Die Prüfungs-und Bedenkenhinweispflicht des Auftragnehmers

Transkript

1 Die Prüfungs-und Bedenkenhinweispflicht des Auftragnehmers Georg Willem Büchler Rechtsanwälte Schlatter Rechtsanwälte, Heidelberg 1

2 Gliederung Einführung Ausgangspunkt Rechtsprechung Haftungsbefreiung durch Prüfungs- und Hinweispflicht Normierung Voraussetzungen für Haftungsbefreiung Bindende Vorgaben des AG Erfüllung der Prüfungspflicht Erfüllung der Hinweispflicht 2

3 Einführung Ausgangspunkt( 633 Abs. 1 BGB / 13 Abs. 1 VOB/B): Pflicht des AN, seine Leistung frei von Sachmängeln zu erbringen Kein Sachmangel vereinbarte Beschaffenheit oder Eignung für nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung oder Eignung für gewöhnliche Verwendung. 3

4 Einführung Werk muss zweckentsprechend und funktionstauglich hergestellt werden. => Mangel, wenn das Werk diesen Vorgaben nicht entspricht. AG gibt Leistungsbeschreibung zwingend vor, diese ist aber für vereinbarte Funktion des Werkes ungeeignet => Haftung AN? 4

5 Einführung Rechtsprechung: Reine Erfolgshaftung des AN Mangelursache unerheblich Entscheidend ist, ob der vereinbarte Erfolg eintritt. 5

6 Einführung Zwischenergebnis: AN haftet, wenn die von ihm hergestellte Leistung mangelhaft ist selbst dann, wenn die Mangelursache im Verantwortungsbereich des AG oder eines Vorunternehmers liegt. Gleichgültig ist, ob AN seinen sonstigen vertraglichen Sorgfaltspflichten nachgekommen ist. 6

7 Haftungsbefreiung In diesem Fall: Haftungsbefreiung möglich als Ausnahme von der Erfolgshaftung des AN Voraussetzung dafür ist -sowohl beim VOB-, als auch beim BGB-Bauvertrag -die Erfüllung der Prüfungs- und Hinweispflicht 7

8 Haftungsbefreiung VOB-Bauvertrag- 13 Abs. 3 VOB/B Ist ein Mangel zurückzuführen auf die Leistungsbeschreibungoder auf Anordnungen des Auftraggebers, auf die von diesem gelieferten oder vorgeschriebenen Stoffe oder Bauteile oder die Beschaffenheit der Vorleistung eines anderen Unternehmers, haftet der Auftragnehmer, es sei denn, er hat die ihm nach 4 Abs. 3 obliegende Mitteilung gemacht. 8

9 Haftungsbefreiung VOB-Bauvertrag- 4 Abs. 3 VOB/B Hat der Auftragnehmer Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung, gegen die Güte der vom Auftraggeber gelieferten Stoffe oder Bauteile oder gegen die Leistungen anderer Unternehmer, so hat er sie dem Auftraggeber unverzüglich möglichst schon vor Beginn der Arbeiten schriftlich mitzuteilen; der Auftraggeber bleibt jedoch für seine Angaben, Anordnungen oder Lieferungen verantwortlich. 9

10 Haftungsbefreiung VOB-Bauvertrag- 3 Abs. 3 VOB/B Die vom Auftraggeber zur Verfügung gestellten Geländeaufnahmen und Absteckungen und die übrigen für die Ausführung übergebenen Unterlagen sind für den Auftragnehmer maßgebend. Jedoch hat er sie, soweit es zur ordnungsgemäßen Vertragserfüllung gehört, auf etwaige Unstimmigkeiten zu überprüfen und den Auftraggeber auf entdeckte oder vermutete Mängel hinzuweisen. 10

11 Haftungsbefreiung BGB-Bauvertrag ( 631 ff BGB) Keine ausdrückliche Regelung AN hat AG vor Schäden zu bewahren. AN hat das Werk frei von Sach-und Rechtsmängeln zu verschaffen. => Prüfungs- und Hinweispflicht auch beim BGB- Bauvertrag. => Haftungsbefreiung möglich. 11

12 Haftungsbefreiung Voraussetzungen für Haftungsbefreiung: Bindende Vorgaben des AG Erfüllung der Prüfungspflicht und Erfüllung der Hinweispflicht 12

13 Haftungsbefreiung Bindende Vorgaben des AG: Zwingend zu befolgende Vorgaben des AG, die dem AN keine eigene Wahl lassen, den Fehler der Ausführung zu vermeiden. Leistungsverzeichnis des AG, in dem Art und Weise der Ausführung beschrieben sind, Pläne des AG, die der AN zwingend auszuführen hat 13

14 Haftungsbefreiung Bindenden Vorgaben des AG steht es gleich, wenn AN auf andere Weise zu einer bestimmten Ausführung vertraglich gebunden ist und diese Bindung dem AG zuzurechnen ist (z. B. Anordnungen in Baugenehmigung) wenn AN auf Vorleistungen anderer Unternehmer aufbauen muss. 14

15 Haftungsbefreiung Bindende Vorgaben des AG liegen z. B. nicht vor, wenn AN das Leistungsverzeichnis selbst entworfen hat, wenn AN entscheidenden Einfluss auf die Leistungsbeschreibung hat (z. B. AN rät zu bestimmtem Material oder zu bestimmter Bauweise), wenn AG Material oder Bauweise lediglich vorschlägt. 15

16 Prüfungspflicht Umfang der Prüfungspflicht Prüfungspflicht = Pflicht des AN, die Leistungsbeschreibung und die sonstigen bindenden Anordnungendes AG, die vorgeschriebenen Stoffe oder Bauteile und die Vorleistungen anderer Unternehmer auf ihre Eignung für eine mangelfreie Herstellung zu prüfen. 16

17 Prüfungspflicht AN hat nur Prüfungen vorzunehmen, die er mit den ihm üblicherweise zur Verfügung stehenden Mitteln auch ausführen kann. Der Rahmen der Prüfungspflicht und ihre Grenzen ergeben sich aus dem Grundsatz der Zumutbarkeit, wie sie sich nach den besonderen Umständen des Einzelfalls darstellt. 17

18 Prüfungspflicht Umfang richtet sich in erster Linie nach dem vom AN zu erwartenden Fachwissen und den Umständen, die für den AN bei hinreichend sorgfältiger Prüfung als bedeutsam erkennbar sind. Von Bedeutung sind dabei z. B. Art und Umfang der Bauleistung, vom AN zu erwartende Fähigkeiten und Kenntnisse, die Sachkunde des AG. 18

19 Prüfungspflicht z. B. vom AN zu erwartende Fähigkeiten und Kenntnisse Es ist auf das abzustellen, was unter üblichen Umständen bei einem auf dem betreffenden Fachgebiet tätigen Fachunternehmer vorausgesetzt werden kann, z. B. jeweiliger Stand der anerkannten Regeln der Technik, Beherrschung relevanter Normwerke, fortlaufende Information über neue Entwicklungen. Die zur Herstellung des Werkes erforderlichen fachlichenkenntnisse und Fertigkeiten werden beim AN vorausgesetzt. 19

20 Prüfungspflicht Keine Entschuldigung: fehlende Kenntnisse und Fähigkeiten. Der lediglich ausführende AN muss i.d.r. nicht über Spezialkenntnisse der Fachplaner verfügen. ABER: Weist sich AN als Spezialunternehmer aus, werden entsprechende Spezialkenntnisse von ihm erwartet => es müssen hohe Anforderungen an seine Prüfungspflicht gestellt werden. 20

21 Prüfungspflicht z. B. Sachkunde des AG AG / Fachplaner verfügen über Spezialwissen: Prüfungs-und Hinweispflicht des AN entfällt nur dann, wenn AG über besondere, evtl. sogar überlegene Spezialkenntnisse verfügt. Der AN darf sich insbesondere auf die Fachplanung bei erkennbaren Lücken und Mängeln nicht verlassen. 21

22 Prüfungspflicht Arbeit des AN steht in engem Zusammenhang mit Vorleistung eines anderen Unternehmers: AN muss ggf. geeignete Erkundigungen einholen, ob diese Vorleistung eine geeignete Grundlage für sein Werk bietet und nicht einer mangelfreien Erbringung seiner Leistung entgegensteht. Prüfungspflicht betrifft nur solche mangelhaften Vorleistungen anderer AN, die die eigenen Leistungen des anzeigepflichtigen AN berühren. 22

23 Prüfungspflicht Zwischen der Vorleistung des anderen AN und der eigenen Leistung des AN muss ein natürlicher Sachzusammenhang bestehen. 23

24 Gliederung Der Bedenkenhinweis a. Einführung b. zur rechten Zeit c. in der gebotenen Form d. in der gebotenen Klarheit e. richtiger Adressat f. Haftungsbefreiung g. Beweislast h. Fazit Georg Willem Büchler 24

25 a. Einführung VOB/B-Vertrag 4 Abs. 3 VOB/B (Ausführung): Hat der Auftragnehmer Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung(auch wegen der Sicherung gegen Unfallgefahren), gegen die Güte der vom Auftraggeber gelieferten Stoffe oder Bauteile oder gegen die Leistungen anderer Unternehmer, so hat er sie dem Auftraggeber unverzüglich -möglichst schon vor Beginn der Arbeiten -schriftlich mitzuteilen; der Auftraggeber bleibt jedoch für seine Angaben, Anordnungen oder Lieferungen verantwortlich. 13 Abs. 3 VOB/B (Mängelansprüche): Ist ein Mangel zurückzuführen auf die Leistungsbeschreibung oder auf Anordnungen des Auftraggebers, auf die von diesem gelieferten oder vorgeschriebenen Stoffe oder Bauteile oder die Beschaffenheit der Vorleistung eines anderen Unternehmers, haftet der Auftragnehmer, es sei denn,er hat die ihm nach 4 Absatz 3 obliegende Mitteilung gemacht. Georg Willem Büchler 25

26 a. Einführung BGB-Vertrag Prüfungs-und Hinweispflicht resultiert direkt aus 631 BGB. Mit Vertragsschluss trifft den Unternehmer die Verpflichtung, ein mangelfreies Werk herzustellen. Er hat dann die vertraglichen Rahmenbedingungen daraufhin zu überprüfen, ob sie geeignet sind, ein mangelfreies Werk entstehen zu lassen. Führt die Verletzung dieser Pflicht dazu, dass das Werk mangelhaft erstellt wird, ist der Vertrag nicht erfüllt. Daneben bestehen Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung der Prüfungs-und Hinweispflicht. (vgl. Kniffka, IBR-Online-Kommentar Bauvertragsrecht, 631 BGB, Rn.190) Georg Willem Büchler 26

27 b. zur rechten Zeit Als Vertragspflicht hat Bedenkenhinweis nicht vor Vertragsschluss zu erfolgen, sondern unverzüglich (= ohne schuldhaftes Zögern) nach Feststellung der Tatsachen, die die Bedenken begründen. Die Prüfung und Mitteilung hat spätestens vor Aufnahme der Arbeiten zu erfolgen. Treten Bedenken erst später auf, ist der Hinweis unverzüglich nachzuholen. Bereits durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen entstehen Pflichten zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Vertragspartners. Erkennt der Auftragnehmer vor Vertragsschluss die Ungeeignetheit der Ausschreibung, haftet er evtl. aus 311 Abs. 2 Nr. 1 ivm 241 Abs. 2, ( culpa in contrahendo ). Erkennt der AN erst nach Erbringung und Abnahme seiner Leistungen die Ungeeignetheit der Planung, darf AG den AN nicht ins offene Messer laufen lassen. In diesem Fall kann er nach Treu und Glauben zur Aufklärung verpflichtet sein, den Bauherrn auf Risiken der Bauausführung hinzuweisen. Georg Willem Büchler 27

28 c. in der gebotenen Form Unterscheidung zwischen VOB/B-Vertrag & BGB-Vertrag VOB-Vertrag: 4 Abs. 3 VOB/B: Hinweis muss schriftlicherfolgen. Schriftform, 127 Abs. 1, 126 Abs. 1 BGB Unterschrift erforderlich Achtung: Einfache reicht im Zweifel nicht aus Wird formal unzureichender Hinweis gegeben, trägt AN aber evtl. Mitschuld. Haftungsquotelung BGB-Vertrag BGB-Vertrag: Schriftform nicht vorgeschrieben, Hinweis kann also auch mündlich erfolgen. Achtung: Darlegungs-und Beweislast beim AN. Hinweis sollte daher auch beim BGB-Vertrag unbedingt schriftlich erteilen. Sonst nur Zeugenbeweis möglich. Georg Willem Büchler 28

29 d. Klarheit des Bedenkenhinweises Mit dem Bedenkenhinweis muss der Unternehmer den Besteller die nachteiligen Folgen und Gefahren für das vorgesehene Werk konkret darlegen, die sich aus den unzureichenden Vorgaben ergeben. Der Bedenkenhinweis muss inhaltlich klar, vollständig und erschöpfend sein. Der Besteller muss daraus die Konsequenzen entnehmen können, die bei Nichtbefolgung drohen. (OLG Düsseldorf, Urteil vom ; AZ: 21 U 62/14) Hinweis besteht aus drei Teilen: Welche Arbeiten stehen an und sind betroffen? Welche Probleme wurden erkannt? Was kann passieren, wenn die Arbeiten wie beauftragt durchgeführt werden? Wichtig: Keine Lösungsvorschläge unterbreiten Planungsleistung, welche u.u. zur Haftung des AN führt Falls AN trotzdem Lösungsvorschlag abgibt: Haftungsrisiko! AG muss für Mangelfreiheit der Leistungen der Vorunternehmer sorgen. Falls AG auf Hinweise nicht reagiert: 642 BGB (Entschädigung), 643 BGB (Kündigung), 645 BGB (Vergütung) Georg Willem Büchler 29

30 e. richtiger Adressat Bedenken müssen vom Auftraggeber oder einem Erklärungsgehilfen erhoben werden. Hinweis muss an den Auftraggeber oder an einen Bevollmächtigten ergehen. Personal des Auftraggebers: Bauleiter = Empfangsbevollmächtigter. Ignoriert er die Bedenken, muss AG informiert werden! Architekt ist grundsätzlich nicht als Bevollmächtigter zu betrachten, es kommt aber jeweils auf den Einzelfall an. Wenn Grundlage des Bedenkenhinweises ein Planungsfehler des Architekten ist, MUSS Hinweis an AG erfolgen. Umstände des Einzelfalls entscheidend, insb. organisatorische Stellung. Im Zweifel sollte immerein Hinweis an den AG erfolgen, ggf. Durchschlag an das Personal Georg Willem Büchler 30

31 a. Zur rechten Zeit b. In der gebotenen Form c. In der gebotenen Klarheit d. Richtiger Adressat Georg Willem Büchler 31

32 f. Haftungsbefreiung Auftragnehmer wird von Mängelhaftung nach 13 Abs. 4 VOB/B frei, wenn er die Fehlerhaftigkeit der Vorleistung nicht erkennen konnte. er ordnungsgemäß auf seine Bedenken hingewiesen hat und AG trotzdem auf Erbringung der bedenklichen Leistung besteht. Schweigt der AG auf einen Bedenkenhinweis, muss Einzelfall betrachtet werden. Im Zweifelsfall nochmals nachfragen und Rechte aus 642 BGB (Entschädigung), 643 BGB (Kündigung), oder 645 BGB (Vergütung) geltend machen. er seine Hinweispflicht zwar verletzt hat, dies jedoch nicht ursächlich dafür war, dass fehlerhafte Vorgaben, bzw. Vorleistungen nicht korrigiert wurden. Falls Auftragnehmer auf Bedenken gegenüber eine Ausführung hinweist und Auftraggeber darauf nicht eingeht und sich weigert, den Auftragnehmer von der Haftung freizustellen: Leistungsverweigerungsrecht Georg Willem Büchler 32

33 g. Beweislast Den Auftragnehmer trifft für alle Merkmale, die zu einer Haftungsbefreiung führen, die Darlegungs- und Beweislast! Er muss also vortragen und beweisen, dass die Verfehlung der Zweck-und Funktionstauglichkeit des Werkes auf bindende Anordnungen des Auftraggebers zurückzuführen ist und er seiner Prüfund Hinweispflicht nachgekommen ist. SchriftlicheBedenkenhinweise sollten daher gut dokumentiert mindestens für die Dauer der Gewährleistungsfrist aufbewahrt werden. Bsp.: Heizungsanlage wird nicht warm, weil Blockheizkraftwerk nicht ausreichend Wärme abgibt. AN trifft Beweislast, dass er nicht erkennen konnte, dass das BHKW keine ausreichende Wärmequelle sein konnte. Georg Willem Büchler 33

34 h. Fazit Prüfungs-und Bedenkenhinweispflicht als elementarer Bestandteil der Vertragsabwicklung. Bedeutung wird oftmals unterschätzt. Es wird schon gutgehen. Chancen und Risiken für Auftragnehmer. Bedenkenhinweise sollten grundsätzlich schriftlich (Unterschrift) erklärt werden. Sorgfältige Dokumentation und Aufbewahrung der Bedenkenhinweise als Absicherung für den Streitfall. Bei Rückfragen stehen wir Ihnen jederzeit zur Verfügung. Georg Willem Büchler 34

35 Georg Willem Büchler 35