Mutterseelenallein? Die Behandlung einer postpartalen Depression im systemischen Kontext
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- Juliane Holst
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1 Mutterseelenallein? Die Behandlung einer postpartalen Depression im systemischen Kontext Claudia Adams Ergotherapeutin PZO Josette Huber Chefärztin Kinder & Jugendpsychiatrie PZO Dr. Bernadette Stucky Chefärztin Ambulante Psychiatrie PZO 2. Berner Psychiatriekongress, 5. Mai
2 Psychiatriezentrum Oberwallis PZO Integration der Psychiatrie in das Allgemeinspital seit
3 Inhaltsverzeichnis Fallvignette - Postpartale Depression - Mutter- Kind - Interaktion - von der Dyade zur Triade - Papa und der grosse Bruder 3
4 - Anmeldung durch die Frauenärztin, Frau X, 30 jährig - Dg. Postpartale Depression 4
5 Postpartale psychische Störungen B. Wimmer-Puchinger, A. Riecher-Rössler, Postpartale Depression
6 Postpartales Stimmungstief Syn: Babyblues, postpartale Dysphorie, Heultage, Tagestränen, 10- Tagesweinen, Milchfieber Hochgradige Affektlabilität, Weinerlichkeit, Ängstlichket, Schlaf- und Appetitstörung Keine Krankheit Umgang: supportive Gespräche, Information
7 Postpartale Depression Ri Riecher-Rössler,
8 Edinburgh Postnatal Depression Scale EPDS In den letzten 7 Tagen.. 1 konnte ich lachen und das Leben von der sonnigen Seite sehen 2. konnte ich mich so richtig auf etwas freuen 3. fühlte ich mich unnötigerweise schuldig 4. war ich ängstlich und besorgt aus nichtigen Gründen 5. erschrak ich leicht bzw. reagierte panisch aus unerfindlichen Gründen 6. überforderten mich verschiedene Umstände 7. war ich so unglücklich, dass ich nicht schlafen konnte 8. habe ich mich traurig und schlecht gefühlt 9. war ich so unglücklich, dass ich geweint habe 10. überkam mich der Gedanke, mir selbst Schaden zuzufügen Die Antworten werden je nach Symptomschwere mit 0, 1, 2 und 3 bewertet. Die Fragen 3, 5, 6, 7, 8, 9 und 10 sind spiegelbildlich konstruiert (Bewertung mit 3, 2, 1 und 0). Die Addition der einzelnen Items ergibt den Summenscore. Ein Summenscore von 10 sollte zu einer genaueren psychiatrischen Untersuchung Anlass geben. 8
9 Hübner-Liebemann et al., Peripartale Depressionen erkennen und behandeln
10 Peripartale Depressionen häufigste psychiatrische Erkrankung Nur 20-40% suchen professionelle Hilfe auf erhöhtes Risiko für Substanzgebrauch, Gestations- Diabetes, Suizid / Infantizid Kindern depressiver Mütter erhöhtes Risiko für intrauterine Wachstumsverzögerung, Frühgeburt, geringeres Geburtsgewicht, Schlaf-, Still-, Fütterungs- und Gedeihstörungen, verringerte Affektregulation, unsichergebundenen Bindungsstil Hübner-Liebemann et al, Peripartale Depressionen erkennen und behandeln
11 Therapieüberlegungen Gefahr für Mutter / Kind? Ressourcen der Mutter /Umfeld? Parenting Assessment? - Alltägliche Versorgung des Babys - Erkennen kindlicher Bedürfnisse - Umgang mit kritischen Situationen - Emotionale Beziehung zum Kind 11
12 Generations- und Abteilungsübergreifende Zusammenarbeit am PZO 12
13 Mutter-Kind-Interaktion 13
14 Mutterschaftskonstellation (Stern, 1995) 1. Thema des Lebens und des Wachstum: Kann ich als Mutter das Überleben und Gedeihen des Babys gewährleisten? 2. Thema der primären Bezogenheit: Kann ich eine Beziehung zu meinem Baby aufbauen? 3. Thema der unterstützenden Matrix: Kann ich ein unterstützendes System schaffen und das auch tolerieren, damit ich in der Lage bin, meine Aufgaben als Mutter zu erfüllen? 4. Thema der Reorganisation der Identität: Bin ich in der Lage, meine Identität so zu verändern, dass dadurch meine mütterlichen Funktionen unterstützt und gefördert werden? 14
15 Reorganisation der mütterlichen Identität Deix Manfred, Harmonie in der Familie, 1998
16 Mutterschaftstriologie (Stern) Folgende Diskurse sind dabei wesentlich: 1. Der Diskurs mit der eigenen Mutter, als Mutter der eigenen Kindheit 2. Der Diskurs der Mutter mit sich selbst 3. Der Diskurs mit dem Baby Hinter diesen Diskursen können sich eine Vielzahl möglicher Ängste, Beunruhigungen und Konflikte verbergen. 16
17 Anpassungs- und Entwicklungsaufgaben im 1. Lebensjahr Monate: Regulation der Trink-, Schlaf-,Wachheits- und Aktivitätszyklen. Die Mutter co-reguliert und orchestriert diese Zyklen Monate: Regulation von Aufmerksamkeit und Affekten, Konsolidierung des Nachtschlafes, Anpassung an Nahrungsumstellung durch Zufüttern. Mutter und Kind gestalten die Face-to-Face-Interaktion ohne Gegenstände Monate: beginnende Lokomotion und personenbezogener Bindung, Regulation von Nähe und Distanz. Gemeinsames Mutter- Kind- Spiel mit Gegenständen; vom Dialog zum Trilog Monate: Bindung und Loslösung/ Exploration. 17
18 Angeborene Verhaltensbereitschaften und Kompetenzen des Babys (Papousek) Das Baby hat es von Anfang an auf Kommunikation hin angelegt. Angeborene Vorliebe für das menschliche Gesicht Pränatal erlernte Vorliebe für die Stimme der Mutter und die Muttersprache Aktives Suchen nach Gesicht und Stimme Kann bereits in den ersten Lebenstagen Mimik nachahmen 18
19 Intuitive angeborene elterliche Kompetenzen (Papousek) 19
20 Angeborene intuitive Verhaltensbereitschaften 20
21 Ammensprache ( Baby Talk, Motherese ) Die Ammensprache ist eine den kindlichen Möglichkeiten angepasste Sprache. Die Äußerungen erfolgen in hoher Tonlage und korrespondieren damit sehr gut mit den Hörfähigkeiten von Babys. Babies sind besonders sensible für die Satzmelodie, die Intonation, die Pausen sowie die Rhythmik. Die sprachlichen Äußerungen sind kurz und einfach, oft repetitiv. Die Ammensprache erleichtert Kommunikation, dient der Co- Regulation und drückt Intimität und Zärtlichkeit aus. 21
22 Merkmale und Funktionen der intuitiven elterlichen Kommunikationsfähigkeiten (Papousek) Feinfühligkeit : Wahrnehmen, Verstehen und promptes angemessenes Beantworten kindlicher Signale Spiegelung des kindlichen Ausdrucksverhaltens Containing bieten basale Regulationshilfen Hilft dem Baby sich selbst und andere zu unterscheiden (Mentalisierung). 22
23 Intuitive elterliche Kompetenzen in der vorsprachlichen Kommunikation Eine universale biologische Ausstattung, die es ermöglicht das Baby zu verstehen und sich dem Baby verständlich zu machen. Sie helfen bei der gemeinsamen Bewältigung der Anpassungsund Entwicklungsaufgaben. Dem Kind kommt dadurch intuitiv abgestimmte Regulationshilfe zuteil. Unter individuellen Belastungen (Krankheit von Mutter u/o Kind, Traumatisierung der Mutter in ihrer eigenen Kindheit etc.) werden diese Kompetenzen gehemmt oder ausser Kraft gesetzt. xxx Mai 17 23
24 Depressive Teufelskreis (nach Riecher-Rössler) Enttäuschung, Rückzug, negativer Selbstwert, Schuldgefühle, Depression Geringe Selbstwirksamkeit, Desinteresse, Rückzug, erhöhte Stressparameter, Generalisierung Mutter Mangelnde Stimulation und Sensitivität für kindliche Signale, negativer Affekt, Rückzug Negatives Feedback, Blickkontaktvermeidung, negativer Affekt, Rückzug Kind 24
25 Engelskreis Selbstwirksamkeit, Selbstvertrauen: Mein Baby geniesst die Zweisamkeit, und ich bin eine gute Mutter Hohe Selbstwirksamkeit, Bezogenheit Mutter lächelt zurück Mutter Kind Säugling lächelt 25
26 Fallvignette Postpartale Depression Auftrag Stärken der Mutter-Kind-Beziehung Ressourcen der Mutter aktivieren Entwicklungsbedürfnisse des Säuglings Behandlungsverlauf Ersttermin: Kontaktaufnahme mit Mutter und Kind Folgetermine: Mutter-Kind-Interaktion Einbezug des älteren Bruders Einbezug des Familiensystems Gemeinsame kurze Reflektion am Ende der Stunde mit Psychotherapeutin 26
27 Erstkontakt Mutter Unsicherheit vor dem Erstkontakt Öffnet sich im Gespräch Aufgeschlossen, das Angebot wahrzunehmen Säugling: aufmerksam, zufrieden, gut reguliert, motorisch gut entwickelt Gehemmter emotionaler Zugang zu ihrem Kind Beruhigen erfolge über Körperberührung und Streicheln «Mechanisch», ohne viel Empfinden Versagens- und Schuldgefühle Versorgungskompetenzen im Alltag gut 27
28 Grundlagen der therapeutischen Intervention Vertrauensaufbau Wertschätzung, Empathie Aufnehmen der aktuellen Befindlichkeit/ Belastungsfaktoren Mutter-Kind-Interaktion ermöglichen in einem geschützten / «gestützten» Rahmen Positive Gegenseitigkeit erleben Ressourcenorientierte Arbeiten Intuitive elterliche Kompetenz stärken Kommunikationsfähigkeit stärken Feinzeichen und Signale des Kindes erkennen und beantworten Emotionale Verfügbarkeit wiederbeleben (Blockaden lösen) Stärkung des Selbstvertrauens mit Rückspiegelung positiver Interaktionssequenzen (auch videogestützt) 28
29 Behandlungsraum 29
30 30
31 Therapeutisches Angebot Entwicklungsorientiertes Begleiten Beobachten und Reflektieren der Bedürfnisse und Fähigkeiten des Säuglings («watch, wait, wonder») Reflektion von Empfindungen der Eltern Begleitung im Spielkontakt Im Zwiegespräch sein Spielerische Interaktion Körperbezogene Techniken Babymassage Schossbehandlung Anbahnen von Körperkontakt zwischen Mutter und Kind im Erleben naher Momente 31
32 Von der Dyade zur Triade 32
33 33
34 34
35 35
36 Intensives väterliches Engagement im 1. Lebensmonat hat positive Folgen für das Kind, auf das Verhältnis der Eltern und auf die Vater-Mutter-Kind- Konstellation Positives Engagement, nur wenn sich der Vater in SS und Wochenbett als nicht hilflos erleben bei 1/3 aller Väter erniedrigter Testosteronspiegel nach der Geburt Schilcher, Postpartale Depression unter Berücksichtigung der Väter,
37 Couvade Syndrom - sympathetische Schwangerschaft - Couvade-Ritual - Männerwochenbett - couver = ausbrüten - morgendliche Übelkeit, Heisshunger, - typische SS- Symptome - Erhöhtes Prolaktin 37
38 10.4% der Väter haben depressive Symptome Emotionale Maladaptation an die neue Aufgabe, Überforderung, Schlafdefizit, weniger Aufmerksamkeit von der Partnerin Auswirkung auf kindliche Entwicklung, Stabilität der Mütter und der Partnerschaft Schilcher, Postpartale Depression unter Berücksichtigung der Väter,
39 Papa und der grosse Bruder 39
40 Einbezug des Familiensystems in die Behandlungssequenzen Mutter-Kinder-Interaktion Eltern-Kinder-Interaktion 40
41 Der grosse Bruder Innerfamiliäre Rolle und Position verändert sich Emotionale Ambivalenz zwischen Nähe, Verbundenheit und Eifersucht, Konkurrenz Bedürfnis nach elterlicher Zuwendung und Aufmerksamkeit, Geborgenheit Einbezug in den Alltagsablauf mit der Schwester Selbständigkeit/ Autonomie, Entwicklungsphase mit erweiterten motorischen, kognitiven und sprachlichen Ausdrucksfähigkeiten Zeitfenster für gemeinsame Aktivitäten 41
42 Der Papa Verfügbarkeit in der schwierigen Zeit im Krankenhaus und der ersten Zeit zuhause Stützende Ressource und wertschätzende ermutigende Unterstützung und Begleitung für Mutter und Kind Feinfühliges Mass an Sensitivität und Responsivität gegenüber dem Neugeborenen Gute Vater-Kind-Beziehung zu dem älteren Kind 42
43 Verlauf und Ressourcen Verlauf Bereitschaft Unterstützung anzunehmen Reflektiertes, gutes Einlassen Anregungen in die alltägliche Situation übernommen Positive Beziehungserfahrungen mit wachsender emotionaler Verbundenheit Mehr Zutrauen in ihre mütterlichen Kompetenzen Zeiten der «Herausforderung» und Unsicherheit gemeistert Ressourcen Stabiles Familiensystem Gute Paarbeziehung Tragende familiäre soziale Beziehungen Fähigkeit zum Alltagsmanagement Krankheitsverarbeitung offene Kommunikation über die Krankheit Krankheit als zu bewältigend erlebt (erstes Kind) Kindliche Resilienz Gesundheit, Stabilität (unkompliziertes)temperament gute Anpassungsfähigkeit Bindungssicherheit über familiäre Bezugspersonen 43
44 Home Task Postpartale Depressionen bei Mütter und Väter erkennen Parenting assessment Einbezug von Umfeld Interprofessionelle und interdisziplinäre Zusammenarbeit Learning by Pinguin 44
45 Literatur Psychische Erkrankungen in Schwangerschaft und Stillzeit Riecher-Rössler, Anita (Hrsg) 2011 Postnatale Depressionen und andere psychische Probleme Ein Ratgeber für betroffene Frauen und Angehörige Postpartale psychische Störungen Ein interaktionszentrierter Therapieleitfaden Wortmann, Downing & Hornstein, 2016 Die Mutterschaftskonstellation Daniel Stern, 2006 Regulationsstörungen der frühen Kindheit: Frühe Risiken und Hilfen im Entwicklungskontext der Eltern-Kind-Beziehungen Papoušek, Schieche, & Wurmser, (Hrsg.)
46 Merci für die Aufmerksamkeit 46
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