Cloninger strebten eine dimensionale Annäherung an die menschliche Persönlichkeit an. Anstatt der Klassifizierung einer Persönlichkeit wird ein näher beschreibendes Persönlichkeitsprofil erstellt. Dabei entsteht ein Polaritätenprofil, welches sich zwischen gegensätzlichen Charaktereigenschaften abzeichnet. Solche Dimensionen ( = persönliche Gründzüge ) sind beispielsweise im MMPI-Test (Minnesota Multiphasic Personality Inventory) oder im "16 PF-Test" sowie im "Big Five"-Verfahren beinhaltet. Es folgen Beispiele, um sich ein Bild zu solchen Dimensionen machen zu können: emotional instabil sich unterordnend zurückhaltend abhängig praktisch usw. versus dominierend emotional stabil enthusiastisch selbständig theoretisch Temperamente sind fließend. Schon daher sollte man der Vereinfachung nicht einfach den Vortritt lassen, also Persönlichkeiten zu "schubladisieren". Wenn wir Menschen spontan einschätzen, dann ist dies zunächst nur eine "Schätzung". Auch darin liegt die Angst vor dem Einfachen. Niemand lässt sich gerne auf eine erste Einschätzung hin "kategorisieren". Zur Arbeit mit Temperamenten gehört diese Einsicht wie das Ruder zum Ruderboot. Auf der anderen Seite ist es allzu menschlich, schnelle Einschätzungen vorzunehmen, um bei der Bewertung neuer Situationen auf bewährte Mustervorlagen zu greifen. Diente dieses Verhalten doch schon immer als Überlebensvorteil. 10 von 12

11 In jedem Augenblick kategorisieren Menschen. Entscheidend ist, wie sie mit dieser Ordnung umgehen. Und weil die Bildung von Kategorien einfacher ist, diese spontan angewendet werden können, haben sie auch einen größeren Wert im Alltag. Lesen Sie, warum bereits Hippokrates vor über 2000 Jahren wertvollen Rat für Menschen in Verkaufsberufen zu bieten hatte... Moderne Typologien sind sehr tiefgründige Modelle. Doch schon vor über 2000 Jahren hätte der Gründer der Temperamentelehre und Arzt Hippokrates heutigen Marketern und Verkäufers folgende wertvolle Hinweise in die Handbücher geschrieben: Der Choleriker reagiert schnell und entschieden auf neue Produktangebote, wenn diese ihm zusagen. Der Choleriker ist jederzeit und konsequent bereit, den Lieferanten zu wechseln, wenn ihm bessere Angebote vorliegen. Der Sanguiniker ist von einem neuen Produkt schnell begeistert. Allerdings ist diese Begeisterung recht oberflächlich und verfliegt sehr schnell bei neuen Reizen. Der Melancholiker ist gegenüber (neuen) Reizen sehr verschlossen. Doch wenn er eine Entscheidung getroffen hat, steht er fest und entschlossen dahinter. Der Melancholiker verändert seine Stimmungslage nur langsam. Doch rutscht er dann sehr stark in Extreme ab. Depressionen und langanhaltende Zorn-Phasen kennzeichnen ihn. Der Melancholiker bleibt einem Lieferanten treu, sofern er nicht stark negativ gereizt wird. Der Phlegmatiker reagiert nur sehr schwach und langsam auf äußere Reize. Seine Gleichgültigkeit und stoische Ruhe machen aus ihm sicherlich den schlechtesten Impulskäufer für ein anbietendes Unternehmen. Der Phlegmatiker wird seinen Lieferanten nicht wechseln. Auch aus größeren Konflikten wird er keinerlei negative oder positive Konsequenzen ziehen. 11 von 12

12 Literaturverzeichnis Littauer, Florence Einfach typisch Gerth Medien, Asslar 2006 Rolfe, Randy Charakterkunde der vier Temperamente Integral Verlag, 2003 Gabriele Dietrich Typisch! Güterloher Verlagshaus Gerhard Roth Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten Klett-Cotta Walter Simon (Hrsg.) Persönlichkeitsmodelle und Persönlichkeitstests Jokers Edition Friedrich Seibt Psychoanalytische Charakterlehre UTB Reinhardt Typen, Temperamente, Persönlichkeit Was Menschen bewegt Kurzseminare zum Thema finden Sie auf Das Pertemp-Modell von Thorsten Ströher ist ein einzigartiges Werkzeug, welches ich täglich einsetze." "Thorsten Ströher hat meine hohen Erwartungen noch übertroffen. Verblüffend in wie vielen Bereichen man dieses Tooleinsetzen kann. Jedem Marketing- und Verkaufsverantwortlichen empfehle ich dieses Know-how wärmstens." 12 von 12