Kap. 5: Artenschutz und Erhaltung der Biodiversität (Forts.)
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- Franka Schneider
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1 IV. Bonner Übereinkommen v zur Erhaltung der wandernden wildlebenden Tierarten (CMS) 1. Faktischer Hintergrund von den weltweit bekannten 1,5 Millionen Spezies vollziehen ca regelmäßige Wanderbewegungen zwischen zwei verschiedenen geographischen Regionen und gehören damit zu den wandernden wildlebenden Tierarten ( migratoryspecies ); eine der beiden betroffenen Regionen ist in aller Regel die Brutstätte bzw. der Ort der Fortpflanzung die wandernden Tierarten gehören angesichts von Habitatzerstörungen und Klimawandel zu den weltweit bedrohtesten Spezies 2. Rechtlicher Rahmen ein einheitliches Regime zum Schutz der wandernden wildlebenden Arten existiert ebenso wenig wie eine allgemeine Definition des Begriffs migratory species der Schutz der betreffenden Spezies wird vielmehr von einer Vielzahl einschlägiger Verträge auf universeller und regionaler Ebene erfasst, die sich hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs und ihrer Schutzansätze z.t. erheblich voneinander unterscheiden (insbesondere abhängig davon, ob die erfassten Spezies kommerziell genutzt werden oder nicht) einschlägig sind neben der CMS u.a. das Washingtoner Artenschutzübereinkommen (das nicht zwischen wandernden und nicht-wandernden Arten differenziert) 1
2 das UN-Seerechtsübereinkommen (vgl. Art. 63 und 64) die Ramsar-Konvention (Habitatschutz bzgl. Wasservögel) die CBD (vgl. die Definition von biologicaldiversity in Art. 2: diversity within species, between species and of ecosystems ) auf regionaler Ebene: das Berner Übereinkommen über die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume auf universeller Ebene ist die CMS der einzige völkerrechtliche Vertrag, der speziell dem Schutz der wandernden wildlebenden Arten unabhängig davon, ob es sich um terrestrische oder marine Spezies handelt gewidmet ist; daraus folgt aber nicht, dass die CMS gegenüber anderen relevanten Übereinkommen automatisch Vorrang genießt (s.u. 3. c)) die primäre Herausforderung für den Schutz der wandernden Arten ist erneut in dem Umstand zu sehen, dass nach allgemeinem Völkerrecht die auf, über oder unter dem Staatsgebiet lebenden bzw. lagernden Ressourcen der Souveränität des betroffenen Staats unterfallen; ein effektiver Schutz kann daher nur gewährleistet werden, wenn die Migrationsroute einer Spezies vollständig von den jeweils einschlägigen völkerrechtlichen Instrumenten erfasst wird; dies lässt sich angesichts der pactatertiis-regel aber nicht ohne weiteres durchsetzen daran ändert nichts, dass in der Präambel der CMS die Rede davon ist, dass wildanimals in their innumerable forms are an irreplaceable part of the earth s natural system which must be conserved for the good of mankind bzw. dass each generation of man holds the resources of the earth for future generations and has an obligation to ensure that this legacy is conserved and, where utilized, is used wisely 2
3 denn: in der Präambel der CMS heißt es zugleich, dass States are and must be the protectors of the migratory species of wild animals that live within or pass through their national jurisdictional boundaries keinebezugnahmeauf gemeinsames Menschheitserbe oder auf eine wie auch immer konkretisierte Treuhänderstellung der internat. Gemeinschaft der Schutz der wandernden Arten vollzieht sich demnach in den traditionellen Kategorien der internationalen Zusammenarbeit; migratory species verfügen nicht über einen eigenen Rechtsstatus andererseits: da wandernde Tierarten infolge der Migrationsbewegungen dem Jurisdiktionsbereich mehrerer Staaten (sog. Arealstaaten) unterfallen, sich also nicht an Staatsgrenzen und Meereszonen halten ( inside-outside problem ), ist internationale Kooperation zum Schutz der betreffenden Spezies zwingend erforderlich 3. Das Regime dercms a) Grundlagen die Konvention ist ein unmittelbares Resultat der United Nations Conference on Human Environment (UNCHE) in Stockholm geschlossen wurde das Abkommen am 23. Juni 1979 in Bonn; in Kraft getreten ist es am 1. November 1983; am 1. April 2013 verfügte die CMS über 119 Parteien (inkl. EU) 3
4 Hauptbeschlussgremium (beachte: es handelt sich nicht um eine internationale Organisation i.e.s.) ist gemäß Art. VII (1) CMS die Conference oftheparties ; zudem verfügt die Konvention über ein kleines Sekretariat in Bonn, das dem UNEP zugeteilt wurde b) Schutzansatz Begriff migratoryspecies wird in Art. I (1) (a) CMS definiert als entire population or any geographically separate part of the population of any species or lower taxon of wild animals, a significant proportion of whose members cyclically and predictably cross one or more national jurisdictional boundaries 4
5 mit Blick auf das Ziel, die wandernden wildlebenden Tierarten zu schützen, unterscheidet die CMS zwischen Arten, die in ihrer Existenz gefährdet sind (Art. III), und Arten, deren Erhaltungssituation ungünstigist (Art. IV); Erstere sind in Anlage I zum Übereinkommen aufgelistet (derzeit mehr als 110), Letztere in Anlage II (mehr als 200); über die Aufnahme in eine der Anlagen bzw. Listenüberführungen entscheidet die Vertragsstaatenkonferenz für Arten i.s.v. Art. III CMS gilt ein striktes Schutzgebot, das sich u.a. in dem Verbot äußert, Exemplare der erfassten Arten aus der Natur zu entnehmen (durch Jagd, Fang, absichtliche Tötung), vgl. Art. III (4) CMS; darüber hinaus sind die Vertragsparteien verpflichtet, Habitate der in Anlage I aufgelisteten Spezies zu erhalten bzw. wiederherzustellen (vgl. Art. III (5) CMS) für Arten gemäß Art. IV CMS sieht das Übereinkommen den Abschluss von AGREEMENTS zwischen den Arealstaaten vor und setzt insofern den Schwerpunkt auf regionale Ausgestaltung der universellen Rahmenvorgaben; im Vergleich mit den Anlage I- Arten ermöglicht dies theoretisch eine Schwerpunktverlagerung zugunsten einer nachhaltigen Nutzung der Großteil der kommerziell nutzbaren wandernden Arten (insbesondere Fische) ist demgemäß in Anlage II aufgelistet nach Art. V (1) CMS muss ( shall ) Ziel der AGREEMENTS aber sein, die betreffende wandernde Art auf einen günstigen Erhaltungsstand zu bringen oder auf einem solchen zu halten 5
6 bislang wurden sieben AGREEMENTS (u.a. zum Schutz der europäischen Fledermäuse, zum Schutz der kleinen Meeressäuger in Nord-und Ostsee [ASCOBANS] sowie zum Schutz der Robben des Wattenmeers) und neunzehn regionale Memoranda of Understanding (MoU) geschlossen nach Art. IV (3) CMS besteht eigentlich eine Rechtspflicht, sich um den Abschluss von AGREEMENTS zu bemühen ( shall endeavour to conclude ); hinsichtlich eines solchen pactumde negotiando hat der IGH in den North SeaContinental ShelfCasesfestgestellt, dass daraus eine obligation to enter into negotiations with a view to arriving at an agreement, not merely to go through a formal process of negotiations (ICJ Reports 1969, 3, 43) folgt Vertragsparteien, die Arealstaaten sind, müssen also aktiv auf den Abschluss von AGREEMENTS hinarbeiten die CMS verbindet somit den im Artenschutz verbreiteten Listenansatz mit dem u.a. vom Klimaschutz bekannten framework approach beachte: die Konvention differenziert zwischen AGREEMENTS (Arealstaatenabkommen) und Agreements i.s.v. Art. IV (4) CMS; Letztere beziehen sich nicht nur auf Anlage II-Arten und müssen nicht den Leitlinien entsprechen, die gemäß Art. V CMS von den Vertragsparteien bei der Aushandlung von Arealstaatenabkommen berücksichtigt werden sollen (vgl. Art. V (4) und (5) CMS: should ) nach der im Rahmen von COP 2 angenommenen Resolution 2.6 handelt es sich bei den von den Arealstaaten vereinbarten MoU (u.a. zum sibirischen Kranich, zu afrikanischen Meeresschildkröten und zum westafrikanischen Elefanten) ungeachtet ihres an sich unverbindlichen Charakters um Agreements i.s.v. Art. IV (4) CMS 6
7 die Bilanz der bislang vereinbarten MoU ist insgesamt positiv; die Gründe, weshalb dergleichen unverbindliche Vereinbarungen auf nationaler Ebene z.t. effektiver implementiert und durchgesetzt werden als verbindliche völkerrechtliche Verträge, liegen im Dunkeln; offenbar erleichtert der flexiblere Charakter von MoU die Umsetzung der betreffenden Sätze des soft law in innerstaatliches Recht c) Überlagerungen mit anderen einschlägigen Verträgen ähnlich wie die CBD enthält die CMS in Art. XII eine Kollisionsnorm, die sich dem Verhältnis der Konvention zu anderen völkerrechtlichen Verträgen widmet nach Abs. 1 der Norm genießt das im UN-Seerechtsübereinkommen kodifizierte Seerecht prinzipiell Vorrang vor den Rechten und Pflichten der Staaten aus der CMS Art XII (2) CMS ordnet den Vorrang von Altverträgender Vertragsparteien an und modifiziert insofern den lex posterior- Grundsatz; demnach besteht ein grundsätzlicher Unterschied zum Ansatz der CBD (die ja vom eigenen Vorrang im Fall der Normenkollision ausgeht) um jedenfalls auf prozeduraler Ebene einen Gleichklang zwischen den verschiedenen artenschutzbezogenen Verträgen herzustellen, haben die Sekretariate der einschlägigen Konventionen z.t. MoU vereinbart und eine joint liaison group gegründet; auf diese Weise wird die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Artenschutzes über die konkreten Konventionen hinaus koordiniert und auf eine wenn auch nicht über Außenwirkung verfügende Basis gestellt 7
8 keine Aussage enthält Art. XII CMS über das Verhältnis zu Neuverträgen enthält der sich im konkreten Fall mit der CMS kollidierende Vertrag keine Klausel, die der CMS als Altvertrag entsprechend der Regelung in Art. XII (2) CMS den Vorrang einräumt, kommen die allgemeinen Grundsätze des Vertragsrechts zur Anwendung (vgl. insbesondere Art. 30 (3) und 31 (3) der Wiener Vertragsrechtskonvention [WVK]) um einer Fragmentierung des völkerrechtlichen Artenschutzes vorzubeugen, kommt auch insoweit der Kooperation zwischen den verschiedenen Sekretariaten der Konventionen große Bedeutung zu; i.d.s. haben etwa die Vertragsparteien der CBD die CMS als lead partner in conserving and sustainably using migratory species over their entire range anerkannt (Decision VI/20, angenommen im Rahmen von CBD COP 6) V. Entwicklungen auf der institutionellen Ebene Gründung der Inter-governmental Science-Policy Platformon Biodiversity andecosystem Services (IPBES) im April 2012 mit Sitz in Bonn Vorbild: Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) Status unabhängiges intergouvernementales Forum, getragen von UNEP, FAO und UNESCO, gegründet im Auftrag der UN- Generalversammlung 8
9 die IPBES ist also nicht aus einem formalen Übereinkommen hervorgegangen, sondern beruht auf einer Vielzahl von unverbindlichen Dokumenten Ausdruck einer Tendenz zur Entformalisierung des Umweltvölkerrechts Mandat Motto fromknowledgetoaction : Aufbereitung wissenschaftlicher Datensätze und Erkenntnisse für politische Entscheidungsträger 9
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