Baulärm in Innenstädten

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1 Baulärm in Innenstädten ALD-Herbstveranstaltung Innenstadtverdichtung Volker Pischke Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt Berlin 1

2 Baulärm eine eigene Lärmart Im Immissionsschutz in Deutschland werden eine Reihe von Lärmarten unterschieden, für die es jeweils eigenständige Regelungen und Zuständigkeiten gibt. Physik der Geräusche und Physiologie der Wahrnehmung sind für alle Lärmarten gleich, dennoch hat die unterschiedliche Beurteilung aufgrund der unterschiedlichen Einstellungen und der subjektiven Bewertung durch die Betroffenen ihre Berechtigung. 2

3 Besonderheiten des Baulärms Irgendwann hat es ein Ende!! Folge: Zuversicht und relative Toleranz 3

4 Besonderheiten des Baulärms Unterschiedliche Emissionen in verschiedenen Bauphasen Unterschiedliche Emissionen durch unterschiedliche Technologien während der Bauphasen Unterschiedliche Geräuscheigenschaften durch sehr unterschiedliche Schallquellen Unterschiedliche Intensität und Dauer der Geräusche Folge: Unsicherheit und Angst vor dem was kommt 4

5 Besonderheiten des Baulärms Die Emissionen sind hinsichtlich Dauer, Einwirkzeit, Pegelhöhe, Entstehungsort usw. stark vom Einzelfall abhängig (Bauarbeiter sind oft robuste Naturen). Folge: Hohes Konfliktpotential Die Einstellung der Betroffenen zum Baulärm ist eine ganz besondere und dem ist Rechnung zu tragen!! 5

6 AVV Baulärm (Beilage zum BAnz. Nr. 160 vom ) Konzept der Immissionsrichtwerte (IRW) z. B. allgemeines Wohngebiet tagsüber nachts 55 db(a) 40 db(a) Begrenzung der Spitzenpegel nur nachts!! hier 60 db(a) Die Behörde soll Maßnahmen zur Geräuschminderung ergreifen, wenn der Richtwert um mehr als 5 db überschritten ist. Beurteilungszeiten: Tag bis Uhr Nacht bis Uhr 6

7 Richtwerteinhaltung?? Bagger: L WA = 101 db(a) Bei ca. 5 m Abstand (ohne Reflexionen) L p ca. 79 db(a) IRW = 55 db(a) Was tun? 7

8 Maßnahmen bei Richtwertüberschreitungen? Nach Nr. 4.1 der AVV Baulärm Maßnahmen an der Baustelleneinrichtung? Maßnahmen an den Baumaschinen? Geräuscharme Baumaschinen? Geräuscharme Bauverfahren? Beschränkung der Betriebszeit? Zeitkorrektur nach Nr. 6.7 AVV Baulärm 8

9 Maßnahmen bei Richtwertüberschreitungen Also Schaufeln? Fazit Die Forderungen der AVV Baulärm sind im innerstädtischen Bereich durch den massiven Maschineneinsatz oft nicht einhaltbar. Gebaut werden soll trotzdem! 9

10 Maßnahmen bei Richtwertüberschreitungen Problemlösung bisher Erfahrungsgemäß treten Beschwerden über Baulärm tagsüber erst bei Beurteilungspegeln um 70 db(a) auf. Erst dann wurden Maßnahmen zur Schallminderung in Berlin behördlich durchgesetzt. Man kann die Beschwerdesituation z. T. dadurch erklären, dass in den letzten Jahrzehnten die Schalldämmung der Fenster sich verbessert hat und das Prinzip, dass es bei Baulärm zumutbar ist, die Fenster geschlossen zu halten, anerkannt ist. Auch das Auftreten von Beschwerden bei Dominanz von tieffrequenten Immissionen bei weniger als L r =70 db(a) belegt die Bedeutung der Schalldämmung durch die Fenster bei der Beurteilung von Baulärm. 10

11 Maßnahmen bei Richtwertüberschreitungen ABER Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10. Juli 2012 (BVerwG 7 A 11.11) Nr. 32: Da die AVV Baulärm als Maßstab für die Zumutbarkeit von Baustellenlärm auf die abstrakt bestimmte Schutzwürdigkeit von Gebieten abhebt, kommen Abweichungen vom Immissionsrichtwert nach oben vielmehr nur dann in Frage, wenn die Schutzwürdigkeit des Einwirkungsbereiches der Baustelle im konkreten Fall ausnahmsweise geringer zu bemessen ist als in den gebietsbezogen festgelegten Immissionsrichtwerten. 11

12 Maßnahmen bei Richtwertüberschreitungen Folge: Wir müssen strenger werden!? In vielen Fällen müssten Maßnahmen gefordert werden, die einen Zustand herstellen, der deutlich leiser ist, als der, den Betroffene zumeist tolerieren. Noch ein ABER Das Urteil legt einen zu tolerierenden Beurteilungspegel von 71 db(a) fest. Dazu wurden die Staatsoper, die Humboldt-Universität, die Staatsbibliothek, die Russische Botschaft usw. so beurteilt, als lägen Sie in einem Gewerbegebiet. 12

13 Interpretation Interpretation des Urteils: Die Richter haben der Rechtslage und der Realität genüge getan. Da das Urteil in anderen Fallkonstellationen (z.b. bei Tiefbauarbeiten am Kampus der Uni Potsdam am Neuen Palais) zu Widersprüchen führen muss, haben die Richter einen gewissen Klärungsbedarf aufgezeigt. Die Urteilsbegründung zeigt auch, dass die Richter nach Gründen gesucht haben, von der AVV Baulärm abweichen zu können. 13

14 Aktuelles Handeln Hessen: Bauvorlagenerlass v : Bauherr versichert durch Unterschrift die Einhaltung der Richtwerte der AVV Baulärm Wenn Zweifel an der Einhaltung bestehen, ist eine Prognose vorzulegen, die - wenn nötig - nachweist, dass alle Maßnahmen zur Schallminderung ausgeschöpft werden. Berlin: Vorerst wird die bewährte Handlungsweise bei Beschwerden über Baulärm beibehalten (ca. 70 db(a)). Eisenbahnbundesamt: Gemäß der 24. BImSchV ist tagsüber ein Innenpegel von 40 db(a) einzuhalten. Das Rechenverfahren dieser Vorschrift ergibt übertragen auf Baulärm bei besonderer Berücksichtigung der hohen tieffrequenten Geräuschanteile einen tagsüber zu tolerierenden Baulärm-Beurteilungspegel von 67 db(a). Das kann kein Zufall sein! 14

15 Fazit Das Schutzbedürfnis der Betroffenen wird durch die AVV Baulärm nicht adäquat abgebildet! Dies wird auch dadurch deutlich, dass die heute vielfach angewendeten Körperschall anregenden Bauarbeiten im baulichen Verbund (z. B. bei energetischen Sanierungen, Wohnungsumbauten), die häufig im gesamten Gebäude wirken und lange Zeit Innenpegel zwischen 60 und 70 db(a) verursachen, in der AVV Baulärm nicht betrachtet werden. Bis auf die Reduzierung der Einwirkzeit gibt es kaum Minderungsmöglichkeiten. Somit sind Beurteilungspegel innen von mindestens 50 db(a) nicht zu vermeiden. Da stellt die Praxis des EBA und Berlins gegenüber Baulärm von außen deutlich höhere Anforderungen. Weitergehende Forderungen gegenüber Baulärm von außen sind dem gegenüber unverhältnismäßig! 15

16 Fazit Da durch das Urteil des BVerwG die bisherige Praxis einer sehr weiten Auslegung der Immissionsrichtwerte nicht ohne Weiteres aufrecht zu erhalten ist, aber im Baugeschehen und in der Beurteilung von Baulärm durch die Betroffenen sich Änderungen vollzogen haben, ist eine entsprechende Rechtssetzung erforderlich. Die Rechtssetzung muss auf der Basis der Expertise der Fachleute vorgenommen werden, da innerhalb der bestehenden Rechtssystematik kein Änderungsbedarf besteht, dieser von den Fachleuten jedoch schon lange erkannt ist. 16